TE OGH 1975/2/27 2Ob295/74

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.02.1975
beobachten
merken

Norm

ABGB §1323

Kopf

SZ 48/24

Spruch

Kein Ersatz des Betrages, den der Mieter des Ersatzwagens dem Vermieter als Abfindung für dessen allfällige Ansprüche wegen Beschädigung des Mietwagens bezahlt hat

OGH 27. Feber 1975, 2 Ob 295/74 (OLG Wien 9 R 125/74; LGZ Wien 27 Cg 973/73)

Text

Der Kläger erhob wegen eines Verkehrsunfalls, an dem ihn unbestrittenermaßen kein Verschulden trifft, zuletzt Schadenersatzansprüche im Betrage von 14.930.67 S samt Anhang, darunter auch den im Revisionsverfahren allein noch strittigen Anspruch auf Bezahlung von 1260 S, der ihm dadurch entstanden sei, daß er bei der Miete eines Ersatzwagens diesen Betrag dem Vermieter als Abfindung für dessen allfällige Ansprüche wegen Beschädigung des Mietwagens bezahlt habe.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt.

Das Berufungsgericht wies das erwähnte Begehren auf Zahlung von 1260 S ab und bestätigte im übrigen das Ersturteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes befand sich unter den Kosten für die Inanspruchnahme eines Mietwagens auch ein Posten von 1260 S unter dem Titel "Zuschlag für die Haftungsbefreiung für 21 Tage a 60 S". Punkt 7 des Kfz-Mietvertrages der Firma Autoverleih B lautet: "Umfang der Haftung des Mieters. Der Mieter haftet grundsätzlich dem Vermieter bei Eintritt von Schäden an dem Kraftfahrzeug in voller Höhe für den dem Vermieter entstandenen mittelbaren und unmittelbaren Schaden. Die Schadenersatzpflicht des Mieters umfaßt insbesondere auch den Mietausfall während der Reparaturzeit des Kraftfahrzeuges in Höhe der vereinbarten Miete ohne Notwendigkeit des Nachweises der Vermietmöglichkeit durch den Vermieter. In Fällen leichter Fahrlässigkeit haftet der Mieter für Abschleppkosten, Sachverständigengebühren, Wertminderung und Mietausfall für die Dauer der Reparaturzeit ohne Notwendigkeit des Nachweises der Vermietmöglichkeit durch den Vermieter in Höhe der jeweiligen der Preisliste des Vermieters zugrunde liegenden Tagessätze zuzüglich täglich 100 km Fahrstrecke sowie die Reparaturkosten bis zu einem festen Betrag von (der folgende Betrag von 2000 S dürfte gestrichen sein), ausgenommen bei LKW sind Planen mit Gestellen und Kofferaufbauten. Dies gilt nicht, wenn der Mieter eine Haftungsbefreiung erworben hat, es sei denn, daß den Mieter oder den Fahrer Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit trifft." Durch die Bezahlung des Betrages von 60 S täglich erwarb der Kläger die im Punkt 7 des Mietvertrages vorgesehene Befreiung von der Haftung gegenüber dem Vermieter.

Das Erstgericht meinte, der Anspruch des Klägers auf Bezahlung dieser 1260 S sei rechtlich begrundet. Der Geschädigte müsse im Sinne der Naturalrestitution nach § 1323 ABGB sowohl sachlich - durch Anmietung eines gleichwertigen Fahrzeuges - als auch rechtlich so gestellt werden, wie wenn sein eigener Wagen nie beschädigt worden wäre. Benütze aber jemand seinen eigenen Wagen und beschädige diesen aus eigenem Verschulden, so habe er jedenfalls nie irgendeinen Verdienstentgang zu tragen, es sei denn, es handle sich um ein zur Berufsausübung benötigtes Fahrzeug, was hier nicht behauptet worden sei. Dem Geschädigten müsse daher zugebilligt werden, einen Betrag aufzuwenden, um dieses zusätzliche Risiko auszuschalten.

Das Berufungsgericht führte aber aus, daß ein nicht kaskoversicherter Autohalter den selbstverschuldeten Schaden an seinem PKW ebenso tragen müsse, wie er ihn ohne Bezahlung des Haftungsbefreiungsbetrages bei einem am Mietwagen herbeigeführten Schaden zu ersetzen hätte. Es sei nicht ausschlaggebend, daß der Kläger allenfalls für einen Verdienstausfall des Vermieters aufkommen müßte, denn ein Unfall des Klägers mit dem Mietwagen wäre keine adäquate Folge des ersten Unfalls, für den die Beklagte haftpflichtig sei. Sie könne also auch nicht aus diesem Titel zur vorbeugenden Abwendung der Folgen eines solchen Unfalls herangezogen werden.

Die gegenständliche Rechtsfrage wurde in der Bundesrepublik Deutschland von der Rechtsprechung verschieden gelöst (vgl. Geigel[15], 4, 481. Zuletzt meinte der Bundesgerichtshof, die Frage könne überhaupt nicht einfach bejaht oder verneint werden. Im allgemeinen werde der Geschädigte durch die Benützung eines Mietwagens nicht mit einer meßbaren Risikovermehrung belastet, weil ein Kraftfahrer gegen die Umstellung auf ein Ersatzfahrzeug gewappnet sein müsse. Wenn das Mietfahrzeug einen hohen Zeitwert habe, das beschädigte aber einen so geringen, daß eine Fahrzeugversicherung nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll gewesen wäre, sei der Geschädigte während der Mietwagenbenützung einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt. Werde das eigene Fahrzeug beschädigt, könne es der Eigentümer oft selbst reparieren. Diese Möglichkeit billiger Schadensbehebung bestehe gegenüber dem Autovermieter nicht. Schließlich sei das Risiko eines Schadens durch Ausfall eines bloß privat genutzten Wagens ungleich geringer als das eines zur Vermietung bestimmten Wagens (BGH 6. November 1973, VersR 1974, 143). Im Schrifttum haben sich insbesondere Himmelreich (NJW 1973, 675) und von Caemmerer (VersR 1971, 973 bzw. ZVR 1973, 161) mit dieser Fragestellung befaßt, wobei ersterer den Anspruch bejahte, letzterer ihn ablehnte.

Für die Lösung der Rechtsfrage sind nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes folgende Erwägungen maßgebend: Wenn der Mieter den Wagen des Vermieters beschädigt, so wird hiedurch dem Vermieter ein Schaden zugefügt und nicht dem Mieter. Letzterer hat dann unter Umständen die Rechtspflicht, den von ihm angerichteten Schaden zu ersetzen. Es könnte daher auch der Vermieter des Wagens nicht denjenigen mit Erfolg auf Schadenersatz klagen, der den Wagen des Mieters seinerzeit beschädigt hat, weil damit ein Drittschaden geltend gemacht würde, der vom Schutzzweck der Schadenersatznormen nicht umfaßt wird (vgl. Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I, 114). An dieser Sachlage kann es auch nichts ändern, daß dieser Drittschaden (oder die Gefahr eines solchen) vom Mieter des Wagens vorweg abgegolten wird, indem er sich davon "freikauft". Umgekehrt betrachtet ist ein allfälliger Schaden am gemieteten Fahrzeug zwar insofern im natürlichen Sinn als vom seinerzeitigen Schädiger verursacht anzusehen, als dieser den Beschädigten veranlaßt hat, sich den Mietwagen zu nehmen, doch liegt die Vermeidung eines solchen Schadens außerhalb des Schutzzweckes der Schadenersatznorm, die nicht auf Ersatz des bei einem Dritten angerichteten Sachschadens abzielt.

Das Berufungsgericht hat daher im Ergebnis mit Recht das restliche Klagebegehren abgewiesen.

Anmerkung

Z48024

Schlagworte

Haftungsbefreiung, kein Ersatz für - bei Beschädigung des Mietwagens, Mietwagen, kein Ersatz für Haftungsbefreiung wegen Beschädigung des -

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1975:0020OB00295.74.0227.000

Dokumentnummer

JJT_19750227_OGH0002_0020OB00295_7400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten