TE OGH 1967/4/4 4Ob515/67

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Veröffentlicht am 04.04.1967
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Norm

ABGB §1325
ABGB §1415

Kopf

SZ 40/42

Spruch

Die einzelnen Ansprüche nach § 1325 ABGB. (Heilungskosten, Schmerzengeld, Ersatz außergerichtlicher Kosten usw.) betreffen verschiedene Verpflichtungen des Schädigers; die Bezahlung einzelner von ihnen kann daher nicht als Teilleistung zurückgewiesen werden.

Entscheidung vom 4. April 1967, 4 Ob 515/67.

I. Instanz: Bezirksgericht Bruck an der Mur; II. Instanz:

Kreisgericht Leoben.

Text

Am 29. September 1965 versetzte der Beklagte dem Kläger im Hof des Gasthauses G. in K, grundlos einen Faustschlag ins Gesicht. Dadurch erlitt der Kläger Verletzungen, die einen Tag lang mittlere und vier Tage leichte Schmerzen verursachten. Außerdem wurde seine Zahnprothese zerbrochen.

Der Kläger machte seine Ersatzansprüche zuerst außergerichtlich geltend. Er verlangte mit Schreiben vom 21. Jänner 1966 vom Beklagten

a) die Kosten einer neuen Zahnprothese in der Höhe von   1.118.-- S,

b) Schmerzengeld in der Höhe von                         2.500 -- S,

c) vorprozessuale Kosten in der Höhe von                   441.23 S,

----------- zusammen          4.059.23 S.

Der Beklagte überwies in der Folge an den Klagevertreter den Betrag von 1818 S. Er schlüsselte diesen Betrag auf in 1118 S als Ersatz für die Kosten einer neuen Zahnprothese, in 500 S als Schmerzengeld und in 200 S für vorprozessuale Kosten. Der Klagevertreter verweigerte die Annahme dieses Geldbetrages, worauf der Beklagte 1813 S (das sind 1818 S minus 5 S Rückporto) bei Gericht erlegte.

Mit der am 28. April 1966 eingebrachten Klage forderte der Kläger ein Schmerzengeld von 1000 S und die Kosten der Zahnprothese von 1118 S, zusammen 2118 S, zuzüglich 4% Zinsen aus 1000 S seit 1. Oktober 1965 und aus 1118 S seit 5. Dezember 1965.

Der Beklagte anerkannte in der ersten mündlichen Streitverhandlung am 24. Mai 1966 einen Betrag von 1813 S, nämlich 1118 S für den Ersatz der Zahnprothese, 500 S an Schmerzengeld und 200 S an vorprozessualen Kosten, abzüglich 5 S an Rückstellungsgebühr für die nicht angenommene Überweisung.

In der mündlichen Streitverhandlung vom 25. Juni 1966 schränkte der Kläger sein Schmerzengeldbegehren um 300 S auf 700 S ein, dehnte aber gleichzeitig die Klage aus d) um die Kosten der Reinigung des blutbefleckten Anzuges in der Höhe von 46 S, e) um die Kosten der wiederholten Zureise zum Arzt in der Höhe von 50 S, sodaß schließlich die Bezahlung von 1914 S samt 4% Zinsen aus 300 S seit 1. Oktober 1965 und aus 1214 S seit 5. Dezember 1965 begehrt wurde.

Das Erstgericht sah ein Schmerzengeld in der Höhe von 600 S als angemessen an und sprach dem Kläger den Betrag von 196 S samt 4% Zinsen seit 1. Oktober 1965 zu und wies das Mehrbegehren von 1718 S ab. Der Beklagte habe in der Tagsatzung vom 24. Mai 1966 einen Betrag von 1118 S als Ersatz für die zertrümmerte Zahnprothese, 500 S an Schmerzengeld und 200 S an vorprozessualen Kosten, zusammen daher 1818 S, abzüglich 5 S Rückstellungsgebühr, somit 1813 S anerkannt. Dieser Betrag sei bei der Verwahrungsabteilung beim Oberlandesgericht Graz gemäß § 1425 ABGB. hinterlegt und der Erlag mit Beschluß des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 16. Februar 1966 angenommen worden. Hievon sei der Klagevertreter verständigt worden. Bei Schadenersatzforderungen, deren Höhe von vornherein nicht feststehe, sondern erst durch ein Verfahren ermittelt werden müsse, werde es naturgemäß nicht angehen, Teilleistungen auszuschlagen, da der ziffernmäßige Betrag entweder überhaupt nicht oder nur zum Teil feststehe. Anderenfalls hätte es ein Gläubiger in der Hand, durch unrealistische Einschätzung seiner Ansprüche den Schuldner, der die Ansprüche des Gläubigers größtenteils anerkennen und sie zu befriedigen bereit sei, dennoch zu klagen und ihn durch einen längeren Zinsenlauf ungebührlich zu beanspruchen. Dem Schuldner müsse daher, um ihn vor solchen Nachteilen zu schützen, die Möglichkeit offenstehen, nach Anbieten eines angemessenen Ersatzbetrages sich durch Hinterlegung einer nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilenden angemessenen Entschädigungssumme von seiner Verbindlichkeit zu befreien und damit eine weitergehende unbillige Inanspruchnahme zufolge längeren Zinsenlaufes und höherer Prozeßkosten von sich fernzuhalten. Die vom Beklagten vorgenommene gerichtliche Hinterlegung des Betrages von 1813 S, wovon auf die Klagsforderung 1618 S entfallen, sei daher rechtmäßig und im Umfang der 1618 S schuldtilgend. Der klagenden Partei stehe eine Schadenersatzforderung von 1814 S zu (1118 S als Ersatz der Zahnprothese, 600 S als Schmerzengeld, 46 S Reinigungskosten und 50 S Fahrtauslagen). Die Differenz von 1618 S auf 1814 S betrage 196 S, weshalb dem Kläger nur mehr ein Betrag von 196 S zuzusprechen sei, da die vom Beklagten vorgenommene Hinterlegung eines Betrages von 1618 S als rechtmäßig und damit als Zahlung anzusehen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß der Beklagte schuldig erkannt wurde, dem Kläger den Betrag von 1814 S samt 4% Zinsen seit 1. Oktober 1965 zu bezahlen. Das Mehrbegehren von 100 S blieb abgewiesen. Das Berufungsgericht verwies auf die Bestimmung des § 1415 ABGB., wonach der Gläubiger nicht schuldig sei, die Zahlung einer Schuldpost teilweise oder auf Abschlag anzunehmen. Daraus ergebe sich, daß der Gläubiger nur dann verpflichtet sei, eine Zahlung anzunehmen, wenn sie seine gesamte Forderung tilge. Jede andere Zahlung könne er zurückweisen. Werde aber nicht die gesamte Forderung getilgt, so sei das Anbot des Schuldners nicht mehr rechtmäßig im Sinne des § 1425 ABGB. erfolgt und könne eine Schuldbefreiung durch eine anschließende Hinterlegung nicht eintreten. Dies gelte auch, wenn über die Höhe der Forderung keine Einigkeit bestehe. Hier komme einer Hinterlegung durch den Schuldner nur dann schuldbefreiende Wirkung zu, wenn der hinterlegte Betrag zumindest gleich groß sei wie der schließlich gerichtlich festgestellte. Das Risiko, das in einer falschen Einschätzung der Prozeßchancen liege, habe demnach der Schuldner zu tragen. Es sei während des ganzen Verfahrens nie strittig gewesen, daß der Beklagte in bezug auf die Hauptforderung 1618 S gerichtlich hinterlegt habe. In diesem Betrag seien Zinsen nicht inbegriffen. Nach § 1416 ABGB. sei der Gläubiger aber berechtigt, den angebotenen Betrag zuerst auf die Zinsen und dann auf das Kapital zu verrechnen. Decke der angebotene Betrag aber nicht Zinsen und Kapital, so liege auf jeden Fall eine bloße Teilzahlung vor, zu deren Annahme der Gläubiger nicht verpflichtet sei. Eine Schuldbefreiung durch Hinterlegung des Betrages von 1618 S bei Gericht habe daher im vorliegenden Fall nicht eintreten können. Im übrigen sei das Schmerzengeld entgegen der Meinung des Klägers richtig mit 600 S bemessen worden.

Der Oberste Gerichtshof änderte die Urteile der Untergerichte dahin ab, daß sie insgesamt zu lauten haben: Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger den Betrag von 696 S samt 4% Zinsen aus 600 S seit 28. April 1966 und 4% Zinsen aus 96 S seit 25. Oktober 1966 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Das Mehrbegehren von 1218 S samt 4% Zinsen seit 1. Oktober 1965 wird abgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Berufungsgericht hat zwar auf den ersten Satz des § 1415 ABGB. verwiesen, wonach der Gläubiger nicht schuldig ist, die Zahlung einer Schuldpost teilweise oder auf Abschlag anzunehmen. Es hat sich aber nicht mit dem zweiten Satz dieser Gesetzesstelle beschäftigt, wonach dann, wenn verschiedene Posten zu zahlen sind, diejenige Post für abgetragen gehalten wird, welche der Schuldner mit Einwilligung des Gläubigers tilgen zu wollen sich ausdrücklich erklärt habe.

Mit Schreiben vom 21. Februar 1966 hat der Kläger die eingangs

erwähnten drei Posten von insgesamt 4059.23 S geltend gemacht.

Hiebei handelt es sich nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes nicht

um eine einzige Forderung, sondern um drei Schuldposten im Sinne des

zweiten Satzes des § 1415 ABGB. Mit der Forderung a) wurde Ersatz einer Sachbeschädigung, mit der Forderung b) Schmerzengeld, also ein immaterieller Schaden, und mit der Forderung c) vorprozessuale Kosten, also gleichfalls ein Schadenersatzanspruch, aber nicht ein solcher wegen Sachbeschädigung, erhoben. Der Oberste Gerichtshof teilt die Ansicht Gschnitzers (in Klang[2] VI 382), daß es sich bei den Ansprüchen wegen Verletzung am Körper (§§ 1325 ff. ABGB.) um verschiedene in der Person des Schädigers entstandene Verpflichtungen handelt, weil jeder Verpflichtung ein besonderer Nachteil an Vermögen, Rechten oder in der Person (§ 1293 ABGB.) zugrundeliegt; daß also z. B. die Bezahlung von Heilungskosten vom Beschädigten nicht als Teilleistung zurückgewiesen werden könne. Gschnitzer ist a. a. O. auch der Meinung, daß der Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Kosten ein selbständiger Anspruch sei. Legt man diese Rechtsansicht der Entscheidung zugrunde, so geriet der Kläger in Annahmeverzug hinsichtlich der Schuldpost a) in der Höhe von 1118 S, welchen Betrag er für die Anschaffung einer neuen Zahnprothese verlangt hatte und welcher Betrag ihm daraufhin vom Beklagten auch übersendet wurde. Der Kläger geriet aber auch hinsichtlich der Schuldpost c) in Annahmeverzug. Er hatte an vorprozessualen Kosten 441.23 S verlangt, der Betrag dieser vorprozessualen Kosten beträgt aber, wie das Berufungsgericht von der Revisionsbeantwortung unbekämpft ausführt, nur 143 S. Wenn der Beklagte für die Schuldpost c) den Betrag von 200 S übersendet hat, so hat er damit diese Schuldpost mit dem Betrag von 200 S anerkannt und auch beglichen. Bezüglich der Posten a) und c) war daher der Gerichtserlag des Klägers rechtmäßig und hatte sohin gemäß § 1425 ABGB. schuldbefreiende Wirkung.

Hinsichtlich der Schuldpost b), Schmerzengeld, wird die Bemessung mit 600 S von den Parteien im Revisionsverfahren nicht mehr gerügt. Der Beklagte hat aber nur 500 S an Schmerzengeld anerkannt und dem Kläger übersendet. Bezüglich dieser Schuldpost liegt daher nur das Anbieten einer Teilzahlung vor, die der Kläger nach dem ersten Satz des § 1415 ABGB. anzunehmen nicht verpflichtet war. Bezüglich der Schuldpost b) liegt also weder ein Annahmeverzug des Klägers noch eine Schuldtilgung durch Gerichtserlag vor, weshalb dem Kläger 600 S durch Urteil zuzusprechen sind. Zinsen sind ihm allerdings nur vom Tage der Klage an zuzusprechen, weil er Zinsen erstmals in der Klage verlangt hat.

Hinsichtlich der Schuldposten d) und e) wurde Zahlung nicht behauptet. Diese Schuldposten sind daher dem Kläger gleichfalls zuzusprechen, allerdings auch hier die Zinsen erst ab Geltungmachung am 25. Oktober 1966. Dem Kläger sind daher insgesamt 696 S s. A. zuzusprechen. Die ihm zustehenden weiteren Teilbeträge wird der Kläger vom Gerichtserlag zu beheben haben, wenn er in den Besitz dieser Beträge kommen will.

Anmerkung

Z40042

Schlagworte

Heilungskosten, Bezahlung verschiedener Ansprüche nach § 1325 ABGB. als, Teilleistung, Schadenersatz, Bezahlung verschiedener Ansprüche nach § 1325 ABGB. als, Teilleistung, Schmerzengeld, Bezahlung verschiedener Ansprüche nach § 1325 ABGB. als, Teilleistung, Teilleistung, Bezahlung verschiedener Ansprüche nach § 1325 ABGB.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1967:0040OB00515.67.0404.000

Dokumentnummer

JJT_19670404_OGH0002_0040OB00515_6700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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