Norm
ABGB §1327Kopf
SZ 35/107
Spruch
Ergeben die Verhältnisse zur Zeit des Todes verläßlich, daß der Getötete künftig unterhaltspflichtig geworden wäre, ist darauf Bedacht zu nehmen.
Entscheidung vom 18. Oktober 1962, 2 Ob 302/62.
I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Am 4. April 1960 wurde Helmut G., der Sohn der Klägerin, bei einem Verkehrsunfall getötet. Die Klägerin begehrt von den Beklagten Ersatz für die Begräbniskosten und für das bei dem Unfall zerstörte Moped. Außerdem begehrt sie die Feststellung, "daß den Erstbeklagten an der Tötung des Helmut G. das alleinige Verschulden treffe und daß beide Beklagten zur ungeteilten Hand für den ihr daraus erstehenden Schaden haften". Die Beklagten bestritten das Klagebegehren. Sie wendeten insbesondere auch ein, daß der Verunglückte den Unfall allein verschuldet habe.
Der Erstrichter wies das Feststellungsbegehren mit Teilurteil ab. Er war der Ansicht, daß die Klage in diesem Belange nicht schlüssig sei. Die Klägerin behaupte selber nicht, daß sie im Zeitpunkt des Todes ihres Sohnes in Dürftigkeit verfallen gewesen sei. Der Sohn sei daher im Zeitpunkt seines Todes nicht unterhaltspflichtig gewesen. Daraus folge, daß die Klägerin auch in der Zukunft keinen Anspruch auf Ersatz eines Entganges gemäß § 1327 ABGB. habe.
Das Berufungsgericht hob das Teilurteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es teilte zwar die Ansicht des Erstrichters, daß die Klägerin nur dann Anspruch auf Ersatz eines Entganges gemäß § 1327 ABGB. habe, wenn sie schon im Zeitpunkt des Todes ihres Sohnes bedürftig gewesen sei. Es war aber der Meinung, daß das Vorbringen der Klägerin die Behauptung, daß diese Voraussetzung vorliege, beinhalten könne. Es wäre Aufgabe des Erstrichters gewesen, die Klägerin zu verhalten, deutlichere Angaben in diesem Belange zu machen. Daß die Klägerin nur ein Feststellungsbegehren und kein Leistungsbegehren in diesem Belange erhoben habe, schade nicht, weil die Feststellung der Ersatzpflicht ein Minus gegenüber dem wäre, was die Klägerin für den Fall ihrer Bedürftigkeit verlangen könnte. In der mangelnden Anleitung zur Klarstellung des Vorbringens liege ein Verfahrensmangel, der gemäß § 496 (1) Z 2 ZPO. zur Aufhebung des Urteiles führe.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Den Beklagten kann darin gefolgt werden, daß eine auf mangelnde Anleitung zurückzuführende Unklarheit im Vorbringen der Klägerin nicht vorliegt. Der Erstrichter hat im übrigen die Klägerin ohnehin gemäß § 182 ZPO. verhalten, nähere Angaben über die bei der Beurteilung der Dürftigkeit in Betracht kommenden Umstände zu machen.
Dessenungeachtet muß es aber bei der Aufhebung des Urteiles der ersten Instanz verbleiben. Der Oberste Gerichtshof vermag sich der Ansicht der Vorinstanzen, daß es bei der Beurteilung der Ersatzpflicht nach § 1327 ABGB. ausschließlich auf die gerade zur Zeit des Todes des beim Unfall Verletzten gegebenen Verhältnisse ankomme und daß eine Berücksichtigung künftiger Änderungen ausscheide, nicht anzuschließen. Es ist zwar richtig, daß zum Teil in der Lehre (Klang[2] VI, S. 149; a. M. Ehrenzweig[2] II/1, S. 633) und vielfach in Entscheidungen (SZ. XI 144, ÖRZ. 1936 S. 139 u. a.) gesagt wurde, maßgebend sei die Rechtslage zur Zeit des Todes, ein späterer Eintritt der Voraussetzungen des § 154 ABGB. (SZ. XVI 74) oder eine später eintretende Arbeitslosigkeit (SZ. XXIII 311) reiche zur Begründung dieses Anspruches nicht hin. Diese Auffassung wurde aber nicht in voller Schärfe aufrechterhalten. Insbesondere wurde in den Fällen, wo es sich um die Höhe des Entganges handelte, gesagt, daß künftige Einkommenserhöhungen, die auf Grund der Verhältnisse zur Zeit des Todes verläßlich beurteilt werden können, berücksichtigt werden müssen (EvBl. 1956 Nr. 68, ZVR. 1957 Nr. 158 u. a.). In der Entscheidung vom 19. Oktober 1955, ZVR. 1956 Nr. 33, wurde, wenn auch nach Hinweis auf die in diesem Belange schwankende Rechtsprechung grundsätzlich der Standpunkt eingenommen wurde, daß es auf den Zeitpunkt des Todes ankomme, gesagt, daß in Ausnahmsfällen, wenn aus besonderen Gründen gerade im Tötungszeitpunkt ein Unterhaltsanspruch nicht oder noch nicht bestanden habe, der Unterhalt in der Zeit, für welche Ersatz verlangt werde, aber unzweifelhaft geleistet worden wäre, ein Ersatz des Entganges zugesprochen werden könne. Es ist in diesem Zusammenhang auch auf die Bestimmung des § 12 (2) EKHG. (§ 10 (2) KfzVerkG.) hinzuweisen, derzufolge die Ersatzpflicht nicht bloß dann gegeben ist, wenn der Getötete auf Grund des Verhältnisses, in dem er zu einem Dritten stand, diesem kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war, sondern auch dann, wenn er diesem unterhaltspflichtig werden konnte. Soweit der Anspruch durch das EKHG. gedeckt ist, müßte daher jedenfalls darauf Bedacht genommen werden, ob der Sohn der Klägerin dieser unterhaltspflichtig werden konnte. Es liegt aber auch insoweit, als der Anspruch nur auf § 1327 ABGB. gestützt werden kann (also insbesondere hinsichtlich des Erstbeklagten), kein zwingender Grund vor, ausschließlich auf den Zeitpunkt des Todes des Sohnes der Klägerin abzustellen. Wortlaut und Sinn des § 1327 ABGB. nötigen nicht zu einer solchen Auslegung. Es wäre nicht einzusehen, warum insoweit, als es sich um die Höhe des Ersatzes handelt, voraussehbare künftige Änderungen zu berücksichtigen sein sollen, bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ersatz überhaupt in Betracht kommt, aber lediglich die zur Zeit des Todes gegebenen Verhältnisse maßgebend sein sollen. Der Ersatzanspruch könnte in diesem Falle von rein zufälligen Umständen abhängig sein. Es muß daher, falls sich die zur Zeit des Todes gegebenen Verhältnisse verläßlich beurteilen lassen, daß der Getötete künftig unterhaltspflichtig geworden wäre, darauf Bedacht genommen werden.
Was die Frage anlangt, ob das Feststellungsbegehren im Hinblick auf die allfällige Möglichkeit einer Leistungsklage zulässig ist, so kann zwar dem Berufungsgericht nicht darin gefolgt werden, daß das Feststellungsbegehren gegenüber einem der Klägerin möglichen Leistungsbegehren ein Minus darstelle, das die Klägerin geltend machen könne. Das Feststellungsbegehren ist grundsätzlich unzulässig, soweit bereits auf Leistung geklagt werden kann. Die Klägerin hat aber in der Klage gar nicht behauptet, daß sie schon jetzt in Dürftigkeit verfallen sei und aus diesem Gründe einen Anspruch gegen ihren Sohn auf Unterhaltsleistung gehabt habe. Sie hat vielmehr zur Begründung des Feststellungsbegehrens auf ihren schlechten Gesundheitszustand und auf ihre aus diesem Gründe zu erwartende Bedürftigkeit hingewiesen. Ein Anlaß zur Annahme, daß der Klägerin bereits die Leistungsklage möglich gewesen wäre, liegt daher nicht vor. Dem Feststellungsbegehren würde auch nicht im Wege stehen, wenn ein Anspruchsübergang auf den Sozialversicherungsträger in Betracht kommen sollte, weil dies nicht ausschließen würde, daß die Klägerin in Hinkunft einen nichtgedeckten Entgang erleidet.
Ein Eingehen auf das beiderseitige Vorbringen ist daher unerläßlich, weshalb das Urteil der ersten Instanz im Ergebnis mit Recht aufgehoben wurde.
Anmerkung
Z35107Schlagworte
Schadenersatz nach § 1327, künftige Unterhaltspflicht, Unterhaltspflicht, künftige, Schadenersatz nach § 1327 ABGB.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1962:0020OB00302.62.1018.000Dokumentnummer
JJT_19621018_OGH0002_0020OB00302_6200000_000