TE OGH 1974/8/29 7Ob80/74

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Veröffentlicht am 29.08.1974
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Norm

AO §31a Abs2
AO §38 Abs4

Kopf

SZ 47/91

Spruch

Die in § 38 Abs. 4 AO normierte Bindung des Schuldners an seine gemäß § 31a Abs. 2 AO abgegebene Erklärung hat die Unzulässigkeit ihres Widerrufs zur Folge

OGH 29. August 1974, 7 Ob 80/74 (OLG Graz 9 R 12/74; LG Klagenfurt 20 Cg 220/73)

Text

Im Ausgleichsverfahren Sa 11/71 des LG K gegen den Kläger meldete die Beklagte, seine geschiedene Frau, zunächst eine Forderung von 536.267.45 S an. Der Kläger bestritt in der Erklärung vom 23. April 1971 gemäß § 31a Abs. 2 AO, die der Ausgleichsverwalter vor der ersten Ausgleichstagsatzung mit seinem Bericht gemäß § 31 Abs. 4 AO vorlegte, diese Forderung zur Gänze. In der erstreckten Ausgleichstagsatzung vom 21. Juni 1971 schränkte auf Grund einer zwischen den Parteienvertretern getroffenen Vereinbarung einerseits die Beklagte die angemeldete Forderung auf 453.267.45 S ein, andererseits anerkannte der Kläger nun die eingeschränkte Forderung und die Beklagte enthielt sich bei der Abstimmung über den Ausgleich der Stimme (richtig: sie verzichtete auf ihr Stimmrecht). Der Ausgleich wurde sodann angenommen und vom Gericht bestätigt.

Der Kläger, der die Ausgleichsquote an die Beklagte nicht bezahlte, begehrt die Nichtigerklärung seiner "im Ausgleich gemäß § 31a AO abgegebenen Anerkennungserklärung" wegen ungerechten Zwanges nach § 870 ABGB und wegen Wuchers, weil die Beklagte ihn erpresserisch vor die Wahl gestellt habe, entweder die (sinngemäß erkennbar: bewußt) ungerechtfertigte Forderung anzuerkennen oder durch ihre Gegenstimme seine Existenz zu zerstören.

Das Erstgericht gelangte infolge der rechtlichen Beurteilung, daß der Eintragung einer unbestrittenen Forderung in das Anmeldungsverzeichnis nach rechtskräftiger Bestätigung des Ausgleiches urteilsgleiche Wirkung zukomme und der so geschaffene Exekutionstitel nur durch Wiederaufnahmsklage beseitigt werden könne, zur Abweisung der Klage.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es billigte die Meinung des Erstrichters, daß der Eintragung in das Anmeldungsverzeichnis unter den hier gegebenen Voraussetzungen urteilsgleiche Wirkung zukomme. Die Wirkung der Eintragung könne vom Schuldner nicht mit Feststellungsklage bekämpft werden, er müsse sich vielmehr mit seinen Einwendungen in den Schranken des § 35 EO halten. Die Einwendungen des Klägers stützten sich jedoch auf Umstände, die er in den der Schaffung des Exekutionstitels vorangegangenen Verfahrens hätte vorbringen können und die ihm zur Zeit der Abgabe seiner Erklärung über die angemeldete Forderung bekannt waren.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Untergerichte und die Parteien sind zutreffend von der Bestimmung des § 53 a AO ausgegangen, derzufolge nach rechtskräftiger Bestätigung des Ausgleiches auf Grund der Eintragung in das Anmeldungsverzeichnis gegen den Schuldner zur Hereinbringung des nach dem Ausgleiche bei fristgerechter Erfüllung geschuldeten Betrages "gleichwie auf Grund eines Urteiles" Exekution geführt werden kann, soweit eine in das Anmeldungsverzeichnis eingetragene Forderung weder vom Schuldner noch vom Ausgleichsverwalter bestritten noch ihr das Stimmrecht ... aberkannt wurde. Die Bestimmung ist dem § 61 KO ähnlich, wonach wegen einer im Konkurse festgestellten und vom Gemeinschuldner nicht ausdrücklich bestrittenen Forderung auf Grund der Eintragung des Konkurskommissärs in das Anmeldungsverzeichnis auf das zur freien Verfügung bleibende oder nach der Konkursaufhebung erworbene Vermögen des Gemeinschuldners ebenfalls "gleichwie auf Grund eines Urteiles" Exekution geführt werden kann.

Dem Revisionswerber ist zuzugeben, daß die Rechtsprechung in der Frage, ob die zu den angemeldeten Forderungen abgegebenen Erklärungen des Masseverwalters, Gemeinschuldners, Ausgleichsverwalters oder Schuldners einer Anfechtung wegen Willensmängeln unterliegen, nicht einheitlich ist. Während die Entscheidungen SZ 9/17, Rspr. 1936/39, SZ 28/238 und SZ 28/266 eine Anfechtung aus Gründen des materiellen Rechtes nicht zulassen und mit einer Reihe anderer Entscheidungen (zuletzt EvBl. 1972/134) dem unbestrittenen Eintragungen im Anmeldungsverzeichnis der Rechtskraft entsprechende Wirkung beimessen, wurde in der Entscheidung SZ 19/156 und ihr folgend - obwohl dieser Entscheidung sogleich, wenn auch aus verschiedenen Gründen sowohl von Petschek (ZBl. 1937/454) als auch von Wahle (Rspr. 1937/212) widersprochen wurde - im Rahmen eines obiter dictum in SZ 31/30 die Anfechtung einer Anerkennung wegen Willensmängeln wie bei einem Vergleich für zulässig erkannt und in der Entscheidung EvBl. 1966/410 den genannten Eintragungen die Wirkung der Rechtskraft abgesprochen. Die Frage ist auch in der Lehre umstritten (vgl. die Zusammenstellung bei Jelinek in OJZ 1970.9).

Eine neuerliche Prüfung dieser Rechtsfrage kann hier jedoch unterbleiben, weil bei der allseitigen rechtlichen Beurteilung der Sache wahrzunehmen ist, daß eine wirksame Anerkennung gemäß § 31a AO, wie sie ausdrücklich den Gegenstand der Anfechtung und des Urteilsantrages bildet, in Wahrheit nicht vorliegt und so die Klagsabweisung durch die Untergerichte im Ergebnis jedenfalls gerechtfertigt ist Voraussetzung der Vollstreckbarkeit einer angemeldeten Forderung nach § 53a AO ist u. a., daß die Forderung vom Schuldner nicht bestritten wurde. § 31a Abs. 2 AO bestimmt in diesem Zusammenhang, daß der Schuldner hinsichtlich jeder der vom Ausgleichsverwalter in das Verzeichnis eingetragenen angemeldeten Forderungen innerhalb der vom Ausgleichverwalter gesetzten Frist schriftlich zu erklären hat, ob er sie anerkennt oder bestreitet. Gibt der Schuldner zu einer Forderung keine Erklärung ab, so gilt die Forderung als anerkannt. Nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 38 Abs. 4 AO ist der Schuldner (in der Ausgleichstagsatzung) an seine gemäß § 31a Abs. 2 AO abgegebenen Erklärungen über die Anerkennung oder die Bestreitung der ihm vom Ausgleichsverwalter bekanntgegebenen Forderungen gebunden. Diese Bindung hat zur Folge, daß ein Widerruf der ersten Erklärung unzulässig und die neue Erklärung unwirksam ist (ebenso Bartsch - Pollak II, 333). Damit stimmt es überein, daß Lehre und Rechtsprechung als maßgeblichen Zeitpunkt für Einwendungen nach § 35 EO die Abgabe der Erklärung bzw. das Ende der Äußerungsfrist ansehen (Heller - Berger - Stix in Neumann - Lichtblau[4] 135, SZ 10/270, SZ 28/266). Wurde eine Bestreitung unzulässigerweise widerrufen, so ist also auch ihr Widerruf unwirksam und die Forderung weiter als bestritten anzusehen; die Eintragung im Anmeldungsverzeichnis bildet dann keinen Exekutionstitel nach § 53a AO.

Im vorliegenden Fall hatte der Schuldner zunächst die Forderung der Beklagten ordnungsgemäß bestritten. Der Widerruf dieser Bestreitung in der Ausgleichstagsatzung durch Abgabe eines Anerkenntnisses war nach dem Gesagten unwirksam. Es gibt also in Wahrheit keine prozeßrechtliche (§ 31a AO) Anerkennung der von der Beklagten im Ausgleich angemeldeten Forderung, die einer Anfechtung aus den Klagsgrunden Zwang und Wucher unterliegen könnte. Fehlt es jedoch am behaupteten Gegenstand der Anfechtung, dann sind deren Gründe nicht mehr zu prüfen, sondern die Klage ist abzuweisen.

Die aktenkundige Tatsache, daß im Anmeldungs- und Abstimmungsverzeichnis gemäß § 31a AO bei der Forderung der Beklagten die Spalte "bestritten vom Ausgleichsschuldner" freigeblieben ist, ändert an dieser Rechtslage nichts, weil das Ausgleichsgericht sowohl bei eigener Exekutionsbewilligung als auch im Verfahren über die Erteilung einer Vollstreckbarkeitsbestätigung den ganzen Inhalt des Titelaktes berücksichtigen müßte (Heller - Berger - Stix in Neumann - Lichtblau[4] 205, 207; EvBl. 1968/62 u. v. a.). § 53a AO stellt auch nicht auf die Eintragung der Bestreitung im Anmeldungsverzeichnis ab (die dem Ausgleichsverwalter allerdings durch § 31a Abs. 2 AO vorgeschrieben war), sondern auf die Bestreitung selbst, die hier unzweifelhaft vorlag.

Anmerkung

Z47091

Schlagworte

Ausgleichsschuldner, Bindung an seine gemäß § 31a Abs. 2 AO abgegebene, Erklärung, Unzulässigkeit dieses Widerrufs, Unzulässigkeit des Widerrufs der vom Ausgleichsschuldner gemäß § 31a, Abs. 2 AO abgegebenen Erklärung, Widerruf, Unzulässigkeit des - der vom Ausgleichsschuldner gemäß § 31a, Abs. 2 AO abgegebenen Erklärung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1974:0070OB00080.74.0829.000

Dokumentnummer

JJT_19740829_OGH0002_0070OB00080_7400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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