TE OGH 1957/7/3 4Ob79/57

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Veröffentlicht am 03.07.1957
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Norm

ZPO §179
ZPO §515

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SZ 30/39

Spruch

Der nach § 179 ZPO. ergangene Beschluß kann nur bis zur Berufung (allenfalls Revision) und spätestens gleichzeitig mit ihr angefochten werden, keinesfalls aber unabhängig von der Berufung oder Revision im Falle ihrer Unzulässigkeit.

Entscheidung vom 3. Juli 1957, 4 Ob 79/57.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wels; II. Instanz: Kreisgericht Wels.

Text

Das Erstgericht hat das auf Zahlung eines Betrages von 1.256 S 56 g gerichtete Klagebegehren mit Versäumungsurteil abgewiesen, weil der Kläger trotz gehöriger Ladung zur Verhandlung nicht erschienen war und deshalb das Vorbringen der allein erschienenen beklagten Partei, dem Kläger stehe der Anspruch nicht zu, für wahr zu halten gewesen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstrichterliche Urteil. Auf die Berufung sei in der Sache selbst nicht einzugehen gewesen, weil keine Berufungsgrunde vorhanden gewesen seien. Die Berufung könne nicht dazu dienen, ein Vorbringen nachzuholen, von dem sich die Partei durch schuldhafte Säumnis in erster Instanz ausgeschlossen habe. Es sei von der Bestimmung des § 179 ZPO. Gebrauch zu machen. Da sich der Kläger im Berufungsverfahren darauf beschränkt habe, sein Klagevorbringen zu wiederholen, ohne daß er Neuerungen vorbrachte, und da er trotz Aufforderung keine Gründe vorgebracht habe, warum er zur Verhandlung vor dem Arbeitsgericht nicht erschienen sei, müsse ihm die Säumnis in erster Instanz als Verschulden angelastet werden, so daß sein Vorbringen in der zweiten Instanz gemäß § 179 ZPO. als unstatthaft erklärt werden müsse.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Rekurs erhoben, in welchem ausgeführt wird, daß sich das angefochtene Urteil zu Unrecht als Urteil bezeichne, in Wahrheit vielmehr bloß ein Beschluß auf Zurückweisung der Berufung vorliege, was sich auch daraus ergebe, daß die Berufung in den Gründen als unzulässig bezeichnet werde und die Abweisung der Beweisanträge auf Grund der Bestimmung des § 179 ZPO. erfolge. Es wird die Aufhebung der Berufungsentscheidung und die Rückverweisung der Sache an das Berufungsgericht mit dem Auftrage zur Fällung einer Sachentscheidung beantragt.

Das Erstgericht wies diesen Rekurs zunächst als unzulässig zurück. Das Rekursgericht trug dagegen dem Erstgericht die Vorlage des Rekurses auf. Wenn auch der Rekurs gegen das Berufungsurteil unzulässig sei, so sei in dieser Entscheidung doch auch das Vorbringen des Klägers in zweiter Instanz nach § 179 ZPO. als unstatthaft erklärt worden. Dagegen sei zwar ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig. Doch könne ein aufgeschobener Rekurs auch selbständig überreicht werden, wenn infolge Abschlusses der Hauptsache eine weitere anfechtbare Entscheidung nicht mehr erfließen könne. Aus diesem Gründe sei daher der Rekurs gegen die Zurückweisung der Beweisanträge nach § 179 ZPO. zulässig.

Der Oberste Gerichtshof wies den vom Kläger gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Rekurs zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Oberste Gerichtshof vermag der Meinung des Rekursgerichtes nicht zuzustimmen. Daß die Ansicht des Rekurswerbers über die Qualität des berufungsgerichtlichen Urteils unrichtig ist, bedarf keiner ausführlichen Erörterung. Aus den Urteilsgrunden ergibt sich, daß konform dem Urteilsspruch der Berufung keine Folge gegeben wurde, weil nach Meinung des Berufungsgerichtes kein Berufungsgrund gegeben war. Damit ist aber das Berufungsgericht bereits auf die Berufung eingegangen und hat sie sachlich erledigt, keineswegs aber als unzulässig behandelt, in welchem Falle die Berufung hätte zurückgewiesen werden müssen.

Was die Zurückweisung der Beweisanträge des Klägers nach § 179 ZPO. betrifft, so erfolgte auch sie nicht durch einen getrennten Beschluß, sondern durch das Urteil selbst. Wäre gegen das Urteil die Revision zulässig, so hätte die Nichtaufnahme der beantragten Beweise mit dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens bekämpft werden können. Da aber die Revision nicht zulässig ist, kann die Anfechtung einer solchen Mangelhaftigkeit nicht über den Umweg eines Rekurses gegen eine Zwischenentscheidung erfolgen. In diesem Falle versagt daher auch der Gedanke, daß bei nicht abgesondert anfechtbaren Beschlüssen ein selbständiges Rekursrecht eingeräumt wird, wenn eine weitere Entscheidung in der Sache nicht mehr ergehen kann. Denn das Gesetz räumt offensichtlich nur aus prozeßökonomischen Gründen ein aufgeschobenes Rechtsmittel gegen die Abweisung von Beweisanträgen nach § 179 ZPO. ein, um die Frage ihrer Zulässigkeit bereits vor Urteilsfällung im Instanzenzug erörtern zu können, wodurch unter Umständen eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens verhindert werden kann. Da aber die Abweisung von Beweisanträgen jedenfalls auch als Mangelhaftigkeit in der Berufung, bzw. hier in der Revision, gerügt werden könnte, kann die Anfechtbarkeit über das Urteil hinweg nicht mehr selbständig eingeräumt werden, weil der prozeßleitenden Verfügung keine über die Rechtskraft des Urteils hinausgehende, selbständige Bedeutung zukommen kann. Durch die Einräumung einer solchen selbständigen Anfechtbarkeit würde ein etwaiger Verstoß gegen die Vorschrift des § 179 ZPO. in seiner Bedeutung über die Wirkung einer Nichtigkeit hinausgehen, die durch die Rechtskraft des Urteils ebenfalls unangreifbar geworden ist. Dies kann nicht richtig sein, nachdem es sich bei der Anwendung des § 179 ZPO. immer nur um einen Verstoß im Sinne einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens handeln kann, die in ihren Folgen nicht höher bewertet werden kann als eine Nichtigkeit. Die Folge der Zulassung der selbständigen Anfechtbarkeit eines solchen Beschlusses wäre aber, daß das bereits in Rechtskraft erwachsene Urteil aufgehoben werden müßte. Es muß daher der Grundsatz gelten, daß der nach § 179 ZPO. ergangene Beschluß nur bis zur und spätestens gleichzeitig mit der Berufung, allenfalls Revision, angefochten werden kann, keinesfalls aber unabhängig von der Berufung im Falle ihrer Unzulässigkeit (was gleichermaßen für die Revision gilt). Um so weniger ist ein solcher selbständiger Rekurs gegen das Urteil selbst zulässig, in welchem ohne getrennte Beschlußfassung über die Abweisung von Beweisanträgen nach § 179 ZPO. bloß in den Gründen abgesprochen worden ist. Eine solche Anfechtung kann immer nur durch die Berufung bzw. die Revision selbst erfolgen, soweit diese Rechtsmittel zulässig sind. Da dies hier infolge der zu geringen Streitwerthöhe bei bestätigender Berufungsentscheidung nicht der Fall war, ist auch die Entscheidung des Berufungsgerichtes über die Zulassung von Beweisen im Sinne des § 179 ZPO. nicht anfechtbar.

Anmerkung

Z30039

Schlagworte

Abgesonderte Anfechtung eines Beschlusses nach § 179 ZPO., Anfechtung eines Beschlusses nach § 179 ZPO., Beweisantrag, Zurückweisung nach § 179 ZPO., abgesonderte Anfechtung, Rekurs, abgesonderter - gegen einen Beschluß nach § 179 ZPO., Zurückweisung von Beweisanträgen nach § 179 ZPO., abgesonderte, Anfechtung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1957:0040OB00079.57.0703.000

Dokumentnummer

JJT_19570703_OGH0002_0040OB00079_5700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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