TE OGH 1972/11/8 1Ob240/72

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Veröffentlicht am 08.11.1972
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Norm

JN §1
ZPO §226
ZPO §528

Kopf

SZ 45/117

Spruch

Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges sind in erster Linie - und immer dann, wenn die die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes begrundenden Tatsachen auch Anspruchsvoraussetzungen sind - der Wortlaut des Klagebegehrens und die Klagsbehauptungen, nicht aber die Einwendungen des Beklagten maßgebend

Der bestätigende Teil eines rekursgerichtlichen Beschlusses kann nicht mehr weiter angefochten werden, wenn die Entscheidung des Rekursgerichtes im übrigen keine abändernde, sondern eine aufhebende ist, aber nur Umstände geklärt werden sollen, die, wären sie dem Rekursgericht bei seiner Entscheidung in der einen oder anderen möglichen Richtung bereits bekannt gewesen, auf keinen Fall eine Anfechtbarkeit des bestätigenden Teiles zur Folge gehabt hätten

OGH 8. 11. 1972, 1 Ob 240/72 (LG Klagenfurt 2 R 415/72; BG Spittal an der Drau C 123/72)

Text

Dem Kläger steht im sogenannten F-Bach von seiner Einmundung in die Drau etwa 2.2 km flußaufwärts das Fischereirecht zu. Er behauptet, der Beklagte habe aus einer ihm gehörigen, oberhalb des Fischwassers gelegenen Lehmgrube ungeklärte Abwässer in den F-Bach eingeleitet, was Ertragsverluste an Krebsen und Forellen zur Folge gehabt habe. Im Jahre 1969 habe der Schaden S 8000.- betragen, worauf der Beklagte bis auf einen Rest von S 1253.18 Zahlung geleistet habe; der Schaden im Jahre 1970 habe einen Betrag von S 6400.- ergeben, worauf der Beklagte S 200.- geleistet habe. Der Kläger begehrt den Ersatz des unberichtigten Betrages von S 7453.18 sA. Der Beklagte wendete ua Unzulässigkeit des Rechtsweges ein, insbesondere hinsichtlich eines Betrages von S 824.50. bei dem es sich um Kosten des Klägers für eine Wasserrechtsverhandlung handle.

Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges. Die Wasserrechtsbehörde habe sich anläßlich der Bewilligung der Ableitung der Niederschlagswässer durch den Beklagten in den F-Bach mit einer Entschädigung für voraussichtlich eintretende Nachteile für den Kläger nicht befaßt. Die Pflicht zur Vergütung von Schäden, die durch Verschulden verursacht oder unbefugt bzw entgegen einer privatrechtlichen Bindung zugefügt werden, sei nicht im Wasserrechtsgesetz, sondern im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt, weshalb die Wasserrechtsbehörde zur Entscheidung über daraus abgeleitete Ansprüche nicht zuständig sei. § 117 Abs 1 WRG verweise auf § 26 WRG, dessen Abs 6 die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen im ordentlichen Rechtsweg vorsehe.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes mit Ausnahme eines Betrages von S 824.50, hinsichtlich dessen es den erstgerichtlichen Beschluß aufhob und dem Prozeßgericht Verfahrensergänzung und neuerliche Entscheidung auftrug. Es trat der Auffassung des Erstgerichtes bei, daß, da der Kläger keine Gelegenheit einer Antragstellung nach § 15 Abs 1 WRG gehabt habe, Ersatzansprüche für Schäden, die durch Einleitung von lehmigem Wasser in das Fischereigewässer des Klägers entstanden sein sollen, nur im Zivilrechtsweg geltend gemacht werden könnten. Der Beklagte habe dagegen eingewendet, daß im Klagsbetrag S 824.50 enthalten seien, die vom Kläger als Kosten einer Wasserrechtsverhandlung, also eines Verwaltungsverfahrens, begehrt werden. Der Ersatz von Kosten eines Verwaltungsverfahrens könne jedoch nicht im Rechtsweg begehrt werden. Das Erstgericht habe im Hinblick auf die Einwendung des Beklagten nicht davon ausgehen können, daß der Kläger in seiner Klage lediglich Schadenersatzansprüche für Fischereischäden geltend gemacht habe. Bei Erörterung des Inhaltes der vorgelegten Beilage ./2, in der der Kläger seine Forderung iS der Einwendung des Beklagten aufgeschlüsselt habe, werde das Erstgericht den Kläger iS des § 182 ZPO zur Stellungnahme zu den Behauptungen des Beklagten veranlassen müssen. Werde vom Kläger tatsächlich ein Betrag von S

824.50 für Verwaltungsverfahrenskosten verlangt, wäre hinsichtlich dieses Betrages der ordentliche Rechtsweg tatsächlich unzulässig. Im fortgesetzten Verfahren werde der Kläger zu veranlassen sein, den geforderten Betrag unter Berücksichtigung des Schreibens Beilage ./2 näher aufzuschlüsseln.

Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs des Beklagten zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 528 Abs 1 ZPO sind Rekurse gegen Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz, durch die der angefochtene Beschluß bestätigt wurde, unzulässig. Diese Bestimmung ist der des § 502 Abs 3 ZPO rechtsähnlich, wonach auch gegen ein bestätigendes Urteil des Berufungsgerichtes - hier allerdings nur, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, an Geld oder Geldwert S 50.000.- nicht übersteigt - die Revision unzulässig ist. In seinem Plenarbeschluß JB 56 neu = SZ 24/335 hat der Oberste Gerichtshof die Auffassung vertreten, daß die letztgenannte Vorschrift auf bloß teilweise bestätigende Urteile nicht anzuwenden ist. Es wurde dabei, wie sich aus der Begründung des Judikates ergibt, durchaus in Kauf genommen, daß hiedurch bei vollständiger Bestätigung dem dadurch Benachteiligten die Revision versagt sein kann, während sie bei einer für ihn günstigeren teilweisen Bestätigung offen steht. An dieser Auffassung hat der Oberste Gerichtshof trotz der ablehnenden Kritik Michlmayrs (JBl 1955, 429 ff) in ständiger Rechtsprechung festgehalten. Entgegen der Auffassung Michlmayrs (aaO 433) vertritt der Oberste Gerichtshof aber auch den Standpunkt, daß der erwähnte Grundsatz des Judikates 56 neu ebenso im Rekursverfahren gilt (EFSlg 14.560; EvBl 1969/373; RZ 1967, 72; JBl 1964, 328; SZ 25/224 u a; vgl auch Fasching IV, 454). Er gilt jedoch nicht ohne Einschränkung. Es soll nämlich nur ein Auseinanderreißen des bestätigenden und abändernden Teiles einer Entscheidung mit Rücksicht auf den inneren Zusammenhang vermieden werden; besteht ein solcher innerer Zusammenhang aber nicht, was insbesondere dann der Fall ist, wenn von mehreren Ansprüchen jeder einzelne ein verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann (JBl 1964, 328), ist jeder Teil gesondert zu beurteilen (vgl EvBl 1969/373; JBl 1957, 567; SZ 26/254 u a). Entscheidend dafür ist, ob zwischen den Forderungen ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht, was zutrifft, wenn jeder der mehreren Anspruche für sich und unabhängig von den anderen nicht bestehen kann oder wenn die Forderungen aus einer gemeinsamen Tatsache oder aus einem gemeinsamen Rechtsgrund entstanden sind (EvBl 1971/151 und die dort zitierte weitere Rechtsprechung). Für den rechtlichen Zusammenhang gilt dabei das Kriterium, daß die Ansprüche aus einer Gesetzesstelle abgeleitet werden und miteinander in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (1 Ob 243/71; Fasching I, 344).

Würden nun tatsächlich Schadenersatzansprüche aus der Schädigung eines Fischereiwassers und darüber hinaus Ersatzansprüche aus der Teilnahme an einer Wasserrechtsverhandlung geltend gemacht, könnte ein solcher innerer Zusammenhang nicht angenommen werden, selbst wenn die Wasserrechtsverhandlung mit den Schäden des Klägers an seinem Fischwasser im Zusammenhang gestanden wäre. Beide Ansprüche könnten nämlich ein durchaus verschiedenes rechtliches Schicksal haben, wie sich allein aus dem Rechtsstandpunkt des Rekursgerichtes ergibt; die Ansprüche leiteten sich auch nicht aus einer gemeinsamen Tatsache ab, denn der erste Anspruch wäre allein aus der Zuleitung von lehmigen Abwässern in das Fischwasser des Klägers entstanden, wogegen der andere noch zusätzliche Tatsachen voraussetzen würde. Es dürfte sich bei den S 824.50 um die Kommissionsgebühren handeln, die dem Kläger mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft S vom 16. 12. 1969, Zl 7-E-31/68, in einem über seinen Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren entstanden sind. Ein solcher Ersatzanspruch müßte zumindest teilweise aus anderen Tatsachen abgeleitet werden als der übrige Anspruch.

Im vorliegenden Fall ist die Rechtslage allerdings dadurch kompliziert, daß der Kläger an und für sich einen einheitlichen Anspruch geltend machte und nur der Beklagte behauptet, daß sich dieser Anspruch aus zwei Komponenten zusammensetzte. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges ist jedoch in erster Linie - und immer dann, wenn die die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes begrundenden Tatsachen auch Anspruchsvoraussetzungen sind (vgl EvBl 1968/239; SZ 39/192 u a) - der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend (EvBl 1967/23; SZ 36/79; SZ 23/81; SZ 19/199u a; zuletzt 1 ob 251/71; 1 Ob 227/71; Fasching I, 63), wogegen es ohne Einfluß ist, was der Beklagte einwendet (1 Ob 251/71; JBl 1948, 17), ebensowenig aber auch, ob der behauptete Anspruch begrundet ist; darüber ist erst in der Sachentscheidung abzusprechen (1 Ob 251/71). Falls der vom Kläger behauptete Anspruch, daß ihm Schäden an seinem Fischwasser in Höhe des Klagebetrages entstanden seien, teilweise etwa deswegen nicht richtig wäre, weil im eingelangten Betrag auch Kosten eines Verwaltungsverfahrens enthalten sind, deren Ersatz er nach den Klagsbehauptungen gar nicht begehrt, wäre das Klagebegehren also abzuweisen und nicht die Klage zurückzuweisen. Es war daher unrichtig, daß die zweite Instanz die Sache hinsichtlich eines Betrages von S 824.50 an die erste Instanz zurückverwies. Wäre sie vom Klagebegehren ausgegangen, hätte sie, da es sich um einen einheitlichen Anspruch handelt, auch für die S 824.50 den Standpunkt vertreten, daß der Rechtsweg zulässig sei; hätte der Kläger hingegen behauptet, daß er in dieser Höhe den Ersatz seines Aufwandes an Kosten eines Verwaltungsverfahrens begehre, hätte er einen Anspruch gestellt, der mit dem übrigen nicht in tatsächlichem oder rechtlichem Zusammenhang gestanden wäre. Im ersteren Fall wäre die Entscheidung der zweiten Instanz unanfechtbar, weil das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichtes voll bestätigt hätte, im zweiten Fall deswegen, weil es sich um zwei verschiedene, miteinander nicht im inneren Zusammenhang stehende Ansprüche handelte. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes wäre es dem Sinne des Gesetzes, aber auch dem das Judikates 56 neu widersprechend, hielte man im vorliegenden Falle die Anfechtung des bestätigenden Teiles des zweitinstanzlichen Beschlusses nur deswegen für zulässig, weil nach Auffassung des Rekursgerichtes nur noch zu klären ist, ob der erste oder zweite Fall gegeben ist. Der bestätigende Teil eines rekursgerichtlichen Beschlusses kann vielmehr nicht mehr weiter angefochten werden, wenn die Entscheidung des Rekursgerichtes im übrigen keine abändernde, sondern eine aufhebende ist und nur Umstände geklärt werden sollen, die, wären sie dem Rekursgericht bei seiner Entscheidung in der einen oder anderen möglichen Richtung bereits bekannt gewesen, auf keinen Fall eine Anfechtbarkeit des bestätigenden Teiles zur Folge gehabt hätten.

Anmerkung

Z45117

Schlagworte

Anfechtbarkeit, bestätigender Teil eines rekursgerichtlichen Beschlusses Aufhebungsbeschluß, Anfechtung des bestätigenden Teiles eines rekursgerichtlichen Beschlusses Einwendung, Maßgeblichkeit für Rechtswegzulässigkeit Klagebegehren, Maßgeblichkeit - für Rechtswegzulässigkeit Klagsbehauptungen, Maßgeblichkeit für Rechtswegzulässigkeit Klagssachverhalt, Maßgeblichkeit für Rechtswegzulässigkeit Rechtsmittelzulässigkeit, bestätigender Teil eines rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschlusses Rechtsweg, Einwendungen des Beklagten Rechtsweg, Klagebegehren Rechtsweg, Klagsbehauptungen Rekurs, Anfechtung des bestätigenden Teiles eines rekursgerichtlichen Beschlusses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1972:0010OB00240.72.1108.000

Dokumentnummer

JJT_19721108_OGH0002_0010OB00240_7200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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