TE Vwgh Erkenntnis 2005/3/8 2004/18/0421

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Veröffentlicht am 08.03.2005
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

AsylG 1997 §21 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
SMG 1997 §28 Abs4 Z3;
SMG 1997 §28 Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des W, geboren 1964, vertreten durch Moringer & Moser, Rechtsanwälte OEG in 4040 Linz, Hauptstraße 33, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 4. November 2004, Zl. St 267/03, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 4. November 2004 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen iranischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie §§ 37 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 21. Juni 1995 illegal per Flugzeug nach Österreich eingereist. Am 23. Juni 1995 habe er einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenats vom 28. Juni 2001 rechtskräftig abgewiesen worden sei. Einer dagegen gerichteten Verwaltungsgerichtshofbeschwerde sei mit Beschluss vom 19. November 2001 aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. Der Beschwerdeführer verfüge über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz.

Am 2. Juni 1997 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens gemäß § 127 StGB zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden, weil er am 31. Dezember 1996 einen anderen ein Handy im Wert von etwa S 9.500,-- (EUR 690,39) mit dem Vorsatz weggenommen habe, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern.

Am 7. März 2002 sei der Beschwerdeführer wegen § 28 Abs. 2 und Abs. 4 Z. 3, § 27 Abs. 1 Suchtmittelgesetz (SMG), § 15 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 3. Dezember 2000 etwa drei Kilogramm Opium zum Preis von S 35.000,-- (EUR 2.543,55) pro Kilo zum Zweck der Weitergabe angekauft habe, wobei es infolge Sicherstellung des Suchtgifts beim Versuch geblieben sei. Weiters habe der Beschwerdeführer im Sommer 1999 in Linz 20 bis 30 Gramm Opium angekauft und weitergegeben, im Herbst oder Winter 1999 etwa 50 Gramm Opium angekauft und weitergegeben sowie seit 1999 gelegentlich Opium, welches er als Gegenleistung für diverse Kfz-Reparaturen erhalten habe, erworben und besessen.

Auf Grund der letztgenannten Verurteilung sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt.

Hinsichtlich der persönlichen und familiären Verhältnisse habe die Erstbehörde ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer seit 21. Juni 1995 in Österreich aufhielte. Er wäre im Besitz einer Arbeitserlaubnis und seit 1999 zum Großteil einer Beschäftigung nachgegangen. Er wäre verheiratet, hätte zwei Kinder und lebte mit seiner Familie in Linz. Auf Grund dieser Umstände sei das Aufenthaltsverbot mit einem gravierenden Eingriff in das Privat- und Familienleben verbunden. Dem Beschwerdeführer sei eine der Dauer seines Aufenthalts entsprechende Integration zuzubilligen. Von einer vollständigen Integration könne jedoch nicht gesprochen werden, dies auch nicht im beruflichen Bereich, habe der Beschwerdeführer doch mehrmals seinen Arbeitgeber gewechselt. Dem Beschwerdeführer sei jedoch zuzubilligen, dass er bisher bemüht gewesen sei, ständig einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, insbesondere des Suchtgifthandels, sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbots auch bei ansonsten voller sozialer Integration dringend geboten. Ein rigoroses Vorgehen gegen Suchtgiftdelikte sei schon deshalb dringend geboten, weil der immer größer werdende Konsum von Suchtgiften zu verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft, vor allem bei Jugendlichen, führe. Überdies nehme die mit dem Genuss von Suchtgiften einhergehende Kriminalität bereits Dimensionen an, die zu einer eklatanten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit führten. Die wachsende Suchtgiftkriminalität werde zu einem gesellschaftlichen Destabilisierungsfaktor, dessen wirksame Bekämpfung auf immer größere Schwierigkeiten stoße. Die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Belastungen, die mit dem Suchtgiftmissbrauch verbunden seien, böten Anlass zu konsequenter Wahrnehmung der verfügbaren Abwehrmöglichkeiten, zumal die Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftdelikten besonders groß sei.

Aus diesen Gründen sei nicht nur die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Grund des § 37 Abs. 1 leg. cit. dringend geboten.

Da unter Abwägung aller genannten Umstände - und im Hinblick auf die für den weiteren Inlandsaufenthalt des Beschwerdeführers zu stellende negative Verhaltensprognose - die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots wesentlich schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, sei das Aufenthaltsverbot auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig. Der Hinweis des Beschwerdeführers, dass er das Suchtgift nicht in Verkehr gesetzt habe, könne daran nichts ändern, sei doch eine Inverkehrsetzung nur deshalb unterblieben, weil das Suchtgift vorher beschlagnahmt worden sei. Mit dem Aufenthaltsverbot sei zweifellos "ein gewisses Unbill hinsichtlich Ihrer Familienbeziehung" verbunden, welches jedoch vor dem Hintergrund des vom Beschwerdeführer begangenen Suchtgiftverbrechens in Kauf genommen werden müsse.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Behörde erster Instanz hat ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen. Über die dagegen gerichtete Berufung des Beschwerdeführers erging der angefochtene Bescheid, dessen Spruch folgenden Wortlaut hat:

"Gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Zi. 1 sowie § 37 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75/1997, i.d.g.F., wird Ihrer Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. Gemäß § 39 des bereits zitierten Fremdengesetzes wird das Aufenthaltsverbot auf unbefristete Dauer erlassen."

Damit hat die belangte Behörde klar zu erkennen gegeben, dass die Berufung - in der primär die ersatzlose Behebung des Aufenthaltsverbotsbescheides beantragt worden ist - abgewiesen und der angefochtene Bescheid insoweit bestätigt wird, als ein Aufenthaltsverbot erlassen wird. Hinsichtlich der Dauer des Aufenthaltsverbots wurde der erstinstanzliche Bescheid in unzweideutiger Weise nicht bestätigt, sondern ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Eine Rechtswidrigkeit infolge Widersprüchlichkeit des Spruches kann darin - entgegen der Beschwerdemeinung - nicht erblickt werden.

Dem Beschwerdeführer ist auch insoweit nicht zuzustimmen, als er meint, die Erteilung eines Aufenthaltsverbots sei infolge seiner Stellung als Asylwerber unzulässig, findet doch gemäß § 21 Abs. 1 Asylgesetz 1997 das FrG - mit Ausnahme einiger hier nicht relevanter Bestimmungen in besonderen Fällen - auch auf Asylwerber Anwendung.

2. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten ist der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt.

3. Die Auffassung der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, begegnet insbesondere im Hinblick auf die außerordentliche Gefährlichkeit der in großem Ausmaß angelegten Suchtgiftkriminalität keinen Bedenken. Der Beschwerdeführer hat über einen längeren Zeitraum Suchtgift angekauft, besessen und weitergegeben. Aus der unstrittigen Verurteilung auch gemäß § 28 Abs. 4 Z. 3 SMG ergibt sich, dass der Beschwerdeführer das Suchtgiftdelikt in Bezug auf eine Menge von zumindest dem 25-fachen der gemäß § 28 Abs. 6 leg. cit. u.a. unter Bedachtnahme auf die Eignung, eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit in großem Ausmaß herbeizuführen, festzusetzenden "großen Menge" begangen hat.

Im Hinblick auf den langen Deliktszeitraum und die überaus große Menge an Opium, die der Beschwerdeführer gekauft und in Verkehr gesetzt bzw. in Verkehr zu setzen versucht hat, kann die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr auch angesichts des seit der Begehung der letzten Straftat verstrichenen Zeitraumes von drei Jahren und elf Monaten und des Umstandes, dass er nur einmal wegen eines Suchtgiftdelikts verurteilt worden ist, nicht als weggefallen oder auch nur als entscheidend gemindert angesehen werden.

Darüber hinaus geht vom Beschwerdeführer auch auf Grund des von ihm begangenen Diebstahls eine Gefährdung öffentlicher Interessen aus.

4. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde berücksichtigt, dass sich der Beschwerdeführer bereits seit 21. Juni 1995, also seit etwa neun Jahren und fünf Monaten, in Österreich aufhält. Sie hat ihm die Haushaltsgemeinschaft mit der Gattin und den beiden Kindern, die Berufstätigkeit sowie das Bemühen um eine durchgehende Erwerbstätigkeit zugute gehalten. Die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration des Beschwerdeführers wird in ihrer sozialen Komponente durch das von ihm begangene schwere Suchtgiftdelikt relativiert. Dennoch ist die belangte Behörde zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass das Aufenthaltsverbot mit einem gravierenden Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden ist.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die Gefährdung öffentlicher Interessen durch die Straftaten gegenüber. Auf Grund der überaus großen Sozialschädlichkeit der vom Beschwerdeführer begangenen Suchtgiftdelikte hinsichtlich einer Menge von mehr als drei Kilogramm Opium begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit und der Rechte anderer) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), selbst dann keinen Bedenken, wenn man - anders als die belangte Behörde - die berufliche Integration des Beschwerdeführers nicht durch den häufigen Arbeitgeberwechsel als gemindert ansieht.

Zum - nicht weiter konkretisierten - Vorbringen der Beschwerdeführer habe in seiner Heimat keine Kontakte und könnte dort keine Arbeit finden, ist darauf hinzuweisen, dass von § 37 FrG die Führung eines Privat- und Familienlebens außerhalb Österreichs nicht gewährleistet wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2003, Zl. 2003/18/0039).

Die mit dem Aufenthaltsverbot allenfalls verbundene Verminderung der Unterhaltsleistungen des Beschwerdeführers für seine Frau und seine Kinder muss im öffentlichen Interesse in Kauf genommen werden.

5. Da sich die Beschwerde nach dem Gesagten als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf den §§ 47 ff iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 8. März 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004180421.X00

Im RIS seit

06.04.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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