TE OGH 1974/4/24 1Ob51/74

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Veröffentlicht am 24.04.1974
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Norm

ABGB §294
ABGB §427
ABGB §1089
EO §269
Kraftfahrgesetz §31
Kraftfahrgesetz §37

Kopf

SZ 47/50

Spruch

Auf den gerichtlichen Zwangsverkauf lassen sich die für den Kaufvertrag geltenden Vorschriften nicht anwenden. Aus dem Erwerb eines Personenkraftwagens im Zuge einer Zwangsversteigerung (eines exekutiven Fahrnisverkaufs) kann kein privatrechtlicher Anspruch auf Ausfolgung des Typenscheines abgeleitet werden

OGH 24. April 1974, 1 Ob 51/74 (LG Klagenfurt 1 R 556/73; BG Kötschach C 90/73)

Text

Der Kläger hat am 20. September 1973 den PKW des damals Verpflichteten und nunmehrigen Beklagten im Zuge einer zu E 385/73 des Bezirksgerichtes Kötschach durchgeführten öffentlichen Versteigerung durch Zuschlag erworben.

Mit der Behauptung daß sich der Beklagte weigere, ihm den für das beschriebene Fahrzeug ausgestellten und für dessen Zulassung erforderlichen Typenschein zu übergehen, begehrt der Kläger die Herausgabe dieses Papiers.

Der Beklagte gäbe zu daß sich der Typenschein in seiner Gewahrsam befinde, und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens mit dem Hinweis, daß der Kläger das Fahrzeug in Kenntnis dieser Tatsache ersteigert habe und deshalb nicht berechtigt sei, Ansprüche auf das Papier zu erheben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Er vertrat den Standpunkt, daß dem Kläger keine Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Beklagten, als dem seinerzeitigen Verpflichteten zustunden. Der Typenschein sei auch nicht Zubehör des vom Kläger erworbenen Kraftfahrzeuges, der erhobene Herausgabeanspruch daher nicht gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht verurteilte den Beklagten in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung dazu, dem Kläger den für den PKW ausgestellten Typenschein binnen 14 Tagen bei Exekution herauszugeben. Gleichzeitig sprach das Berufungsgericht aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 1000 S übersteigt (§ 500 Abs. 2 ZPO). Der Typenschein sei die Bescheinigung dafür, daß ein durch die Fahrgestellnummer und die Motornummer bestimmtes Kraftfahrzeug der genehmigten Type entspricht. Über die Besitz- und Eigentumsverhältnisse am Fahrzeug sage er nichts aus und besitze auch keinen Geldwert. Er sei daher auch weder untrennbares Zubehör noch Bestandteil des Kraftfahrzeuges und für sich allein nicht veräußerlich. Die Übergabe des Typenscheines, den der Käufer gemäß § 37 Abs. 2 lit. a KFG 1967 für die Zulassung des Kraftfahrzeuges benötige, stelle grundsätzlich eine Teilleistung dar, die der Käufer vom Verkäufer zu fordern berechtigt sei. Folgerichtig lasse die Rechtsprechung im Falle einer Pfändung der gesamten Käuferrechte auch die Pfändung des Ausfolgeanspruches hinsichtlich des Typenscheines als eines Teilrechtes des Vorbehaltskäufers zu. Diesmal liege zwar kein Kaufvertrag vor, aus dem sich die Nebenpflicht des Verkäufers zur Herausgabe des Typenscheines ergeben könnte, doch seien nach der Bestimmung des § 1089 ABGB auch bei gerichtlichen Verkäufen die Regeln über den Tausch- und Kaufvertrag anzuwenden. So wie den Verkäufer eines PKWs nicht nur die Pflicht zur Übergabe des Fahrzeuges, sondern nach dem Vertragszweck auch die Nebenpflicht zur Herausgabe des Typenscheines treffe, so habe auch der Verpflichtete dem Ersteher den Typenschein zu übergeben, weil eben der Erwerb eines Fahrzeuges durch Zuschlag seiner wirtschaftlichen Bestimmung nach als eine Einheit aufzufassen sei. So wenig diese Nebenpflicht den Beklagten belaste, so sehr sei deren Erfüllung für den Kläger von Wichtigkeit. Der Kläger sei daher berechtigt, in seiner Eigenschaft als Ersteher des Personenkraftwagens den Anspruch auf Herausgabe der Papiere geltend zu machen, wobei im Hinblick auf die Beendigung des Exekutionsverfahrens keine Bedenken gegen die Beschreitung des ordentlichen Rechtsweges bestunden. Da es nicht strittig sei, daß sich der Typenschein in Verwahrung des Beklagten befinde und der Beklagte keine Gründe anzugeben vermöge, die seine Weigerung, der Forderung auf Herausgabe des Papiers zu entsprechen, rechtfertigen würden, sei seine Verhaltensweise als schikanös zu qualifizieren. Ob der Kläger gewußt habe, daß sich der Typenschein im Zeitpunkt der Versteigerung nicht "beim Fahrzeug" befunden hat, sei unter den gegebenen Umständen für die rechtliche Beurteilung der Streitsache unerheblich. Da sich der Herausgabeanspruch des Klägers als gerechtfertigt erweise, sei das Ersturteil im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern gewesen.

Über die Revision des Beklagten stellte der Oberste Gerichtshof das Ersturteil wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger stützt den behaupteten Herausgabeanspruch auf die Behauptung, daß er im Zuge eines exekutiven Fahrnisverkaufes den Personenkraftwagen der beklagten Partei durch Zuschlag und Übergabe eigentümlich erworben habe. Aus dem erlangten Eigentum an diesem Kraftfahrzeug leitet er die Befugnis ab, vom Beklagten, als dem seinerzeitigen Eigentümer des Personenkraftwagens die Herausgabe des dafür ausgestellten Typenscheines zu begehren.

Für die - vom Beklagten bestrittene - Zulässigkeit des Rechtsweges ist entscheidend, ob der Streitgegenstand nach privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen ist. Daher kommt es in erster Linie auf den Wortlaut des Klagebegehrens an (Fasching, I, 62 f.; GlUNF 6465; GlUNF 2131). Das Klagevorbringen läßt nun keinen Zweifel darüber aufkommen, daß der Kläger mit seinem Herausgabeanspruch ein (vermeintliches) Privatrecht verfolgt, so daß die Nichtigkeitsrüge des Revisionswerbers versagt.

Der geltend gemachte Anspruch ist jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes nicht gegeben. Nach dem Wortlaut des § 1089, erster Halbsatz ABGB, finden auch bei gerichtlichen Verkäufen die über Verträge, und den Tausch- und Kaufvertrag insbesondere aufgestellten Vorschriften in der Regel statt. Auf den gerichtlichen Zwangsverkauf läßt sich dieser Rechtssatz jedoch deshalb nicht beziehen, weil dieser die Wirkung eines Kaufvertrages zwischen dem Verpflichteten und dem Erstehen der Sache nicht hervorbringt. Es fehlt an dem Veräußerungswillen des Verkäufers und an dem Erfordernis der Willenseinigung zwischen dem Verpflichteten und dem Ersteher des exekutiv versteigerten Pfandgegenstandes (Bettelheim in Klang[1] II/2, 1047). Die Zwangsversteigerung ist also - dies ist jedenfalls die herrschende Lehre - kein Kaufvertrag, sondern ein Akt öffentlichen Rechts (vgl. Neumann - Lichtblau, Kommentar zur Exekutionsordnung[4], 1767). Damit verbietet sich aber die vom Berufungsgericht gezogene Schlußfolgerung, der Beklagte habe ebenso wie der Verkäufer eines Kraftfahrzeuges in Erfüllung seiner stillschweigend übernommenen Nebenpflicht dem Kläger den Typenschein herauszugeben, dies ungeachtet des Umstandes, daß dieser im Pfändungsprotokoll nicht verzeichnet und demzufolge auch nicht in Exekution gezogen (§§ 249, 253 Abs. 1 EO) worden ist. In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß von einer ein eigenes rechtliches Schicksal schlechterdings ausschließenden Zubehöreigenschaft des Typenscheines nicht gesprochen werden kann (ZVR 1969/19; ZBl. 1936/49). Der Typenschein ist weder Zubehör noch Bestandteil des Kraftfahrzeuges (2 Ob 111/59. 9 Os 19/64).

Da sich der Beklagte in Wahrheit gegen eine Rechtsanmaßung wehrt, die darin gelegen ist, daß der Kläger ein ihm nicht zukommendes Eigentumsrecht durchzusetzen versucht, ist auch der vom Berufungsgericht unter Heranziehung der Bestimmung des § 1295 Abs. 2 ABGB sinngemäß erhobene Vorwurf einer mißbräuchlichen Rechtsausübung nicht aufrecht zu erhalten.

Dem Akteninhalt ist nicht zu entnehmen, ob der Kläger als Ersteher des Personenkraftwagens im Exekutionsverfahren Beschwerde über die Art des Exekutionsvollzuges geführt hat (§ 68 EO), etwa darüber, daß ihm der Typenschein des Fahrzeuges nicht übergeben wurde. Nach Punkt 102 Z. 7 DV ist im Falle des Wechsels im Besitz eines Kraftfahrzeuges (Anhängers) der Typenschein oder der Bescheid über die Einzelgenehmigung des Fahrzeuges dem neuen Erwerber zu übergeben, während Zulassungsschein und Kennzeichentafeln vom Vollstrecker der ausgebenden Behörde zurückzustellen sind (Neumann - Lichtblau II, 1755). Wäre aber der Typenschein für den Kläger auf diesem Weg nicht mehr erlangbar, dann stunde es ihm frei, um die Erteilung einer Einzelgenehmigung (§ 30 Abs. 1 lit. c KFG) anzusuchen, allenfalls auch die Ausstellung eines neuen Typenscheines gemäß § 30 Abs. 5 KFG zu betreiben.

Anmerkung

Z47050

Schlagworte

Gerichtlicher Zwangsverkauf, keine Anwendung der für den Kaufvertrag, geltenden Vorschriften auf -, Kaufvertrag, keine Anwendung der für den - geltenden Vorschriften auf, gerichtlichen Zwangsverkauf, Typenschein, kein privatrechtlicher Anspruch auf Ausfolgung des - aus, dem Erwerb eines PKWs im Zuge einer Zwangsversteigerung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1974:0010OB00051.74.0424.000

Dokumentnummer

JJT_19740424_OGH0002_0010OB00051_7400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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