TE OGH 1956/12/19 7Ob621/56

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Veröffentlicht am 19.12.1956
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Norm

EO §37
EO §42
EO §382 Z5
Vierte Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art8 Nr. 14

Kopf

SZ 29/86

Spruch

Das Pfandverkaufsverfahren nach Art. 8 Nr. 14 der 4. EVZHGB. ist kein Exekutionsverfahren. Keine Anwendung der §§ 37 und 42 EO. Es ist jedoch eine Klage auf Feststellung des Eigentumsrechtes und Unterlassung des Pfandverkaufes sowie ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Sinne des § 382 Z. 5 EO. möglich.

Entscheidung vom 19. Dezember 1956, 7 Ob 621/56.

I. Instanz: Bezirksgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:

Kreisgericht Wiener Neustadt.

Text

Die Beklagte hat beim Bezirksgericht Wiener Neustadt den Verkauf verschiedener Fahrnisse, die ihr von Blanka K. als Pfand für eine Forderung von 49.367 S 04 g übergeben wurden, gemäß Art. 8 Nr. 14 der 4. EVzHGB. erwirkt; die Durchführung wurde einem Notar als Gerichtskommissär übertragen; für den 24. Juli 1956 war der Verkauf angesetzt.

Am 23. Juli 1956 brachte die Klägerin zu 6 C 22/56 des Erstgerichtes eine auf § 37 EO. gestützte Klage auf Unzulässigerklärung der von der Beklagten begehrten Pfandrechtsrealisierung ein, in der sie behauptete, die Pfandgegenstände seinerzeit unter Eigentumsvorbehalt an die Firma "L., Lacke, Farben, Materialwaren, Alleininhaber Adolf K." um 25.000 S verkauft zu haben; zur Deckung des Kaufpreises habe der Käufer einen Wechsel akzeptiert, eine Firma "L., Lack- und Farbenerzeugung Blanka K." habe ein Mitakzept gegeben; diesen Wechsel habe die Klägerin an die V.-Bank reg. Genossenschaft m. b. H. in Wiener Neustadt indossiert, und diese habe ihn mangels Zahlung protestiert; die V.-Bank habe die Klägerin im Regreßweg geklagt und an den strittigen Fahrnissen Pfandrechte erworben, womit im Hinblick auf das Beweisanerbieten (Akt E 2239/56) offenbar exekutive Pfändung gemeint ist; die strittigen Fahrnisse seien aber außerdem durch die Firma "L." der beklagten Partei vertraglich verpfändet worden, obgleich dieser das Eigentum der Klägerin bekannt gewesen sei; die Verpfändung sei infolge eines Formfehlers unwirksam, zudem sei die beklagte Partei schlechtgläubige Pfandnehmerin. Zum Beweis dieser Behauptungen berief sich die Klägerin auf Zeugen, Urkunden und Akten. Mit der Klage verband sie weiters einen auf § 42 Abs. 1 Z. 5 EO. gestützten Aufschiebungsantrag, wobei sie noch vorbrachte, die Firma "L., Lacke, Farben, Materialwaren, Adolf K." sei bereits im Ausgleich oder Konkurs, Adolf und Blanka K. seien in Haft.

Der Streitrichter des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt übermittelte diese Klage der Exekutionsabteilung, in der die Pfandverkaufssache geführt wird, zur Entscheidung über den Aufschiebungsantrag; eine sonstige Verfügung traf er nicht. Die Klage ist noch nicht zugestellt.

Der Erstrichter sah auf Grund eines mit der Klage vorgelegten Schreibens der Klägerin vom 14. Juli 1954 an die "L." den Eigentumsvorbehalt als bescheinigt an und schob das Pfandverkaufsverfahren gemäß § 42 Abs. 1 Z. 5 EO. gegen Erlag einer Kaution von 2500 S auf.

Das Rekursgericht erachtete die Bestimmungen der §§ 37 und 42 EO. für unanwendbar, weil der handelsrechtliche Pfandverkauf keine Exekution sei; es könnten aber die von der Klägerin eingebrachte Klage als eine auf das Eigentumsrecht gestützte Negatorien- und Unterlassungsklage und der Aufschiebungsantrag als Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Sinne des § 382 Z. 5 EO. aufgefaßt werden. Die Voraussetzungen für die Erlassung einer solchen einstweiligen Verfügung seien aber nicht gegeben. Die Klägerin habe zwar den seinerzeitigen Eigentumsvorbehalt, aber nicht die Schlechtgläubigkeit der beklagten Partei bei der Pfandnahme bescheinigt; darüber hinaus müsse nach den Klagsbehauptungen der Eigentumsvorbehalt erloschen sein. Aus dem Akt E 2239/56 ergebe sich nämlich, daß die V.-Bank Wiener Neustadt nicht nur gegen die Firma, "L., Adolf K." und gegen Blanka K., sondern auch gegen die Klägerin selbst Exekution führe; daraus folge zwingend, daß die Klägerin den von Adolf und Blanka K. akzeptierten Wechsel an die V.-Bank nicht nur zum Inkasso indossiert haben könne, sondern Zahlung (Gutschrift) des Kaufpreises erhalten haben müsse; der Eigentumsvorbehalt sei aber nicht nur infolge dieser Zahlung des Kaufpreises erloschen, sondern auch durch die Exekutionsführung E 2239/56, weil der Exekutionsführung durch den Verkäufer auf die unter Eigentumsvorbehalt verkauften Sachen eine Exekutionsführung durch den Zessionar gleichzuhalten sei. Das Rekursgericht wies daher den von ihm als Provisorialantrag in der Rechtssache 6 C 22/56 gewerteten Antrag auf Aufschiebung des Pfandverkaufsverfahrens ab.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Dem Rekursgericht ist darin beizustimmen, daß das Pfandverkaufsverfahren nach Art. 8 Nr. 14 der 4. EVzHGB. keine Exekution ist. Es besteht kein Grund, in diesem Belang von der Auffassung abzuweichen, die der Oberste Gerichtshof seinerzeit zu Art. 310 AHGB. vertreten hat (GlUNF. 1861, Neumann - Lichtblau, Kommentar zur EO., 3. Aufl. II S. 1300), mag sich auch die jetzt geltende Regelung materiellrechtlich von der damaligen unterscheiden. Die vom Rekursgericht erwähnte und auch vom Revisionsrekurs herangezogene Entscheidung SZ. XXIV 292 steht dem nicht entgegen, weil sie die Frage, ob es sich beim Pfandverkauf nach Handelsrecht um ein Exekutionsverfahren handelt, letzten Endes offen ließ. Auch nach der deutschen Lehre und Praxis wird nicht bezweifelt, daß das Gericht im Falle des § 1246 Abs. 2 DBGB. im Rahmen freiwilliger Gerichtsbarkeit zu entscheiden hat (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 15. Aufl. zu dieser Gesetzesstelle). Eher hätte in Frage gestellt werden können, ob mangels einer ausdrücklichen Vorschrift, wie sie im Art. 310 AHGB. enthalten war, nach den nunmehr geltenden Vorschriften des DBGB. überhaupt das Gericht mit einem Pfandverkauf zu befassen ist oder sich seine Mitwirkung nur auf den Fall des § 1246 DBGB. beschränkt; doch bejaht der Oberste Gerichtshof diese Frage aus den vom Rekursgerichte in dem Beschluß ON. 8 angestellten Erwägungen.

Mangels einer Exekutionsführung sind daher, wie das Rekursgericht zutreffend ausgesprochen hat, die Vorschriften der §§ 37 und 42 EO. unanwendbar.

Wertet man die Klage 6 C 22/56 als Klage auf Feststellung des Eigentumsrechtes und Unterlassung des Pfandverkaufes und den Aufschiebungsantrag als Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Sinne des § 382 Z. 5 EO., ist zunächst die Zuständigkeitsfrage bezüglich des Provisorialantrages zu prüfen, zumal die Vorschriften des § 387 EO. zwingend sind (§§ 51, 402 EO.). Ausschlaggebend ist hier, daß die Klage beim Bezirksgericht Wiener Neustadt überreicht wurde; ob dieses für die Klage zuständig ist, erscheint hier unerheblich, wozu noch kommt, daß eine Zurückweisung nicht erfolgt ist (vgl. hiezu Pollak, System, 2. Aufl. S. 1046, Neumann - Lichtblau a. a. O. S. 1230; SZ. I 81, 1 Ob 174/55). Zuständig für die Erledigung des Antrages war also das Bezirksgericht Wiener Neustadt; es hätte allerdings der Streitrichter zu entscheiden gehabt. Der hier in erster Instanz unterlaufene Verstoß ist aber bedeutungslos (§ 26 Abs. 3 GOG.).

Der Ansicht des Rekursgerichtes, aus dem Klagsvorbringen ergebe sich zwingend, daß der Eigentumsvorbehalt erloschen sei, vermag sich der Oberste Gerichtshof nicht anzuschließen. Daß die V.-Bank Wiener Neustadt mit der Wechselklage nicht nur gegen Adolf und Blanka K., sondern auch gegen die Klägerin vorging und zu E 2239/56 gegen alle drei Fahrnisexekution führte, kann vielleicht, muß aber nicht bedeuten, daß die Klägerin von der V.-Bank den Kaufpreis bezahlt erhalten hat. Die Behauptung im Revisionsrekurse, die V.-Bank habe den Wechsel im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung an die Klägerin eskomptiert, ist als Neuerung unbeachtlich; an eine solche Möglichkeit war aber nach den Erfahrungen des Lebens und dem Klagsvorbringen ohne weiteres zu denken; jedenfalls kann mit Rücksicht auf die abstrakte Natur der Wechselforderung nicht mit Sicherheit gesagt werden, die V.-Bank müsse der Klägerin den Kaufpreis oder gar den vollen Kaufpreis bezahlt und die Abtretung ihrer Rechte aus dem Eigentumsvorbehalt verlangt haben, wie dies § 1422 ABGB. vorsieht (vgl. hiezu SZ. XX 49 und SZ. XXV 62). Ebensowenig kann daher mit Sicherheit gesagt werden, durch die Exekutionsführung der V.-Bank zu E 2239/56 auf die strittigen Fahrnisse sei der Eigentumsvorbehalt nach den Grundsätzen des Judikates 246 erloschen. Allenfalls hätte der Standpunkt vertreten werden können, mit Rücksicht auf die Möglichkeit einer Einlösung der Kaufpreisforderung der Klägerin durch die V.-Bank und eine Zession des Eigentumsvorbehaltes sei der Rechtsbestand des Anspruches der Klägerin aus ihrem Eigentume (vgl. ZBl. 1925 Nr. 116) nicht ausreichend bescheinigt; in diesem Fall könnte bei Glaubhaftmachung der Gefährdung des Anspruches eine einstweilige Verfügung wenigstens gegen Kautionserlag angeordnet werden (§ 390 Abs. 1 EO.), doch ist damit für die Klägerin aus nachstehenden Gründen nichts gewonnen.

Dem Rekursgericht war darin beizupflichten, daß eine Bescheinigung der Schlechtgläubigkeit der beklagten Partei bei der Pfandnahme fehlt. Hält man den verfehlten Exekutionsaufschiebungsantrag einem Antrag auf einstweilige Verfügung gleich, ist als Bescheinigungsmittel außer der Vereinbarung über den Eigentumsvorbehalt nur eine Anfrage an das Gefangenhaus Wiener Neustadt dafür angeboten, daß sich die Eheleute K. in Haft befinden. Daß dieses Vorbringen für die Bescheinigung der Schlechtgläubigkeit der beklagten Partei nicht relevant ist, liegt auf der Hand. Aber selbst wenn man - entgegen der Vorschrift des § 389 EO. - das gesamte Vorbringen und Beweisanerbieten der Klage auch auf den angenommenen Provisorialantrag beziehen wollte, wäre nichts erreicht. Die zu Pkt. 3, 4 und 5 der Klage namhaft gemachten Zeugen und Parteien (§ 373 Abs. 3 ZPO.) wohnen durchwegs nicht im Gerichtsort, zum Teil sogar außerhalb des Sprengels. Der Antrag wurde am Tag vor der Feilbietung überreicht, so daß das Gericht nur eine sehr beschränkte Prüfungsmöglichkeit hatte.

Unter solchen Umständen kann nicht davon gesprochen werden, daß parate Bescheinigungsmittel angeboten worden seien, auf die das Provisorialverfahren seiner Natur nach abgestellt ist (1 Ob 299/51 u. a.), Das gleiche gilt auch für den Beweis durch eine Urkunde, deren Vorlage erst dem Gegner hätte aufgetragen werden sollen. Daß die Unterinstanzen auf diese Bescheinigungsmittel nicht eingegangen sind, war kein Gerichtsfehler.

Mangels Glaubhaftmachung der Schlechtgläubigkeit der beklagten Partei muß davon ausgegangen werden, daß die Klägerin zwar den ursprünglich vereinbarten Eigentumsvorbehalt bescheinigt hat, daß sie damit aber ihr Eigentum nur bei Schadloshaltung des Pfandgläubigers freibekommen kann (§ 456 ABGB.). Ein Anerbieten hiezu kann aus der Klage keinesfalls herausgelesen werden; es fehlt in diesem Belang schon ein klar formuliertes Begehren. Äußerstenfalls wäre also der Anspruch auf Feststellung des Eigentumsrechtes als so weit bescheinigt anzusehen, daß von der Bestimmung des § 390 Abs. 1 EO. Gebrauch gemacht werden könnte; das Begehren auf Unterlassung des Pfandverkaufes ist hingegen nicht bescheinigt. Für ein Feststellungsbegehren allein ist aber eine einstweilige Verfügung nach Lehre und Judikatur unzulässig (SZ. XXI 47 u. a.).

Anmerkung

Z29086

Schlagworte

Einstweilige Verfügung, Pfandverkaufsverfahren, Exszindierung, Pfandverkaufsverfahren, Feststellungsklage, Pfandverkaufsverfahren, Pfandverkaufsverfahren, Rechtsbehelfe, Verfügung, einstweilige, Pfandverkaufsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1956:0070OB00621.56.1219.000

Dokumentnummer

JJT_19561219_OGH0002_0070OB00621_5600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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