TE OGH 1970/9/2 6Ob160/70

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Veröffentlicht am 02.09.1970
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Norm

ABGB §1301
ABGB §1302
Strafgesetz §157 Abs2
ZPO §268

Kopf

SZ 43/141

Spruch

Die Solidarhaftung aller nach § 157 Abs. 2 StG Verurteilten besteht auch ohne Nachweis der Beteiligung eines jeden Verurteilten an der Beschädigung

OGH 2. September 1970, 6 Ob 160/70 (OLG Innsbruck 2 R 35/70; LG Feldkirch 6 Cg 3409/69)

Text

Durch rechtskräftiges Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 31. Oktober 1968, 17 a E VR,.../68-24, wurden alle drei Beklagten schuldig erkannt, am 31. Dezember 1967 gegen den Kläger zwar nicht in der Absicht ihn zu töten, aber doch in anderer feindseliger Absicht durch Versetzen von Stößen und Fußtritten auf solche Art gehandelt zu haben, daß daraus eine schwere Verletzung des Klägers erfolgte, nämlich ein Verrenkungsbruch des rechten Sprunggelenkes und eine Fraktur des inneren und äußeren Knöchels. Das Strafgericht sprach aus, es lasse sich nicht erweisen, wer von den drei Beklagten, die sämtlich an den Kläger Hand anlegten, die schwere Verletzung zugefügt habe. Das Strafgericht fand alle drei Beklagten des Verbrechens der schweren körperlichen Beschädigung nach den §§ 152, 157 Abs 2 StG schuldig und verhängte Freiheitsstrafen. Das Strafgericht nahm in der Hauptsache folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Der Kläger besuchte am 30. Dezember 1967 mit Angelika S das Gasthaus "K". Als der Kläger mit der Genannten um 1 Uhr 30 die Gaststube verließ und durch die Haustüre ins Freie trat, sah er auf dem dunklen Vorplatz einige Burschen herumstehen. Plötzlich wurde er vom Drittbeklagten festgehalten, während der Zweitbeklagte ihm einen gezielten Fußtritt gegen den rechten Fußknöchel versetzte, worauf der Kläger einen starken Schmerz verspürte und sofort zusammenbrach. Daraufhin wurde der Kläger vom Erst- und Zweitbeklagten wieder hochgezogen und erhielt nun vom Zweitbeklagten noch weitere zwei Fußtritte auf die gleiche Stelle, obwohl er schon vorher geschrien hatte, daß sein Fuß ab sei. Nach Ansicht des Klägers rührte der festgestellte Verrenkungsbruch schon vom ersten Fußtritt her. Der Kläger brach neuerlich zusammen und wurde von den drei Beklagten im Schnee liegen gelassen. Schließlich wurde er in das Gasthaus zurück gebracht, nachdem Angelika S Hilfe herbeigeholt hatte.

Der Kläger begehrt nun von den drei Beklagten zur ungeteilten Hand Schadenersatz. Im Revisionsverfahren spielt nur noch ein Teilanspruch von 28.301.40 S eine Rolle, weil das Mehrbegehren schon in erster Instanz rechtskräftig abgewiesen wurde. Überdies begehrt der Kläger die Feststellung der Haftung der drei Beklagten zur ungeteilten Hand für den aus der erlittenen Verletzung zukünftig allenfalls entspringenden Schaden.

Das Erstgericht sprach dem Kläger den Betrag von 28.301.40 S s A gegenüber allen drei Beklagten als Solidarschuldner zu und gab auch dem Feststellungsbegehren statt.

In der Hauptsache wurde das Urteil erster Instanz nur vom Erst- und Drittbeklagten mit Berufung bekämpft, die auf dem Standpunkt beharren, dem Gründe nach überhaupt nicht schadenersatzpflichtig zu sein, weil dem Kläger die festgestellten Verletzungen nicht von ihnen zugefügt worden seien.

Mit dem angefochtenen Beschluß hob das Berufungsgericht das Urteil erster Instanz, soweit es den obgenannten Betrag und die beiden Berufungswerber betraf, unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht mißbilligte die Ansicht des Erstgerichtes, daß aus dem vom Strafgericht festgestellten Sachverhalt eine Solidarhaftung aller drei Beklagten abzuleiten sei und meinte, das Erstgericht wäre verpflichtet gewesen, die von den Beklagten angebotenen Entlastungszeugen zu hören.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse des Klägers Folge und hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

In einer den Zivilrichter gemäß § 268 ZPO bindenden Weise stehen jedenfalls jene Verhaltensweisen der drei Beklagten fest, auf die das Strafgericht seinen Schuldspruch gegrundet hat. Demnach haben bei dem tätlichen Angriff auf den Kläger alle drei Beklagten zusammengewirkt. Die Aufzählung der Arten des Zusammenwirkens mehrerer Schädiger im § 1301 ABGB ist nur eine beispielsweise (arg "und dergleichen"). Im übrigen kommt auch in dieser beispielsweisen Aufzählung das Helfen ausdrücklich vor. "In einem solchen Fall" (§ 1302 ABGB) ergibt sich eine Solidarhaftung der mehreren Schädiger unter anderem dann, wenn sie den Schaden vorsätzlich zugefügt haben. Die vom Strafgericht ausgesprochene Überzeugung, es lasse sich nicht erweisen, welcher der mehreren Angreifer die schweren Verletzungen des Klägers verursacht habe, hat so lange keine Bedeutung für den Schadenersatzprozeß, als der Fall der vorsätzlichen Schadenszufügung im Sinne des § 1302 Satz 2 1. Fall in Betracht kommt. Die Beklagten wurden alle wegen Verbrechens der schweren körperlichen Beschädigung verurteilt und damit steht das Merkmal der Vorsätzlichkeit ihrer schädigenden Handlungsweise fest. All dies hat das Erstgericht richtig erkannt. Das Berufungsgericht hat der materiellstrafrechtlichen Vorfrage primäre Bedeutung beigemessen, die ihr aber nicht zukommt. Auszugehen ist vorerst nicht vom strafrechtlichen Tatbestand, sondern vom zivilrechtlichen Tatbestand der §§ 1301, 1302 ABGB. Dem Berufungsgericht muß allerdings eingeräumt werden, daß seine Beurteilung in den Entscheidungen ZBl 1933/377 und JBl 1956, 314 eine Stütze findet. Doch ist die in den zitierten Entscheidungen vertretene Auffassung nicht herrschend geworden und sie kann bei neuerlicher Überprüfung der Rechtslage nicht vertreten werden. In der Entscheidung SZ 27/103 hat der Oberste Gerichtshof in einer viel überzeugenderen Weise eingehend dargelegt und begrundet, daß die Solidarhaftung aller strafgerichtlich nach § 157 Abs 2 StG Verurteilten besteht, ohne daß der Beschädigte die Beteiligung eines jeden einzelnen Verurteilten an der Beschädigung nachzuweisen braucht. Dieser Auffassung sind auch spätere, nicht veröffentlichte Entscheidungen gefolgt (8 Ob 68/65, 5 Ob 77/70; vgl auch Fasching III 258).

Der vom Berufungsgericht für erforderlich gehaltenen weiteren Beweisaufnahme in erster Instanz bedarf es nicht. Aus der Bindungsnorm des § 268 ZPO ergibt sich zwingend das Merkmal der Vorsätzlichkeit der Schadenszufügung durch alle Beklagten. Steht aber fest, daß sich die Solidarhaftung der Schädiger aus § 1302 Satz 2 Fall 1 bereits ergibt, dann kommt es gar nicht mehr darauf an, ob sich die Anteile der einzelnen Täter an dem gesamten Schaden bestimmen lassen oder nicht.

Der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes hält also einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, weshalb dem Rekurs Folge zu geben, der Beschluß aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen war.

Anmerkung

Z43141

Schlagworte

Bindungswirkung, Solidarhaftung bei schwerer körperlicher Beschädigung, Handanlegung, Solidarhaftung bei schwerer körperlicher Beschädigung, Schwere körperliche Beschädigung Solidarhaftung, Solidarhaftung, schwere körperliche Beschädigung, Strafgerichtliche Verurteilung, Solidarhaftung bei schwerer, körperlicher Beschädigung, Strafurteil, Solidarhaftung bei schwerer körperlicher Beschädigung, Verbrechen, Solidarhaftung bei schwerer körperlicher Beschädigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1970:0060OB00160.7.0902.000

Dokumentnummer

JJT_19700902_OGH0002_0060OB00160_7000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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