TE OGH 1969/3/26 2Ob74/69

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Veröffentlicht am 26.03.1969
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Norm

ABGB §154
ABGB §1327

Kopf

SZ 42/45

Spruch

Ersatzanspruch einer Ausnehmerin, die zusätzliche Leistungen von ihrer ledigen Tochter erhielt.

Entscheidung vom 26. März 1969, 2 Ob 74/69.

I. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Maria F., eine Tochter der Klägerin, wurde am 19. August 1965 bei einem Verkehrsunfall getötet, den der Lenker des Kraftfahrzeuges der Beklagten verschuldet hätte.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes die Bezahlung einer Rente von monatlich 300 S ab 1. September 1965 mit der Behauptung, daß sie wegen ihrer Dürftigkeit von ihrer Tochter Maria Unterhaltsleistungen in dieser Höhe erhalten hätte.

Die Beklagte erwiderte, daß Maria F. zum Unterhalt der Klägerin nicht verpflichtet gewesen sei, und beantragte die Abweisung der Klage.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren teilweise statt; es sprach der Klägerin eine Rente für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 1965 von 260 S, für das Jahr 1966 von 270 S und ab 1. Jänner 1967 bis auf weiteres von 280 S monatlich zu, wies jedoch das Mehrbegehren ab.

Es stellte fest, daß die Klägerin und ihr seither verstorbener Ehegatte mit Notariatsakt vom 29. Oktober 1958 ihre Landwirtschaft mit Grundstücken von etwas mehr als 10 ha an ihre Tochter Johanna und deren späteren Ehegatten übergeben hatten. Die Übernehmer räumten der Klägerin und ihrem Gatten ein Ausgedinge ein, das folgende Leistungen umfaßte: Wohnungsrecht, freie Beleuchtung, Beheizung und Reinigung, Pflege, Arztkosten, Medikamente, Bezahlung des Begräbnisses, Beistellung der erforderlichen Kleider, Wäsche und Schuhe, Lieferung von 50 kg Schweinefleisch, 100 Eier, 100 l Obstmost jährlich sowie Beistellung der vollen Kost und Zahlung eines Zehrgeldes im wertgesicherten Betrag von 50 S monatlich; auf letzteres mußten sich die Übergeber jedoch eine Altersrente für selbständige Landwirte anrechnen lassen.

Im Zeitpunkt der Übergabe war in dem zur Landwirtschaft gehörenden Kleinhaus nur ein Wohnraum vorhanden, in welchem die Übergeber und Übernehmer wohnten. Wegen dieser beengten Verhältnisse begannen die Übernehmer mit dem Bau eines Wirtschafts- und Wohngebäudes, was zirka 300.000 S erforderte. Dieser Betrag wurde zum Teil durch Darlehen in Höhe von 105.000 S aufgebracht, während die restlichen Baukosten von 195.000 S aus den Erträgnissen der Landwirtschaft, die höchstens 30.000 S im Jahr ausmachen, bezahlt werden. Die Übernehmer haben für vier Kinder im Alter von ein bis sieben Jahren zu sorgen. Der Schwiegersohn der Klägerin leidet schon seit längerer Zeit an einer Lungenkrankheit und ist seit 1967 arbeitsunfähig. Die Übernehmer mußten sich wegen der Bauführung sehr einschränken; sie kamen ihren Verpflichtungen aus dem Übergabsvertrag nicht vollständig nach und leisteten der Klägerin weder Kleider noch Wäsche noch Schuhe noch das vereinbarte Zehrgeld. Die Klägerin war damit einverstanden; sie erhielt durch den Zubau einen eigenen Wohnraum. Seit 1961 bezieht die Klägerin eine landwirtschaftlichen Zuschußrente, die zunächst 552 S betrug und nunmehr 588 S vierteljährlich ausmacht.

Die Klägerin hatte 10 Kinder, von denen vor dem Tode der Maria F. noch fünf am Leben waren. Dies sind - außer der schon erwähnten Johanna - Magdalena G., die kein eigenes Vermögen oder Einkommen hat, sondern zusammen mit ihren beiden ehelichen Kindern von ihrem Ehegatten, der Zimmergeselle ist, erhalten wird; ferner Anna E., die kein Vermögen hat und in der Landwirtschaft ihres Ehegatten mittätig ist. Diese Landwirtschaft umfaßt 23 ha; es sind drei Kinder im Alter von sechs bis fünfzehn Jahren vorhanden. Schließlich lebt noch der Sohn Anton, der gemeinsam mit seiner Gattin eine Landwirtschaft besitzt, die jährlich 30.000 S bis 35.000 S abwirft. Er hat außer für seine Gattin noch für ein eheliches Kind zu sorgen.

Das fünfte Kind war Maria F., die den Beruf einer Lehrerin ausübte, unverheiratet war und sonst keine Sorgepflichten hatte. Sie hatte seit 1960 ein monatliches Nettoeinkommen von zunächst 2400 S, welches sich später bis auf 3000 S erhöhte. Sie gab ihrer Mutter jeweils in etwa dreiwöchigen Abständen 50 S für den Unterhalt und kaufte die gesamte Wäsche, Schuhe und Kleider, die die Klägerin benötigte, so auch einmal einen Mantel um 1000 S, Vorhänge und Matratzen. Der Wert ihrer Gesamtleistungen lag bei 230 S bis 250 S monatlich. Maria F. erbrachte diese Leistungen, weil die Klägerin von den Übernehmern wegen der durch die Bauführung bedingten finanziellen Bedrängnis nicht alle Ausgedingsleistungen erhielt, ohne daß es diesbezüglich zu einer ausdrücklichen Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihrer Tochter Maria gekommen wäre. Die übrigen Geschwister erbrachten an die Klägerin keine Leistungen.

Die aus dem Ausgedingsvertrag erbrachten Leistungen bewertete der Erstrichter mit 800 S monatlich. Auch wenn die Übernehmer ihren Verpflichtungen aus dem Ausgedingsvertrag voll nachgekommen wären, hätten ihre Leistungen den Betrag von 1100 S nicht überstiegen. Die in der Zeit vom Dezember 1964 bis Dezember 1967 eingetretenen Preiserhöhungen berücksichtigte das Erstgericht mit durchschnittlich 10%.

Das Erstgericht beurteilte diesen Sachverhalt dahin, daß die Klägerin in Dürftigkeit verfallen sei, weil ihr Einkommen, auch wenn man das volle Ausgedinge zuzüglich der Zuschußrente berücksichtige, zur Deckung der Kosten des anständigen Unterhaltes nicht ausgereicht hätte. Es hätte daher eine Unterhaltspflicht der Maria F. bestanden, ohne daß erst überprüft hätte werden müssen, ob die Ausgedingsleistungen allenfalls exekutiv hätten durchgesetzt werden können. Es komme nur auf die tatsächlichen Leistungen der Maria F. im Zeitpunkte ihres Todes an, wobei auch eine reichlichere Dotierung zu berücksichtigen sei. Die Beklagte sei daher verpflichtet, der Klägerin jene Unterhaltsleistungen zu ersetzen, die diese von ihrer Tochter Maria erhalten hätte.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Das vereinbarte Ausgedinge nehme auf alle Bedürfnisse der Klägerin Bedacht. Es enthalte nach der allgemeinen Erfahrung unter Bedachtnahme auf die verhältnismäßig geringe Größe des landwirtschaftlichen Betriebes alle jene Leistungen, die üblicherweise von den Übernehmern an die Übergeber zu erbringen seien. Die Klägerin hätte für ihr Alter keine andere Versorgung zu erwarten gehabt und führe in der Klage selbst aus, daß das übliche Ausgedinge vereinbart worden sei. Das Ausgedinge sei geeignet gewesen, der Klägerin den anständigen Unterhalt zu sichern. Gehe man von den Leistungen aus, die die Klägerin aus dem Ausgedingsvertrag tatsächlich erhalte, und berücksichtige man auch die landwirtschaftliche Zuschußrente, so sei die Klägerin nicht in Dürftigkeit verfallen, sodaß für Maria F. keine gesetzliche Unterhaltspflicht ihrer Mutter gegenüber bestanden habe.

Der Oberste Gerichtshof stellte das Urteil des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach § 154 ABGB. sind "in Dürftigkeit verfallene Eltern von ihren Kindern anständig zu erhalten". Den Eltern ist also nicht bloß ein notdürftiger, sondern der standesgemäße Unterhalt zu verschaffen, soweit sie sich diesen nicht aus eigener Kraft verschaffen können (ZVR. 1958, Nr. 121; ZVR. 1960, Nr. 264). Durch den Übergabsvertrag vom Jahre 1958 wurde der Klägerin ein Ausgedinge versprochen, das ihre Bedürfnisse an Wohnung, Nahrung und Kleidung zu decken imstande wäre, wenn sie es im vollen Umfang erhalten könnte. Als Taschengeld verbliebe ihr dann noch die landwirtschaftliche Zuschußrente. Nun mußte aber, da auf dem Anwesen nur ein einziger Wohnraum vorhanden war, im Rahmen des Neubaues erst ein Zimmer für die Klägerin geschaffen werden und die Hofübernehmer (Tochter und Schwiegersohn der Klägerin) befinden sich selbst in bedrängter Lage. Es ist der Klägerin nicht zumutbar, unter diesen Umständen den Klageweg gegen Tochter und Schwiegersohn zu beschreiten, um das volle Ausgedinge zu erzwingen. Da also der Klägerin die Möglichkeit abging, sich mit Kleidung und Hausrat einzudecken, hat ihre Tochter Maria, die als ledige Lehrerin über entsprechende Mittel verfügte, in Erfüllung ihrer gesetzlichen Verpflichtung der Mutter den mangelnden anständigen Unterhalt geleistet. Auch wenn ihre tatsächliche Unterhaltsleistung über jenes Maß hinausgegangen wäre, das gerichtlich erzwingbar gewesen wäre, würde dies am Unterhaltscharakter dieser Zuwendungen nichts ändern (SZ. XXVI 291).

Das Erstgericht hat daher den Sachverhalt richtig beurteilt, sodaß sein Urteil wiederherzustellen war.

Anmerkung

Z42045

Schlagworte

Ausgedingsberechtigte, zusätzliche Leistungen von lediger Tochter„ Ersatzanspruch nach § 1327 ABGB., Schadenersatz nach § 1327 ABGB., Ausnehmerin, die zusätzliche, Leistungen von ihrer unverheirateten Tochter erhielt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1969:0020OB00074.69.0326.000

Dokumentnummer

JJT_19690326_OGH0002_0020OB00074_6900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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