TE OGH 1971/9/28 4Ob32/71

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Veröffentlicht am 28.09.1971
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Norm

ABGB §863
ABGB §879
Gesetz über die Errichtung einer Landwirtschaftskammer für das Burgenland LGBl 1925/32 §26 Abs2

Kopf

SZ 44/146

Spruch

Solange die nach § 26 Abs 2 G über die Errichtung einer Landwirtschaftskammer für das Bgld LGBl 1925/32 notwendige Genehmigung der Landesregierung nicht vorliegt, ist eine von der Landwirtschaftskammer erlassene Dienstpragmatik nicht wirksam geworden

Die Kammer kann sich in diesem Fall, aber auch beim Abschluß von Einzeldienstverträgen nicht wirksam zur Einhaltung solcher Vereinbarungen verpflichten, die ihrem Inhalt nach der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde bedürfen, weil sonst das auf öffentlichem Recht beruhende Aufsichtsrecht umgangen werden könnte. Sie darf daher in solchen Einzeldienstverträgen nicht vom Gesetz abweichende oder von der Aufsichtsbehörde noch nicht bewilligte Verpflichtungen auf sich nehmen. Daher sind insb Vereinbarungen, die auf einer noch nicht genehmigten Bezugsordnung beruhen oder gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen verstoßen, unwirksam

Unter den Voraussetzungen des § 863 ABGB ist aber im Einzelfall auch eine schlüssige Genehmigung einer Dienstpragmatik durch die Landesregierung möglich

OGH 28. 9. 1971, 4 Ob 32/71 (LG Eisenstadt 10 Cg 4/70; ArbG Eisenstadt Cr 53/69)

Text

Der Kläger war bei der Beklagten vom 1. 4. 1947 bis 30. 6. 1969 beschäftigt. Im Jahre 1956 war er definitiv gestellt worden. Mit 1. 7. 1969 wurde er auf sein Ansuchen gemäß § 12 des Pensionsstatuts der Burgenländischen Landwirtschaftskammer in den dauernden Ruhestand versetzt.

Der Kläger begehrt unter Berufung auf § 22 der Bezugsordnung für die Angestellten der Beklagten eine Abfertigung nach den Bestimmungen des Angestelltengesetzes im Ausmaß von 9 Monatsgehältern (= S 87.606.-). Das weitere auf Zahlung von S 3374.28 an Urlaubsentschädigung und von S 18.000.- als Gehaltsdifferenz aus dem Titel der Nichtanrechnung seiner Militärdienstzeiten sowie das auf Feststellung seines Rechtes auf Einstufung in eine höhere Gehaltsstufe gerichtete Begehren zog er im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens zurück.

Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen und wendet ein, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Abfertigung nicht zu, weil er eine Pension erhalte. Aus der Systematik der Dienstpragmatik für die Angestellten der Beklagten ergebe sich, daß der § 22 der Bezugsordnung die Worte "und definitiven" nur versehentlich enthalten habe. Dieser Schreibfehler sei noch vor der Pensionierung des Klägers aus der Dienstpragmatik ausgeschieden worden. Im übrigen setze § 22 der Bezugsordnung das vollkommene Ausscheiden aus dem Dienstverband voraus. Der Übergang in den Pensionsstatus bedeute jedoch kein vollkommenes Ausscheiden aus dem Dienstverband.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und gelangte zu folgenden Tatsachenfeststellungen: Beim Eintritt des Klägers in den Dienst der Beklagten habe für deren Angestellte die mit 1. 1. 1934 in Wirksamkeit getretene Dienstpragmatik, die seit 1. 5. 1933 wirksame Bezugsordnung und das seit 1. 1. 1930 in Kraft getretene Pensionsstatut gegolten. Die Dienstpragmatik habe in ihrem § 34 Abs 1 vorgesehen, daß der Dienstverband eines definitiven Angestellten außer dem Fall des Todes a) durch Dienstverzicht, b) durch Versetzung in den zeitlichen oder bleibenden Ruhestand, c) durch die Dienstentlassung aufgehoben werde. Im § 28 der damaligen Bezugsordnung sei bestimmt worden, daß den definitiven Angestellten eine Abfertigung gebühre, wenn sie mit Zustimmung des Dienstgebers das Dienstverhältnis auflösen, daß der Anspruch auf Abfertigung jedoch entfalle, wenn bei Auflösung des Dienstverhältnisses ein Ruhegenuß auf Grund der Bezugsordnung oder eines Einzelvertrages anfallen.

In den dem Jahr 1946 folgenden Jahren habe die Vollversammlung der Beklagten, veranlaßt durch Änderung der Bezüge der öffentlich Bediensteten und die Einführung des ASVG, nach Verhandlungen mit dem Betriebsrat eine neue Pensionsordnung und eine neue Bezugsordnung, die mit 1. 7. 1957, sowie eine Dienstordnung und eine Titelordnung beschlossen, die beide mit 1. 1. 1960 in Kraft treten sollten. § 22 dieser Bezugsordnung bestimme: "Den vertragsmäßigen und definitiven Beschäftigten der Burgenländischen Landwirtschaftskammer gebühren Abfertigungen bei Lösung des Dienstverbandes nach den Bestimmungen des Angestelltengesetzes in der jeweils geltenden Fassung." Die Bestimmung, daß auch den definitiven Angestellten bei Versetzung in den Ruhestand Abfertigungen zustehen sollten, sei von niemandem, auch nicht vom Betriebsrat, verlangt worden. Wieso die Worte "und definitiven" in die Bezugsordnung Eingang gefunden haben, habe sich nicht mehr aufklären lassen. Als der Kläger diese Bestimmung gelesen habe, sei er der Meinung gewesen, daß ihm auch bei Übertritt in den dauernden Ruhestand die Abfertigung gebühre, weil er die Pensionsbeiträge sowieso bezahlt habe.

Die neue Dienstpragmatik, bestehend aus der Dienstordnung, der Bezugsordnung, der Titelordnung und der Pensionsordnung, sei der Burgenländischen Landesregierung zur Genehmigung zwar vorgelegt, bisher aber nicht genehmigt worden.

Am 19. 7. 1968 habe die Vollversammlung der Beklagten beschlossen, daß im § 22 der Bezugsordnung die Worte "und definitiven" gestrichen werden, und zwar rückwirkend mit 1. 1. 1968. Diese Streichung und ihr Wirksamkeitsbeginn sei mit Rundschreiben vom 23. 7. 1968 allen Beschäftigten der Beklagten ohne Angabe einer Begründung bekanntgegeben worden. Der Kläger habe diese Bekanntgabe im August 1968 zur Kenntnis genommen, sei aber der Meinung gewesen, daß die Änderung nur für künftig eintretende bzw zu pragmatisierende Angestellte gelten sollte.

Diesen festgestellten Sachverhalt beurteilte das Berufungsgericht rechtlich dahin, daß die mit 1. 1. 1957 in Kraft getretene Bezugsordnung gemäß § 26 Abs 1 des Gesetzes über die Errichtung einer Landwirtschaftskammer für das Burgenland vom 13. 3. 1925, LGBl 32, zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung der Landesregierung bedurft hätte, daß jedoch die Beklagte in ihrem Recht, als Dienstgeberin Dienstverträge abzuschließen, nicht gehindert sei und daß daher die an sich ungültige Dienst- und Bezugsordnung die Grundlage für die Ergänzung der Einzeldienstverträge darstelle. Dies bedeute, daß die günstigeren Bestimmungen dieser neuen Dienst- und Bezugsordnung für die Dauer ihrer Unwirksamkeit als stillschweigend vereinbart Anwendung zu finden haben. Doch könne der erhobene Anspruch auf Abfertigung schon aus dem Wortlaut des § 22 BO nicht abgeleitet werden, da eine Lösung des Dienstverbandes bei Versetzung in den Ruhestand nicht gegeben sei. Die Abfertigung setze die Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraus, der Anspruch darauf entstehe erst mit dem rechtlichen Ende des Dienstverhältnisses. Die Pensionierung hingegen stehe nicht am Ende des Dienstverhältnisses, sondern am Ende der Dienstleistung; ihre Fälligkeit trete wohl auch mit dem Ende des eigentlichen Dienstverhältnisses ein, doch bleibe der Arbeitsvertrag als solcher, wenn auch in geänderter Form, bestehen. Die Ruhestandsversetzung bedeute somit eine Modifizierung des Arbeitsverhältnisses, woraus sich wichtige Aufschlüsse für das weitere Verhalten des Arbeitnehmers ergeben. So treffe ihn auch nach der Ruhestandsversetzung eine beschränkte Treuepflicht. Auch die Frage, ob auf Grund der Dienst- oder der Bezugsordnung eine Abfertigung neben dem Ruhegenuß als vereinbart angenommen werden könne, sei zu verneinen. Wenn § 34 der Dienstordnung 1960 von der Aufhebung des Dienstverhältnisses spreche, meine sie nicht in allen Fällen, insbesondere nicht im Fall des Abs 1 lit b, die vollständige Auflösung des Dienstverhältnisses sondern ganz allgemein die Beendigung der Dienstleistung, wofür letztlich auch die Überschrift des § 34 "Dienstende" spreche. Aus diesen Erwägungen ergebe sich, daß ein Anspruch auf eine Abfertigung vor der im Jahre 1968 erfolgten Änderung des § 22 BO wohl auch für definitive Beschäftigte bestanden habe, jedoch nur insoweit, als ihr Dienstverhältnis vollständig aufgelöst wurde, wenn also keinerlei Rechtsbeziehungen mehr zwischen den Vertragsparteien verblieben. Ein solcher Fall sei denkbar bei der einverständlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses eines definitiv Beschäftigten. Der Anspruch sei also zu verneinen, ohne daß auf die Frage, ob die Worte "und definitiven" auf einem Schreibfehler oder auf einem Irrtum beruhte, eingegangen werden müsse.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Was zunächst die Frage nach der Wirksamkeit der Dienstpragmatik und der Bezugsordnung 1960 betrifft, ist davon auszugehen, daß der § 26 Abs 2 des Gesetzes über die Errichtung einer Landwirtschaftskammer für das Burgenland vom 13. 3. 1925, LGBl 32, bestimmt, daß die Rechte und Pflichten der Beamten und sonstigen Angestellten der Landwirtschaftskammer in einer Dienstordnung, die Ansprüche auf Besoldung und Ruhegenüsse in besonderen Vorschriften festgelegt werden, die von der Vollversammlung der Landwirtschaftskammer zu beschließen sind und der Genehmigung der Landesregierung bedürfen. So lange diese Genehmigung nicht vorliegt, ist die betreffende Bezugsordnung noch nicht wirksam geworden. Dies hat auch das Berufungsgericht zutreffend erkannt, ebenso daß es rechtlich nicht bedeutsam ist, ob dem Kläger die Nichtgenehmigung und damit die vorläufige Unwirksamkeit der Bezugsordnung bekannt war, weil jeder, der mit einer Körperschaft öffentlichen Rechtes einen Vertrag schließt, die für ihre Willensbildung geltenden öffentlichrechtlichen Beschränkungen gegen sich gelten lassen muß, auch wenn er sie nicht gekannt haben sollte.

Das Berufungsgericht vertritt nun den Standpunkt, die Beklagte sei in ihrem Recht, als Dienstgeberin Dienstverträge abzuschließen, nicht gehindert und es könne nicht gesagt werden, daß der allfällige Abschluß von Einzeldienstverträgen mit dem Inhalt der nicht genehmigten Bezugsordnung einer Umgehung des genannten Landesgesetzes gleichkäme. Daraus folge, daß unter der Voraussetzung, daß einem Angestellten die nicht genehmigte Bezugsordnung zur Kenntnis gebracht wurde, diese an sich ungültige Bezugsordnung die Grundlage für die Ergänzung des Einzeldienstvertrages darstelle. Es stützt diese Rechtsauffassung auf die in der Entscheidung Arb 7745 zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken. Dort handelte es sich um eine den Voraussetzungen des § 2 Abs 2 KollVG nicht entsprechende Betriebsvereinbarung, der beide Parteien einvernehmlich das Dienstverhältnis des dortigen Klägers unterstellten und deren Bestimmungen daher zum Inhalt des Arbeitsvertrages gemacht werden konnten, ohne daß ihre Wirksamkeit von der Genehmigung einer Behörde abhängig war. Darin aber liegt der Unterschied zum vorliegenden Fall. Nach dem oben genannten Landesgesetz bedürfen die die Ansprüche der Angestellten der Beklagten auf Besoldung und Ruhegenüsse festlegenden besonderen Vorschriften der Genehmigung der Landesregierung. Kraft dieses auf dem Gesetz beruhenden Aufsichtsrechtes kann sich die Beklagte nicht wirksam zur Einhaltung solcher Vereinbarungen verpflichten, die ihrem Inhalt nach der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde bedürfen, andernfalls das auf öffentlichem Recht beruhende Aufsichtsrecht durch die Beklagte umgangen werden konnte. Wenn das Berufungsgericht den Standpunkt vertritt, die Beklagte müsse, um den ihr vom Gesetz gestellten Aufgaben nachkommen zu können, ein Kammeramt mit Angestellten haben und müsse daher Dienstverträge abschließen können, so ist dem zu erwidern, daß die Beklagte wohl mit Arbeitnehmern ohne Genehmigung der Aufsichtsbehörde Dienstverträge abschließen kann, jedoch in solchen Verträgen nicht vom Gesetz abweichende oder von der Aufsichtsbehörde noch nicht bewilligte Verpflichtungen auf sich nehmen darf. Derartige Dienstverträge werden aber nicht von vornherein als nichtig anzusehen sein; nur jene Teile der Vereinbarung werden als unwirksam beurteilt werden müssen, die auf der noch nicht genehmigten Bezugsordnung beruhen oder gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen verstoßen.

Geht man von diesen Erwägungen aus, dann kann sich der Kläger auf die Bezugsordnung 1960 nicht stützen, sofern davon ausgegangen werden kann, daß diese von der burgenländischen Landesregierung nicht genehmigt wurde. Dies läßt sich jedoch nach den bisherigen Verfahrensergebnissen nicht mit Verläßlichkeit feststellen. Fest steht nur, daß die burgenländische Landesregierung bisher eine ausdrückliche Genehmigung weder erteilt, noch die Genehmigung versagt hat. Nun können aber auch öffentlich-rechtliche juristische Personen ihren Willen durch schlüssiges Verhalten erklären (Stanzl in Klang[2] IV/1, 855); ob eine solche stillschweigende Genehmigung vorliegt, kann nur unter den Voraussetzungen des § 863 ABGB beurteilt werden. Keinesfalls kann auf Grund der bisherigen Verfahrensergebnisse eine stillschweigende Genehmigung als ausgeschlossen gelten. Allein schon die Tatsache, daß seit der im Gesetz vorgesehenen Beschlußfassung durch die Vollversammlung der Beklagten bereits mehr als 10 Jahre verstrichen sind, spricht angesichts der Entscheidungspflicht einer Behörde dafür, daß die Aufsichtsbehörde gegen die von der Beklagten beschlossene Regelung der Besoldung ihrer Angestellten keine Bedenken erheben will; andernfalls wäre es unerfindlich, daß eine Behörde die ihrer Aufsicht unterstehende Kammer in der äußerst wichtigen Frage, wie dies die besoldungsrechtliche Regelung darstellt, 10 Jahre lang im Unklaren läßt. Es wäre in diesem Zusammenhang vor allem darüber eine Feststellung vorzunehmen, ob der burgenländischen Landesregierung die Bezugsordnung der Beklagten in gehöriger Weise überhaupt zugekommen ist, ferner, ob jemals etwa Rückfragen der Landesregierung bei der Beklagten einlangten, aus denen sich begrundete Zweifel hinsichtlich einer stillschweigenden Erteilung der Genehmigung ergeben könnten. Um die Voraussetzungen für die Beurteilung der Frage nach einer stillschweigenden Zustimmung im Sinn des § 863 ABGB erlangen zu können, wird das Berufungsgericht daher im fortgesetzten Verfahren auf die erforderlichen Angaben und Beweisanträge der Parteien hinzuwirken haben (§ 182 Abs 1 ZPO).

Sollte das fortgesetzte Verfahren keine genügenden Anhaltspunkte für die Annahme einer stillschweigenden Genehmigung der von der Vollversammlung der beklagten Partei beschlossenen dienstrechtlichen Vorschriften durch die Aufsichtsbehörde ergeben, wäre mangels ihrer Wirksamkeit der allein auf § 22 der Bezugsordnung gestützte Anspruch zu verneinen.

Anmerkung

Z44146

Schlagworte

Burgenländische Landwirtschaftskammer, Dienstpragmatik der -„ schlüssige Genehmigung durch Landesregierung, Anwendung auf, Einzeldienstverträge, Dienstpragmatik der Landwirtschaftskammer für das Burgenland„ stillschweigende Genehmigung durch Landesregierung, Anwendung auf, Einzeldienstverträge, Landwirtschaftskammer für das Burgenland, Dienstpragmatik der -„ schlüssige Genehmigung durch Landesregierung, Anwendung auf, Einzeldienstverträge

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1971:0040OB00032.71.0928.000

Dokumentnummer

JJT_19710928_OGH0002_0040OB00032_7100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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