TE OGH 1965/9/29 7Ob272/65

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Veröffentlicht am 29.09.1965
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Norm

ABGB §428
ABGB §983

Kopf

SZ 38/151

Spruch

Erhält eine Person, die sowohl Vertreter des Darlehensgebers als auch des Darlehensnehmers ist, die Darlehenssumme zur Ausfolgung an den Schuldner, so gilt das Darlehen erst zu dem Zeitpunkt als gegeben, zu dem der Betrag dem Schuldner ausbezahlt wird oder der Vertreter auf erweisliche Art an den Tag legt, daß er die Summe namens des Schuldners innehabe

Entscheidung vom 29. September 1965, 7 Ob 272/65

I. Instanz: Bezirksgericht Hernals; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien

Text

In den Jahren 1960 und 1961 betraute der Kläger Dr. E. mit einigen Bagatellklagen. Dr. E. erklärte dem Kläger, als dieser die Anlage seiner Ersparnisse in 7%igen Anleihepapieren erwähnte, daß er das Geld bei seinen Klienten zu 10% Zinsen unterbringen könne.

Einige Zeit nach einer rechnungsgemäßen Darlehensgewährung sagte Dr. E. dem Kläger, daß die Beklagten 40.000 S benötigten. Er übergab ihm einen handgeschriebenen Zettel mit den Grundbuchsdaten der Liegenschaft, die als Sicherstellung dienen sollte. In der mit dem Kläger aufgenommenen Information wurden die Darlehensbedingungen festgehalten, nämlich Verzinsung mit 10%, Verpflichtung der Schuldner zur Zahlung der Kosten, Rückzahlung des Darlehens nach einem Jahr, Möglichkeit der Verlängerung des Darlehens und Sicherstellung in Form eines Rangordnungsbeschlusses. Bei dieser Unterredung zeigte Dr. E. dem Kläger eine Vollmacht der Beklagten mit drei Unterschriften vor. Einige Tage später übergab der Kläger Dr. E. 40.000 S und erhielt von diesem eine Bestätigung folgenden Inhaltes:

"Herrn Heinrich K. wird bestätigt, in Sachen Hypothek Wien 17. EZ. 1715 für Rechnung Darlehen 40.000 S (sage Schilling vierzigtausend) heute in meiner Kanzlei treuhändig erlegt zu haben."

Das Wort "treuhändig" wurde von Dr. E. in dem Vordruck dieser Bestätigung handschriftlich eingefügt. Dem Kläger fiel beim Lesen der Bestätigung das schwer leserliche Wort "treuhändig" nicht auf. Diese handschriftliche Einfügung wurde zwischen dem Kläger und Dr. E. nicht besprochen. Überhaupt war von einem Treuhanderlag nicht die Rede. Einige Zeit später zeigte Dr. E. dem Kläger die Abschrift eines Rangordnungsbeschlusses. Er erklärte, daß sich das Original bei ihm befinde, damit er die Angelegenheit abwickeln könne. Der Kläger lernte die Beklagten erst nach dem Tode des Dr. E. kennen.

Die Beklagten betrauten Dr. E. seit 1945 oder 1946 in verschiedenen Sachen mit ihrer Vertretung und übergaben ihm wiederholt unbeglaubigte Vollmachten. Zuletzt war Dr. E. im Oktober 1961 für die Beklagten als Anwalt tätig. Die Beklagten ermächtigten Dr. E. niemals zur Darlehensaufnahme und erhielten auch den Darlehensbetrag nicht.

Dr. E. zahlte bis zu seinem Tode am 24. März 1964 regelmäßig die vereinbarten Zinsen. Der Kläger stellte erst nach dem Tod Dr. E.s fest, daß die Beklagten das Geld nicht erhalten hatten und eine Anmerkung der Rangordnung nicht bestand.

Der Kläger verlangt in seinem geänderten Klagebegehren Zuspruch des Betrages von 2000 S als Zinsenrate für das zweite Halbjahr.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Ansicht, der Kläger hätte Dr. E. nicht blind vertrauen dürfen und den Mißbrauch der Vollmacht durch Dr. E. erkennen müssen.

Das Berufungsgericht hob das Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf.

Es ging von nachstehender rechtlicher Beurteilung aus:

Dr. E. handelte bei Eingehung des Darlehensgeschäftes und Übernahme des Geldes zwar im Rahmen seiner Vollmacht, aber ohne besondere Ermächtigung. Letzteres habe der Kläger aber weder gewußt noch wissen können. Im allgemeinen müsse der Vollmachtsmißbrauch vom Vollmachtsgeber vertreten werden. Es komme vor, daß Darlehen nur gegen Übergabe eines Rangordnungsbescheides sichergestellt werden. In einem solchen Fall werde der Betrag dem Schuldner aber erst gegen Übergabe des Bescheides ausbezahlt. Wenn auch zwischen dem Kläger und Dr. E. nichts von einer Treuhand gesprochen wurde, so müsse doch als stillschweigend vereinbart angenommen werden, daß dieser den Geldbetrag solange als Treuhänder des Klägers zu behalten habe, bis der Rangordnungsbeschluß ausgefertigt und damit der Kläger sichergestellt sei. Erst zu dem Zeitpunkt, als Dr. E. dem Kläger die falsche Abschrift eines Rangordnungsbescheides vorwies, sei der Wille des Klägers anzunehmen, daß Dr. E. den Beklagten die Darlehenssumme auszahle. Es müsse daher festgestellt werden, ob Dr. E. den Betrag von 40.000 S vor oder nach dem genannten Zeitpunkt mißbräuchlich verwendet hat.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Parteien Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Beklagten machen einen Feststellungsmangel geltend und führen aus, es hätte aus dem Expensar Dr. E. und aus der Aussage des Zeugen Dr. L. entnommen werden können, daß Dr. E. die Absicht gehabt habe, in dieser Sache bloß den Kläger, nicht aber die Beklagten zu vertreten. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß Dr. E. dem Kläger den Zweck der Ausfolgung des Betrages, nämlich den Beklagten ein Darlehen zu gewähren, bloß vorgespiegelt hat. Sein Wille war gar nicht auf eine Vertretungshandlung gerichtet, sondern darauf, dem Kläger den Betrag unter dem angegebenen Vorwand herauszulocken. Ob er beabsichtigte, dadurch den Kläger oder die Beklagten zu schädigen, kann dafür, wessen Vertreter er war, nicht entscheidend sein. Maßgebend ist nach dem letzten Absatz des § 914 ABGB. nur, ob der Kläger der Meinung war und auch der Meinung sein durfte, Dr. E. habe das Geld als Vertreter der Beklagten inne.

Ebensowenig trifft die Meinung der Beklagten zu, der Kläger hätte in das Verhältnis zwischen dem Vertreter und den Vertretenen eindringen und nachprüfen müssen, ob Dr. E. auch richtig im Interesse der Beklagten handle. Dem Kläger hätte es auffallen müssen, daß die Vollmacht der Beklagten an Dr. E. nicht beglaubigt war, obgleich dies zur Erwirkung der Anmerkung der Rangordnung notwendig sei. Es kann im allgemeinen aber von einem juristischen Laien nicht verlangt werden, daß ihm die betreffende Bestimmung des § 53 (3) GBG. 1955 bekannt ist. Überdies genügen die im Akt erliegenden Vollmachten, die der Vorschrift des § 1008 ABGB. entsprechen, zur Aufnahme von Darlehen. Dr. E. hätte daneben ohneweiters das Gesuch um Anmerkung der Rangordnung von den Beklagten persönlich unterschreiben lassen können.

Die Meinung, ein Vertragsteil habe zu überprüfen, ob der Vertreter des Gegners dessen Interessen gehörig wahrnehme, ist durch nichts gegrundet und wohl kaum jemals ernstlich geäußert worden.

Das Berufungsgericht meint, wenn auch der Kläger das Wort "treuhändig" nicht gelesen hat und es auch für ihn schwer zu entziffern war, er sich darauf nicht berufen könne, weil es seine Sache gewesen wäre, Dr. E. zu fragen, was es bedeute. Im allgemeinen trifft dies allerdings zu, weil der andere Teil davon ausgehen kann, daß sein Vertragsgegner das Schriftstück lesen werde. Es handelt sich hier aber nicht darum, daß der Kläger eine Urkunde, die er nicht gelesen hat, unterschrieben hätte. Pflicht Dr. E.s wäre es gewesen, dem Kläger zu erklären, was das eingefügte Wort bedeutet.

Wenn also auch keine ausdrückliche Treuhandschaft vereinbart wurde, so ergibt sie sich doch aus anderen Umständen, allerdings für beide Teile. Dr. E. trat gegenüber dem Kläger auch als Vertreter der Beklagten auf, da er ihm auch seine Vollmachten zeigte. Es war also dem Kläger erkennbar, daß Dr. E. das Geld auch im Namen der Beklagten übernahm. Da letzterer aber nicht erklärte, bloß als deren Vertreter aufzutreten, galt er als solcher beider Parteien. Durch eine solche gemeinsame Innehabung, die durch einen Dritten ausgeübt wurde, konnte das Eigentum an dem Geld noch nicht auf die Beklagten übergehen. Im Sinne des letzten Satzes des § 914 ABGB. kann allerdings die Vereinbarung dahin ergänzt werden, daß Dr. E. nach Beschaffung der Sicherheit die Darlehenssumme den Beklagten auszuzahlen hatte. Insoweit kann dem Berufungsgericht gefolgt werden, nicht jedoch bei der Annahme, Dr. E. habe sich von dem Zeitpunkt an, zu welchem der Kläger glaubte, die Bedingung der Auszahlung sei eingetreten, aus einem Treuhänder des Klägers in einen Vertreter der Beklagten verwandelt, so daß damit der Betrag in das Vermögen der letzteren übergegangen sei und er ihn nunmehr bloß in deren Namen innehabe. Vor allem war diese Bedingung nicht eingetreten, vielmehr dachte der Kläger nur, daß dies der Fall sei. Das Berufungsgericht führt aus, der Kläger habe sich mit dem Nachweis der Sicherstellung zufriedengegeben, kann aber keine diesbezügliche Erklärung feststellen. Von einer stillschweigenden Zustimmung zur Ausfolgung kann nicht, wie die II. Instanz meint, gesprochen werden, da nicht festgestellt worden ist, daß Dr. E. dem Kläger erklärt hätte, er werde nun das Darlehen den Beklagten auszahlen. Dr. E., der selbst wußte, daß ein Rangordnungsbeschluß gar nicht erwirkt worden war, konnte in dem Stillschweigen des Klägers keine wirksame rechtsgeschäftliche Erklärung erblicken, da eine solche unter der selbstverständlichen Voraussetzung abgegeben worden wäre, daß die Ausfertigung auch tatsächlich vorhanden sei.

Die Annahme, der Parteiwille sei dahin gegangen, daß Dr. E. nach Eintritt der Bedingung, nämlich der Anmerkung der Rangordnung und der Zustellung des darüber ergangenen Bescheides, nur noch Vertreter der Beklagten sei und das Geld nur noch in deren Namen innehabe, ist durch nichts begrundet. Durch den bloßen Eintritt der Bedingung der Auszahlung ging das Eigentum am Geld noch nicht auf die Beklagten über. Dr. E. hätte als Vertreter des Klägers gemäß § 428 ABGB, diesen Willen auf erweisliche Art an den Tag legen müssen, etwa dadurch, daß er den Betrag auf ein Sonderkonto auf Rechnung der Beklagten eingezahlt hätte. Wenn es also zum Zustandekommen des Darlehens auch nicht unbedingt erforderlich war, daß Dr. E. es den Beklagten ausbezahlt hätte, so hätte er, um dies zu bewirken, doch namens des Klägers zum Zwecke des Eigentumsüberganges eine nach außen erkennbare Übertragungshandlung vornehmen müssen. Bis dahin mußte das Geld im Vermögen des Klägers bleiben.

Gemäß § 1311 ABGB. hat den Schaden, den keiner der Teile verschuldet hat, derjenige zu tragen, in dessen Vermögen er sich ereignet hat. Dies ist der Kläger.

Die vom Berufungsgericht vermißten Feststellungen sind daher nicht erforderlich, vielmehr ist die Sache zur Entscheidung im Sinne einer Bestätigung des Ersturteiles spruchreif.

Es war also den Rekursen Folge zu gegen und die Rechtssache bei Aufhebung der Berufungsentscheidung an die zweite Instanz zurückzuverweisen.

Anmerkung

Z38151

Schlagworte

Darlehen, Zeitpunkt der Übergabe bei Innehabung der Darlehenssumme, durch einen gemeinsamen Vertreter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1965:0070OB00272.65.0929.000

Dokumentnummer

JJT_19650929_OGH0002_0070OB00272_6500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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