TE OGH 1959/3/11 6Ob81/59

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Veröffentlicht am 11.03.1959
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Norm

ABGB §757
Ehegesetz §115

Kopf

SZ 32/34

Spruch

Bei Ausschlagung des Erbrechtes durch die nach § 115 EheG. schuldlos geschiedene erste Gattin steht das gesetzliche Erbrecht der zweiten Gattin zu.

Entscheidung vom 11. März 1959, 6 Ob 81/59.

I. Instanz: Bezirksgericht Mödling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Luise B., die erste Ehegattin des Erblassers Leopold B., wurde am 6. Juni 1926 zu Cg XIX 308/21 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien einverständlich von Tisch und Bett vom Erblasser geschieden, welche Scheidung gemäß § 115 Abs. 1 EheG. auch im Sinn dieses Gesetzes ausgesprochen wurde. Eine Wiederverehelichung ist nicht erfolgt. Die zweite Ehegattin Beatrix B. ist am 8. März 1944 verstorben, so daß nur die erste und dritte Ehegattin den Erblasser überlebt haben.

Das Erstgericht hat zu Punkt 3 und 4 seines Beschlusses die von der erblasserischen Witwe Hilde B. auf Grund des Gesetzes zu einem Viertel des Nachlasses abgegebene bedingte Erbserklärung zurückgewiesen, hingegen die von den erblasserischen Enkeln Otto B., mj. Helmut B. und mj. Helga B. auf Grund des Gesetzes zu je einem Drittel des Nachlasses abgegebenen bedingten Erbserklärungen zu Gericht angenommen und das Erbrecht der Genannten auf Grund der unverdächtigen angaben der Todfallsaufnahme und der Aktenlage für ausgewiesen erkannt. Weiters wurde zu Punkt 5 des Beschlusses den erbserklärten Erben Otto B., mj. Helmut B. und mj. Helga B., die letztgenannten vertreten durch die Vormunderin Therese Z., gemäß §§ 810 ABGB., 145 AußStrG. die Besorgung und Benützung des Nachlasses überlassen. Hiebei vertrat das Erstgericht den Standpunkt, daß die nicht aus ihrem Verschulden geschiedene erste Ehegattin des Erblassers Luise B. nach den Bestimmungen des § 115 Abs. 4 EheG. das gesetzliche Erbrecht nach ihrem Gatten behalten habe. Die von Hilde B. auf Grund des Gesetzes zu einem Viertel des Nachlasses abgegebene bedingte Erbserklärung könne daher niemals zur Einantwortung führen, da der in der Erbserklärung behauptete Tatbestand ein Erbrecht nicht begrunde.

Dem dagegen von der erblasserischen Witwe Milde B. erhobenen Rekurs wurde Folge gegeben und der erstgerichtliche Beschluß in den Aussprüchen zu Punkt 3 bis 5 dahin abgeändert, daß die von Hilde B. zu einem Viertel des Nachlasses abgegebene bedingte Erbserklärung, weiters die von den erblasserischen Enkeln abgegebenen bedingten Erbserklärungen zu je einem Viertel des Nachlasses zu Gericht angenommen wurden, weiters den erbserklärten Erben Hilde B., Otto B., mj. Helmut B. und mj. Helga B., letztere vertreten durch die Vormunderin Therese Z., gemäß §§ 810 ABGB., 145 AußStrG. die Besorgung und Benützung des Nachlasses überlassen wurde. Das Rekursgericht führte aus, die nach früherem Recht von Tisch und Bett schuldlos geschiedene erste Ehegattin Luise B. habe gemäß §§ 759 Abs. 1 ABGB., 115 Abs. 1 und 4 EheG. das gesetzliche Erbrecht behalten. Der Gattin aus einer späteren Ehe, gegenständlich der erblasserischen Witwe Hilde B. als der dritten Ehegattin des Erblassers, stehe das gesetzliche Erbrecht dann zu, wenn eine Ehegattin aus der früheren Ehe nicht vorhanden oder diese nicht erbberechtigt sei. Luise B. habe nach dem Ableben ihres geschiedenen Gatten sich gegenüber dem Abhandlungsgericht Mödling am 3. Dezember 1958 vorbehaltlos und unwiderruflich ihres gesetzlichen Erbrechtes entschlagen, weshalb sie nicht erbberechtigt sei; dies habe die Wirkung, daß die Erbin aus dem ihr im Zeitpunkt der Ausschlagung bekannten Berufungsgrund die Erbschaft nicht erworben habe, diese vielmehr jenen Personen zufalle, die bei Nichtvorhandensein der ausschlagenden Erbin als gesetzliche Erben die Nächstberufenen wären. Der Übergang auf die erblasserischen Enkel entspreche daher dem Gesetz; aber auch der Ehegattin aus dritter Ehe stehe das gesetzliche Erbrecht gemäß § 757 ABGB. zu, weil die Gattin aus erster Ehe Luise B. infolge wirksamer Entschlagung des gesetzlichen Erbrechtes nicht mehr erbberechtigt und eine Transmission des gesetzlichen Erbrechtes allein auf die erblasserischen Enkel im Gesetz nicht vorgesehen sei. Hiebei seien die ursprünglich zu je einem Viertel des Nachlasses abgegebenen Erbserklärungen der erblasserischen Enkel der Entscheidung zugrunde zu legen. War jedoch nicht nur das Erbrecht der erblasserischen Enkel, sondern auch das der erblasserischen Witwe Hilde B. zu je einem Viertel des Nachlasses zu Gericht anzunehmen, so sei gemäß §§ 810 ABGB., 145 AußStrG. die Besorgung und Benützung des Nachlasses auch der Miterbin Hilde B. und damit sämtlichen gesetzlichen Erben zu überlassen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der erblasserischen Enkel mj. Helmut B. und mj. Helga B. nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach § 115 Abs. 4 EheG. behält der nicht aus seinem Verschulden von Tisch und Bett geschiedene Ehegatte das gesetzliche Erbrecht. Dem Ehegatten aus einer späteren Ehe steht es nur zu, wenn ein Ehegatte aus der früheren Ehe nicht vorhanden oder wenn er nicht erbberechtigt ist. Der Auffassung der Revisionsrekurswerber, daß die Ausschlagung der Erbschaft seitens der ersten Ehegattin des Erblassers noch nicht besage, daß diese als nicht erbberechtigt im Sinne der vorzitierten Gesetzesstelle anzusehen sei, kann nicht gefolgt werden. Die Wirksamkeit der Ausschlagung einer Erbschaft geht über die Folgen der versäumten Anbringung der Erbserklärung (§ 120 AußStrG.) hinaus. Während ein Rechtsverlust als Folge der Versäumung der Erbserklärung nicht eintritt, bewirkt die Ausschlagung der Erbschaft, daß diese als an den Ausschlagenden nicht angefallen gilt. Die vom Abhandlungsgericht zur Kenntnis genommene Ausschlagung stellt sohin eine unwiderrufliche rechtsgeschäftliche Verfügung dar, welche die Erbenstellung als solche vernichtet. Der in der vorzitierten Gesetzesstelle angeführte Fall der Nichterbberechtigung des früheren Ehegatten umfaßt daher nicht nur die Fälle der Erbunfähigkeit (§§ 538 ff. ABGB.), wozu auch der Fall des Erbverzichtes gehört, sondern auch den Fall der Ausschlagung der Erbschaft (§ 805 ABGB.). Daraus ergibt sich aber, daß der erblasserischen Witwe Hilde B. das gesetzliche Erbrecht zu einem Viertel des Nachlasses nunmehr an Stelle der ersten Ehegattin des Erblassers zusteht. Da in Analogie der §§ 560 ff. ABGB. durch den Ausfall einer nach dem Gesetz berufenen Erbin das Recht des Zuwachses für alle Erbberechtigten, demnach auch für die erblasserische Witwe nach Maßgabe ihrer gesetzlichen Quote eintritt, entspricht die vom Rekursgericht verfügte Annahme der bedingten Erbserklärungen der erblasserischen Witwe Hilde B. zu einem Viertel, der drei erblasserischen Enkel aber gleichfalls nur zu je einem Viertel des Nachlasses dem Gesetz.

Anmerkung

Z32034

Schlagworte

Ausschlagung des Erbrechts durch die nach § 115 EheG. schuldlos, geschiedene Gattin, Erbrecht der zweiten Gattin, Ehegattin, Erbrecht, Scheidung, nach § 115 EheG., Erbrecht der Ehegattin, Scheidung nach § 115 EheG., Gesetzliches Erbrecht der Ehegattin, Scheidung nach § 115 EheG.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1959:0060OB00081.59.0311.000

Dokumentnummer

JJT_19590311_OGH0002_0060OB00081_5900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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