TE OGH 1972/11/8 7Ob240/72

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Veröffentlicht am 08.11.1972
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Norm

ABGB §37
ABGB §179a
Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch ArtII
Bürgerliches Gesetzbuch §1748
Bürgerliches Gesetzbuch §1750
Vierte Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §13

Kopf

SZ 45/119

Spruch

Nach § 13 der 4. DVEheG richtet sich die Annahme an Kindes Statt nach dem Heimatrecht des Wahlvaters. Bezüglich der Formvorschriften für die Errichtung des Adoptionsvertrages genügt es aber, wenn die am Abschlußort geltende Form eingehalten wurde. Auch im österreichischen Recht, das eine dem Art 11 EGBGB entsprechende Norm nicht enthält, gilt der Grundsatz "locus regit actum". Dies gilt auch bei personen-, familien- oder erbrechtlichen Verträgen

Die Widerruflichkeit der zu einem Adoptionsvertrag erteilten Einwilligung (§§ 1746 f BGB) betrifft nicht die Form des Rechtsgeschäftes und ist daher nach den Gesetzen des Heimatstaates des Wahlvaters zu beurteilen

OGH 8. 11. 1972, 7 Ob 240/72 (LGZ Wien 44 R 283/72; BG Innere Stadt Wien 1 P 68/63)

Text

Die Ehe der Eltern des Minderjährigen Hermann und Elisabeth B wurde mit Urteil des LGZ Wien vom 8. 2. 1960 rechtskräftig aus dem Verschulden des Ehemannes geschieden. Der minderjährige Oliver B wurde seiner Mutter in Pflege und Erziehung überlassen. Am 6. 12. 1969 verehelichte sich Elisabeth B mit Horst Otto L, der Angehöriger der BRD ist. Mit dem am 9. 12. 1969, bzw 13. 5. 1970 in W bzw T (Österreich) abgeschlossenen Adoptionsvertrag nahm Horst Otto L den durch seinen ehelichen Vater vertretenen minderjährigen Oliver B an Kindes Statt an. Die Eltern des Kindes Hermann B und Elisabeth B, nunmehr verehelichte L, stimmten der Adoption zu (P III und P IV des Adoptionsvertrages).

Das Erstgericht gewährte dem Horst Otto L gemäß § 1746a BGB die Befreiung vom Erfordernis der Kinderlosigkeit (P 1 des Beschlusses ON 62), bestätigte den vorgenannten Adoptionsvertrag gemäß § 1741 BGB und erteilte diesem in Ansehung des minderjährigen Oliver B die pflegschaftsbehördliche Genehmigung (ON 62 P2).

Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß, der in seinem P 1 unbekämpft blieb, im übrigen auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß nach § 13 der 4. DVEheG deutsches Recht zur Anwendung komme. Nach § 1750 BGB müsse aber ein Adoptionsvertrag bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile vor Gericht oder vor einem Notar geschlossen werden. Nach deutschem Recht sei außerdem die Erklärung des ehelichen Vaters zu beurteilen, daß er seine Zustimmung zum Adoptionsvertrag zurückziehe. Nach § 1754 BGB trete der Adoptionsvertrag erst mit seiner Bestätigung in Kraft. Die Bindung der Vertragschließenden trete aber schon vor diesem Zeitpunkt ein. Ein Adoptionsvertrag könne daher nicht einseitig gelöst werden, sondern bedürfe es eines auflösenden Vertrages, der wieder gerichtlich bestätigt werden müsse. Das Erstgericht werde daher vorerst die Parteien zu einer Sanierung der Formvorschrift des § 1750 BGB anzuleiten haben. Falls eine solche nicht möglich sein sollte, käme nur ein die Adoption auflösender Vertrag in Frage.

Der Oberste Gerichtshof stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die inländische Gerichtsbarkeit zur Bestätigung des vorgenannten Adoptionsvertrages ist gegeben, weil das Wahlkind österreichischer Staatsbürger ist (§ 113b JN).

Mit Recht bekämpft der Rechtsmittelwerber die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß bei Errichtung des Adoptionsvertrages die Formvorschriften des § 1750 BGB, wonach der Annahmevertrag bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile zur Niederschrift eines Notars geschlossen werden müsse, zu beachten gewesen wäre. Richtig ist, daß sich nach § 13 der 4. DVEheG die Annahme an Kindes Statt nach dem Heimatrecht des Wahlvaters richtet. Bezüglich der Formvorschriften für die Errichtung des Adoptionsvertrages genügt es aber, wenn die am Abschlußort geltende Form eingehalten wurde. Denn auch im österreichischen Recht, das eine dem Art 11 EGBGB entsprechende Norm nicht enthält, gilt der Grundsatz "locus regit actum" (Walker, Internationales Privatrecht[5], 233. Ehrenzweig[2] I/1, 121 f, Klang[2] I/1, 263, Chlanda "Adoption bei nicht österreichischer Staatsangehörigkeit des Wahlvaters (der Wahleltern) oder des Wahlkindes" in ÖJZ 1949, 587). Dies gilt auch bei personen- , familien- oder erbrechtlichen Verträgen. Die vertragsschließenden Parteien haben daher die Wahl zwischen der Form des Errichtungsortes und der Form nach den Gesetzen, welche für das den Gegenstand des Rechtsgeschäftes bildende Rechtsverhältnis maßgebend sind (Walker, 227). Da hier der Adoptionsvertrag in Österreich abgeschlossen wurde, genügt es, wenn die Formvorschriften des ABGB eingehalten wurden. Nach § 179a ABGB wird aber für die Errichtung des Adoptionsvertrages nur Schriftlichkeit gefordert. Die im § 1750 BGB statuierte Form (Notariatsakt bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile) ist dem österreichischen Recht fremd. Auch für die Einwilligung der im § 181 ABGB angeführten Personen ist nach österreichischem Recht eine notarielle Beurkundung - wie nach § 1748 Abs 3 BGB - nicht vorgesehen. Es genügt auch hier die im § 179a ABGB vorgesehene Schriftlichkeit. Den Formvorschriften des § 179a ABGB entspricht aber, wie bereits das Erstgericht zutreffend hervorgehoben hat, der vorgenannte Adoptionsvertrag.

Ob die vom gesetzlichen Vertreter des Wahlkindes zur Adoption gegebene Einwilligung vor deren Bestätigung widerrufen werden kann, richtet sich hingegen nach den Bestimmungen des BGB. Die Widerruflichkeit der einem Adoptionsvertrag erteilten Einwilligung (§§ 1746 f BGB) betrifft nämlich nicht die Form des Rechtsgeschäftes (Art und Weise, wie die am Rechtsgeschäft Beteiligten ihren Willen kundgeben Walker, 227 f) und ist daher nach den Gesetzen des Heimatstaates des Wahlvaters zu beurteilen. Nach § 1748 Abs 1 BGB ist aber die von den in den §§ 1746 f BGB bezeichneten Personen erteilte Einwilligung zur Adoption unwiderruflich. Die Vertragsschließenden sind daher schon vor der gerichtlichen Bestätigung des Adoptionsvertrages an diesen gebunden. Der vom ehelichen Vater Hermann B erklärte Widerruf seiner Einwilligung zur Adoption ist daher unwirksam und für das weitere Verfahren ohne Bedeutung (Soergel - Siebert BGB[10] V, 658 f). Ob die Voraussetzungen für eine Ersetzung der Einwilligung des ehelichen Vaters Hermann B nach § 1747 Abs 3 BGB vorliegen, kann daher dahingestellt bleiben.

Die Bestätigung des vorgenannten Adoptionsvertrages durch das Erstgericht war daher im Ergebnis richtig.

Die Adoption liegt auch im Interesse des Wahlkindes, weil der Wahlvater mit dessen Mutter verheiratet ist und das Wahlkind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Gegen die pflegschaftsbehördliche Genehmigung des Adoptionsvertrages bezüglich des minderjährigen Oliver B bestehen daher keine Bedenken.

Anmerkung

Z45119

Schlagworte

Adoption, internationales Privatrecht, Adoption, Statut, Adoptionsvertrag, Form, Adoptionsvertrag, Geschäftsrecht, Adoptionsvertrag, Ortsrecht, Adoptionsvertrag, Widerruflichkeit, Annahme an Kindes Statt, s. Adoption, Form, Adoptionsvertrag, Geschäftsrecht, Adoptionsvertrag, Internationales Privatrecht Adoption, Locus regit actum, Adoptionsvertrag, Ortsrecht, Adoptionsvertrag, Wahlrates, Adoptionsstatut, Widerruflichkeit, Adoptionsvertrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1972:0070OB00240.72.1108.000

Dokumentnummer

JJT_19721108_OGH0002_0070OB00240_7200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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