TE OGH 1965/6/10 5Ob310/64

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Veröffentlicht am 10.06.1965
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Norm

ABGB §290
ABGB §974
Bundesstraßengesetz §21
Bundes- Verfassungsgesetz Art17

Kopf

SZ 38/95

Spruch

Eine von der Bundesstraßenverwaltung erteilte Bewilligung der Benützung einer Bundesstraße für einen anderen als ihren bestimmungsgemäßen Zweck stellt einen im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung ergehenden Verwaltungsakt und somit eine nach Privatrecht zu beurteilende Verfügung des Gründeigentümers (§ 290 ABGB.) dar

Entscheidung vom 10. Juni 1965, 5 Ob 310/64

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz; Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien

Text

Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin, d. i. die Republik Österreich (Bundesstraßenverwaltung), beide Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, die auf dem Grundstück Nr. 951/6 der EZ. X. befindlichen Tankstellenanlage abzutragen und den früheren Zustand wiederherzustellen, in eventu die Erstbeklagte schuldig zu erkennen. Die eingebauten unterirdischen Teile der Tankstellenanlage, soweit sich diese auf dem Grundstück Nr. 951/6 der EZ. X. befinden, abzutragen, die Grundflächen zu räumen und den früheren Zustand wiederherzustellen, und den Zweitbeklagten zu den gleichen Leistungen, jedoch in bezug auf die oberirdischen Teile dieser Tankstelle zu verurteilen, und zwar mit folgender Begründung:

Der Erstbeklagten sei die Benützung der im Eigentum der Klägerin stehenden Bundesstraße auf der angegebenen Parzelle zur Errichtung und zum Betrieb einer Tankstelle gegen jederzeitigen Widerruf überlassen worden. Auf Grund dieser Benützungsbewilligung habe die Erstbeklagte eine Tankstelle errichtet und deren unterirdische Teile dem Zweitbeklagten, der seinerseits die Zapfsäulen errichtet habe, in Bestand gegeben. Mit Schreiben des Amtes der zuständigen Landesregierung vom 22. Juni 1962 sei der Widerruf der Benützungsbewilligung erklärt worden, doch hätten die Beklagten der Räumungsaufforderung nicht entsprochen.

Die Beklagten erhoben die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes sowie die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges und beantragten im übrigen Klagsabweisung, weil der von den Beklagten benützte Teil der Bundesstraße der Erstbeklagten vermietet worden sei. Die Klägerin habe den behaupteten Vorbehalt des Widerrufes der Benützungsbewilligung niemals bekanntgegeben, ein solcher Vorbehalt sei auch jedenfalls gesetzwidrig gewesen. Im übrigen träfen die für den Widerruf angegebenen Gründe nicht zu.

Das Erstgericht verwarf mit Beschluß vom 21. März 1963 die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges sowie die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit, letztere jedoch nur hinsichtlich der Erstbeklagten, während es dieser Einrede hinsichtlich des Zweitbeklagten Folge gab und die Klage gegen diese zurückwies. Der Rekurs beider Beklagten gegen diesen Beschluß blieb erfolglos.

In dem sohin gegen die Erstbeklagte allein fortgesetzten Verfahren erkannte das Erstgericht diese für schuldig, binnen einem Monat die auf dem Grundstück Nr. 951/6 der EZ. X. befindliche Tankstellenanlage abzutragen und den früheren Zustand Wiederherzustellen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige.

Es übernahm folgende Feststellungen des Erstrichters: Mit Bescheid vom 1. September 1932 habe das Amt der zuständigen Landesregierung dem Robert M. die bloß bittweise Bewilligung zur Inanspruchnahme der T. Bundesstraße an einer bestimmt bezeichneten Stelle zur Errichtung einer Benzinzapfstelle mit dem Bemerken erteilt, daß die Anlage jederzeit, ganz oder teilweise - und zwar ohne Anspruch auf Entschädigung - über Aufforderung der Bundesstraßenverwaltung binnen einer von derselben festzusetzenden Frist, bei Elementarereignissen erforderlichenfalls sofort, auf Kosten des Besitzers der Anlage in der begehrten Weise abzuändern oder gänzlich zu entfernen und der frühere Zustand wiederherzustellen sei, wenn dies nach dem Ermessen der Bundesstraßenverwaltung durch eine bauliche Umgestaltung der Bundesstraße, aus Rücksicht der ordnungsgemäßen Straßenerhaltung oder des Straßenverkehrs notwendig werden sollte. Für die Dauer des Bestandes der Anlage sei der Bundesstraßenverwaltung ein jährlicher Anerkennungszins von 50 S zu bezahlen. Am 12. März 1934 sei der Beklagten über Ansuchen für ihre Person zum Zwecke der Errichtung und Erhaltung einer Benzinzapfstelle durch Übernahme der dem Robert M. gehörigen Benzinzapfstelle die Bewilligung zur Inanspruchnahme der vorbezeichneten Liegenschaft nach Maßgabe des mit Bescheid vom 1. September 1932 genehmigten Planes unter den in diesem Bescheid unter Punkt A und B angeführten Bedingungen erteilt worden. Für die Dauer des Bestandes der Anlage sei der Bundesstraßenverwaltung ein jährlicher Anerkennungszins von 50 S zu bezahlen. Das nach Ansicht der Untergerichte in diesen Bescheiden zu erblickende Offert der Klägerin hätten Robert M. und die Beklagte angenommen. Mit Schreiben des Landesbauamtes vom 22. Juni 1962 sei die der Beklagten erteilte Benützungsbewilligung widerrufen worden.

Im übrigen billigte das Berufungsgericht die Rechtsansicht des Erstrichters, daß die Erteilung einer über den Gemeingebrauch hinausgehenden Benützungsbewilligung an Bundesstraßengrund einen Akt der Privatwirtschaftsverwaltung darstelle, auch wenn diese Benützungsbewilligung in Bescheidform erteilt worden sei. Die Vorschriften des § 24 des Bundesstraßengesetzes 1921 bzw. des § 21 des BundesstraßenG. 1948 hinderten nicht, die Benützungsbewilligung als Prekarium im Sinne des § 974 ABGB. zu erteilen. Durch die Annahme der Offerte der Bundesstraßenverwaltung seien Verträge zustande gekommen, die als Prekarium zu beurteilen seien. Die Gründe für den Widerruf der Benützungsbewilligung seien nicht zu prüfen. Im übrigen ergäbe sich aber aus den vom Berufungsgericht ergänzend verwerteten Akten der zuständigen Landesregierung und des Lichtbildes Beilage 4, daß der Anlaß für den Widerruf der Benützungsbewilligung die Behinderung des Straßenverkehrs und der Zollabfertigung durch die Ansammlung tankender Fahrzeuge vor der Tankstelle der Beklagten sei. Der Widerruf sei daher aus Verkehrsrücksichten dringend geboten und keineswegs in Ausübung eines "schrankenlosen Ermessens" erfolgt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach Ansicht der Revision ist das angefochtene Urteil nach § 477 (1) Z. 3 ZPO. nichtig, weil das Prozeßgericht auch nicht durch ausdrückliche Vereinbarung zuständig gemacht hätte werden können, vielmehr für die vorliegende Klage der ausschließliche Gerichtsstand des § 83 JN. gegeben gewesen wäre. Weiters liege der Nichtigkeitsgrund des § 477 (1) Z. 6 ZPO. vor, weil das Gericht über eine nicht auf den Rechtsweg gehörige Sache entschieden habe.

Wie eingangs dargestellt, hat das Erstgericht bereits über beide Einwendungen mit Beschluß entschieden und es wurde dieser Beschluß vom Rekursgericht bestätigt. Es liegt daher eine in der gleichen Rechtssache und zwischen den nämlichen Parteien ergangene, rechtskräftig gewordene und daher auch für den Obersten Gerichtshof bindende Entscheidung hierüber vor (JB 63 = SZ. XXVIII 265, Fasching, I. S. 273). Deshalb kann die Frage, ob der vorliegenden Klage ein Prozeßhindernis (unheilbare Unzuständigkeit, Unzulässigkeit des Rechtsweges) entgegensteht, weder von Amts wegen neuerlich geprüft werden (vgl. SZ. XI 221), noch sind die Ausführungen dieses Nichtigkeitsgrundes in der Revision beachtlich (Fasching, a. a. O., S. 285, 5 Ob 122/61).

Aber auch im übrigen ist die Revision nicht begrundet.

Die Ausführungen der Revision sind nicht geeignet, die auf die Lehre (Adamovich, Handbuch I, S. 11) gestützte Auffassung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. ZVR. 1958, Nr. 34, S. 38) zu widerlegen, daß eine von der Bundesstraßenverwaltung erteilte Bewilligung der Benützung einer Bundesstraße für einen anderen als ihren bestimmungsgemäßen Zweck einen im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung ergehenden Verwaltungsakt darstellt. Ein solcher auf § 21 (1) BStG. (früher § 24 (1) des Bundesgesetzes vom 8. Juli 1921, BGBl. Nr. 387) beruhender Verwaltungsakt ist daher unbeschadet seiner Bezeichnung als "Bescheid" als eine nach Privatrecht zu beurteilende Verfügung des Gründeigentümers (§ 290 ABGB.) zu verstehen. Daraus folgt aber, daß entgegen der Auffassung der Revision die Bundesstraßenverwaltung bei ihrer Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle keineswegs darauf beschränkt ist, mit ihrem Vertragspartner einen bestimmten Vertragstypus für die Erteilung der Benützungsbewilligung zu wählen, vielmehr kann sie eine Bundesstraße einem Dritten auch prekaristisch zu Benützung für einen anderen als ihren bestimmungsgemäßen Zweck überlassen. Sie kann dem Dritten eine solche Überlassung auch anbieten. Es muß deshalb den Bescheiden des Amtes der zuständigen Landesregierung vom 1. September 1932 und 12. März 1934 keineswegs "Gewalt angetan" werden, um sie als Offerte der Klägerin zum Abschluß von entsprechenden Verträgen erkennen zu können.

Die Untergerichte erkannten auch zutreffend, daß nach dem Wortlaut des Bescheides vom 12. März 1934 die im Bescheid vom 1. September 1932 erwähnten "Bedingungen" (richtig: "Auflagen") Inhalt des an die Beklagte gerichteten Offertes wurden und daß durch dessen Annahme seitens der Beklagten eine dem Offert entsprechende Vereinbarung zwischen den Streitteilen zustande kam.

Es ist demnach sicher richtig, daß der Wortlaut des "Bescheides" für den Inhalt der Vereinbarung maßgebend ist, doch ergibt sich aus seinem Wortlaut in mehrfacher Hinsicht, daß die Antragstellerin nur zum Abschluß einer solchen Vereinbarung bereit war, die ihr den jederzeitigen Widerruf der Benützungsbewilligung offen ließ: Durch den Gebrauch der Worte "bittweise Bewilligung" ist für die Charakterisierung des Vertrages nichts gewonnen, da sich daraus bloß ergibt, daß der Vertrag über Verlangen der Beklagten zustande kam. Wohl aber läßt der ausdrückliche Vorbehalt, daß die Anlage jederzeit zu entfernen und der frühere Zustand wieder herzustellen sei, wenn dies nach dem Ermessen der Bundesstraßenverwaltung notwendig sein sollte, sowie die Bezeichnung des zu entrichtenden Entgeltes für die Benützung als "Anerkennungszins", insbesondere aber die Höhe des Entgeltes erkennen, daß die Klägerin keineswegs einen Bestandvertrag abschließen wollte. Von einer undeutlichen Ausdrucksweise kann in diesem Zusammenhang nicht die Rede sein. Die Berufung der Revision auf die Vorschriften der §§ 863, 914 und 915 2. Satz ABGB. geht daher fehl.

Die scheinbare Einschränkung des Vorbehaltes jederzeitigen Widerrufes durch die Worte "aus Rücksichten der ordnungsgemäßen Straßenerhaltung oder des Straßenverkehrs" haben schon die Untergerichte zutreffend nicht als eine vereinbarte Beschränkung der freien Verfügungsmacht der Klägerin erkannt, da diese nahezu unverändert aus dem Bundesstraßengesetz übernommenen Worte gerade im Zusammenhalt mit dem Vorbehalt, die Entfernung der Anlage verlangen zu können, wenn dies nach dem Ermessen der Bundesstraßenverwaltung notwendig werden sollte, die Bedeutung einer vereinbarten Beschränkung der Widerrufsmöglichkeit verlieren. Dies umso mehr, wenn bedacht wird, daß im Gesetz von einem Ermessen der Bundesstraßenverwaltung nicht die Rede ist, wohl aber das Gesetz der Bundesstraßenverwaltung das Recht einräumt, "jederzeit eine entsprechende Abänderung der hergestellten Einrichtungen zu verlangen, falls dies aus Verkehrsrücksichten oder wegen einer baulichen Umgestaltung der Straße notwendig wird, es sei denn, daß dies den Bedingungen der Benützungsbewilligung widersprechen würde". Die Bundesstraßenverwaltung könnte daher nach dem Gesetz Benützungsrechte an Bundesstraßengrund für andere Zwecke als für den Gemeingebrauch auch unter solchen Bedingungen einräumen, die ihr kein Recht, die Abänderung der hergestellten Anlage zu verlangen, einräumen. Die im vorliegenden Fall geschlossene Vereinbarung räumt aber der Bundesstraßenverwaltung ausdrücklich das Recht ein, die Benützungsbewilligung zu widerrufen, "wenn dies nach dem Ermessen der Bundesstraßenverwaltung durch eine bauliche Veränderung der Bundesstraße aus Rücksichten der ordnungsgemäßen Straßenerhaltung oder des Straßenverkehrs notwendig werden sollte". Daraus folgt, daß vereinbarungsgemäß der Widerruf der Benützungsbewilligung zwar nur auf bestimmte Gründe gestützt werden kann, daß aber die Entscheidung darüber, ob diese Gründe im besonderen Fall gegeben sind, der Bundesstraßenverwaltung selbst überlassen bleibt und daher diese Entscheidung einer richterlichen Überprüfung nicht unterliegt.

Da nun die Bundesstraßenverwaltung ihren Widerruf der Benützungsbewilligung im Schreiben vom 22. Juni 1962 ausdrücklich auf die Notwendigkeit der Vergrößerung des Amtsplatzes beim Zollamt S. stützte, welche Notwendigkeit durch den gesteigerten Straßenverkehr gegeben sei, hat sie solche Gründe für ihren Widerruf angegeben, die einen solchen vereinbarungsgemäß zu rechtfertigen vermögen, deren Vorliegen aber ausschließlich durch das Ermessen der zuständigen Vertreter der Bundesstraßenverwaltung bestimmt ist.

Im Hinblick darauf, daß der Widerruf der Benützungsbewilligung somit im Schreiben des Landesbauamtes vom 22. Juni 1962 wirksam erklärt wurde, fehlt der Beklagten für die weitere Benützung der fremden Liegenschaft ein Rechtstitel und es vermag die Beklagte der Geltendmachung der vereinbarten Rechte der Klägerin nicht erfolgreich zu widersprechen.

Anmerkung

Z38095

Schlagworte

Bundesstraße, Bewilligung zur Benützung einer - für bestimmungsfremden, Zweck ist Privatwirtschaftsverwaltung, Privatwirtschaftsverwaltung, Bewilligung zur Benützung einer, Bundesstraße für bestimmungsfremde Zwecke ist -

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1965:0050OB00310.64.0610.000

Dokumentnummer

JJT_19650610_OGH0002_0050OB00310_6400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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