TE OGH 1964/4/15 7Ob107/64

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.04.1964
beobachten
merken

Norm

Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz §15

Kopf

SZ 37/56

Spruch

Vereinbarungen zwischen dem Wohnhauswiederaufbaufonds und dem Hauseigentümer, wonach Räume von den Bestimmungen des Fonds ausgenommen, dafür andere diesen Bestimmungen unterstellt werden, sind nichtig.

Entscheidung vom 15. April 1964, 7 Ob 107/64. I. Instanz:

Bezirksgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Mit Bescheid des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau (Verwaltung des Wiederaufbaufonds) wurde dem Kläger gemäß § 15 (2) WWG. zum Wiederaufbau des Hauses K., P.-Gasse 10, ein unverzinsliches Darlehen in der. Höhe von 989.500 S bewilligt. Vor der Kriegseinwirkung war das Gebäude einstöckig. Mit Rücksicht auf ein Verlangen des Magistrates lag der Bewilligung des Darlehens von vornherein ein dreigeschossiger Ausbau zugrunde. Am 2. Juni 1950 suchte der Kläger beim Bundesministerium um die Genehmigung von Planänderungen an, unter anderen um den Ausbau von zwei Dachgeschoßwohnungen. Er verpflichtete sich, sämtliche durch die Veränderung entstehenden Mehrkosten aus eigenem zu tragen. Mit Bescheid des Ministeriums vom 1. Oktober 1950, wurde der beabsichtigten Planänderung "unter der Bedingung zugestimmt, daß keinerlei Mehrkosten gegenüber dem genehmigten Kostenvoranschlag der Fondsverwaltung verrechnet werden".

Der Kläger ließ den dritten Stock des Hauses ohne Inanspruchnahme des Wohnungswiederaufbaufonds aus eigenen Mitteln aufbauen. Er und eine Mietpartei, Irene Ö., bewohnten zunächst Räume im ersten Stock. Sodann trat er an den Fonds mit dem Ersuchen heran, die Räume im ersten Stock aus der Fondshaftung zu entlassen und dafür jene des dritten Stockes der Haftung zu unterwerfen. Im Jahre 1953 zogen er und Irene Ö. in die Räume des dritten Stockes, während im gleichen Jahre die sechs Räume im ersten Stock an die beklagte Partei gegen einen monatlichen Zins von 2.400 S vermietet wurden.

Mit dem Schreiben des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau vom 7. Dezember 1961. erteilte der Wohnhauswiederaufbaufonds seine ausdrückliche Genehmigung, daß die Räumlichkeiten top. Nr. 32 - 40 aus der Fondshaftung entlassen und als Büroräume unter der Bedingung verwendet werden, daß an Stelle dieser Räumlichkeiten die aus Eigenmitteln im dritten Stock geschaffenen Wohnungen den Fondsbestimmungen unterliegen.

Der Kläger beantragt die Feststellung, daß er auf Grund einer vom Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau erfolgten Entlassung der (der Beklagten vermieteten) Räumlichkeiten aus der Fondshaftung über diese Räume frei und ohne Beschränkung der Bestimmungen des WWG. verfügungsberechtigt sei und daß auch in Ansehung der Zinsbildung diese Räume den Bestimmungen des genannten Gesetzes nicht unterliegen und daß ihm das Recht zustehe, den im Mietvertrag festgelegten Zins von monatlich 400 S inklusive Betriebskosten pro Raum zu fordern.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren im wesentlichen aus folgenden Gründen ab:

Ein Bescheid über die Entlassung der Räume aus der Fondshilfe liege nicht vor. Vor dem Schreiben des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau vom 7. Dezember 1961, hätten nur der technische und juristische Sachbearbeiter ihrer Meinung Ausdruck gegeben, ein Tausch im Sinne einer Entlassung sei möglich. Daß das zuständige Ministerium irgendwelche Erklärungen vor diesem Schreiben abgegeben habe, sei nicht behauptet worden. Aber auch dieses Schreiben sei kein Bescheid im Rahmen der Hoheitsverwaltung. Es sei nicht als solcher bezeichnet und es spreche dagegen auch die Wendung, "der WW.Fonds erteile seine ausdrückliche Genehmigung". Dies spreche vielmehr dafür, daß die Erledigung im Bereiche der Wirtschaftsverwaltung erfolgt sei. Der Fonds, welcher Rechtspersönlichkeit habe, könne aber keinen Bescheid erlassen. Eine ausdrückliche Genehmigung zur Entlassung der Räume unter der Bedingung, daß hiefür andere Räume den Fondsbestimmungen unterliegen, sei nicht mit dem Begriff der rechtsgestaltenden Verfügung über Rechtsverhältnisse der Parteien zu vereinen. Der Satz, wonach die gegenständlichen Räume aus der Fondshaftung entlassen werden, beinhalte die Entlassung aus den Beschränkungen in der Zinsbildung. Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal für die Abgrenzung zwischen Verwaltungsakt und privatwirtschaftlicher Erklärung finde sich im § 34 (1) WWG. Darnach sei mit der Vollziehung des Gesetzes wohl hinsichtlich der §§ 1 - 6, 15 (1) bis

(5) das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau, in Ansehung des § 15 (6) bis (13), aber das Bundesministerium für Justiz betraut. Die Aufgabe des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau bei Vollziehung des WWG. im Rahmen der Hoheitsverwaltung bestehe darin, generell und individuell Art und Ausmaß der Inanspruchnahme des Fonds zu regeln. An die Bewilligung eines Fondsdarlehens knüpften sich aber Rechtsfolgen zivilrechtlicher Natur, deren Gestaltung jedenfalls nicht dem Verwaltungsverfahren obliege. Daß etwa durch die Erledigung des Ministers die Fondshilfe nun anstatt für die Wiederherstellung des ersten Stockwerkes auf die des Dachgeschosses übertragen worden sei, daß also auch rückwirkend die Räume im ersten Stock nicht mehr als mit Fondshilfe wiederhergestellt anzusehen seien, womit die Angelegenheit in den Bereich der dem Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau gemäß § 15 (1) bis (5) WWG. zufallenden Entscheidungsgewalt fallen würde, habe der Kläger selbst nicht behauptet. Auch der Inhalt der Akten des Fonds gebe nicht den geringsten Hinweis darauf, sondern spreche sogar dagegen. Aus der Schlußleistungsrechnung und dem darauf ergangenen Endbescheid ergebe sich nämlich, daß das bewilligte und erweiterte Darlehen auch für den Ausbau des ersten Stockwerkes verwendet worden sei. Die Freistellung der Räume im ersten Stock würde daher eine Änderung der Rechtslage mit sich bringen, ohne daß etwa der Tatbestand, insbesondere im Sinn des § 15 (9) WWG. eine Änderung erfahren hätte. Das Schreiben vom 7. Dezember 1961 sei daher kein Bescheid, sondern eine Parteierklärung.

Die Bewilligung des Darlehens sei vor dem Jahr 1952 erfolgt. Gemäß Art. II Punkt 18 BGBl. Nr. 106/1952 fänden daher für die Mietzinsbildung die Bestimmungen der Absätze 6 - 10 des § 15 WWG. in der Fassung des BGBl. Nr. 26/1951 Anwendung: Die mit Fondshilfe wiederhergestellten Mietobjekte unterliegen darnach den Bestimmungen des Mietengesetzes mit den in den folgenden Absätzen 7 bis 10 getroffenen Abänderungen. Die Wohnungen im Dachgeschoß, die der Kläger aus eigenen Mitteln neu errichtet habe, seien darnach von den Bestimmungen des Mietengesetzes ausgenommen. Es handle sich nicht um wiederhergestellte Objekte und ihre Errichtung erfolgte nicht aus den Mitteln des Fonds, während bei den Räumen im ersten Stock sämtliche Voraussetzungen für eine Unterstellung unter diese Bestimmungen gegeben gewesen seien. Diese gesetzliche Regelung sei zwingender Natur. § 16 (2) Z. 2 MietG. finde auf wiederhergestellte Objekte keine Anwendung.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Rechtsmittelwerber meint, das WWG. enthalte keine Bestimmung oder Hinweis darauf, daß zur Entscheidung über einen Teil der in diesem Gesetz geregelten Rechtsverhältnisse das Gericht zuständig wäre. Dies ist auch nicht erforderlich, weil gemäß § 1 JN. die Entscheidung jener Fragen, die dem Privatrecht angehören, in die Kompetenz der Zivilgerichte fällt. Daß das Gesetz sowohl Normen des öffentlichen als auch des Privatrechtes enthält, wurde auch in der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtes NF. 5.128 ausgesprochen. Die Bestimmungen über die bestandrechtlichen Folgerungen des Gesetzes sind, wie gleichfalls in dieser Entscheidung ausgeführt wurde, Normen des Privatrechtes. Der Oberste Gerichtshof schließt sich dieser Ansicht an.

Beizupflichten ist der Ansicht des Berufungsgerichtes, die auch in der Revision nicht bekämpft wird, daß ein Verwaltungsbescheid des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau nicht vorliegt und daß insbesondere auch das Schreiben dieses Ministeriums vom 7. Dezember 1961 kein Bescheid ist. Es genügt, auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils zu verweisen. Eine Bindung des Gerichtes an dieses Schreiben besteht daher nicht. Es kann in Verbindung mit den mündlichen Erklärungen der Organe des Ministeriums rechtlich nur als eine privatrechtliche Erklärung verstanden werden, wonach der Wohnhauswiederaufbaufonds, der eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, durch das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau verwaltet und durch den zuständigen Minister vertreten wird (§ 4 WWG.), der "Entlassung" der gegenständlichen Räume aus den Bestimmungen des WWG. zustimmte.

Der Kläger vertritt die Ansicht, bei einer sogenannten gemischten Bauweise (Fondshilfe und Eigenkapital) müsse es möglich sein, Räume von den Bestimmungen des WWG. auszunehmen und dafür andere, gleichwertige, den Bestimmungen dieses Gesetzes zu unterstellen.

Dieser Ansicht kann nicht beigepflichtet werden. Gemäß § 15 (6) WWG. in der Fassung des BGBl. Nr. 106/1952 unterliegen die mit Mitteln der Fondshilfe wiederhergestellten Mietobjekte den Bestimmungen des Mietengesetzes, mit den in den folgenden Absätzen 7 - 11 getroffenen Abänderungen. Absatz 7 enthält Bestimmungen über die Höhe des Hauptmietzinses. Diese Bestimmungen sind ebenso zwingend, wie die Bestimmungen des Mietengesetzes. Dagegen verstoßende Vereinbarungen sind daher rechtlich wirkungslos. Dies trifft auf die gegenständliche Vereinbarung zu. Belanglos ist, ob und wie lange sich ein Vertragspartner an diese Vereinbarung gehalten hat, ob er sie anerkannte und ob die Anfechtung gegen die Grundsätze von Treu und Glauben und des Vertrauens auf den äußeren Tatbestand verstößt. Ebenso sind Erwägungen der Billigkeit nicht von Belang. Dies ergibt sich aus dem zwingenden Charakter dieser Normen.

Es erübrigt sich daher, auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Revision sowie auf die Frage der Schlüssigkeit des Klagebegehrens hinsichtlich der begehrten Feststellung, der Kläger könne über diese Räume frei und ohne Beschränkung durch die Bestimmungen des WWG. verfügen, einzugehen.

Anmerkung

Z37056

Schlagworte

Nichtigkeit einer Vereinbarung zwischen WWFonds und Hauseigentümer, Vereinbarung Nichtigkeit einer - zwischen WWFonds und Hauseigentümer, Wohnhauswiederaufbaufonds Nichtigkeit einer Vereinbarung zwischen - und, Hauseigentümer, Nichtigkeit einer Vereinbarung zwischen WWFonds und Hauseigentümer, Vereinbarung Nichtigkeit einer - zwischen WWFonds und Hauseigentümer, Wohnhauswiederaufbaufonds Nichtigkeit einer Vereinbarung zwischen - und, Hauseigentümer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1964:0070OB00107.64.0415.000

Dokumentnummer

JJT_19640415_OGH0002_0070OB00107_6400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten