TE OGH 1963/5/2 7Ob127/63

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Veröffentlicht am 02.05.1963
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Norm

ABGB §1320

Kopf

SZ 36/72

Spruch

Haftung nach § 1320 ABGB. auch nach Beendigung der Tierhaltereigenschaft, wenn der Schaden durch vorher veranlaßte mangelhafte Verwahrung verursacht wurde.

Entscheidung vom 2. Mai 1963, 7 Ob 127/63.

I. Instanz: Bezirksgericht Tulln; II. Instanz: Kreisgericht St. Pölten.

Text

Der Kläger verlangt vom Beklagten Schadenersatz, weil ein Stier des Beklagten am Wiener Zentralviehmarkt den Lastkraftwagen des Klägers beschädigt habe. Der Beklagte als Halter des Stiers habe dessen Verwahrung vernachlässigt, weil er das bösartige Tier nicht gefesselt habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, der Beklagte habe den Stier auf dem Zentralviehmarkt von der Abladerampe zum Merkplatz geführt, wo er mit einem Stempel der Viehagentur F. versehen und anschließend von einem Markthelfer zum Viehstand dieser Agentur gebracht worden sei. Auf dem Weg vom Merkplatz zum Viehstand, also unter Führung des Markthelfers, sei die Beschädigung des Lastkraftwagens des Klägers durch den Stier erfolgt. In diesem Zeitpunkt habe aber der Kläger kein Verfügungsrecht über den Stier mehr gehabt, sondern nur noch die Firma Alois F. Der Beklagte sei im Zeitpunkt der Beschädigung weder Verwahrer des Stiers noch dessen Halter gewesen, er hafte daher nicht nach § 1320 ABGB. Ob sich der Markthelfer als Verwahrer und Alois F. als Tierhalter wegen eines allfälligen Verschweigens der Bösartigkeit des Stieres gegen den Beklagten regressieren könne, sei in diesem Verfahren nicht zu prüfen.

Das Berufungsgericht hob das Urteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Es führte aus, die Verfügungsberechtigung gebe ebenso wie das Eigentum nicht unbedingt Aufschluß über die Tierhaltereigenschaft. Falls der Stier von der Merkstelle weg durch einen vom Beklagten herangezogenen Markthelfer zum Stand der Agentur F. geführt worden sei, müsse auch für diesen Weg noch der Beklagte als Tierhalter angesehen werden. Sei der Markthelfer aber von F. beauftragt gewesen, dann sei dieser als Tierhalter anzusehen. Es müsse daher festgestellt werden, wer sich jenes Markthelfers bedient habe, unter dessen Führung der Stier den Schaden zugefügt habe. Der Beklagte würde aber auch dann für den Schaden haften, wenn der Stier bösartig gewesen sei und gefesselt hätte werden sollen, weil durch die Unterlassung der Fesselung der Übernehmer F. habe annehmen müssen, eine Fesselung sei nicht notwendig. Im Weiterführen des ungefesselten Stieres läge dann keine durch einen Dritten herbeigeführte Unterbrechung des Kausalzusammenhanges zwischen Vernachlässigung der Verwahrung des Stieres durch den Beklagten und Eintritt des Schadens.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluß nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte im Zeitpunkt der Beschädigung des Lastkraftwagens noch Halter des Stieres war. Selbst bei Bejahung dieser Eigenschaft könnte er, falls der Stier gutmütig war und keiner über das gewöhnliche Maß hinausgehenden Vorsichtsmaßnahmen bedurfte, nicht nach § 1320 ABGB. herangezogen werden. Im Zeitpunkt der Beschädigung wurde der Stier nämlich von einem vom Marktamt bestellten Markthelfer geführt. Selbst wenn der Beklagte diesen Markthelfer mit der Führung des Tieres beauftragt hätte, könnte er daraus allein nicht haftbar gemacht werden, weil er im Hinblick auf die amtliche Bestellung des Markthelfers keinen Zweifel gegen die ordentliche Durchführung der Verwahrung des Tieres hegen mußte (vgl. ZVR. 1957 Nr. 155). Anders ist es allerdings, wenn er wegen einer Bösartigkeit oder Schwierigkeit des Stieres damit rechnen mußte, daß die übliche Verwahrung und Führung des Tieres nicht genügen werde. Dann hätte er seiner Pflicht, das Tier so zu verwahren, daß niemand beschädigt werden kann, nur dann genügt, wenn er den Stier entsprechend verwahrt (allenfalls gefesselt) übergeben oder den Markthelfer, gleichgültig, ob er von ihm oder von F. bestellt worden war, auf diese Eigenschaften aufmerksam gemacht hätte. Es ist dem Berufungsgericht beizupflichten daß der Beklagte als Tierhalter wegen mangelhafter Verwahrung des Tieres auch dann haftet, wenn der Schaden zwar in einem Zeitpunkt eingetreten ist, in dem der Beklagte nicht mehr Tierhalter war, aber durch die mangelhafte Verwahrung zu einem Zeitpunkt verursacht wurde, als er diese Eigenschaft noch hatte. Die Verweisung auf allfällige Regreßansprüche der späteren Verwahrer oder Halter des Tieres, wie das Erstgericht ausführte, genügt nicht, denn diese Personen könnten im vorliegenden Fall kaum zum Schadenersatz herangezogen werden, wenn ihnen die Bösartigkeit oder Gefährlichkeit des Stieres nicht vom Beklagten zu erkennen gegeben worden war.

Da das Erstgericht Feststellungen über diese dargelegten Umstände unterlassen hat, ist die Aufhebung seines Urteils zu Recht erfolgt und war dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Anmerkung

Z36072

Schlagworte

Tierhalter, Haftung für Stier auf dem Viehmarkt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1963:0070OB00127.63.0502.000

Dokumentnummer

JJT_19630502_OGH0002_0070OB00127_6300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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