TE OGH 1969/11/12 5Ob261/69

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Veröffentlicht am 12.11.1969
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Norm

Handelsgesetzbuch §346
Normengesetz 1954 §1
Normengesetz 1954 §4 (6)

Kopf

SZ 42/171

Spruch

Rechtsnatur der "Ö-Normen".

Entscheidung vom 12. November 1969, 5 Ob 261/69.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Erstgericht gab dem auf 84.890.38 S samt Anhang eingeschränkten Klagebegehren mit dem Betrag von 79.533.38 S samt 5% Zinsen seit 1. Mai 1968 statt und wies das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 5357 S samt Anhang ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Mit Schreiben vom 11. Dezember 1967 bot der Kläger dem Beklagten die Verlegung von zirka 1000 bis 1200 m; FAMA-Spezialindustriefußboden zum Preis von 92 S je Quadratmeter sowie das Schneiden von Trennfugen zum Preis von 2.70 S je Laufmeter an. Dieses Anbot wurde auf Grund der damals geltenden Löhne und Preise erstellt und sollte sich bei allfälligen Erhöhungen entsprechend verändern. Dem Anbot lag ein Prospekt bei, demzufolge derartige Fußböden staubfrei sind. Der Beklagte erteilte dem Kläger den Auftrag, und dieser verlegte den Fußboden in den Fabriksräumen des Klägers. Hierüber legte er am 18. März 1968 eine auf 113.386.58 S lautende Rechnung, die der Beklagte mit Schreiben vom 22. März 1968 unbezahlt retournierte. Er erklärte, den Fußboden nicht zu übernehmen, indem er dessen Stärke, Festigkeit und Oberfläche sowie den Umstand bemängelte, daß das Material nicht maschinell gemischt worden war.

Nach dem Sachverständigengutachten ist der verlegte Boden ein Spezialfußboden, der in der österreichischen Steinholznorm nicht normiert ist. Er wird bei normaler Beanspruchung - wie dies beim Beklagten der Fall ist - in einer Stärke von 15 mm, sonst in einer solchen von 20 mm hergestellt. Normenmäßig kann der Unterlagsbeton Unebenheiten bis zu 5 mm und der Estrich solche bis zu 3 mm aufweisen. Die Überprüfung des verlegten Fußbodens an 24 Stellen ergab eine durchschnittliche Stärke von 15.5 mm.

An einer Stelle ist der Fußboden in Handtellergröße ausgebrochen, was nur durch Erneuerung eines 3.50 X 4.50 m großen Feldes behoben werden kann. Dies ist auf ein Verschulden des Klägers zurückzuführen, die Behebung kostet 1309 S.

Die am Fußboden entstandenen Risse sind darauf zurückzuführen, daß auch der Unterlagsbeton solche Risse aufweist, welche wieder durch in den Beton eingebettete Leitungsrohre hervorgerufen wurden.

Der Fußbodenbelag liegt an mehreren Stellen in kleinerem und an fünf Stellen in größerem Ausmaß hohl auf. Während die Kleinflächen überhaupt keinen Grund zur Beanstandung geben, ist bei den größeren im Lauf der Zeit eine neuerliche Überprüfung und allenfalls eine Verbesserung notwendig. Auch hieran trifft aber den Kläger kein Verschulden, weil diese Hohlflächen dadurch verursacht wurden, daß die Oberfläche des Unterlagsbetons an diesen Stellen einen zu starken Zementgehalt aufweist (was mit freiem Auge nicht zu erkennen war), wodurch zwischen dem Beton und dem Fußboden keine Bindung eintrat.

Das "Abstauben-" (Staubabsonderung) des Belages geht darauf zurück, daß er bei zu niedriger Temperatur verlegt wurde. Hiedurch verzögerte sich die Abbindung des Materials, insbesondere die feinstkörnigen mineralischen Füllstoffe wurden nicht gebunden. Dieses Abstauben behindert jedoch den Betrieb nicht und kann durch eine Behandlung des Bodens mit einem Gemisch aus Leinöl und Spindelöl behoben werden. Diese Nachbehandlung kostet 4048 S.

Die Härte des Bodens entspricht den geforderten Werten. Die maschinelle Mischung des Materials hätte, wenn überhaupt, eher einen negativen Einfluß gehabt. Die Oberflächenbeschaffenheit ist gut und griffig, die Ebenflächigkeit entspricht der Norm. Auch beim Auswechseln einer Maschine zeigte der Belag darunter keinen Mangel.

Am 4. März 1968 wurden die Löhne für derartige Arbeiten um 7.5% erhöht. Hievon werden nur 6% auf die Auftraggeber überwälzt. Dadurch erhöht sich der Quadratmeterpreis für die Bodenverlegung von 92 S auf 93.59 S und der Preis für den Laufmeter Trennschnitte von 2.70 S auf 2862 S. Hieraus ergibt sich ein Gesamtfakturenbetrag von

112.490.38 S.

Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht wie folgt:

Der Fußboden sei keine Ware im Sinne der §§ 373 ff. HGB., daher gelten auch nicht die Rügefristen des § 377 HGB. Durch die feste Verbindung mit dem Unterlagsbeton sei der Estrich Bestandteil einer unbeweglichen Sache geworden; daher komme die dreijährige Gewährleistungsfrist des § 933 ABGB. zur Anwendung. Die Erneuerung des einen Feldes des Belages wie auch das Abstauben des Fußbodens habe der Beklagte zu vertreten. Beide Mängel seien leicht zu verbessern und rechtfertigten daher keine Wandlung, sondern nur eine Entgeltsminderung. Diese sei als Minus in dem eingewendeten Wandlungsanspruch enthalten. Daher sei die Klageforderung um den zur Behebung dieser Mängel erforderlichen Betrag zu vermindern. Im übrigen sei der Klage stattzugeben.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zu den Revisionsausführungen, der Entscheidung des Rechtsstreites seien die Ö-Normen B 2208, 2236, 3450 und 3452 zugrunde zu legen, ist folgendes zu sagen: Die rechtliche Grundlage der Aufstellung der Ö-Normen bildet das Normengesetz vom 24. Feber 1954, BGBl. Nr. 64. Nach dessen § 1 kann das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau einem Verein, dessen Zweck die Schaffung und Veröffentlichung von Normen und dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn berechnet ist, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen die Befugnis verleihen, die von ihm ausgearbeiteten Normen als "österreichische Normen" ("Ö-Normen") zu bezeichnen. Gemäß § 1 (1) des Gesetzes ist der Verein verpflichtet, ein Register zu führen, in das die von ihm aufgestellten "Ö-Normen" mit ihrer vollständigen Bezeichnung einzutragen sind. § 4 Abs. 6 bestimmt: "Wenn Ö-Normen durch Rechtsvorschriften für verbindlich erklärt werden, so ist dies vom Verein im Register zu vermerken."

Diese Bestimmungen zeigen ebenso wie die im Jahre 1957 im Verlag des österreichischen Normenausschusses herausgegebene Geschäftsordnung, daß es sich bei den Ö-Normen nur um Richtlinien handelte, die als Bestandteile von Bauverträgen dienen sollen, wie dies im Punkt 1 (Geltungsbereich) der Ö-Norm B 2208 sowie in der Vorbemerkung der Ö-Norm B 2236 ausdrücklich erklärt wird.

Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß keine dieser Ö-Normen gemäß § 4 (6) NormenG. durch Rechtsvorschriften für verbindlich erklärt wurde. Ihre Verlautbarung in den Amtlichen Nachrichten der Niederösterreichischen Landesregierung, Jahrgang 1960 S. 266, stellt im Gegensatz zu den Revisionsausführungen keine solche Verbindlicherklärung dar, da es sich hiebei nur um eine Dienstanweisung der Landesregierung an die ihr nachgeordneten, mit der baupolizeilichen Überprüfung von Bauvorhaben befaßten Stellen handelt und nicht um eine in die Rechtsbeziehungen Privater eingreifende allgemeine Rechtsvorschrift. Eine solche könnte nur durch Gesetz oder durch auf gesetzliche Ermächtigung erlassene Verordnung geschaffen werden, wie dies durch § 2 ElektrotechnikG. vom 17. März 1965, BGBl. Nr. 57, geschehen ist (Gaigg, Elektrotechnikgesetz, Manz 1967, S. 35).

Eine ausdrückliche Parteienvereinbarung liegt hinsichtlich der Anwendung der Ö-Normen nur insofern vor, als nach dem Anbotschreiben der klagenden Partei die Verrechnung nach Ö-Norm E 2208 geschehen sollte. Die Verrechnung ist - wie das Berufungsgericht richtig dargelegt hat - im Abschnitt 5 dieser Ö-Norm geregelt und hat für die strittigen Bemängelungen überhaupt keine rechtliche Bedeutung.

Die Anwendung der sonstigen Teile der Ö-Norm B 2208 sowie der weiteren Ö-Normen B 2236, 3450 und 3452, auf die sich die Revision beruft, käme daher nur allenfalls unter dem Titel eines stillschweigend bedungenen Gebrauches im redlichen Verkehr (§ 863 ABGB.) oder im Handelsverkehr (§ 346 HGB.) in Betracht. Ob ihnen eine solche Qualifikation angesichts der Veränderlichkeit der Normen und des Fehlens der dem Begriff "Gebräuche" innewohnenden längeren Geltungsdauer zuzuerkennen ist oder nicht, braucht im vorliegenden Fall nicht untersucht zu werden, weil das Vorliegen eines solchen Gebrauches nach ständiger Rechtsprechung eine Tatfrage darstellt und einer entsprechenden Behauptung in erster Instanz bedurft hätte (EvBl. 1964 Nr. 63, RiZ. 1954 S. 15, 6 Ob 1/62, 6 Ob 172/62, 5 Ob 178/61, 5 Ob 479/58, 2 Ob 426/58 u. v. a.). Da eine solche Behauptung nicht aufgestellt wurde, hat das Berufungsgericht mit Recht die mit der Berufung vorgelegten Ö-Normen und die darauf gestützten Berufungsausführungen als unzulässige und daher unbeachtliche Neuerung behandelt.

Im übrigen beschränkt sich die Revision darauf zu behaupten, daß nach den Ö-Normen zu beurteilen gewesen wäre, ob der Werkvertrag erfüllt wurde, bzw. welche Mängel dem Werk anhaften. Darin liegt auch unter diesem Gesichtspunkt keine gesetzmäßige Ausführung der Revision, da ihr nicht zu entnehmen ist, welche Folgerungen sich nach Meinung des Beklagten daraus ergeben sollen. Daß er dies in der Berufung ausgeführt hat, genügt nicht.

Anmerkung

Z42171

Schlagworte

Gesetz, Rechtsnatur der Ö-Normen, Norm, Rechtsnatur der Ö-Normen, Normengesetz, Rechtsnatur der Ö-Normen, Ö-Norm, Rechtsnatur, Verordnung, Rechtsnatur der Ö-Normen, Vertragsbestandteil, Rechtsnatur der Ö-Normen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1969:0050OB00261.69.1112.000

Dokumentnummer

JJT_19691112_OGH0002_0050OB00261_6900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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