TE OGH 1960/6/30 5Ob193/60

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Veröffentlicht am 30.06.1960
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Norm

ABGB §302
ABGB §1409

Kopf

SZ 33/72

Spruch

Der Anspruch des Rückstellungspflichtigen auf Ersatz der Aufwendungen ist ein obligatorischer, der nicht an dem zurückzustellenden Unternehmen haftet.

Entscheidung vom 30. Juni 1960, 5 Ob 193/60.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

In drei Rückstellungsverfahren bei der Rückstellungskommission beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien wurde zwischen dem Kläger und den Antragstellern Rosa K., Emil T., Kurt Sch. und der nunmehrigen Beklagten Erika S. am 14. September 1948 ein Teilvergleich abgeschlossen, in dem sich der Kläger verpflichtete, die protokollierte Firma Wäschefabrik "H.", vormals "Otto T. & Co.", samt allem rechtlichen und tatsächlichen Zubehör sofort zurückzustellen. Die Parteien behielten sich die ihnen nach dem 3. Rückstellungsgesetz zustehenden Abrechnungsansprüche vor. Die oben genannten vier Rückstellungswerber führten sodann das Unternehmen in der Form einer zwischen ihnen neu gegrundeten offenen Handelsgesellschaft unter der alten Firma "Otto T. & Co." weiter. Auf Grund der Vereinbarung vom 30. Jänner 1954 schieden Rosa K. und Emil T. aus der Gesellschaft aus. Mit Vertrag vom 19. Februar 1957 schied schließlich auch Kurt Sch. aus der Gesellschaft aus, so daß seither die Beklagte Erika S. Alleininhaberin des Unternehmens ist. Das Verfahren über die Verrechnungsansprüche endete mit dem Erkenntnis der Rückstellungskommission vom 18. September 1956 dahin, daß die vier Antragsteller schuldig erkannt wurden, dem Kläger verschiedene Beträge zu zahlen, und zwar Emil T. 56.058 S, Rosa K.

40.922 S, Erika S. (Beklagte) 48.500 S und Kurt Sch. 48.500 S. Während Emil T. und Rosa K. das Erkenntnis in Rechtskraft erwachsen ließen, fochten es die Beklagte und Kurt Sch. mit Beschwerde an. Sie schlossen am 10. Dezember 1956 mit dem Kläger vor der Rückstellungskommission einen Vergleich, in dem sie sich zur ungeteilten Hand verpflichteten, dem Kläger 40.000 S und einen Kostenbeitrag in der gleichen Höhe zu zahlen. Gemäß Punkt 2 des Vergleiches nahmen sie zur Kenntnis, daß sich der Antragsgegner (Kläger) die Ansprüche nach § 1409 ABGB. und § 25 HGB. oder nach sonst welchen Titeln immer gegen die beiden Antragsteller vorbehalte, weil auf sie am 24. Juli 1954 die Gesellschaftsanteile der Antragsteller Emil T. und Rosa K. übertragen worden seien. In dem Vergleich ist ferner festgehalten, daß die erwähnten Ansprüche des Klägers von den beiden Antragstellern bestritten wurden.

Mit der am 5. Juli 1957 überreichten Klage begehrt der Kläger nunmehr von der Beklagten die Zahlung der ihm gegen Emil T. und Rosa K. zugesprochenen Verrechnungsbeträge von 56.078 S und 40.922 S, das sind zusammen 97.000 S, samt 5% Zinsen seit 21. Oktober 1956. Es handle sich bei diesen Beträgen um von ihm in den Jahren 1938 bis 1945 in das Unternehmen eingebrachte Kapitaleinlagen, für deren Zahlung die Beklagte nach den Bestimmungen der §§ 1409 ABGB., 25 HGB. sowie als Übernehmerin einer Gesamtsache, aber auch gemäß § 128 HGB. hafte.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Verrechnungsansprüche des Klägers, meinte es, seien gegen die Gesellschafter Emil T. und Rosa K. ad personam entstanden. Diese hätten mit der Beklagten und Kurt Sch. eine offene Handelsgesellschaft unter einem anderen Firmenwortlaut gegrundet und in diese einen Teil ihres Vermögens, nämlich die zurückgestellten Vermögenswerte, eingebracht. Damit sei aber die Haftung für die Verrechnungsansprüche des Klägers gegen Emil T. und Rosa K. nicht auf die Gesellschaft übergegangen. Den genannten Gesellschaftern seien die Gesellschaftsanteile anläßlich ihres Ausscheidens voll ausgezahlt worden. Sie seien im Vermögen der nunmehrigen Gesellschaft nicht mehr enthalten. Die vom Kläger behaupteten Haftungstatbestände lägen daher nicht vor.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz zurück. Es fügte seiner Entscheidung einen Rechtskraftvorbehalt bei. Auszugehen sei von der unbestrittenen Tatsache, daß das Unternehmen den vier Rückstellungswerbern im Jahr 1948 zurückgestellt worden sei, die dann das Unternehmen in der Form einer zwischen ihnen gegrundeten offenen Handelsgesellschaft fortführten. Durch diese Rückstellung sei die Rechtslage in Erscheinung getreten, die zufolge der Nichtigkeit der Entziehung des Unternehmens durch den Kläger nach § 3 Abs. 1 des 3. RückstellungsG. tatsächlich auch schon vor dem Rückstellungsvergleich bestanden hatte. Etwaige Investitionen, die der Kläger in seiner vermeintlichen Eigenschaft als Eigentümer für das Unternehmen geleistet habe, seien daher nicht solche des Eigentümers, sondern in Wirklichkeit Leistungen eines Dritten. Das Berufungsgericht meinte daher, daß die Beklagte aus dem Gründe des § 302 ABGB. hafte und keine Bedenken bestunden, die Grundsätze der Entscheidung SZ. XXV 266 auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Sei das Unternehmen und damit die Gesellschaft mit der vom Kläger behaupteten Forderung belastet, dann habe die Beklagte als offene Gesellschafterin und nunmehrige Alleininhaberin des Unternehmens dafür einzustehen. Diese Haftung erlösche erst dann, wenn die Übernehmerin Schulden in der Höhe des Wertes des übernommenen Vermögens gezahlt habe. Aber selbst wenn man die Auffassung vertreten wollte, daß das Rückstellungsvermögen in einzelne Vermögensanteile gemäß den Anteilen der Rückstellungswerber am Unternehmen aufzuteilen sei und nur die Vermögensteile mit den Forderungen des Klägers anteilsmäßig belastet seien, sei die Haftung der Beklagten aus der Übernahme der Gesellschaftsanteile der ausgeschiedenen Gesellschafter gegeben. Diese Geschäftsanteile seien der Beklagten zugewachsen, eine Rechtswirkung, die mit dem Ausscheiden der Gesellschafter von selbst eintrete, ohne daß es eines rechtsgeschäftlichen Übertragungsaktes bedurft hätte. Gegen die Forderungen des Klägers könne die Beklagte nicht das aufrechnen, was sie zur Erlangung der Gesellschaftsanteile selbst geleistet habe. Bei diesen Leistungen handle es sich nicht um Zahlungen von auf dem Vermögen haftenden Schulden. Da die Beklagte das Bestehen der Forderung des Klägers bestreite, sei es seine Sache, das Bestehen seiner Forderung im vorliegenden Verfahren zu beweisen. Das erstgerichtliche Verfahren sei insofern mangelhaft geblieben, als über das Bestehen der Forderung keine Beweise abgeführt und keine Feststellungen getroffen wurden. Das Erstgericht werde darauf hinzuwirken haben, daß der Kläger seine Ansprüche, die er bisher nur der Gesamthöhe und der Art nach bezeichnet habe, einzeln ziffernmäßig und inhaltlich konkretisiere (§ 182 Abs. 1 ZPO.). Es werde auch die Art des Besitzes des Klägers am Unternehmen (Unredlichkeit) zu erörtern und, soweit Aufwendungen des Klägers festgestellt werden könnten, den Umfang der Ersatzansprüche auf der Grundlage der §§ 877, 326 ff., 1035 ff. ABGB. zu bestimmen haben.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten Folge und trug dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Anspruch des Rückstellungspflichtigen auf Ersatz der Aufwendungen entsteht aus der Nichtigkeit des Entziehungsaktes infolge Anfechtung der Vermögensentziehung durch den Rückstellungsberechtigten. Dieser Anspruch ist, ein obligatorischer, der nur dem Rückstellungsberechtigten gegenüber zusteht. Er haftet nicht an der zurückzustellenden Sache. Die Grundsätze der Entscheidung SZ. XXV 266 sind hier nicht anwendbar. Es handelt sich ja nicht darum, einem Sondervermögensgläubiger den Deckungsfonds, der ihm bisher zur Verfügung stand, zu erhalten (vgl. 1 Ob 98/52), sondern um einen Anspruch des früheren Inhabers des Sondervermögens. Die Ersatzforderung des unredlichen Rückstellungspflichtigen haftet daher nicht als Verbindlichkeit auf dem Unternehmen. Aus der Fortführung des Unternehmens im Rahmen einer offenen Handelsgesellschaft durch die Rückstellungsberechtigten entsteht daher keine gesamthänderische Verpflichtung der offenen Gesellschafter zur Befriedigung der Ersatzforderung des rückstellungspflichtigen unredlichen Besitzers. Gehört die Verbindlichkeit aber nicht zum Unternehmen, dann ist auch die Bestimmung des § 1409 ABGB. bei Ausscheiden eines oder mehrerer Gesellschafter oder bei Übernahme des Unternehmens durch nur einen Gesellschafter nicht anzuwenden. Die Anwendung dieser Gesetzesvorschrift findet auch aus dem Grund nicht statt, weil in der Rückstellung des Unternehmens an die Rückstellungswerber kein rechtsgeschäftlicher Erwerb durch diese liegt.

§ 25 HGB. kommt nicht in Betracht, weil das Unternehmen nicht unter der Firma, unter der es der Kläger betrieben hat, von den Rückstellungsberechtigten fortgeführt wird. Da es sich um keine Verbindlichkeit der Gesellschaft, sondern nur um persönliche Verbindlichkeiten der einzelnen Rückstellungsberechtigten zum Ersatz des Aufwandes an dem ihnen entzogenen Vermögen handelt, kommt schließlich auch § 128 HGB. nicht in Frage.

Aus diesen Erwägungen erweist sich die Sache im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens als spruchreif.

Anmerkung

Z33072

Schlagworte

Aufwendungen des Rückstellungspflichtigen, Ersatzanspruch haftet nicht, an der Sache, Ersatz von Aufwendungen des Rückstellungspflichtigen, obligatorischer, Anspruch, Rückstellung, Anspruch des Rückstellungspflichtigen auf Ersatz seiner, Aufwendungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0050OB00193.6.0630.000

Dokumentnummer

JJT_19600630_OGH0002_0050OB00193_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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