TE OGH 1975/10/15 1Ob216/75

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Veröffentlicht am 15.10.1975
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Norm

Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung §96

Kopf

SZ 48/105

Spruch

Bei Verschmelzung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung bedarf nur der Gesellschafterbeschluß der übertragenden Gesellschaft der Einstimmigkeit

OGH 15. Oktober 1975, 1 Ob 216/75 (OLG Wien 2 R 81/75; HG Wien 26 Cg 1898/74)

Text

Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren der Klägerin auf Nichtigerklärung der bei der Generalversammlung der beklagten Partei, einer Gesellschaft m. b. H., vom 2. Oktober 1974 gegen ihren Widerspruch gefaßten Beschlüsse auf nachträgliche Genehmigung der mit Vertrag vom 24. September 1973 erfolgten Verschmelzung mit der zu vormals HRB 9505 protokollierten A-Handelsgesellschaft m. b. H. auf Änderung der Firma A-Leihwagen-Ges. m. b. H. in A-Handelsgesellschaft m. b. H. Die Klägerin behauptet, der Verschmelzungsbeschluß hätte auch bei der aufnehmenden Gesellschaft der Einstimmigkeit bedurft.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, das Berufungsgericht bestätigte.

Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstrichters sind die Klägerin mit einer Stammeinlage von 50.000 S und Walter F mit einer Stammeinlage von 300.000 S die einzigen Gesellschafter der Beklagten, die wieder alleinige Gesellschafterin der A-Handelsgesellschaft m. b. H. war. Am 24. September 1973 schlossen die beiden Gesellschaften, beide vertreten durch den selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer Walter F, einen Vertrag auf Verschmelzung durch Aufnahme der A-Handelsgesellschaft m. b. H. in die beklagte Partei mit Ablauf des 31. Dezember 1972 ohne Gewährung von Geschäftsanteilen der aufnehmenden Gesellschaft und unter Verzicht auf Liquidation. Der Verschmelzungsvertrag wurde im Handelsregister am 3. Oktober 1973 durchgeführt. In der Generalversammlung der Beklagten vom 2. Oktober 1974 wurden die eingangs bezeichneten Beschlüsse jeweils mit der Stimme des Walter F gegen jene der Klägerin und gegen ihren ausdrücklichen Widerspruch zu Protokoll gefaßt.

Nach der Rechtsansicht der Untergerichte ist die Anfechtung der beiden Generalversammlungsbeschlüsse nicht gerechtfertigt, weil in der aufnehmenden Ges. m. b. H. mangels einer gegenteiligen Bestimmung im Gesellschaftsvertrag die erzielte 3/4-Mehrheit für die Beschlußfassung genügte und nach wirksamer Verschmelzung auch die Änderung der Firmenbezeichnung gegen gesetzliche Bestimmungen nicht verstieß.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach § 84 Z. 3 GmbHG wird eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter anderem durch Beschluß auf Fusion mit einer Aktiengesellschaft oder einer anderen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (§ 96) aufgelöst. Nach § 96 GmbHG unterbleibt die Liquidation, wenn das Vermögen einer GmbH als Ganzes einschließlich der Schulden an eine andere GmbH gegen Gewährung von Geschäftsanteilen dieser übertragen wird (Fusion) und beide Teile auf die Durchführung der Liquidation verzichten. "Ein solcher Beschluß" bedarf der Einstimmigkeit, wenn im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt ist, während "im übrigen" die Vorschriften des Art. 247 AHGB anzuwenden sind, an deren Stelle nach der inzwischen (§ 272 Z. 6 AktG 1965) aufgehobenen Zweiten Verordnung zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften im Lande Österreich vom 2. August 1938, DRGBl. I 988, die entsprechenden Vorschriften des (deutschen) Aktiengesetzes traten, die nun zufolge sinngemäßer Anwendung des § 271 AktG 1965 durch die Bestimmungen der §§ 219 ff. des neuen österreichischen Aktiengesetzes ersetzt sind.

Die Revisionswerberin bekämpft die Ansicht der Untergerichte, daß nach diesen Bestimmungen Einstimmigkeit nur für den Beschluß der übertragenden GmbH vorgeschrieben sei, so daß auf Seite der aufnehmenden Gesellschaft die hier erzielte 3/4-Mehrheit genüge. Die Unterinstanzen konnten indes mit Recht darauf verweisen, daß § 96 GmbHG nach seinem Wortlaut und der überwiegenden Auslegung in der Lehre (auch schon zum alten österreichischen Handelsrecht) Einstimmigkeit (als besondere AusnahmeÜ) nur für jenen ("solchen") Beschluß vorschreibt, mit dem das Vermögen einer GmbH an eine andere GmbH übertragen wird, also nur für den Beschluß der übertragenden Gesellschaft. Daß nach der weiteren Bestimmung des Gesetzes beide Teile auf die Durchführung der Liquidation verzichten müssen, vermag daran nichts zu ändern, weil dieser Verzicht nicht Gegenstand des Verschmelzungs-(Genehmigungs-)Beschlusses der Gesellschafter sein muß, sondern auch bloß in dem von den Vertretungsorganen der Gesellschaften abzuschließenden Fusionsvertrag vereinbart werden kann. Die von den Untergerichten zutreffend zitierten Lehrmeinungen von Kastner, JBl. 1957, 147 Punkt 11 (ebenso Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechtes, 246) und Kastner, Die Gesellschaft m. b. H.[2], 121, 123 können durch den Hinweis auf die gleichartige Ansicht von Helbich - Eckert, Umgrundungen auf der Grundlage des Strukturverbesserungsgesetzes[3], 141 und auf die Entstehungsgeschichte der Bestimmung ergänzt werden. Danach sollte ein "solcher Beschluß" zunächst an die Erfordernisse eines Auflösungsbeschlusses gebunden werden, was sich eindeutig bloß auf die übertragende Gesellschaft bezog (Regierungsvorlage 236, BlgHH 17. Session, 72 und Kommissionsbericht 272, BlgHH 17. Session, 11). Der einzigen gegenteiligen, nicht näher begrundeten Meinung von Gellis, Kommentar zum GmbHG, 288 f. vermag der OGH deshalb nicht zu folgen, zumal auch dieser Autor zu erkennen gibt, daß entgegen der Meinung der Revisionswerberin die beiden Beschlüsse der übertragenden und der aufnehmenden GmbH einander an Bedeutung nicht gleichkommen, indem er zwei verschiedene Grade von Einstimmigkeit (aller bzw. nur der anwesenden Gesellschafter) für nötig hält.

Das weitere Begehren der Revisionswerberin auf Nichtigerklärung des Gesellschafterbeschlusses in Bezug auf die Änderung der Firma wird, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, in erster Linie aus der behaupteten, in Wahrheit aber nicht vorliegenden Nichtigkeit des Beschlusses über die Genehmigung der Verschmelzung abgeleitet. Soweit die Beklagte Einstimmigkeit auch für den zweiten angefochtenen Beschluß fordert, vermag sie sich auf keine Bestimmung des Gesellschaftsvertrages zu berufen, aber auch das Gesetz gibt hiefür keinen Anhaltspunkt (§ 50 Abs. 1 GmbHG). Im vorliegenden Fall der Aufnahme einer anderen GmbH bedarf deren Firma keines Schutzes gegenüber der aufnehmenden Gesellschaft. Die Absicht einer mit der gewählten Vorgangsweise verbundenen Gesetzesumgehung wird im Rechtsmittelverfahren nicht mehr behauptet, so daß ein solcher Anfechtungsgrund nicht zu prüfen ist (vgl. SZ 40/169).

Anmerkung

Z48105

Schlagworte

Gesellschaften mit beschränkter Haftung, bei Verschmelzungen von -, bedarf nur der Gesellschafterbeschluß der übertragenden Gesellschaft der, Einstimmigkeit, Verschmelzung, bei - von Gesellschaften mit beschränkter Haftung bedarf, nur der Gesellschafterbeschluß der übertragenen Gesellschaft, Einstimmigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1975:0010OB00216.75.1015.000

Dokumentnummer

JJT_19751015_OGH0002_0010OB00216_7500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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