TE OGH 1956/11/21 7Ob479/56

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Veröffentlicht am 21.11.1956
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Norm

ABGB §879
ABGB §932
ABGB §1296
ABGB §1298
ABGB §1299
Handelsgesetzbuch §346
Handelsgesetzbuch §347

Kopf

SZ 29/76

Spruch

Ein die Schadenersatzpflicht des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches ausschließender Handelsbrauch ist gesetzwidrig und daher unbeachtlich.

An dem Grundsatz, daß der Kläger das Verschulden des Übergebers nach § 932 Abs. 1 Satz 2 ABGB. nachzuweisen hat, wird durch die Bestimmung des § 1299 ABGB. nichts geändert.

§ 1298 ABGB. findet bei Eintritt eines Schadens durch Nichterfüllung, nicht bei einem solchen durch Schlechterfüllung Anwendung.

Bei Fehlen der ausdrücklich zugesicherten Eigenschaft der verkauften Ware hat der Kaufmann den Mangel eines Verschuldens bei seiner Zusage zu beweisen.

Entscheidung vom 21. November 1956, 7 Ob 479/56.

I. Instanz: Bezirksgericht für Handelssachen Wien; II. Instanz:

Handelsgericht Wien.

Text

Die Klägerin hat beim Beklagten 2 Carboplandichtungen zum Preis von 425 S 60 g gekauft, nachdem ihr vorher vom Beklagten ausdrücklich zugesichert worden war, daß diese für Ammoniak geeignet seien. Die Dichtungen waren für zwei Pumpenanlagen für Ammoniak bestimmt, die die Klägerin an einen Kunden geliefert hatte. Da sich in der Folge die Carboplandichtungen für Ammoniak als ungeeignet erwiesen, sah sich die Klägerin genötigt, an deren Stelle Schleifringpackungen einzubauen. Die Klägerin begehrt die Rückzahlung des für die Carboplandichtungen bezahlten Fakturenbetrages in Höhe von 425 S 60 g und ferner aus dem Titel des Schadenersatzes einen Betrag von 1847 S, im wesentlichen für Montagekosten, die ihr infolge der Unbrauchbarkeit der vom Beklagten gelieferten Carboplandichtungen erwachsen sind.

Das Erstgericht erkannte, daß die Klagsforderung mit dem Betrage von 2272 S 60 g zu Recht bestehe, ferner daß die aufrechnungsweise geltend gemachte Gegenforderung des Beklagten von 457 S für zwei am 4. Mai 1954 gelieferte Ersatzdichtungen nicht zu Recht bestehe. Es verurteilte demgemäß den Beklagten zur Zahlung des Betrages von 2272 S 60 g samt Nebengebühren. Im einzelnen stellte das Erstgericht fest, daß die Klägerin zum Ein- und Ausbau der Dichtungen, der in der Folge gelieferten Ersatzteile und der neuen Dichtungen sowie für den schließlichen Einbau der Stahlschleifringpackungen 100 1/2 Montagestunden zu je 18 S, d. s. also 1809 S, aufgewendet und zur Abdichtung 1/4 kg Amorphit zum Preise von 38 S verbraucht habe. Diese Auslagen seien durch Verschulden des Beklagten entstanden, da er durch Ing. B. die Verwendbarkeit der Carboplandichtungen zur Abdichtung gegen Ammoniakgase ausdrücklich zugesagt habe. Wegen Unverwendbarkeit der zunächst gelieferten Carboplandichtungen könne die Klägerin den Fakturenbetrag von 425 S 60 g zurückverlangen. Der Gegenanspruch bestehe nicht zu Recht, weil die später gelieferten Dichtungen gleichfalls unbrauchbar gewesen seien.

Infolge Berufung des Beklagten hob das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil in seinem den Betrag von 425 S 60 g übersteigenden Teil und im Kostenausspruch auf und verwies die Rechtssache im Umfang der Aufhebung zu neuer Entscheidung an das Erstgericht zurück. Im übrigen wurde das erstgerichtliche Urteil als Teilurteil bestätigt.

Das Berufungsgericht übernahm alle Feststellungen des Erstgerichtes und schloß sich auch dessen rechtlicher Beurteilung dahin an, daß die Klägerin wegen eines unbehebbaren Mangels der gelieferten Dichtungen zur Wandelung berechtigt und der Pflicht, für die beiden nachgelieferten, gleichfalls unbrauchbaren Dichtungen Zahlung zu leisten, enthoben war (§ 932 ABGB.).

Hingegen sei das erstgerichtliche Urteil unschlüssig, soweit es aus der bloßen Tatsache, daß der Beklagte die von ihm verkauften Carboplandichtungen als für Ammoniak verwendbar erklärte, ein seine Ersatzpflicht begrundendes Verschulden gefolgert habe. Ein Verschulden des Veräußerers sei nur dann anzunehmen, wenn er von dem Mangel gewußt habe oder bei gehöriger Aufmerksamkeit davon hätte wissen müssen, wobei der Beklagte die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes aufzuwenden hatte (§ 347 HGB.). Wurde aber diese Sorgfalt aufgewendet und hatte der Veräußerer trotzdem keine Kenntnis von dem Mangel, so treffe ihn kein Verschulden und damit ohne Sonderbestimmung keine Haftung. Das Bestehen des Mangels allein sei noch kein Beweis für ein Verschulden. Die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die Feststellung des Mangels hinreiche, um ein Verschulden des Veräußerers daraus abzuleiten, treffe somit nicht zu. Die Klägerin habe wohl ihren Anspruch auf den Titel des Schadenersatzes gestützt, also abstrakt ein Verschulden des Beklagten behauptet, es fehle jedoch an konkreten Behauptungen, aus denen sich das Verschulden des Beklagten ergebe. Der Anspruch sei wohl schlüssig begrundet, aber nicht genügend konkretisiert. Der Beklagte habe nur allgemein sein Verschulden bestritten, ohne genaue Behauptungen aufzustellen. Das Erstgericht hätte somit die Parteien zur Aufstellung entsprechender Behauptungen und zur Anbietung von Beweisen anleiten müssen. Es hätte erheben müssen, auf Grund welcher Umstände der Beklagte die Zusage gemacht hat. Der Beklagte vertreibe Erzeugnisse der Firma Gustav H., die nach den Angaben des Sachverständigen auf ihrem Gebiet Weltruf genießen. Wenn das richtig sei, dann treffe den Beklagten bei seiner Zusage, sofern er diese auf Grund von Mitteilungen der Firma H. an ihn in gleicher Richtung gemacht habe und er auf Grund des Rufes der Firma H. darauf vertrauen konnte, kein Verschulden, es wäre denn, daß der Beklagte auf Grund anderer Umstände, etwa wegen eines gleichen vorangegangenen Falles, Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Anpreisung haben mußte.

Ein weiterer wesentlicher Verfahrensmangel sei auch in der Nichteinholung des vom Beklagten beantragten Gutachtens der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft darüber gelegen, daß im Maschinenhandel ein Handelsbrauch bestehe, wonach die Mängelhaftung des Lieferers (Letztverkäufers) nur die Beseitigung der Mängel und Durchführung der Reparatur umfasse und jeder weitergehende Anspruch ausgeschlossen sei. Wenn ein Handelsbrauch dieses Inhalts bestunde, wäre dies wesentlich, weil dann die Klägerin den vorliegenden Anspruch nicht geltend machen könnte.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der klagenden Partei Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem eine neuerliche Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es ist der Ansicht des Berufungsgerichtes zuzustimmen, daß der Schadenersatzanspruch, den § 932 Abs. 1 Satz 2 ABGB. dem Übernehmer vorbehält - und um einen solchen handelt es sich im gegebenen Fall - , ein rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten des Veräußerers voraussetzt. Daher haben grundsätzlich die allgemeinen Beweislastregeln des § 1296 ABGB. zu gelten, wonach die Klägerin nicht nur zu behaupten und zu beweisen hat, daß ein Schaden vorliegt und daß der Schaden durch den Beklagten verursacht worden ist, sondern auch, daß den Beklagten daran ein Verschulden trifft. An diesem Grundsatz hat die Bestimmung des § 1299 ABGB. nichts geändert. Diese Gesetzesstelle enthält keine Umkehrung der Beweislast, sondern hebt nur den Grad der Diligenzpflicht besonders hervor. Die Meinung des Rekurses, daß der Beklagte deshalb, weil er eine ausdrückliche Garantie für die Qualität der von ihm gelieferten Carboplandichtungen übernommen habe, gemäß § 1298 ABGB. seine Schuldlosigkeit nachzuweisen habe, ist irrig. Der Rekurs übersieht, daß § 1298 ABGB. nur dann Anwendung zu finden hat, wenn durch die Nichterfüllung ein Schaden eingetreten ist, nicht aber dann, wenn ein Kontrahent anläßlich einer Schulderfüllung durch Schlechterfüllung geschädigt worden ist (vgl. die Bemerkungen Wahles zur Entscheidung Rspr. 1932 Nr. 34, Wolff in Klang 1. und 2. Aufl. zu § 1298 ABGB.; 1 Ob 190/55 u. a.).

Nicht zu billigen vermag der Oberste Gerichtshof die Ansicht des Berufungsgerichtes, die klagende Partei habe das Verschulden des Beklagten nicht hinlänglich konkretisiert und nachgewiesen. Die klagende Partei hat in dieser Richtung vorgebracht, daß der Beklagte ausdrücklich garantiert habe, es seien die bestellten und gelieferten Carboplandichtungen speziell als Dichtungen für Ammoniak geeignet. Nun ist es wohl richtig, daß das Fehlen dieser zugesicherten Eigenschaft allein noch keinen Beweis für ein Verschulden bildet. Im vorliegenden Fall kommt aber dazu, daß der Beklagte seine von den Untergerichten festgestellte Garantieerklärung in seiner Eigenschaft als Kaufmann gegeben hat, der mit derlei Dichtungen Handel treibt. Die Klägerin durfte daher, als sie zu dem Beklagten in geschäftliche Verbindung trat, voraussetzen, daß der Beklagte bei Abgabe seiner Zusage die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes anwenden werde, zu der er gemäß § 347 HGB. verpflichtet ist. Sie konnte darauf vertrauen, daß der Beklagte die Zusage nur deshalb gegeben habe, weil er sich schon vorher darüber Gewißheit verschafft hatte, daß die Carboplandichtungen, so wie dies in seinem Schreiben zum Ausdruck kommt, "sowohl gegen Flüssigkeiten wie gegen Gase, d. h. Wasser, Öl, Lauge, Säuren, gesättigten Dampf, Ammoniakgas usw." absolut dichten. Wenn sich nun im gegebenen Fall trotz dieser ausdrücklichen Zusage die Unbrauchbarkeit der vom Beklagten gelieferten Carboplandichtungen herausgestellt hat, dann ist anzunehmen, daß der Beklagte bei Abgabe seiner Garantieerklärung die Sorgfalt, für die er als ordentlicher Kaufmann nach § 347 HGB. einzustehen hat, außer acht gelassen, also fahrlässig gehandelt hat. In einem solchen Falle, der nach der gewöhnlichen Lebenserfahrung typisch auf ein Verschulden des Schädigers hinweist, hat aber der Geschädigte, wenn er überdies noch den Ursachenzusammenhang zwischen schädigendem Ereignis und eingetretenem Schaden lückenlos nachweist, seiner ihm nach § 1296 ABGB. obliegenden Beweispflicht genügt, und es muß, wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung ZBl. 1932 Nr. 299 zum Ausdruck gebracht hat (vgl. auch Wolff a. a. O. zu § 1296 ABGB. ferner die Entscheidung EvBl. 1956 Nr. 249), dem Schädiger überlassen werden, den Mangel eines Verschuldens nachzuweisen. Daher wäre es dem Beklagten obgelegen, solche Tatsachen zu behaupten und unter Beweis zu stellen, aus denen ersichtlich gewesen wäre, daß er ohne Verletzung der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht den von ihm gelieferten Carboplandichtungen Eigenschaften beigelegt hat, die sie nicht besaßen. Der Beklagte hat aber gegenüber dem Klagsanspruch lediglich eingewendet, daß er die Bestellung in seiner Eigenschaft als Generalvertreter der Firma Gustav H. entgegengenommen habe (also passiv nicht legitimiert sei) und daß er der Klägerin gegenüber keinerlei Garantie abgegeben habe. Angesichts dieses Prozeßstandpunktes des Beklagten, der im Falle der Richtigkeit zur Abweisung des Klagebegehrens hätte führen müssen, bestand für das Prozeßgericht kein Anlaß, den Beklagten im Sinne des § 182 ZPO. zu einer Vervollständigung seiner Angaben anzuleiten. Es ist nicht Aufgabe des Prozeßgerichtes, falls sich die gegenüber dem Klagsanspruch erhobenen Einwendungen als unstichhältig erweisen, den rechtsfreundlich vertretenen Beklagten dazu zu verhalten, noch andere mögliche Umstände zur Entkräftung des geltend gemachten Anspruches vorzubringen (vgl. 3 Ob 263/53).

Es liegt also in diesem Punkt kein Feststellungsmangel vor.

Auch die Einholung des vom Beklagten beantragten Gutachtens der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft war nicht erforderlich. Dieses Gutachten soll darüber Aufschluß geben, daß im Maschinenhandel ein Handelsbrauch bestehe, wonach die Mängelhaftung des Lieferers nur die Beseitigung des Mangels und die Durchführung der Reparatur umfasse und jeder weitergehende Anspruch ausgeschlossen sei. Ganz abgesehen davon, daß sich der angeblich bestehende Handelsbrauch nur auf die Gewährleistung bezieht, während es sich im vorliegenden Falle um einen Schadenersatzanspruch handelt, wäre ein die Schadenersatzpflicht des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches ausschließender Handelsbrauch gesetzwidrig und daher unbeachtlich (SZ. VI 338).

Es bedarf daher keiner weiteren Prüfung des Inhaltes des vom Beklagten behaupteten Handelsbrauches. Die Sache ist vielmehr vom Standpunkt der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes schon jetzt spruchreif.

Anmerkung

Z29076

Schlagworte

Beweislast bei der Gewährleistung, Verschulden, Garantieerklärung eines Kaufmannes, Sorgfaltspflicht, Gesetzwidrigkeit eines Handelsbrauches, Gewährleistung, Beweislast für Verschulden, Handelsbrauch, Ausschluß der Schadenersatzpflicht, Nichterfüllung, Beweislast, Schadenersatz, Schadenersatzpflicht, Ausschluß durch Handelsbrauch, Beweislast, Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns, Garantieerklärung, Verschulden bei Gewährleistung, Beweislast

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1956:0070OB00479.56.1121.000

Dokumentnummer

JJT_19561121_OGH0002_0070OB00479_5600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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