TE OGH 1973/10/3 5Ob155/73 (5Ob146/73)

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Veröffentlicht am 03.10.1973
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Norm

Linzer Bauordnungs-Novelle §6
Linzer Bauordnungs-Novelle §42
Bundesstraßengesetz 1971, §18 Abs1
Allgemeines Grundbuchsanlegungsgesetz §7 Abs2
ZPO §355 Abs2

Kopf

SZ 46/94

Spruch

Bei der Festsetzung der Enteignungsentschädigung nach § 18 Abs. 1 BStG 1971 kann der Verkehrswert eines Grundstücksteils, der gemäß §§ 6, 42 Linzer Bauordnungsnovelle 1046 LGBl. 9/1947 mit der - im Grundbuch ersichtlich gemachten - Verpflichtung zur unentgeltlichen Grundabtretung an eine Gemeinde belastet ist, nicht auf der Grundlage eines für die gesamte Liegenschaft errechneten "Mischpreises" festgestellt werden; er ist vielmehr gesondert zu ermitteln, wobei im falle eines Versagens der "Vergleichswertmethode" regelmäßig die "Differenzmethode" zu brauchbaren Ergebnissen führen wird

Eine öffentlich-rechtliche, gegen jeden Eigentümer wirkende Anliegerverpflichtung nach § 6 Linzer Bauordnungsnovelle 1046 kann durch baubehördlichen Bescheid oder durch privatrechtlichen Vertrag zugunsten Dritter begrundet werden

Unter den Voraussetzungen des § 355 Abs. 2 ZPO kann ein Sachverständiger auch noch im Verfahren zweiter Instanz abgelehnt werden

OGH 3. Oktober 1973, 5 Ob 146, 155/73 (KG Steyr R 2/73, BG Steyr 1 Nc 353/72)

Text

Mit rechtskräftigem Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 3. März 1971, BauR-61/6-1971, wurde gemäß § 15 BStG 1948 BGBl. 59 in Verbindung mit den einschlägigen Bestimmungen des EisbEG 1954 BGBl. 71 für die Umlegung der Voralpen-Bundesstraße von km 32.400 bis km 33.700, Baulos "A" im Stadtgebiet von Steyr, u. a. von dem den Antragsgegnern je zur Hälfte gehörenden Grundstück Nr. 883/1 Acker der EZ X eine Teilfläche von 240 m2 - unbeschadet der genauen Vermessung - enteignet. Als Entschädigung wurden 300 S je m2 Grund sowie 100 S je Laufmeter Zaun festgesetzt, somit für die enteignete Grundfläche von 240 m2 und 35 Laufmeter Zaun insgesamt (72.000 S + 3500 S = 75.500 S).

In ihrem fristgerecht (§ 20 Abs. 3 BStG 1971) gestellten Antrag vom 4. Jänner 1972 begehrt die Republik Österreich (Bundesstraßenverwaltung) die gerichtliche Festsetzung des Entschädigungsbetrages, weil die den Antragsgegnern im Verwaltungsverfahren zuerkannte Entschadigung weitaus überhöht sei. Die Liegenschaft der Antragsgegner sei schon seit vielen Jahren mit der - auch im Grundbuch ersichtlich gemachten - Verpflichtung zur unentgeltlichen Abtretung der zur Bauaufschließung benötigten Grundflächen an die Stadtgemeinde Steyr belastet; die davon betroffene Grundfläche, welche jetzt von der Bundesstraßenverwaltung in Anspruch genommen werde, sei infolgedessen wertlos. Von dieser öffentlich-rechtlichen Belastung abgesehen, handle es sich bei der enteigneten Grundfläche zum - Großteil um einen zirka 3 m breiten Weg. Diese Zufahrt bleibe durch den Bau der Bundesstraße nicht nur erhalten, sondern sie werde dadurch sogar wesentlich verbessert, was eine Aufwertung der Gesamtliegenschaft zur Folge habe. Die Zuerkennung einer Enteignungsentschädigung würde daher zu einer Bereicherung der Antragsgegner fuhren.

Demgegenüber behaupten die Antragsgegner, daß eine rechtswirksame Abtretungsverpflichtung zugunsten der Stadtgemeinde Steyr überhaupt nicht bestanden habe, keinesfalls aber von der Republik Österreich in Anspruch genommen werden könne. Die im Verwaltungsverfahren festgesetzte Entschädigung sei eher zu niedrig als zu hoch bemessen, von einer Bereicherung könne keine Rede sein. Die Antragsgegner begehren daher, die Entschädigung für die enteignete Grundflache und den Zaun so wie im Verwaltungsverfahren mit 300 S je m2 bzw. 100 S je Laufmeter festzusetzen und ihnen darüber hinaus noch für den durch die Enteignung verlorengehenden; Bewuchs einen weiteren Entschädigungsbetrag von 5350 S zuzuerkennen.

Bei einer Tagsatzung an Ort und Stelle am 18. Mai 1972 stellte das Erstgericht fest, daß die enteignete Fläche an der südlichen Grenze der Liegenschaft der Antragsgegner über deren ganze Länge von etwa

30.5 m reicht und durchschnittlich 7.5 m breit ist; davon wurde ein 3 m breiter Streifen schon bisher als Verkehrsfläche benützt. Der Streifen zwischen diesem Weg und der Garage der Antragsgegner war von Bäumen bewachsen gewesen, welche aber im Zeitpunkt der Lokalaugenscheins nicht mehr vorhanden waren. In der Grundbuchseinlage der EZ X ist unter A2-OZ 2 die " Verpflichtung zur Abtretung der zur Bauaufschließung benötigten Grundflächen zugunsten der Stadtgemeinde Steyr im Sinne des § 42 des Gesetzes vom 15. Juli 1946, oö. LGBl. 5/1947, gemäß Punkt IX des Kaufvertrages vom 9. Oktober 1948 ersichtlich gemacht. Darüber hinaus ist der schon jetzt bestehende Weg unter COZ 1 mit der Dienstbarkeit des Fahrtrechtes für die Ehegatten Franz und Josefa H und der Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechtes zugunsten der jeweiligen Eigentümer der Grundstücke Nr. 884/2 und 886/2 belastet.

Nachdem das Erstgericht in der Folge zwei Beamte als Auskunftspersonen vernommen und sodann ein Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. Eberhard N eingeholt hatte - ein diesen Sachverständigen betreffender Ablehnungsantrag der Republik Österreich war schon vorher mit Beschluß vom 2. März 1972 mangels zureichender Gründe zurückgewiesen worden -, erkannte es die Antragstellerin schuldig, den Antragsgegnern nachstehende Entschädigungsbeträge - samt Zinsen im Sinne des § 33 Abs. 2 EisbEG - zu zahlen:

a) für die voraussichtlich beanspruchte Fläche von 148.5 m2 unverbauten Baugrundes: 300 S je m2,

b) für die voraussichtlich beanspruchte Verkehrsfläche von 91.5m2:

210 S je m2,

c) für den Zaun; 100 S je Laufmeter (unbestritten),

d) für den Bewuchs (6 Ahornbäume, 2 Akaziensträucher und 7 Haselnußsträucher): 5350 S.

Das Mehrbegehren der Antragsgegner auf Zuspruch weiterer 90 S je m; der enteigneten Verkehrsfläche wurde abgewiesen. Das Erstgericht ging davon aus, daß die mit der Abtretungsverpflichtung zugunsten der Stadtgemeinde Steyr belastete Grundfläche mit der enteigneten Fläche "bzw. der oben beschriebenen Verkehrsfläche" identisch sei. Unter Heranziehung von Verkaufspreisen vergleichbarer Baugrundstücke und unter Berücksichtigung der seither eingetretenen Wertänderungen, der Veränderungen auf dem Grundstücksmarkt und der durch die Hanglage des Grundstücks bedingten Schwierigkeiten bei der Bebauung hatte der Sachverständige - dessen Gutachten sich das Erstgericht vollinhaltlich anschloß - den Verkehrswert des gesamten 1486 m2 großen Grundstückes Nr. 883/1 mit 300 S je m2 festgesetzt; dieser Preis sei auch für die von der Enteignung betroffene unverbaute Grundfläche im Ausmaß von 148.5 m2, welche als Vorgarten angesehen werden müsse, angemessen. Bei der 91.5 m2 großen Verkehrsfläche dagegen sei nach Ansicht des Erstgerichtes mit Rücksicht auf die im Grundbuch einverleibten Wegedienstbarkeiten und die Abtretungsverpflichtung zugunsten der Stadtgemeinde Steyr eine Wertminderung um 30% anzunehmen,was zu einem Entschädigungsbetrag von 210 S je m2 dieses Weges führe. Im Gegensatz zur Meinung der Antragstellerin sei aber die von der Abtretungsverpflichtung betroffene Fläche keinesfalls wertlos, weil bei Parzellierung eines Grundstücks die Käufer der einzelnen Parzellen auch diejenigen Grundstücksteile mitkaufen müßten, die später als Verkehrsflächen benützt würden. Dadurch ergebe sich ein aus dem Preis für die Baufläche und dem Preis für die Verkehrsfläche resultierender Mischpreis, welchen der Sachverständige auch im vorliegenden Fall seinem Gutachten zugrunde gelegt habe.

Der Beschluß des Erstgerichtes wurde von beiden Parteien mit Rekurs bekämpft, und zwar von der Antragstellerin insoweit, als den Antragsgegnern für die enteigneten Grundflächen überhaupt eine Entschädigung zugesprochen und diese nicht mit Null festgesetzt worden war, von den Antragsgegnern aber insoweit, als ihnen für die enteignete Verkehrsfläche nicht gleichfalls der volle Betrag von 300 S je m2 zugesprochen und darüber hinaus die Entschädigung für den Bewuchs nur mit 5350 S statt mit dem vom Sachverständigen angenommenen Wert von 7300 S festgesetzt worden war. Der Ausspruch über die Entschädigung für den Zaun blieb von beiden Seiten unangefochten.

Nachdem die Akten am 6 Feber 1973 dem Rekursgericht zur Entscheidung über diese beiden Rechtsmittel vorgelegt worden waren, lehnte die Antragstellerin in zwei gleichlautenden, an das Erstgericht und an das Rekursgericht gerichteten und dort jeweils am 22. März 1973 eingelangten Anträgen den Sachverständigen Dipl.-Ing. N abermals wegen Befangenheit ab; von den diesen Anträgen zugrunde liegenden, die Annahme der Befangenheit des Sachverständigen im Sinne des § 19 JN rechtfertigenden Umständen habe die Finanzprokuratur erst am Tag der Antragstellung (21. März 1973) erfahren.

Das Rekursgericht hob den Beschluß des Erstgerichtes hin, sichtlich der Festsetzung einer Entschädigung von je 300 S für 148.5 m2 unverbauten Baugrundes und von je 210 S für 91.5 m2 Verkehrsfläche auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zu ergänzender Verhandlung und neuerlicher Entscheidung an das Erstgericht zurück; im übrigen bestätigte es den angefochtenen Beschluß. Der an das Rekursgericht gerichtete Ablehnungsantrag der Antragstellerin gegen den Sachverständigen Dipl.-Ing. N wurde zurückgewiesen. Der Sachverständige sei zwar - so führte das Rekursgericht in der Begründung seines Aufhebungsbeschlusses aus - bei der Bewertung des Gesamtgrundstückes an sich zutreffend von einem Mischpreis ausgegangen, der sich aus den Preisen der belasteten und der unbelasteten Teilflächen zusammensetze. Da aber im vorliegenden Fall die gesamte mit der Abtretungsverpflichtung belastete Fläche enteignet worden sei, fielen künftig die Voraussetzungen für die Bildung eines solchen Mischpreises weg; der den Antragsgegnern verbleibende Grundstücksrest repräsentiere vielmehr den vollen Wert eines unbelasteten Grundstückes in dieser Lage, weshalb im konkreten Fall anstelle eines Mischpreises der Preis der mit der Abtretungsverpflichtung belasteten Teilfläche allein ermittelt werden müsse. Die dem - in manchen Punkten widersprüchlichen - Sachverständigengutachten folgende Bewertung des Erstgerichtes könne schon deshalb nicht aufrechterhalten werden, weil das Erstgericht die Belastung durch die öffentlich-rechtliche Abtretungsverpflichtung nur bei der Verkehrsfläche von 91.5 m2, nicht aber auch bei der weiteren enteigneten Fläche von 148.5 m2 als wertmindernd berücksichtigt, diese letztgenannte Fläche vielmehr mit dem vollen Baulandpreis von 300 S je m2 entschädigt habe. Im fortgesetzten Verfahren werde der Sachverständige daher den Verkehrswert der mit der Abtretungsverpflichtung belasteten Fläche - vermutlich also des gesamten enteigneten Grundstücksteils - im Zeitpunkt der Enteignung, jedoch unabhängig von der bevorstehenden Errichtung der Straße, festzustellen haben. Dabei müsse der Umstand, daß im konkreten Fall nicht eine Abtretung an die Stadtgemeinde Steyr, sondern eine Enteignung zugunsten der Republik Österreich durchgeführt wurde, unberücksichtigt bleiben, weil die Stadtgemeinde Steyr ganz unabhängig vom Bau der Bundesstraße jederzeit die unentgeltliche Abtretung der belasteten Grundfläche hätte verlangen können, und zwar zufolge der Ersichtlichmachung im Grundbuch auch von jedem späteren Erwerber der Liegenschaft. Die Meinung der Antragstellerin, daß diese Grundfläche vollkommen wertlos sei, müsse aber als lebensfremd bezeichnet werden, weil der zum Anschluß des Grundstücks oder der darauf errichteten Bauwerke an das öffentliche Verkehrsnetz erforderliche Grundstreifen auch von jedem weiteren Erwerber der Liegenschaft benötigt werde und infolgedessen angemessen bezahlt werden müsse. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, daß die belastete Grundfläche den Antragsgegnern nahezu 25 Jahre lang zur Verfügung gestanden sei, weil die Stadtgemeinde Steyr so lange ihr Recht nicht ausgeübt und keine unentgeltliche Grundabtretung verlangt habe. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ergeben, daß auch eine von der Abtretungsverpflichtung nicht erfaßte Grundfläche enteignet wurde, dann werde bei deren Bewertung auch auf einen im Rekurs der Antragstellerin erwähnten, allerdings erst während des Enteignungsverfahrens durchgeführten Vergleichsverkauf Bedacht zu nehmen sein. Die Rechtswirksamkeit der Abtretungsverpflichtung zugunsten der Stadtgemeinde Steyr ergebe sich entgegen den Ausführungen der Antragsgegner eindeutig aus dem Kaufvertrag vom 9. Oktober 1948, mit welchem die Antragsgegner die Liegenschaft von ihrem Rechtsvorgänger erworben hatten; es habe sich dabei unzweifelhaft um eine unentgeltliche Abtretungsverpflichtung auf Grund der Bauordnung gehandelt, welche bis zur Enteignung im Grundbuch ersichtlich gemacht und dadurch für jeden potentiellen Käufer Anlaß gewesen sei, eine entsprechende Preisherabsetzung zu fordern. Die vom Erstgericht mit 30% veranschlagte Wertminderung der Verkehrsfläche durch die bestehenden Wegedienstbarkeiten sei angemessen. Da die Antragsgegner selbst für den Bewuchs nur eine Entschädigung von 5350 S verlangt hätten, könne ihnen aus diesem Titel auch unter Berücksichtigung des Sachverständigengutachtens kein höherer Betrag zuerkannt werden.

Der neuerliche Ablehnungsantrag der Antragstellerin habe schon deshalb zurückgewiesen werden müssen, weil ein in erster Instanz bereits vernommener Sachverständiger im Rechtsmittelverfahren nicht mehr abgelehnt werden könne.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Parteien gegen den aufhebenden Teil der Rekursentscheidung nicht Folge; den Rekurs der Antragstellerin gegen die Zurückweisung ihres Ablehnungsantrages durch das Rekursgericht wies er zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

I. Die Revisionsrekurse beider Parteien sind zwar im Sinne der ständigen Rechtsprechung (SZ 31/18; SZ 33/73; SZ 38/19; ZVR 1966/284 u. a., zuletzt etwa 5 Ob 210/71, 5 Ob 296/71, 6 Ob 60/73) zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Gemäß § 18 Abs. 1 BStG 1971 BGBl. 286 (= § 13 Abs. 1 BStG 1948 BGBl. 59) gebührt dem Enteigneten für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile Schadloshaltung (§ 1323 ABGB). Bei Bemessung der Entschädigung haben der Wert der besonderen Vorliebe und die Werterhöhung außer Betracht zu bleiben, welche die abzutretende Liegenschaft durch die straßenbauliche Maßnahme erfährt. Hingegen ist auf die Verminderung des Wertes eines etwa verbleibenden Grundstücksrestes Rücksicht zu nehmen. Lehre (Klang[2] II, 195; Ehrenzweig[2] 1/2, 227) und Rechtsprechung (ZVR 1966/284; 5 Ob 210/71, 5 Ob 301-303/71; 8 Ob 201/70 u. a.) legen diese Vorschrift dahin aus, daß dem Enteigneten nicht nur der gemeine Wert der enteigneten Sache, sondern der außerordentliche Wert des besonderen Interesses, also nicht nur der Ertragswert, sondern auch der diesen übersteigende Verkehrswert - keinesfalls aber ein reiner Spekulationspreis - zu ersetzen ist. Als Verkehrswert der enteigneten Sache ist dabei derjenige Betrag anzusehen, der innerhalb eines örtlich begrenzten Gebietes bei einer möglichst großen Anzahl von Verkäufen für möglichst gleichartige Objekte von Kaufinteressenten geboten wunde (EvBl. 1965/ 423; ZVR 1966/284; EvBl. 1967/203; 5 Ob. 296/71 u. a.). Diese sogenannte "Vergleichswertmethode" kann allerdings nur dort zur Berechnung des Entschadigungsbetrages herangezogen werden, wo eine genügend große Anzahl annähernd vergleichbarer Grundstücke innerhalb eines gewissen Zeitraumes vor und nach der Enteignung auf dem freien Grundstücksmarkt verkauft wurde. Kann der Verkehrswert der enteigneten Grundstücke auf diese Weise nicht ermittelt werden, dann muß ihr Wert unter Zuziehung eines oder zweier Sachverständiger durch Schätzung festgestellt werden; rein theoretische Erwägungen, welchen Preis ein wirtschaftlich denkender Käufer auf Grund der allgemeinen Verhältnisse für ein bestimmtes Grundstück noch zu zahlen in der Lage wäre, können also nicht zur Feststellung des Verkehrswertes eines Grundstückes führen, wenn dieses mangels jeglicher Nachfrage unverkäuflich ist (5 Ob 210/71; 5 Ob 151/72 u. a.).

Im vorliegenden Fall kam der Sachverständige Dipl.-Ing. N in seinem schriftlichen Gutachten, wie bereits erwähnt, zunächst unter Heranziehung der Verkaufspreise vergleichbarer Baugrundstücke und unter Berücksichtigung der besonderen Beschaffenheit des Grundstücks der Antragsgegner zu einem Verkehrswert der gesamten, 1486 m2 großen Bauparzelle Nr. 883/1 von 300 S je m2; auf der Grundlage dieses Quadratmeter-Preises errechnete er sodann auch die seiner Ansicht nach angemessene Entschädigung für die von der Enteignung betroffene Teilfläche von 240 m2, wobei er ausdrücklich bei dem schon bisher als Verkehrsfläche benützten Grundstreifen im Ausmaß von 91.5 m2 eine 30%ige Wertminderung durch die im Grundbuch eingetragenen Wegeservituten anerkannte. Wie Dipl.-Ing. N dann bei der Tagsatzung vom 10. Oktober 1972 mündlich erläuterte, ist der seiner Berechnung zugrunde liegende Quadratmeterpreis von 300 S ein sogenannter "Mischpreis", welcher sich aus dem Wert der tatsächlichen Baufläche einerseits und dem Wert der zunächst zwar vom Erwerber mitgekauften, später aber als Verkehrsfläche unentgeltlich in das öffentliche Gut zu übertragenden Teilfläche zusammensetzt. Einen darüber hinausgehenden Einfluß der im Grundbuch ersichtlich gemachten öffentlich-rechtlichen Abtretungsverpflichtung auf den Wert des enteigneten Grundstücks hat der Sachverständige hingegen ausdrücklich verneint (so wörtlich sein schriftliches Gutachten "...

unter der Voraussetzung, daß die im Grundbuch ersichtlich gemachte

Abtretungsverpflichtung zugunsten der Stadtgemeinde Steyr keinerlei

Einfluß ... auf die Wertermittlung besitzt"; ebenso in der

mündlichen Ergänzung dieses Gutachtens am 10. Oktober 1972: "Durch

die Abtretungsverpflichtung an den Magistrat Steyr ... würde der

Verkehrswert dieser Parzellen auf dem Grundstücksmarkt nicht

vermindert werden ... Es bleibt also bei der Bewertung, die ich in

meinem Gutachten ... vorgenommen habe").

Das Erstgericht ist dieser Berechnung des Sachverständigen zur Gänze gefolgt; es hat dabei allerdings die 30%ige Wertminderung bei der

91.5 m2 großen Verkehrsfläche nicht nur mit den im Grundbuch eingetragenen Wegedienstbarkeiten, sondern - insoweit ohne Deckung im Sachverständigengutachten - auch mit der Abtretungsverpflichtung zugunsten der Stadtgemeinde Steyr begrundet.

Demgegenüber hat schon das Rekursgericht zutreffend hervorgehoben, daß die Entschädigung für eine enteignete Teilfläche dann nicht auf der Grundlage eines für die gesamte Liegenschaft errechneten "Mischpreises" ermittelt werden kann, wenn, wie hier, gerade derjenige Teil der Liegenschaft enteignet wurde, der zufolge seiner Belastung mit einer öffentlich-rechtlichen Abtretungsverpflichtung den für das Gesamtgrundstück ermittelten Durchschnittspreis (also den vom Sachverständigen angenommenen "Mischpreis") entsprechend gedrückt hat. Soweit nämlich von der Enteignung ein gegenüber dem verbleibenden Restgrundstück geringerwertiger Grundstucksteil betroffen wird, ist eine unter dem für das Gesamtgrundstück ermittelten Durchschnittspreis liegende Entschädigung für die enteignete Teilfläche in dem Maße gerechtfertigt, als sich infolge der Abtretung des - im Verhältnis zum verbleibenden Restgrundstück von vornherein geringerwertigen - Teilstücks der durchschnittliche Quadratmeter-Preis des Restgrundstückes erhöht und der Enteignete auf diese Weise einen Ausgleich dafür erhält, daß die Entschädigung für die enteignete Teilfläche unter dem einheitlichen Quadratmeter-Preis des Gesamtgrundstücks liegt (vgl. dazu BGH 19. Dezember 1963, NJW 1964, 1567; ebenso auch Fuhlendorf, Die Bewertung von Straßenverbreiterungsflächen bei der Festsetzung der Enteignungsentschädigung, NJW 1966, 581, und Ganschezian - Finck, Enteignungsentschädigung für Vorgärten, NJW 1966, 1396). Soweit daher die jetzt von der Enteignung betroffene Teilfläche schon bisher zur Gänze mit der rechtswirksamen Verpflichtung zur unentgeltlichen Abtretung an die Stadtgemeinde Steyr belastet war - was allerdings, wie noch auszuführen sein wird, erst einer Klarstellung im fortgesetzten Verfahren bedarf -, wird das Erstgericht infolgedessen nicht von dem für das gesamte Grundstück Nr. 883/1 ermittelten "Mischpreis" ausgehen dürfen, sondern im Sinne der Ausführungen des angefochtenen Aufhebungsbeschlusses den Verkehrswert der enteigneten Teilfläche im Zeitpunkt der Enteignung gesondert zu ermitteln haben. Daß dieser Wert aber auch bei Bedachtnahme auf eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur unentgeltlichen Grundabtretung entgegen der Meinung der Antragstellerin keinesfalls von vornherein mit Null angenommen werden darf, haben bereits die Untergerichte zutreffend erkannt: Die mit einer solchen Verpflichtung belastete Grundfläche darf zwar nach den baurechtlichen Normen nur beschränkt genutzt - insbesondere nicht verbaut - werden, hat aber zweifellos für den Eigentümer bis zur tatsächlichen Abtretung einen gewissen Gebrauchswert, welcher entgegen der Meinung der Antragstellerin mit der Entschädigung für den verlorengegangenen Bewuchs und den entfernten Zaun allein keineswegs abgegolten ist. Wie weit freilich eine solche beschränkte Nutzungsmöglichkeit bei einem Verkauf des Gesamtgrundstückes dazu führt, daß auch für die mit der Abtretungsverpflichtung belastete Grundfläche ein - wenn auch entsprechend niedrigerer und damit im Sinne der obigen Ausführungen den Gesamtpreis drückender - Preis gezahlt wird, hängt im Einzelfall naturgemäß vor allem davon ab, für welchen Zeitraum der Erwerber noch mit dem Fortdauern des bisherigen Zustandes rechnen kann, mit anderen Worten, in welchem Zeitpunkt nach den Umständen des konkreten Falles mit einer Inanspruchnahme der unentgeltlichen Grundabtretung durch die begünstigte Gebietskörperschaft gerechnet werden muß. Der Ansicht der Finanzprokuratur, daß ein mit einer solchen Verpflichtung belastetes Grundstück von vornherein gänzlich wertlos wäre, keinen Verkehrswert hätte und dementsprechend im Fall einer Enteignung auch nicht in die Entschädigung einbezogen zu werden brauchte, kann daher nicht gefolgt werden. Dementsprechend hat auch der Sachverständige Dipl.- Ing. N betont, daß "natürlich" auch diese Verkehrsfläche als solche einen Wert habe, welcher sich aber nach dem Einzelfall richte. Mit Recht weist der Sachverständige freilich darauf hin, daß man - einen bestimmten Verkehrswert für diese Fläche an Hand von Vergleichsgrundstücken nicht angeben könne, weil solche Vergleichsgrundstücke nicht vorhanden seien. Er macht damit auf eine Schwierigkeit aufmerksam, welche naturgemäß immer dort auftritt, wo eine enteignete Teilfläche zufolge ihrer Beschaffenheit als Vorgarten, Hinterland oder dgl. nicht als selbständiges Kaufobjeki, sondern nur in Verbindung mit dem zugehörigen Baugrundstück gehandelt wird und daher keinen durch die Vergleichsmethode feststellbaren eigenen Verkehrswert besitzt. In solchen Fällen erweist sich aber regelmäßig die sogenannte "Differenzmethode" als taugliches Mittel zur Feststellung des Wertes der enteigneten Teilfläche und damit der Höhe der angemessenen Enteignungsentschädigung:

Dabei wird der Verkehrswert des Gesamtgrundstücks vor der Enteignung ermittelt und dieser Wert dem Verkehrswert des dem Eigentümer verbleibenden Restgrundstückes - unter Außerachtlassung der durch die Anlage der Straße eingetretenen Werterhöhung (§ 18 Abs. 1 BStG 1971; § 7 Abs. 2 EisbEG) - gegenübergestellt. Da im Gegensatz zu der enteigneten Teilfläche sowohl die Gesamtliegenschaft als auch das Restgrundstück im gewöhnlichen Geschäftsverkehr regelmäßig einen Preis erzielen würden, kann für beide Grundstücke ein Verkehrswert festgestellt werden; die Differenz der beiden Werte ergibt sodann die für die enteignete Teilfläche zu leistende Entschädigung (vgl. auch dazu Fuhlendorf, und Ganschezian - Finck NJW 1966, 1396 und die dort zitierte Rechtsprechung des deutschen BGH).

Allen bisher angestellten Überlegungen liegt freilich die Annahme zugrunde, daß die mehrfach genannte öffentlich-rechtliche Abtretungsverpflichtung zugunsten der Stadtgemeinde Steyr im Zeitpunkt der Enteignung auch tatsächlich zu Recht bestanden hat. Beide Untergerichte haben diese Frage unter Hinweis auf die Ersichtlichmachung im Grundbuch und auf Punkt IX des Kaufvertrages vom 9. Oktober 1948 bejaht und die gegenteilige, auf das Fehlen einer gesetzlichen und bescheidmäßigen Deckung sowie auf die Unbestimmtheit der Verpflichtung gestützte Rechtsansicht der Antragsgegner abgelehnt. Auch in diesem Punkt wird aber erst eine entsprechende Verfahrensergänzung durch das Erstgericht volle Klarheit schaffen können.

Die Ersichtlichmachung der Abtretungsverpflichtung unter A 2-OZ 2 der EZ X bezieht sich - wörtlich übereinstimmend mit Punkt IX des Kaufvertrages vom 9. Oktober 1948 und der Genehmigungsklausel des Stadtbauamtes Steyr vom 20. Dezember 1948 auf diesem Kaufvertrag - auf § 42 des "Gesetzes vom 15. Juli 1946, oö LGBl. 1947/5". Dieses Gesetz, nämlich die oberösterreichische Bauordnungsnovelle vom 15. Oktober (nicht 15. Juli) 1946, LGBl, 1947/5, hat aber für Steyr nie gegolten; durch das Gesetz vom 11. Feber 1947, LGBl 10, wurde vielmehr - worauf schon die Antragsgegner zutreffend verwiesen haben - die Wirksamkeit der Linzer Bauordnungsnovelle 1946, LGBl. 9/1947, auf das Gebiet der Stadtgemeinde Steyr ausgedehnt. Die grundbücherliche Ersichtlichmachung kann daher nur als Bezugnahme auf dieses Gesetz verstanden werden, wobei freilich darauf aufmerksam zu machen ist, daß § 42 der Linzer Bauordnungsnovelle 1946 - ähnlich wie § 42 der oö. Bauordnungsnovelle 1946 - nur die Frage regelt, welche baubehördlichen Verpflichtungen im einzelnen den Gegenstand einer Ersichtlichmachung im Grundbuch zu bilden haben, während diese Verpflichtungen selbst in anderen Bestimmungen des Gesetzes enthalten sind. Im konkreten Fall kommt hiefür vor allem § 6 der Linzer Bauordnungsnovelle 1946 in Betracht, welcher die "Grundabtretungen bei Teilungen" regelt und in diesem Zusammenhang für den Fall der Teilung eines Gründes auf Bauplätze oder Teile von solchen eine Verpflichtung zur unentgeltlichen Übertragung der nach Maßgabe der Baulinien zu den Verkehrsflächen entfallenden Grundteile in das Verzeichnis des öffentlichen Gutes sowie die Übergabe dieser Grundteile in den physischen Besitz der Gemeinde vorsieht.

Aus der ungenauen Fassung der Grundbuchseintragung für sich allein können aber die Antragsgegner für ihren Rechtsstandpunkt deshalb nichts gewinnen, weil einer Ersichtlichmachung dieser Art keine materiellrechtliche Bedeutung zukommt, die Anliegeverpflichtungen nach § 6 der Linzer Bauordnungsnovelle 1946 vielmehr als öffentlichrechtliche, gegen jeden Eigentümer wirkende Beschränkungen im Sinne des § 7 Abs. 2 AGAG in ihrer Rechtswirksamkeit von der Eintragung im Grundbuch unabhängig sind (vgl. dazu auch Krzizek, System des österreichischen Baurechts, 410); nicht auf den Wortlaut der Grundbuchseintragung kommt es daher an, sondern allein darauf, ob eine entsprechende Verpflichtung tatsächlich rechtmäßig begrundet wurde und auch noch im Zeitpunkt der Enteignung wirksam war.

Rechtsgrundlage solcher Anliegerpflichten ist regelmäßig ein baubehördlicher Bescheid (vgl. auch § 42 Abs. 1 der Linzer Bauordnungsnovelle 1946: "... Verpflichtungen, ... die durch einen baubehördlichen Bescheid begrundet werden, ..."). Erst durch ihn werden die den Anlieger nach dem Gesetz treffenden Verpflichtungen entsprechend konkretisiert, und zwar dann, wenn die Voraussetzungen im Zeitpunkt der Entscheidung über ein Abteilungs- oder ein Bauansuchen gegeben sind, im Abteilungs- oder im Baubewilligungsbescheid in der Rechtsform einer Auflage, wenn die Voraussetzungen aber erst später eintreten oder die Anliegerverpflichtung unabhangig von einer Grundabteilung oder Bauführung eintritt, in einem eigenen Bescheid; dadurch sollen in einer für beide Teile, den Einschreiter und die Behörde, bindenden Weise die Rechte und Pflichten festgestellt werden, die entstehen, wenn von der Bewilligung Gebrauch gemacht wird (Krzizek, System des österreichischen Baurechts, 409).

Ob im vorliegenden Fall der im Grundbuch ersichtlich gemachten Abtretungsverpflichtung der Antragsgegner ein entsprechender Bescheid der Baubehörde zugrunde liegt, haben die Untergerichte bisher nicht festgestellt. Die Grundbuchseintragung selbst bezieht sich wie schon erwähnt, nur auf § 42 der (oö) Bauordnungsnovelle 1946 und auf den Kaufvertrag vom 9. Oktober 1948, läßt aber jede Bezugnahme auf einen Verwaltungsbescheid - wie sie der Natur der Sache nach zu erwarten wäre (vgl. Walz, Die grundbücherlichen Ersichtlichmachungen auf Grund der Wiener Bauordnung, NZ 1933, 192) - vermissen. In einem Anhang zum Kaufvertrag vom 9. Oktober 1948 wurde zwar am 20. Dezember 1948 vom Stadtbauamt Steyr "die Genehmigung des Kaufvertrages ... im Sinne des § 42 Gesetz vom 15. Juli 1946, LGBl. 5/1947, unter der Bedingung bewilligt, daß der für Straßenzwecke erforderliche Grund kostenlos und lastenfrei bei Ausbau der Straße oder einer anderen Bebauung des Grundstückes an das öffentliche Gut abzutreten ist und diese Abtretung im Grundbuche ersichtlich zu machen ist".

Auf welche gesetzliche Vorschrift sich diese - in den Bauvorschriften nicht vorgesehene - "Genehmigung des Kaufvertrages" stützt, ist der Aktenlage nicht zuentnehmen. Ob sie die bescheidmäßige Grundlage der unentgeltlichen Abtretungsverpflichtung der Antragsgegner bildet, ist fraglich, zumal im Zuge des Gründeinlösungs- und Enteignungsverfahrens von den beiden Vertretern der Stadtgemeinde Steyr ausdrücklich ein rechtskräftiger Bescheid des Magistrates Steyr vom 30. September 1948 als rechtliche Grundlage der unentgeltlichen Grundabtretungsverpflichtung genannt wurde (s. dazu die Verhandlungsniederschrift des Amtes der oberösterreichischen Landesregierung), während andererseits im Revisionsrekurs der Antragstellerin in diesem Zusammenhang von einem Bescheid des Magistrates der Stadt Steyr "vom 24 Juni 1973" (?) die Rede ist. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren diese Widersprüche zu klären und dann eindeutig festzustellen haben, ob und in welchem Umfang der in Rede stehenden Abtretungsverpflichtung überhaupt im Sinne der obigen Ausführungen ein rechtswirksamer Bescheid der zuständigen Verwaltungsbehörde zugrunde liegt.

Sollte es keinen solchen Bescheid geben, dann wäre allerdings auch noch die Frage zu prüfen, ob die gegenständliche Verpflichtung allenfalls durch privatrechtlichen Vertrag zustande gekommen ist (vgl. dazu Krzizek, System des österreichischen Baurechts, 412 f); dabei könnte nach den Umständen des vorliegenden Falles wohl nur ein zwischen den Antragsgegnern und ihrem Rechtsvorgänger geschlossener Vertrag zugunsten Dritter (nämlich zugunsten der Stadtgemeinde Steyr) angenommen werden. Der - von den Antragsgegnern als unbestimmt und unbestimmbar bemängelte - Umfang der Abtretungsverpflichtung müßte in diesem Fall - im Rahmen der gesetzlichen Schranken des § 6 Abs. 1 der Linzer Bauordnungsnovelle 1946 - der Vereinbarung der Parteien entnommen werden,wobei schon jetzt darauf zu verweisen ist, daß Punkt IX Abs. 1 des Kaufvertrages vom 9. Oktober 1948 ausdrücklich auf eine vorläufige, unverbindliche Auszeichnung der abzutretenden Fläche in einem "beigehefteten Lageplan" - welcher der in den Akten befindlichen Fotokopie des Kaufvertrages aber nicht angeschlossen ist - Bezug nimmt. In beiden Fällen, also sowohl dann, wenn die Abtretungsverpflichtung auf einem Bescheid der Baubehörde beruht, als auch darin, wenn ihr eine privatrechtliche Übereinkunft zugrunde liegt, war freilich entgegen der Meinung der Antragsgegner eine nachträgliche Änderung oder Aufhebung des Stadtregulierungsplans aus dem Jahr 1930 für das Fortbestehen der Verpflichtung der Antragsgegner ohne Bedeutung, weil weder ein rechtskräftiger Verwaltungsbescheid noch eine verbindliche Parteienvereinbarung durch eine solche Maßnahme allein in ihrer Wirksamkeit unmittelbar betroffen würde.

All diese Erwägungen führen zu dem Ergebnis, daß das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes über die Festsetzung der Entschädigung für die enteignete Grundfläche im Ergebnis zu Recht aufgehohen hat. Das Erstgericht wird das Verfahren in der aufgezeigten Richtung zu ergänzen und sodann die den Antragsgegnern für die enteignete Grundfläche gebührende Entschädigung neu festzusetzen haben. Ob es dabei auch das bereits erstattete Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. N verwerten und diesen Sachverständigen gegebenenfalls auch bei der im fortgesetzten Verfahren unumgänglichen Ergänzung des Sachverständigenbeweises abermals wird heranziehen dürfen, wind von seiner Entscheidung über den neuerlichen Ablehnungsantrag der Antragstellerin abhängen (s. dazu die folgenden Ausführungen zum Rekurs der Finanzprokuratur in der Ablehnungsfrage).

II. Der - im Sinne des § 366 Abs. 1, § 515 ZPO mit dem Revisionsrekurs in der Hauptsache verbundene (EvBl. 1967/256 = RZ 1967 92; Arb. 8485; 5 Ob 124/71) - Rekurs der Antragstellerin gegen die Zurückweisung ihres Ablehnungsantrages durch das Rekursgericht ist unzulässig.

Das Rekursgericht hat den erst nach Ablauf der Rekursfrist unmittelbar bei der zweiten Instanz eingebrachten Ablehnungsantrag gegen den Sachverständigen Dipl.-Ing. N deshalb zurückgewiesen, weil eine nachträgliche, erst nach der Erstattung des Gutachtens und nach der darüber ergangenen Entscheidung ausgesprochene Ablehnung eines Sachverständigen nicht zulässig sei, ein in erster Instanz vernommener Sachverständiger infolgedessen im Rechtsmittelverfahren überhaupt nicht mehr abgelehnt werden könne. Dieser Rechtsansicht kann nicht gefolgt werden:

Gemäß dem - nach ständiger Rechtsprechung (EvBl. 1971/286, JBl. 1971, 629; 5 Ob 194/72 u. a.) auch im Verfahren zur Festsetzung der Enteignungsentschädigung anwendbaren - § 355 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist die Ablehnungserklärung zwar grundsätzlich vor dem Beginn der Beweisaufnahme und bei schriftlicher Begutachtung vor der Einreichung des Gutachtens mit Schriftsatz oder mündlich anzubringen; nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung kann aber ein Sachverständiger auch noch später abgelehnt werden, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie den Ablehnungsgrund vorher nicht erfahren oder wegen eines für sie unübersteiglichen Hindernisses nicht rechtzeitig geltend machen konnte. Daß eine solche nachträgliche Ablehnung auf das Verfahren erster Instanz beschränkt und daher nach der darüber ergangenen Entscheidung des Gerichtes, also vor allem im Rechtsmittelverfahren, unzulässig wäre - wie dies eine in RPfiSlg. 1964/4261 veröffentlichte Entscheidung des LGZ Wien ohne jede Begründung ausgesprochen hat -, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Fasching (III, 489, § 355 ZPO Anm. 5) vertritt unter Hinweis auf § 482 Abs. 2 und § 488 Abs. 3 ZPO die Ansicht, daß dann, wenn die Ablehnungsgrunde erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz entstehen oder der Partei erst in diesem Zeitpunkt zur Kenntnis kommen, der bereits in erster Instanz vernommene Sachverständige auch noch im Berufungsverfahren abgelehnt werden kann. Die von Fasching (III, 489) als gegenteilig angeführte und auch vom Rekursgericht als Stütze für seine abweichende Rechtsmeinung herangezogene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 11. April 1928 ZBl. 1928/206 bezieht sich ausdrücklich nur auf den Sonderfall der Ablehnung eines Sachverständigen wegen falscher Aussage im Sinne des § 530 Abs. 1 Z. 2 ZPO; der in ihr ausgesprochene Gedanke kann schon aus diesem Grund nicht verallgemeinert werden. Der Oberste Gerichtshof ist vielmehr mit Fasching der Ansicht, daß ein Sachverständiger unter den Voraussetzungen des zweiten Satzes des § 355 Abs. 2 ZPO auch noch im Verfahren zweiter Instanz abgelehnt werden kann. Wie in allen Fällen einer nachträglichen Ablehnung darf dann das bereits erstattete Gutachten des mit Erfolg abgelehnten Sachverständigen nicht mehr als Prozeßstoff berücksichtigt werden (Fasching III, 486, § 355 ZPO Anm. I); das Gericht hat vielmehr im Sinne des § 362 Abs. 2 Satz 2 ZPO eine neuerliche Begutachtung durch einen anderen, unbefangenen Sachverständigen anzuordnen (vgl. dazu auch Sperl, Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege, 445). Das gleiche Recht zur Wiederholung eines in erster Instanz durchgeführten Sachverständigenbeweises steht gemäß § 488 Abs. 3 ZPO auch dem Berufungsgericht zu.

Das Rekursgericht hätte daher den erst im Rechtsmittelverfahren gestellten Ablehnungsantrag nicht als unzulässig zurückweisen dürfen, sondern - gegebenenfalls nach Durchführung geeigneter Erhebungen - sachlich darüber entscheiden müssen. Durch die zu Unrecht ausgesprochene Zurückweisung ihres Antrages ist aber die Antragstellerin deshalb nicht beschwert, weil es in der Hauptsache bei der Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses und beim Auftrag an das Erstgericht zur Ergänzung seines mangelhaften Verfahrens bleibt, das Erstgericht also ohnehin im fortgesetzten Verfahren noch über den wörtlich gleichlautenden Ablehnungsantrag entscheiden haben wird. Der Rekurs der Antragstellerin gegen die Zurückweisung ihres Ablehnungsantrages durch das Rekursgericht mußte daher wegen Fehlens des erforderlichen Rechtsmittelinteresses als unzulässig zurückgewiesen werden.

Anmerkung

Z46094

Schlagworte

Ablehnung eines Sachverständigen im Verfahren zweiter Instanz, Anliegerverpflichtung, Begründung von öffentlich-rechtlicher -, § 6, Linzer BauONov, Enteignungsentschädigung, Festsetzung des Verkehrswertes eines gemäß, §§ 6, 42 Linzer BauONov mit der Verpflichtung zur unentgeltlichen, Grundabtretung belasteten Grundstückteiles, Öffentlich-rechtliche Anliegerverpflichtung, Begründung, § 6 Linzer, BauONov, Sachverständiger, Ablehnung im Verfahren zweiter Instanz, Verkehrswert eines enteigneten gem. §§ 6, 42 Linzer BauONov mit der, Verpflichtung zur unentgeltlichen Grundabtretung belasteten, Grundstückteiles

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1973:0050OB00155.73.1003.000

Dokumentnummer

JJT_19731003_OGH0002_0050OB00155_7300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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