TE OGH 1966/3/31 1Ob92/66

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Veröffentlicht am 31.03.1966
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Norm

ABGB §1175
ABGB §1190
Handelsgesetzbuch §335

Kopf

SZ 39/62

Spruch

Zur Frage, wann stille Gesellschaft und wann Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechts vorliegt

Voraussetzungen für die Entziehung der Geschäftsführerbefugnis nach § 1190 ABGB.

Entscheidung vom 31. März 1966, 1 Ob 92/66

I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz

Text

Der Kläger begehrt Verurteilung der Beklagten, ihm das Geschäftslokal im Hause Nr. 19 zu überlassen, ihm die Geschäftsführung an dem in diesem Lokal betriebenen Bäckereiunternehmen zu übertragen und das Betreten der Geschäftsräume zu unterlassen; ferner, ihm das Journal und das Kasseneingangsbuch herauszugeben.

Mit dieser Klage verbindet der Kläger den Antrag, folgende einstweilige Verfügung zu erlassen:

Zur Sicherung des Anspruches der klagenden und gefährdeten Partei gegen die Beklagte und Gegnerin der gefährdeten Partei auf Überlassung des Geschäftslokales samt Nebenraum im Parterre des Hauses Nr. 19, Übertragung der Geschäftsführung des Bäckereiunternehmens der gefährdeten Partei und Unterlassung des Betretens dieses Geschäftslokals, wird der Antragsgegnerin verboten, sich in die Geschäftsführung des Unternehmens der gefährdeten Partei in irgendeiner Weise einzumengen, insbesondere Ware auszugeben, Geld zu kassieren oder im Rahmen des Unternehmens der gefährdeten Partei Aufträge zu tätigen.

Zur Begründung dieses Antrages bringt der Kläger vor:

Mit dem Kaufvertrag vom 16. Februar 1949 haben die Beklagte, damals Lebensgefährtin des Klägers, und dieser gemeinsam je zur Hälfte die Liegenschaft EZ. X, bestehend aus dem Grundstück 435/1 mit Haus Nr. 19 und Hof, weiter aus dem Gutsbestand der EZ. Y einen Teil des Grundstückes 534, Garten, sowie die im Haus Nr. 19 befindliche Bäckerei samt Einrichtung, Maschinen und Inventar um den Gesamtkaufpreis von 85.000 S gekauft. Seither seien die Parteien je zur Hälfte bücherliche Eigentümer dieser Liegenschaft samt dem im Kaufvertrag angeführten Inventar geworden. Der Ankauf sei lediglich zu dem Zwecke erfolgt, damit in den Räumen des Bäckereiunternehmens, das zum Zeitpunkt des Ankaufes der Liegenschaft verpachtet gewesen sei, ein solches Unternehmen eröffnet und ausgebaut werde. Der Kläger habe nach Beendigung des Pachtvertrages mit dem vormaligen Pächter das Bäckereigeschäft renoviert und unter seinem Namen eröffnet. Seither betreibe er diese Bäckerei als nicht protokolliertes Einzelunternehmen. Nach der Übergabe der Liegenschaft durch den Verkäufer Ende 1949, Anfang 1950 sei die Beklagte mit dem Wunsch an den Klager herangetreten, ihr am Bäckereiunternehmen, das von ihm allein geführt worden sei, gewisse Rechte einzuräumen. Am 1. Jänner 1950 sei es zum Abschluß eines Gesellschaftsvertrages gekommen, wonach sich die Beklagte als stille Gesellschafterin mit einer Vermögenseinlage von 17.000 S an dem vom Kläger betriebenen Bäckereiunternehmen beteiligt habe. Nach dem Gesellschaftsvertrag habe die Beklagte entsprechend ihrer Einlage am Gewinn und Verlust des Unternehmens je zur Hälfte teilgenommen. Die Gesellschaft sei mit 1. Jänner 1950 auf unbestimmte Zeit geschlossen worden; damals sei auch vereinbart worden, daß sie von jedem Gesellschafter halbjährlich mittels eingeschriebenen Briefs zum Schluß eines Kalenderjahres aufgekundigt werden könne. Im übrigen sollten die Bestimmungen des Handelsgesetzbuches über die stille Gesellschaft Geltung haben. Dieser Gesellschaftsvertrag sei später dahin ergänzt worden, daß der Kläger der beklagten Partei die Geschäftsführung des Unternehmens, an dem sie als stille Gesellschafterin beteiligt gewesen sei, übertragen habe. Die Beklagte habe in der Folge die Geschäftsführung grob vernachlässigt. Dies habe zu einer Betriebsprüfung durch das Finanzamt und hohen Steuernachforderungen geführt. Hierauf habe der Kläger das Gesellschaftsverhältnis zum 31. Dezember 1965 aufgekundigt. Damit sei die Befugnis der Beklagten, für das Unternehmen des Klägers die Geschäftsführung auszuüben, erloschen.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung.

Das Rekursgericht wies sie ab. Denn beim derzeitigen Verfahrensstand, wonach ein Hälfteeigentum an den in Frage stehenden Liegenschaften und 50%ige Gewinn- und Verlustbeteiligung am Unternehmen für beide Parteien bestehe, könne nicht einmal ausgeschlossen werden, daß die Parteien am 1. Jänner 1950 in Wahrheit eine als stille Gesellschaft bezeichnete Gesellschaft nach § 1175 ABGB. gegrundet haben, die dann durch die Übertragung der Geschäftsführung an die Beklagte im Sinne des § 1190 ABGB. erweitert worden sei. Dem dürftigen Text der Aufkündigung vom 30. Juni 1965 sei nur zu entnehmen, daß der Kläger der Beklagten mitgeteilt habe, im Sinne des § 4 des Gesellschaftsvertrages vom 1. Jänner 1950 die Gesellschaft mit 31. Dezember 1965 aufzukundigen. Da sich in dieser Aufkündigung kein Hinweis auf die Geschäftsführung der Beklagten, sondern nur auf die Gesellschaft, das sei die Beteiligung der Klägerin mit 50% am Gewinn und Verlust des Unternehmens, befinde, sei nicht einmal der Versuch gemacht worden, eine Entziehung der Geschäftsbefugnis der Beklagten zu bescheinigen. Ein Anspruch des Klägers auf Übertragung der Geschäftsführung an ihn bestehe nicht, weil die rechtsbegrundenden Voraussetzungen für das Entstehen eines solchen Anspruches gar nicht behauptet worden seien.

Der Oberste Gerichtshof gab dem dagegen erhobenen Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Im Rechtsmittel wird ausgeführt, der Beschluß des Rekursgerichtes bleibe insoweit unangefochten, als die Erlassung einer einstweiligen Verfügung "zur Sicherung des Anspruches der gefährdeten Partei gegen ihre Gegnerin auf Überlassung des Geschäftslokales samt Nebenräumen und Unterlassung des Betretens dieses Geschäftslokals" abgewiesen worden seien. Der Kläger sei Alleininhaber des Unternehmens; der Beklagte sei in der Folge die Geschäftsführung dieses Unternehmens als stiller Teilhaberin übertragen worden. Da infolge Aufkündigung des Gesellschaftsvertrages die Beklagte ab 1. Jänner 1966 nicht mehr stille Teilhaberin des dem Kläger gehörigen Unternehmens sei, habe sie seither kein Recht zur Geschäftsführung.

Dieses sei automatisch mit ihrer Gesellschaftereigenschaft erloschen, ohne daß es einer besonderen Aufkündigung bedurft hätte.

Daß das Bäckereiunternehmen unter dem Namen des Klägers geführt wird, besagt noch nicht, daß es ihm allein gehört. Da bereits ein gleichartiges Unternehmen in denselben Räumlichkeiten betrieben und samt Inventar von den Voreigentümern verpachtet war, das gesamte Inventar aber mit der Liegenschaft von den Parteien je zur Hälfte gekauft worden ist, ist - wenn nicht eine Sondervereinbarung getroffen wurde, wofür es an einer Behauptung und Bescheinigung fehlt - das schon bestehende Bäckereiunternehmen auf beide Käufer übergegangen, was nicht ausschließt, daß es dann unter dem Namen des Klägers weitergeführt wurde. Das Alleineigentum des Klägers am Bäckereibetrieb ist nicht bescheinigt. Trotz der Bezeichnung des zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses als stille Gesellschaft, womit nur ein Indiz für die tatsächlich gewählte Gesellschaftsform gegeben ist, sprechen nach der Aktenlage wegen der anzunehmenden Gemeinschaftlichkeit des Gesellschaftsvermögens sowie der Überlassung der Geschäftsführung an die Beklagte überwiegende Gründe gegen die Gesellschaftsform der stillen Gesellschaft (vgl. SZ. XXIII 76). Besteht aber zwischen den Parteien eine Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes, dann kann eine der Beklagten im Sinne des § 1190 ABGB. übertragenen Geschäftsführung, wenn keine abweichenden Vereinbarungen getroffen worden sind, nur durch Mehrheitsbeschluß der Gesellschafter entzogen werden. Bei gleicher Beteiligung beider Gesellschafter bedarf es der richterlichen Entscheidung, die im außerstreitigen Verfahren zu erfolgen hat (JBl. 1964 S. 463).

Die Klagsbehauptungen rechtfertigen aber auch an sich nicht einen Anspruch des Klägers auf Übertragung der Geschäftsführung des Bäckereiunternehmens durch die Beklagte an den Kläger, weil dies eine Verfügungsmacht der Beklagten über das Bäckereiunternehmen voraussetzt, die ihr der Kläger in den Klagsbehauptungen nicht zugestehen will.

Die beantragte einstweilige Verfügung kann daher nicht erlassen werden.

Anmerkung

Z39062

Schlagworte

Entziehung der Geschäftsführerbefugnis, Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes, Abgrenzung zur stillen, Gesellschaft, Geschäftsführerbefugnis, Entziehung der -, Gesellschaft bürgerlichen Rechtes, Abgrenzung zur stillen Gesellschaft, Stille Gesellschaft, Abgrenzung zur Erwerbsgesellschaft bürgerlichen, Rechtes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1966:0010OB00092.66.0331.000

Dokumentnummer

JJT_19660331_OGH0002_0010OB00092_6600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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