TE OGH 1971/12/22 6Ob252/71

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Veröffentlicht am 22.12.1971
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Norm

ABGB §§284 ff
ABGB §418
ABGB §948
ABGB §949
ABGB §1325
ABGB §1435

Kopf

SZ 44/192

Spruch

Wird die Schenkung der ideellen Hälfte eines unverbauten Gründes widerrufen, auf dem inzwischen ein Wohnhaus errichtet wurde, so kommt eine grundbücherliche Rückübertragung an den Geschenkgeber nicht mehr in Frage

OGH 22. 12. 1971, 6 Ob 252/71 (OLG Innsbruck 1 R 101/71; LG Feldkirch 1 a Cg 124/70)

Text

Die Parteien sind Ehegatten. Mit Notariatsakt vom 14. 1. 1961 schenkte die Klägerin dem Beklagten die Hälfte der Liegenschaft EZ 540 KG T. Die Ehegatten planten den Bau eines Wohnhauses auf der Liegenschaft. Mit dem Hausbau wurde noch im nämlichen Jahr auf Grund von Leistungen beider Parteien begonnen.

Im Jahre 1965 verließ der Beklagte seine Familie, er nahm Arbeit in der Schweiz an und lebt seither dort mit einer anderen Frau zusammen. Diesem ehebrecherischen Verhältnis entstammt ein Kind.

Mit der vorliegenden Klage erklärt die Klägerin den Widerruf der Schenkung einer Liegenschaftshälfte und begehrt Verurteilung des Beklagten, ihr die geschenkte Liegenschaftshälfte zu übergeben und in die Einverleibung des Eigentums der Klägerin auch an dieser Liegenschaftshälfte einzuwilligen.

Der Beklagte bekämpft das Klagebegehren im wesentlichen mit dem Einwand, es sei durch die Errichtung eines Wohnhauses von dem seinerzeitigen Geschenk in der Natur nichts mehr vorhanden und er sei nach § 418 ABGB Eigentümer der Gesamtliegenschaft geworden. Die sonstigen Einwendungen sind bei dem gegenwärtigen Stand des Verfahrens nicht mehr von Bedeutung.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, doch änderte das Berufungsgericht die Entscheidung erster Instanz mit dem nunmehr angefochtenen Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab.

Den oben dargestellten Sachverhalt beurteilte das Berufungsgericht dahin, es werde der Widerrufsgrund selbst seitens des Beklagten nicht mehr bekämpft. Das Verlangen auf Rückforderung des Geschenkes nach Wegfall des Rechtsgrundes stütze sich auf die condictio causa finita nach § 1435 ABGB. Die Kondiktion sei auf Erstattung des durch die Leistung verschafften Vorteils gerichtet, also die Wiederherstellung des vorigen Zustandes in Natur. Diese könne aber nur erfolgen, wenn sie möglich und tunlich sei. Im vorliegenden Fall sei aber die Wiederherstellung des vorigen Standes nicht nur untunlich, sondern sogar unmöglich, weil die Klägerin Miteigentümerin des Gebäudes sei und das Gebäude beseitigt werden müßte. Der Beklagte sei daher tatsächlich nicht in der Lage, das Geschenk in Natur zurückzugeben. Zur Mitübertragung des durch die Verbindung (Hausbau) geschaffenen erheblichen Mehrwertes sei er aber nicht verpflichtet. Die Klägerin könne daher nur eine Gegenleistung begehren. Würde man aber den gegenteiligen Standpunkt einnehmen, dann könne der Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht nach § 471 ABGB geltend machen und die Ausübung eines solchen sei durch das Vorbringen des Beklagten auch gedeckt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gegenstand der Schenkung war die ideelle Hälfte eines damals unverbauten Gründes, auf dem mittlerweile durch Beiträge beider Ehegatten ein Wohnhaus errichtet wurde. Die Liegenschaft hat daher eine so wesentliche und tiefgreifende Veränderung erfahren, daß die grundbücherliche Rückübereignung einer Liegenschaftshälfte an die Klägerin mehr bedeutet und vor allem etwas anderes bedeutet als den Rechtszustand, der ohne die widerrufene Schenkung bestunde. Die Nämlichkeit der Sache ist tatsächlich verlorengegangen, weil der Grund selbst angesichts der außerordentlichen Veränderung und Werterhöhung der Liegenschaft so weit in den Hintergrund tritt, daß sein rechtliches Schicksal von dem der Klägerin zweifellos zustehenden Widerrufsrecht nicht betroffen wird. Übt der Geschenkgeber das Recht des Widerrufs aus, dann hat der Beschenkte vom Geschenk das zurückzustellen, was in Natur oder im Werte vorhanden ist. Der Sinn der Schenkung lag ja darin, den Beschenkten zu bereichern, und nach ihrem Widerruf verliert eben der Beschenkte nur den Vorteil dieser Bereicherung (Stanzl in Klang[2] IV/1 624).

Dem Berufungsgericht ist durchaus darin beizupflichten, daß die Wiederherstellung des vorigen Zustandes in Natur den geradezu klassischen Fall darstellt, doch setzt diese Form die Tunlichkeit und Möglichkeit voraus, die aber hier angesichts der bereits ausgeführten Umstände nicht mehr gegeben ist.

Nach Lehre (Wilburg in Klang[2] VI 466 ff, Gschnitzer, Schuldrecht, Besonderer Teil und Schadenersatz 136) und ständiger Rechtsprechung (SZ 29/20; 40/15; EvBl 1970/66 und 177 uva) wird § 1435 ABGB über seinen Inhalt hinaus als Grundlage für die Anerkennung einer Rückforderung wegen Wegfalls des Gründes angewendet. Der Anspruch des Geschenkgebers nach Ausübung des Widerrufs ist ein derartiger Fall.

Im vorliegenden Rechtsstreit ist allein darüber zu entscheiden, ob das gestellte Klagebegehren begrundet ist, ob also der Beklagte die ihm seinerzeit geschenkte Liegenschaftshälfte der Klägerin rückübereignen muß oder nicht. Alles andere hat aus dem Kreis der rechtlichen Betrachtungen ausgeschieden zu werden. Dies gilt vor allem für die rechtlichen Grundsätze, nach denen die Parteien nach Ausübung des Widerrufsrechtes der Klägerin zu verrechnen haben. Es trifft durchaus zu, daß der Beklagte als undankbarer Beschenkter im Sinne des § 948 ABGB als unredlicher Besitzer des Geschenkes ab dem Zeitpunkt des groben Undankes zu behandeln ist (§§ 335 und 949 ABGB), doch ist es entgegen der Meinung der Revisionswerberin gleichgültig, ob der grobe Undank schon zur Zeit der Errichtung des Hauses oder erst später vorlag, weil dies ja nur die im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu erörternde Verrechnungsfrage betreffen könnte. Überhaupt sind alle Ausführungen der Revision unbeachtlich, soweit sie direkt etwas anderes betreffen als die Berechtigung des vorliegenden Klagebegehrens. In Verkennung dieses Umstandes versucht die Klägerin verschiedene rechtliche Gesichtspunkte vorzutragen, die aber in Wahrheit nur die Grundsätze der Verrechnung der Parteien berühren können. Auf die Anwendbarkeit des § 471 ABGB braucht deshalb nicht eingegangen zu werden, weil unabhängig davon, ob der Beklagte Aufwendungen auf die zurückzustellende Sache gemacht hat, das Begehren auf Rückübertragung des Eigentums schon aus anderen Gründen verfehlt ist, wie bereits dargestellt wurde.

Anmerkung

Z44192

Schlagworte

Liegenschaftshälfte, Widerruf der Schenkung einer -, keine, grundbücherliche Rückübertragung nach Errichtung eines Wohnhauses, Schenkung einer Liegenschaftshälfte, keine grundbücherliche, Rückübertragung nach Widerruf der - nach Errichtung eines Wohnhauses, Widerruf der Schenkung einer Liegenschaftshälfte, keine, grundbücherliche Rückübertragung nach Errichtung eines Wohnhauses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1971:0060OB00252.71.1222.000

Dokumentnummer

JJT_19711222_OGH0002_0060OB00252_7100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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