TE OGH 1959/10/28 6Ob325/59

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Veröffentlicht am 28.10.1959
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Norm

ABGB §471
ABGB §504
ABGB §1440

Kopf

SZ 32/137

Spruch

Kein Retentionsrecht am Gebrauchsrecht als solchem.

Entscheidung vom 28. Oktober 1959, 6 Ob 325/59.

I. Instanz: Bezirksgericht Horn; II. Instanz: Kreisgericht Krems an der Donau.

Text

Die Liegenschaft mit dem Haus G.-Gasse in H. steht seit dem Tod des Gatten der Klägerin in deren Alleineigentum; vorher hatte sie beiden Eheleuten je zur Hälfte gehört. Der Beklagte, der seit dem Jahr 1940 mit der Tochter der Klägerin verheiratet war, errichtete nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft zusammen mit seinem Schwiegervater in den Jahren 1948/49 einen ebenerdigen Zubau zum Haus, in welchem letzterer seine Malerwerkstätte einrichtete. Etwa im Jahr 1950 wurde dem Beklagten seine damalige, von ihm und seiner Frau bewohnte Mietwohnung in einem anderen Haus aufgekundigt. Die Schwiegereltern erteilten ihm nun im Hinblick auf die drohende Obdachlosigkeit die Erlaubnis, auf den Werkstättenzubau eine Stockwerkswohnung aufzubauen. Dabei wurde vereinbart, daß diese Wohnung nach Fertigstellung den Enkeln der Klägerin (gemeint: den Kindern des Beklagten) zufallen sollte. Tatsächlich führte der Beklagte in den Jahren 1950 - 1952 diesen Bau auf; im Jahre 1952 zog er in den Rohbau ein und wohnte seither mit Frau und schließlich zwei Kindern darin. Ein Mietvertrag bestand nicht. Die Ehe des Beklagten wurde mit Urteil vom 11. Dezember 1958 rechtskräftig geschieden. Am 5. Jänner 1959 verließ seine geschiedene Frau mit den Kindern die Wohnung, nach der Aktenlage offenbar im Zusammenhang mit angeblichen Bedrohungen durch den Beklagten. Jedenfalls belangte ihn die Klägerin im vorliegenden, seit dem gleichen Tag anhängigen Prozeß unter Hinweis auf die Titellosigkeit seiner Benützung auf Räumung der Wohnung.

Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt; die Berufung des Beklagten blieb erfolglos.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Dem Beklagten ist darin beizupflichten, daß redlicher Bauführer im Sinn des § 418 ABGB. nicht nur ist, wer entschuldbar über die Eigentumsverhältnisse irrt und deshalb auf fremdem Grund baut, sondern auch, wer auf Grund einer Vereinbarung darauf vertraut, dort, wo er baut, auch bauen zu dürfen (Klang 2. Aufl. II 290; Ehrenzweig 2. Aufl. I/2 S. 277; SZ. XXVIII 35, 7 Ob 467/57, 3 Ob 61/59). Die Bestimmungen des § 418 ABGB. sind grundsätzlich unanwendbar, wenn zwischen Gründeigentümer und Bauführer eine Vereinbarung besteht; es hängt dann von der Vereinbarung ab, ob das Bauwerk dem Gründeigentümer oder der Grund dem Bauführer zufällt. Nur ausnahmsweise kann trotz Bestehens einer solchen Vereinbarung doch auf § 418 ABGB. zurückgegriffen werden, nämlich dann, wenn der Versuch des einen Partners, unter Bruch der Vereinbarung den anderen zu benachteiligen, vereitelt werden muß; dies ist z. B. der Fall, wenn der Gründeigentümer den schon vereinbarten Erwerb des Gründes durch den Bauführer zu durchkreuzen sucht; ihm ist der Einwand, es liege eine den Eigentumserwerb kraft Gesetzes hindernde Vereinbarung vor, zu versagen und der Bauführer so zu behandeln, als läge keine Vereinbarung vor (vgl. auch dazu SZ. XXVIII 35, ebenso 7 Ob 520/55, 7 Ob 467/57, 3 Ob 61/59).

Prüft man nun die der Bauführung des Beklagten zugrunde liegende Vereinbarung, darf jedenfalls nicht vom Wortlaut allein ausgegangen werden; es kommt hier auf die Übung des redlichen Verkehres an (§§ 863, 914 ABGB.). Dabei erscheint nun von besonderer Bedeutung, daß sich die Bauführung des Beklagten auf eine Aufstockung des ebenerdigen Bauwerkes beschränkte, in dem der Gatte der Klägerin seine Malerwerkstätte eingerichtet hatte. Daß den Partnern der Vereinbarung die Begründung von Wohnungseigentum oder gar sogenanntem Stockwerkseigentum zugunsten des Beklagten vorgeschwebt wäre, der dann seinerseits seinen Kindern irgendwelche Rechte daran einzuräumen gehabt hätte, ist nicht einmal behauptet worden; es braucht daher auch nicht erörtert zu werden, ob und inwieweit dergleichen möglich wäre. Daß den Partnern der Vereinbarung vorgeschwebt wäre, der Beklagte solle im Hinblick auf seine Bauführung auch Eigentümer der zu ebener Erde schon errichteten Werkstätte des Gatten der Klägerin werden, scheidet nach den erwähnten Auslegungsregeln ebenfalls aus, zumal der Beklagte mit diesem Gewerbebetrieb seines Schwiegervaters nichts zu tun hatte. Die Vereinbarung konnte und kann also nur dahin verstanden werden, daß der Werkstättentrakt auch nach Aufstockung durch den Beklagten - wie dies der Regel des § 297 ABGB. entspricht - den Gründeigentümern gehören sollte, die freilich zugestanden hatten, die Wohnung solle ihren Enkeln zufallen. Ein Fall, in dem der Beklagte auf die Bestimmungen des § 419 ABGB. zurückgreifen könnte, liegt also nicht vor. Ob mit der Vereinbarung, die Wohnung solle den Kindern zufallen, die Investitionsersatzansprüche des Beklagten abgegolten sind, braucht hier ebensowenig erörtert zu werden wie die Frage, welche Ansprüche die Kinder des Beklagten aus seiner Vereinbarung mit den Großeltern gegen die Klägerin als nunmehrige Alleineigentümerin der Liegenschaft ableiten können; jedenfalls wurden sie nicht durch seine Bauführung ex lege Eigentümer des Werkstättentraktes. Auf ein von dem ihrigen abgeleitetes Benützungsrecht hat sich der Beklagte nicht berufen. Im Verhältnis zur Klägerin, der Liegenschaftseigentümerin, ist er titellos; die familienrechtliche Grundlage der seinerzeitigen Benützungserlaubnis ist durch die Scheidung seiner Ehe weggefallen, die Benützungserlaubnis selbst spätestens durch die Klage widerrufen worden. Dem Beklagten wurde nicht der seinerzeit der Klägerin und ihrem Gatten gehörige Grund bzw. der diesen gehörige Werkstättenbau unentgeltlich zur Aufstockung der Wohnung überlassen, sondern der Gebrauch der von ihm errichteten, aber ins Eigentum der Klägerin und ihres Gatten gefallenen Wohnung. Auch wenn man dem Beklagten zubilligt, es habe sich nicht um ein Prekarium gehandelt, weil diese Wohnung ihm und seiner Frau als Ehewohnung dienen sollte (§ 974 ABGB.), ist für ihn nichts zu gewinnen, weil auch bei Annahme einer Wohnungsleihe - auch sie ist bei Wohnungen an und für sich möglich (vgl. Swoboda, Kommentar zum Mietengesetz, 2. Aufl. S. 29) - ein Retentionsrecht für seine Investitionen ausgeschlossen ist (§ 1440 ABGB.). Ein Retentionsrecht am Gebrauchsrecht als solchem kommt, wie die Unterinstanzen zutreffend erkannt haben, nicht in Betracht, weil es sich dabei nicht um eine körperliche Sache handelt (Klang a. a. O. 544 zu § 471 unter III A 2 a; 1 Ob 7, 8/54). Daß keine Feststellungen über die Höhe der Investitionen des Beklagten getroffen wurden, ist demnach für die Entscheidung ohne Bedeutung. Ein ihm persönlich auf Lebenszeit zugestandenes Wohnrecht war nicht erweislich.

Anmerkung

Z32137

Schlagworte

Gebrauchsrecht, kein Zurückbehaltungsrecht, Retentionsrecht kein - am Gebrauchsrecht, Zurückbehaltungsrecht kein - am Gebrauchsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1959:0060OB00325.59.1028.000

Dokumentnummer

JJT_19591028_OGH0002_0060OB00325_5900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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