TE OGH 1968/12/18 5Ob285/68

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.12.1968
beobachten
merken

Norm

ABGB §778

Kopf

SZ 41/181

Spruch

Nach § 778 ABGB. kommt es auf die Lage des Einzelfalles an. Die geleisteten Dienste und die dafür als Vermächtnis ausgesetzte Belohnung brauchen nicht gleichwertig zu sein; das Vermächtnis bleibt auch bei einem auffallenden Mißverhältnis zwischen den Diensten und der Belohnung wirksam.

Entscheidung vom 18. Dezember 1968, 5 Ob 285/68.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Die Klägerin begehrte die Feststellung, daß das Kodizill des am 17. Juni 1965 verstorbenen Josef O. vom 1. Juni 1961, in welchem ihr der Erblasser als Dank für geleistete Dienste einen Betrag von 90.000 S, zahlbar in 10 gleichen und wertgesicherten Jahresraten vermacht hatte, rechtsgültig sei. Die Beklagten, denen der Nachlaß des Josef O. mit Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes V. vom 9. Dezember 1965 eingeantwortet wurde, wendeten ein, daß das Kodizill des bis dahin kinderlosen Erblassers infolge der Geburt der Zweitbeklagten am 12. Mai 1963, für die der Erblasser trotz ihrer Eigenschaft als Noterbin keine Vorsorge getroffen habe, gemäß § 778 ABGB. seine Wirksamkeit verloren habe. Außerdem habe die Klägerin dem Erblasser keine Dienste geleistet, die nicht entlohnt worden seien. Der Wert des den Beklagten eingeantworteten Nachlasses sei abzüglich der Passiva mit 369.355 S ermittelt worden. Das Klagebegehren sei überdies unzulässig, weil die Klägerin eine Leistungsklage einbringen könne.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Es stellte fest, daß die Klägerin Ende September 1960 über Verlangen des Josef O. ihre bis dahin ausgeübte Beschäftigung als Kellnerin in der Bahnhofsrestauration V. aufgab und seine Lebensgefährtin wurde. Sie führte für ihn in der Folge wie eine Ehefrau den Haushalt, hielt die Wohnung instand und pflegte Josef O. Dieser kam für die Kosten des gemeinsamen Haushaltes nur zum Teil auf. Auf Vorhalte der Klägerin erklärte er, sie mache nichts umsonst, jeder bekomme seinen Lohn. Tatsächlich übergab O. der Klägerin das Kodizill vom 1. Juni 1961, in dem er ihr als Dank für ihre Dienste und ihre Obsorge einen Betrag von 90.000 S, zahlbar in zehn gleichen Jahresraten, vermachte. Josef O. forderte die Klägerin auf, sich zu erkundigen, ob sein Kodizill rechtswirksam sei. Die Klägerin kam dieser Aufforderung nach und verwahrte weiterhin das Kodizill bei sich. Im Frühjahr 1962 wurde die Lebensgemeinschaft aufgelöst. Am 6. März 1962 beauftragte Josef O. einen Rechtsanwalt, die der Klägerin gewährten Darlehen rückzufordern und andere Geldforderungen geltend zu machen. Es kam zu einem Vergleich, wonach die Klägerin an O. 3190 S bezahlte und Josef O. auf seine übrigen Ansprüche verzichtete. Nach dem Auszug des Josef O. aus der Wohnung der Klägerin erzählte der Genannte der Elisabeth N., daß er die Klägerin in einem Testament bedacht habe, ihr aber jetzt nichts mehr hinterlassen wolle. Er habe das Testament von der Klägerin zurückverlangt, doch behaupte die Klägerin, es verlegt zu haben. Am 13. Februar 1963 schloß Josef O. mit der Erstbeklagten die Ehe, dieser Ehe entstammt die am 12. Mai 1963 geborene Zweitbeklagte. Der Nachlaß des am 17. Juni 1965 verstorbenen Josef O. wurde der Erstbeklagten zu einem Viertel, der Zweitbeklagten zu drei Vierteln im Sinne ihrer Erbserklärungen als gesetzliche Erben eingeantwortet. Der Wert des reinen Nachlasses wurde mit 369.355.94 S ermittelt.

Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht rechtlich dahin, daß das Kodizill gemäß § 778 ABGB. seine Wirksamkeit durch die nachträgliche Geburt der Zweitbeklagten nicht verloren habe, obwohl nicht behauptet worden sei, daß der Erblasser für seine nach der Errichtung des Kodizills geborene Tochter letztwillige Anordnungen getroffen habe, weil die Klägerin während der Lebensgemeinschaft mit dem Erblasser für diesen Leistungen erbracht habe und der Erblasser ihr ausdrücklich dafür als Dank den Betrag von 90.000 S, der ein Viertel des Reinnachlasses nicht übersteige, vermachte. Die Bewertung der einzelnen Leistungen der Klägerin für den Erblasser sei nicht erforderlich. Wenn auch einer Lebensgefährtin nur bei ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung ein Entlohnungsanspruch zustehe, so sei doch in der Zuwendung des Erblassers an die Klägerin mit Rücksicht auf den ausdrücklich erklärten Willen des Erblassers in seinem Kodizill eine Entlohnung ihrer Dienste als Lebensgefährtin zu erblicken, zumal die Klägerin über Wunsch des Erblassers ihre Berufstätigkeit aufgegeben und sie sich bis zur Errichtung des Kodizills durch etwa acht Monate gänzlich dem Haushalt des Erblassers gewidmet hatte. Durch das Verlangen des Erblassers nach Herausgabe seiner letztwilligen Anordnung und die Weigerung der Klägerin, das Kodizill herauszugeben, sei dieses nicht unwirksam geworden. Dem Erblasser sei es freigestanden, sein Kodizill ausdrücklich zu widerrufen oder eine andere Anordnung zu treffen. Da er dies nicht getan habe, sei das Kodizill rechtswirksam. Das Feststellungsbegehren der Klägerin sei zulässig, weil es sich um die Frage der Gültigkeit einer letztwilligen Anordnung einer bereits verstorbenen Person handle. Das rechtliche Interesse der Klägerin an der alsbaldigen Feststellung der Rechtsgültigkeit des Kodizills sei zu bejahen, obgleich die Klägerin hinsichtlich der bereits fälligen Vermächtnisraten eine Leistungsklage hätte anbringen können, weil die Feststellungsklage geeignet sei, bereits konkret faßbare aber noch nicht fällige Ansprüche der Klägerin klarzustellen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit dem Ausspruch, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige. Die zweite Instanz übernahm die von der Berufung der Beklagten bekämpften Feststellungen des Erstgerichtes und trat auch dessen rechtlicher Beurteilung bei. Das vom Erstgericht bejahte Feststellungsinteresse der Klägerin wurde in der Berufung nicht mehr in Abrede gestellt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach § 778 ABGB. werden letztwillige Anordnungen eines kinderlosen Erblassers, der nach der Erklärung seines letzten Willens einen Noterben erhält, für den keine Vorsorge getroffen ist, mit gewissen Ausnahmen zur Gänze entkräftet. Eine dieser Ausnahmen betrifft die zur Belohnung geleisteter Dienste bestimmten Vermächtnisse, die in einem den 4. Teil der reinen Verlassenschaft nicht übersteigenden Betrag verhältnismäßig entrichtet werden. Im vorliegenden Fall ist es unbestritten, daß Josef O. zur Zeit der Errichtung seines Kodizills (1. Juni 1961) kinderlos war, daß er nachträglich in der Person der Zweitbeklagten eine Noterbin erhielt und daß er für diese in seinem Kodizill keine Vorsorge getroffen hat. Da die Echtheit und Formgültigkeit des Kodizills gleichfalls unbestritten ist, und Willensmängel des Erblassers oder seine Testierunfähigkeit zur Zeit der Errichtung des Kodizills nicht behauptet wurden, darüber hinaus aber selbst nach den Angaben der Beklagten das der Klägerin vermachte Barlegat den 4. Teil des reinen Nachlasses des Josef O. nicht übersteigt, ist für die Rechtswirksamkeit des Vermächtnisses entscheidend, ob dieses zur Belohnung geleisteter Dienste bestimmt war. Diese Frage haben die Untergerichte schon im Hinblick auf den Wortlaut des Kodizills, in dem der Erblasser ausdrücklich verfügte. "Ich vermache ... als Dank für mir geleistete Dienste und Obsorge für meine Person ...", mit Recht bejaht. Entgegen der Meinung der Revision haben die Untergerichte die Frage, ob die Klägerin dem Erblasser überhaupt Dienste geleistet habe, durchaus nicht als unerheblich angesehen. Sie waren vielmehr lediglich der Auffassung, daß es nicht darauf ankomme, ob die geleisteten Dienste und die dafür als Vermächtnis ausgesetzte Belohnung gleichwertig seien. In dieser Auffassung kann ein Rechtsirrtum nicht erblickt werden, weil das Gesetz in diesem Zusammenhang nicht verlangt, daß die Belohnung den geleisteten Diensten angemessen sein müsse. Es ist allerdings richtig, daß Ausnahmebestimmungen - um eine solche handelt es sich hier - nicht ausdehnend ausgelegt werden dürfen; es kann jedoch von einer ausdehnenden Auslegung des § 778 ABGB. keine Rede sein, wenn trotz auffallenden Mißverhältnisses zwischen dem Wert der geleisteten Dienste und der im Vermächtnis hierfür ausgesetzten Belohnung ein solches den 4. Teil des reinen Nachlasses nicht übersteigendes Vermächtnis im Sinne der genannten Vorschrift als rechtswirksam angesehen wird. Es ist sicher auch richtig, daß der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 778 ABGB. in erster Linie die Interessen der vom Erblasser übergangenen Kinder im Auge hatte, dennoch hat er unter bestimmten Voraussetzungen dem Willen des Erblassers maßgebliche Bedeutung zuerkannt. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ergibt sich aus der Lage des Einzelfalles (vgl. Weiss in Klang[2] III S. 884). Diesfalls läßt der von den Untergerichten festgestellte Sachverhalt jedoch das Vorliegen der Voraussetzungen für die Annahme eines Ausnahmefalles des § 778 ABGB. erkennen. Dem Umstand, daß die Rechtsprechung der Lebensgefährtin im allgemeinen und soweit keine gegenteilige Vereinbarung erwiesen ist, keinen Entlohnungsanspruch für die im Rahmen der Lebensgemeinschaft geleisteten Dienste zuerkennt (vgl. die unter Nr. 10 ff. zu § 1152 ABGB. MGA.[28] zitierten Entscheidungen), kommt hier keine Bedeutung zu, da Josef O. seiner Lebensgefährtin eine letztwillige Zuwendung nicht bloß versprach, was sogar ihren Entlohnungsanspruch begrundet hätte, wenn die tatsächliche Zuwendung unterblieben wäre (vgl. Arb. 6932), sondern er sein Vermächtnis für die Klägerin sogar ausdrücklich mit dem Hinweis auf ihre geleisteten Dienste begrundete.

Anmerkung

Z41181

Schlagworte

Kodizill, Aufrechterhaltung nach § 778 ABGB. bezüglich eines, Vermächtnisses als Belohnung für geleistete Dienste der Lebensgefährtin, Lebensgefährtin, Vermächtnis als Belohnung für geleistete Dienste„ Aufrechterhaltung nach § 778 ABGB., Noterbe, nach Errichtung eines Kodizills geborener, Aufrechterhaltung, eines Vermächtnisses als Belohnung für geleistete Dienste gemäß § 778, ABGB., Vermächtnis als Belohnung für geleistete Dienste, Lebensgefährtin„ Aufrechterhaltung nach § 778 ABGB.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1968:0050OB00285.68.1218.000

Dokumentnummer

JJT_19681218_OGH0002_0050OB00285_6800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten