TE OGH 1961/8/30 1Ob54/61

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Veröffentlicht am 30.08.1961
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Norm

KO §30 Abs1 Z1
KO §31 Abs1 Z2

Kopf

SZ 34/110

Spruch

Zur Anfechtung nach § 30 Abs. 1 Z. 1 und § 31 Abs. 1 Z. 2 KO.

Entscheidung vom 30. August 1961, 1 Ob 54/61.

I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Die beklagte Sparkasse hat dem Kaufmann Johann K. einen Kredit in der Höhe von 100.000 S zuzüglich der Nebengebührensicherstellung bis zum Höchstbetrag von 130.000 S eingeräumt. Für die Forderung aus diesem Kredit wurde das Pfandrecht auf der dem Johann K. und seiner Ehegattin Mathilde K. je zur Hälfte gehörigen Liegenschaft EZ. 147 KG. H. bis zum Höchstbetrag von 130.000 S einverleibt. Bis zum Sommer 1958 wurde der dem Johann K. zugestandene Kredit von ihm ständig überzogen. Im Sommer 1958 erreichte die Überziehung den Betrag von 50.000 bis 60.000 S. Soweit steht der Sachverhalt außer Streit.

Der Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Johann K. behauptet in der von ihm angebrachten Klage, daß die andauernde Überziehung des Kredites die Beklagte veranlaßt habe, Johann K. wiederholt zur Abdeckung seines Kontos aufzufordern. Schließlich habe sie verlangt, daß er den Überziehungsbetrag zuzüglich einer angemessenen Nebengebührenkaution gleichfalls auf der ihm und seiner Gattin gehörigen Liegenschaft EZ. 147 KG. H. sicherstelle. Dies sei dann auch mit Pfandbestellungsurkunde vom 4. September 1958 geschehen und das Pfandrecht für einen weiteren Höchstbetrag von 60.000 S auf der genannten Liegenschaft einverleibt worden. Im Zeitpunkt dieser Pfandbestellung sei Johann K. längst zahlungsunfähig gewesen. Schon seit Monaten habe er seine Gläubiger mit Zahlungsversprechungen vertröstet und sie nicht gehalten. Bis dahin seien auch schon eine ganze Reihe von Exekutionen gegen ihn gelaufen, seine Zahlungsunfähigkeit sei allgemein bekannt gewesen. Auch der Beklagten sei sie daraus bekannt geworden, daß Johann K. die Überziehung seines Kredites nicht mehr habe abbauen können. Die Pfandbestellung und Pfandrechtseinverleibung ob der Liegenschaftshälfte des Johann K. stelle eine Begünstigung der Beklagten gegenüber anderen Gläubigern dar; sie sei daher gemäß §§ 30 und 31 KO. anfechtbar. Der Masseverwalter als Kläger begehrte daher die Unwirksamerklärung der grundbücherlichen Sicherstellung der Kreditforderung der Beklagten gegen den Gemeinschuldner Johann K. bis zum Höchstbetrag von 60.000 S durch Einverleibung des Pfandrechtes für diese Forderung im Lastenblatt der eingangs angeführten Liegenschaft, und zwar in Ansehung der Liegenschaftshälfte des Johann K. den Gläubigern im Konkurs des Genannten gegenüber, und die Verurteilung der Beklagten zur Einwilligung in die grundbücherliche Löschung des einverleibten Pfandrechtes bis zum Höchstbetrag von 60.000 S.

Die Beklagte bestritt die Voraussetzungen für eine Anfechtung, wie sie vom Kläger begehrt wurde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil eine Begünstigung der Beklagten nicht vorliege. Zur Zeit der Gewährung eines weiteren Höchstbetragskredites von 60.000 S an Johann K. durch die Beklagte am 4. September 1958 sei aus dem Grundbuch nur eine Höchstbetragshypothek zugunsten der Beklagten von 130.000 S ersichtlich gewesen. Damals sei auch nur eine einzige Exekution zur Hereinbringung eines Betrages von 433 S 20 g gelaufen; diese Exekution sei nach Zahlung der Forderung eingestellt worden. Der Name des Schuldners Johann K. sei an die Gerichtstafel erst kurz vor Eröffnung des Ausgleichsverfahrens über sein Vermögen gekommen. Bis dahin sei er auch noch laufend Geschäfte eingegangen und habe laufend Verbindlichkeiten abgedeckt. Bis zum Verlassen des Ortes H. am 18. Februar 1959 hätten die Großhändler das Geschäft des Johann K. noch ständig beliefert, und es sei bis dahin von einer Zahlungsunfähigkeit des Johann K. in H. nichts bekannt gewesen. Erst im Jahre 1959 seien Bürgen für Johann K. nicht mehr gutgestanden. Die Beklagte habe von den Zahlungsschwierigkeiten des K. erst am 17. Februar 1959 erfahren. Selbst bei Annahme einer Verpflichtung der Beklagten, vor Gewährung eines weiteren Kredites bei Johann K. Bucheinsicht zu nehmen, hätte eine solche Einsicht zu keiner Information geführt, weil die Buchführung des K. mangelhaft und unübersichtlich war, an Hand der Bücher daher die genaue Vermögenslage nicht ermittelt werden konnte. Der Leumund bezeichne Johann K. als tüchtigen Kaufmann, dessen Geschäft bis zuletzt in gutem Rufe stand. Nicht einmal der Ausgleichsverwalter habe ohne Zuziehung eines Sachverständigen Feststellungen über die wahre Vermögenslage des Johann K. treffen können. Die Kredite seien jeweils dem Johann K. und seiner Gattin Mathilde K. erteilt worden. Eine Schätzung des Anwesens der Eheleute K. habe einen Wert von 300.000 S ergeben. Das Gericht habe nicht als erwiesen annehmen können, daß der Beklagten bei Einräumung des weiteren Kredites von 60.000 S an Johann K. eine Absicht desselben, sie vor anderen Gläubigern zu begünstigen, oder seine Zahlungsunfähigkeit bekannt gewesen sei oder bekannt habe sein müssen.

Infolge Berufung der klagenden Partei änderte das Berufungsgericht nach Beweiswiederholung das Ersturteil dahin ab, daß es die beklagte Partei schuldig erkannte, in die grundbücherliche Löschung des im Lastenblatt der Liegenschaft EZ. 147 KG. H. ob der Liegenschaftshälfte des Johann K. auf Grund der Pfandbestellungsurkunde vom 4. September 1958 zur Sicherstellung aller Forderungen der beklagten Partei aus einem gewährten Kredit einverleibten Pfandrechtes bis zu einem Höchstbetrag von 60.000 S einzuwilligen. Das Berufungsgericht gelangte zu dieser Entscheidung im wesentlichen auf Grund folgender Erwägungen und Feststellungen:

Der Anfechtungstatbestand des § 30 Abs. 1 Z. 1 KO. setze nur voraus, daß der Gemeinschuldner im Zeitpunkt der Anfechtungshandlung zahlungsunfähig sei und eine objektive Begünstigung des Gläubigers vorliege. Für diesen Tatbestand sei es daher gleichgültig, ob eine Begünstigungsabsicht des Gemeinschuldners bestanden habe und diese oder die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners dem Gläubiger bekannt war oder nicht. Voraussetzung sei allerdings, daß eine objektive Begünstigung der Beklagten durch Erwerb des im September 1958 eingeräumten Pfandrechtes vorlag; dabei sei zwischen gebührender und inkongruenter Deckung zu unterscheiden; nur im letzteren Fall komme eine Anfechtungsmöglichkeit nach § 30 Abs. 1 Z. 1 KO in Frage. Eine Sicherstellung sei dann als gebührende Deckung anzusehen, wenn sie in einer Art gewährt werde, auf die der Gläubiger einen Anspruch - sei es durch Vertrag oder Gesetz - vor Beginn der kritischen Zeit erworben gehabt habe. Hingegen sei der Gläubiger, der sich zur Zeit der Begründung des Schuldverhältnisses eine Sicherstellung nicht bedungen habe, als zu Unrecht begünstigt anzusehen, wenn er nach Eintritt der kritischen Zeit eine Sicherstellung erlangt habe. Er habe dann etwas erhalten, was ihm nicht gebühre und was er nicht zu beanspruchen gehabt habe, nämlich eine in der ursprünglichen Vereinbarung nicht vorgesehene, sogenannte abweichende (inkongruente) Deckung. - Beim Anfechtungstatbestand des § 31 Abs. 1 Z. 2 KO. sei nur erforderlich, daß Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners gegeben und dem Gläubiger im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung diese bekannt gewesen sei oder bekannt habe sein müssen. In diesem Falle sei es gleichgültig, ob es sich bei der eingeräumten Deckung um eine gebührende oder um eine inkongruente Deckung handle. Johann K. habe von der Beklagten ursprünglich einen ohne bücherliche Sicherstellung lediglich durch Wechselakzepte abgedeckten laufenden Kontokorrentkredit erhalten. Nach den Satzungen der Beklagten habe ein solcher bis zu 50.000 S gewährt werden können; trotzdem sei der an den Gemeinschuldner gewährte Kredit auf weit über 100.000 S angestiegen, worauf die Beklagte eine bücherliche Sicherstellung verlangt und Johann K. eine solche am 25. Oktober 1957 beantragt habe. Die Beklagte habe dann die Einräumung eines Hypothekarkredits in laufender Rechnung bis zum Betrag von 100.000 S bewilligt, wobei die grundbücherliche Sicherstellung hinsichtlich eines Höchstbetrages von 130.000 S durchgeführt, jedoch vereinbart worden sei, daß der Unterschiedsbetrag zwischen dem zugesagten Kredit und der Höchstbetragshypothek nur eine Sicherstellung für Zinsen und Nebengebühren darstellen sollte. Der Gemeinschuldner habe in der Folge auch diesen Kredit weit überzogen und bereits im März 1958 eine Kreditsumme von über 170.000 S erreicht. Die Beklagte habe sich daher veranlaßt gesehen, ihm auf die Dauer von zwei Monaten eine befristete Überziehung des Kreditrahmens um 50.000 S zuzugestehen, damit er bis dahin die Überziehung wieder abdecken könne. Da dies nicht der Fall gewesen sei, habe die Beklagte den Gemeinschuldner vor die Wahl gestellt, entweder die Überziehung abzudecken oder um eine Erweiterung des Kredites gegen zusätzliche bücherliche Sicherstellung anzusuchen. Der Gemeinschuldner habe dann um zusätzliche Krediteinräumung von 50.000 S angesucht. Dabei hätten er und seine Frau sich mit der Einräumung einer Höchstbetragshypothek in der Höhe von 60.000 S zur Sicherstellung aller der Beklagten aus dem Kredit entstandenen oder in Hinkunft entstehenden Forderungen einverstanden erklärt. Von den 60.000 S seien 10.000 S für Nebengebührenkaution vorgesehen worden. Das Kreditkonto habe nur auf den Namen des Gemeinschuldners gelautet, wie auch nur er um die beiden Krediteinräumungen über 100.000 S und 50.000 S angesucht habe. Lediglich die bücherliche Sicherstellung sei jeweils durch beide Ehegatten gegeben worden. Am 8. September 1958 habe der Schuldsaldo des Gemeinschuldners auf seinem Konto bei der Beklagten nicht weniger als 162.276 S 20 g ausgemacht. Während bis Anfang Jänner 1958 Geldbewegungen auf dem Konto stattgefunden hätten, zeige sich bis 8. September 1958 keinerlei Geldbewegung mehr. Johann K. sei bereits im Jahre 1957, jedenfalls aber am 4. September 1958, zahlungsunfähig gewesen. Diese Zahlungsunfähigkeit habe aber auch der Beklagten im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung (4. September 1958) bekannt sein müssen. Bereits die Entwicklung der Geschäftsbeziehungen habe bei der Beklagten einen Verdacht dahin aufkommen lassen müssen, daß von einer Zahlungsfähigkeit des Gemeinschuldners nicht mehr gesprochen werden könne. Der Gemeinschuldner habe den eingeräumten Kredit bereits jahrelang überzogen gehabt, ohne in der Lage gewesen zu sein, den Überhang trotz Aufforderung und Fristsetzung abzudecken. Da das Konto in den letzten drei Monaten vor der weiteren Krediteinräumung keine Bewegungen mehr aufwies, habe von einem richtigen Geschäftsbetrieb beim Gemeinschuldner nicht mehr die Rede sein können. Die Beklagte habe auch zunächst vom Gemeinschuldner die Sicherung des Überhangs durch Bürgen verlangt, welchem Ersuchen er nicht habe nachkommen können. Die Beklagte habe sich dann damit begnügt, nur die Lage im Grundbuch zu prüfen, ohne sich weitere Unterlagen über Geschäftsumfang und Geschäftsgang zu besorgen, obwohl dies wegen der dauernden Kreditüberziehungen dringend notwendig gewesen wäre. Die Beklagte habe es auch nicht bedenklich gefunden, daß der Gemeinschuldner ihr weitere Aufträge zur Übermittlung von Geldbeträgen an Gläubiger erteilt habe, damit diese gegen ihn eingeleitete Exekutionen einstellen sollten. Bereits ein Jahr vor der Ausgleichseröffnung sei im Wohnort des Gemeinschuldners allgemein davon gesprochen worden, daß er als zahlungsunfähig anzusprechen sei. Abgesehen davon, daß es gar nicht darauf ankomme, ob die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners allgemein bekannt gewesen sei, handle es sich bei Emil W. und Otto J., die noch 1958 dem Gemeinschuldner Geld oder Waren zur Verfügung stellten, um Landwirte, an die hinsichtlich eines Kennenmüssens der Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners ganz andere Maßstäbe anzulegen seien als an die Beklagte. Mit diesen Feststellungen sei die geltend gemachte Anfechtung schon aus dem Gründe des § 31 Abs. 1 Z.2 KO. gerechtfertigt.

Aber auch der Anfechtungstatbestand des § 30 Abs. 1 Z. 1 KO. liege vor. Die der Beklagten eingeräumte Sicherstellung in Form der Verbücherung eines Höchstbetragspfandrechtes über 60.000 S stelle eine inkongruente Deckung dar. Die Beklagte habe dem Gemeinschuldner nur einen Kredit von 100.000 S eingeräumt. Wenn auch die grundbücherliche Eintragung eines Höchstbetragspfandrechtes über 130.000 S durchgeführt wurde, so sei dadurch der über den Betrag von 100.000 S hinaus dem Gemeinschuldner gewährte Kredit nicht gesichert worden, weil der Betrag von 30.000 S lediglich zur Sicherstellung aller Nebengebühren dienen sollte. Dabei könne unerörtert bleiben, ob bei einem durch ein Höchstbetragspfandrecht gesicherten Kontokorrentkredit die Einräumung einer Nebengebührenkaution, insbesondere in der genannten Höhe, überhaupt einen Zweck habe. Im Zeitpunkt der zusätzlichen Sicherstellung (4. September 1958) sei der Stand des Schuldsaldos des Gemeinschuldners bereits 162.276 S 20 g gewesen, so daß die am 4. September 1958 zur Sicherstellung zusätzlich eingeräumte Höchstbetragshypothek nicht zur Absicherung eines neuen Kreditverhältnisses, sondern nur zur zusätzlichen Sicherung der schon kreditierten und ausgezahlten Beträge gedient habe. Die Beklagte habe also eine Sicherstellung verlangt, auf die sie gegenüber dem Schuldner im Zeitpunkt dieser Einräumung keinen Anspruch gehabt habe und durch die sie vor den anderen Gläubigern begünstigt worden sei, weil sie sich hiedurch eine bevorzugte Befriedigung gesichert habe. Das Anfechtungsbegehren sei somit begrundet, allerdings seine Formulierung nicht ganz zutreffend. Es werde Unwirksamerklärung der Sicherstellung und gleichzeitig Leistung (Zustimmung zur grundbücherlichen Löschung des Pfandrechtes) verlangt; das erste Begehren sei als bloße Vorfrage im Urteilsspruch überflüssig. Hingegen sei das Begehren auf Löschung der Eintragung der Höchstbetragshypothek begrundet, weil der Anfechtungsanspruch dem Kläger das Recht gebe, die Wiederherstellung des früheren Zustandes zu verlangen; dabei komme der Löschung nur relative Wirkung zu, d. h. diese dürfe weder dem Gemeinschuldner noch den Nachhypothekaren unmittelbar zum Vorteil gereichen. Zufolge der Bestimmung des § 367 Abs. 1 EO. sei es allerdings entbehrlich gewesen, die Beklagte zu verpflichten, die Einwilligung zur Löschung in einverleibungsfähiger Form zu geben. Der Urteilsspruch habe sich darauf zu beschränken, die Beklagte zur Einwilligung in die grundbücherliche Löschung des gegenständlichen Pfandrechtes zu verpflichten. Dabei handle es sich nur um eine zur Klarstellung und Verdeutlichung des Urteilsspruches dienende, etwas abweichende Formulierung des Klagebegehrens, die weder dem § 405 ZPO. widerstreite noch eine Teilabweisung des Klagsbegehrens bedingt habe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach § 30 Abs. 1 Z. 1 KO. ist eine nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach dem Antrag auf Konkurseröffnung oder in den letzten 60 Tagen vorher vorgenommene Sicherstellung oder Befriedigung eines Gläubigers anfechtbar, wenn der Gläubiger eine Sicherstellung oder Befriedigung erlangt hat, die er nicht in der Art oder in der Zeit zu beanspruchen hatte, es sei denn, daß er durch die Rechtshandlung vor den anderen Gläubigern nicht begünstigt worden ist. Im Gründe der Bestimmung des § 68 Abs. 2 KO. ist Zahlungsunfähigkeit insbesondere dann anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen einstellt. Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit des Johann K. bei Vornahme der Sicherstellung für die Kreditüberziehung ist im angefochtenen Urteil das Ergebnis der Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes, an die das Revisionsgericht gebunden ist Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn ein auch nicht überschuldeter Schuldner fällige Schulden mangels bereiter Zahlungsmittel nicht zu zahlen vermag (Bartsch - Pollak, KO., AO., AnfO., 3. Aufl. II S. 60 f.). Genau diese Sachlage hat das Berufungsgericht im angefochtenen Urteil festgestellt. Mit Recht hält der Revisionsgegner der Revisionswerberin entgegen, daß sie sich über den Unterschied der Anfechtungstatbestände der §§ 30 Abs. 1 Z. 1 und 31 Abs. 1 Z. 2 KO. nicht im klaren ist. Für den erstgenannten Tatbestand ist es ohne Belang, ob die Beklagte von der Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners Kenntnis hatte oder haben mußte; es genügt vielmehr, wenn der Gemeinschuldner im Zeitpunkt der anfechtbaren Rechtshandlung zahlungsunfähig war. Beim Anfechtungstatbestand des § 30 Abs. 1 Z. 1 KO. wird die Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Gläubiger im Konkurse vermutet und nur dem Anfechtungsgegner die Möglichkeit des Entlastungsbeweises, die Vermutung im Einzelfalle zu widerlegen, gewährt. Die Statuten und allgemeinen Kreditbedingungen der Beklagten geben ihr, wie der Revisionsgegner gleichfalls richtig hervorhebt, kein Vorzugsrecht gegenüber anderen Gläubigern. Ihr Zweck liegt darin, bei Vergebung von Krediten mit allen Vorsichten vorzugehen. Selbstverständlich hatte die Beklagte die Möglichkeit, die Kreditüberziehung einzuklagen und nach Erwirkung eines Exekutionstitels Exekution zu führen; sie hatte aber keine Befugnis auf Bestellung eines Vertragspfandes und dessen bücherliche Einverleibung. Dies konnte sie nur auf dem Wege des Entgegenkommens des Gemeinschuldners erreichen. Damit war aber die Beklagte bereits begünstigt, denn eine solche Begünstigung liegt vor, wenn der Gläubiger, der sich zur Zeit seiner Leistung (Darlehenszuzählung) Sicherstellung nicht bedungen hatte, erst nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit Sicherstellung erlangt. Er erhält dadurch etwas, was ihm nicht gebührt, was er nicht zu beanspruchen hatte, nämlich eine in der ursprünglichen Vereinbarung nicht vorgesehene, abweichende Deckung. Der Gläubiger, der sich mit seiner Leistung Zug um Zug Sicherstellung bedungen hat, ist nicht begünstigt, wenn ihm auch nachträglich diese Sicherstellung eingeräumt wird. Dies ergibt sich nicht nur aus der in der Revisionsbeantwortung zitierten Entscheidung 2 Ob 720/28, sondern auch aus einer Reihe von Entscheidungen jüngeren Datums (5 Ob 152/60, 5 Ob 148/59, 7 Ob 426/56 u. a.). Nach den vorliegenden Feststellungen hat der Gemeinschuldner den im Jahre 1957 eingeräumten Kredit von 100.000 S überzogen, und zwar ständig mit etwa 60.000 S und mehr, ohne daß hiefür ein Kreditvertrag vorlag oder gar eine grundbücherliche Sicherstellung vereinbart war. Erst als der Gemeinschuldner trotz Mahnung die Kreditüberziehung nicht abdecken konnte, forderte die Beklagte die grundbücherliche Sicherstellung. Damit war eine inkongruente (abweichende) Deckung gegeben. Darunter ist eine solche zu verstehen, die nach dem materiellen Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner jenem nicht zustand, mag er sogar nach den prozessualen Vorschriften befugt gewesen sein, auf dem Wege der Zwangsvollstreckung die erforderliche Sicherheit zu erlangen. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll im Konkurs eine Sicherstellung anfechtbar sein, die materiellrechtlich nicht gebührte (JBl. 1957 S. 420). Die Anfechtung ist nur ausgeschlossen, wenn dem Gläubiger ein Anspruch auf Sicherstellung in der Art zustand, wie sie tatsächlich gegeben wurde (1 Ob 77/59. EvBl. 1957 Nr. 211). Daß durch die Pfandrechtsbegründung die bis dahin geduldete Kreditüberziehung nachträglich gesichert werden sollte, ergibt sich schon aus dem Wesen der Kreditüberziehung. Es stellt in der Tat eine grobe Verkennung der Rechtslage dar, wenn die Beklagte vermeint, die Pfandbestellung vom 4. September 1958 habe ihr schon auf Grund der Statuten und allgemeinen Kreditbedingungen gebührt. Selbst eine zwangsweise Pfandrechtsbegründung unterliegt übrigens gleichfalls der Anfechtung, wenn die sonstigen Voraussetzungen der Begünstigung oder der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit gegeben sind.

Die Beklagte gibt zu, daß der Gemeinschuldner eine Bürgschaft nicht beibringen und auch die Abdeckung der Kreditüberziehung innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht leisten konnte. Mit Recht hält der Revisionsgegner der Revisionswerberin entgegen, daß sie schon bei Beginn der Kreditüberziehung durch einen Sachverständigen die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners hätte feststellen können. Die im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen rechtfertigen auch den Rechtsschluß auf das Vorhandensein des Anfechtungstatbestandes des § 31 Abs. 1 Z. 2 KO., obwohl es dieses Tatbestandes zur Begründung des Anfechtungsbegehrens gar nicht mehr bedurfte.

Anmerkung

Z34110

Schlagworte

Anfechtung im Konkursverfahren, Konkursverfahren, Anfechtungstatbestände, Masseverwalter, Anfechtung im Konkursverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1961:0010OB00054.61.0830.000

Dokumentnummer

JJT_19610830_OGH0002_0010OB00054_6100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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