TE OGH 1976/3/10 1Ob545/76

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Veröffentlicht am 10.03.1976
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Norm

ABGB §957
ABGB §1165
ABGB §1323

Kopf

SZ 49/37

Spruch

Den Friseur trifft dem Kunden gegenüber die vertragliche, nur durch eine nicht übersehbare Ankündigung ausschließbare Nebenpflicht, einen für die Dauer der Behandlung ihm oder seinem Gehilfen übergebenen Mantel sorgfältig aufzubewahren

Ein allfälliger Preisverfall nach dem Schadenseintritt ist nicht zu berücksichtigen

OGH 10. März 1976, 1 Ob 545/76 (OLG Innsbruck 5 R 109/75; LG Innsbruck 24 Cg 408/74)

Text

Der Beklagte ist Inhaber eines für einen größeren Geschäftsumfang eingerichteten Damenfrisiersalons in A, des größten von drei im Jahre 1973 im Ort vorhandenen; in ihm verkehren Kunden aus allen Bevölkerungsschichten; es werden die von der Innung bekanntgegebenen, im O-Tal außerhalb des Stadtgebietes üblichen Preise verlangt. Man betritt das Geschäft durch einen Vorraum. Im anschließenden Warteraum befinden sich an einer Seite eine größere Sitzbank und Stühle, auf der anderen Seite eine vom Vorraum nicht sichtbare, etwa 1.70 m hohe und 1.50 m breite hölzerne Garderobe, die kastenförmig mit einer Rückwand und zwei Seitenwänden ausgebildet ist, die in Richtung eines größeren Damenfrisiersalons nach Norden zeigende Vorderseite ist frei. An der Ostseite der Garderobe unterhalb ihres oberen Abschlusses und unmittelbar an die Vorderkante anstoßend befindet sich an der Innenseite ein 17 X 4.5 cm großes weißes Schild mit der Aufschrift "Für Garderobe wird nicht gehaftet"; der Hinweis ist in schwarzer Schrift ausgeführt, die Großbuchstaben sind 12 mm, die Kleinbuchstaben 6 mm hoch. Die Sicht auf das Schild kann weder durch aufgehängte Kleidungsstücke noch durch abgelegte Hüte verdeckt werden. Die Kundin, die ihre Bekleidung selbst zur Garderobe bringt und dort aufhängt, kann den Hinweis nicht übersehen. Für eine durch den Warteraum gehende Kundin ist hingegen die Sicht auf das Schild durch die westliche Seitenwand der Garderobe verdeckt. Sonst ist vom Warteraum aus das Schild überall zu sehen, wenn man in Richtung Garderobe schaut. Wird einer Kundin der Mantel im großen Frisiersalon abgenommen, ist für sie zwischen den Stuhlreihen das Schild überall sichtbar, wenn sich die Kundin überzeugt, ob der Mantel aufgehängt wird. Den in das Geschäft kommenden Kundinnen wird der Mantel, auch wenn es sich um einen wertvollen Pelzmantel handelt, grundsätzlich im Warteraum abgenommen und, wenn ausreichend Platz vorhanden ist, in der Garderobe aufgehängt. Mitunter nehmen Kundinnen ihre wertvollen Mäntel zum Frisieren mit und verwahren sie während der Bedienung auf dem Schoß. Wird besondere Verwahrung verlangt, wird die Garderobe in ein versperrbares Magazin gebracht. Am 30. Dezember 1973 kam die Klägerin, die ihren Wohnsitz in dem Bundesrepublik Deutschland hat, in den Frisiersalon des Beklagten, der dann nicht anwesend war. Eine Gehilfin war ihr beim Ablegen ihres Otterpelzmantels, den sie im Oktober 1970 um 3680 DM erworben hatte, behilflich und hängte da Kleidungsstück in die Garderobe, wo zu diesem Zeitpunkt nicht viele andere Kleidungsstücke, aber zumindest ein weiterer Otterpelzmantel hingen. Die Klägerin begab sich auf ihren Frisierplatz, von dem aus sie die Garderobe während des Frisierens nicht ohne weiteres einsehen konnte, als sie den Frisiersalon verlassen wollte, war ihr Mantel verschwunden; an seiner Stelle war ein anderer Otterpelzmantel zurückgeblieben.

Die Klägerin begehrt als Ersatz für den abhanden gekommenen Pelzmantel vom Beklagten 5500 DM samt Anhang, da er der ihm obliegenden Verpflichtung zur sicheren Aufbewahrung des von ihm übernommenen Pelzmantels nicht nachgekommen sei; ein Hinweis auf einen Haftungsausschluß sei im Geschäft des Beklagten nicht vorhanden gewesen.

Der Beklagte bestritt das Zustandekommen eines Verwahrungsvertrages; die Angestellte des Beklagten habe der Klägerin aus reiner Höflichkeit beim Ausziehen ihres Pelzmantels geholfen. Eine besondere Verwahrung des Mantels sei von der Klägerin nicht verlangt und ihr auch nicht angeboten worden. Die Verwechslung des Mantels der Klägerin sei nicht auf eine Verletzung von vertraglichen oder gesetzlichen Verpflichtungen des Beklagten zurückzuführen. Der Wert des Mantels der Klägerin habe höchstens 1500 DM betragen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Im Warteraum des Beklagten sei an der Garderobe an einer für den Kunden bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit nicht zu übersehenden Stelle der Hinweis auf die Ablehnung jeder Haftung für abhanden gekommene Garderobe angebracht gewesen. Der Beklagte habe der Klägerin die Benützung der Garderobe nur unter dem erwähnten Vorbehalt angeboten. Nicht ins Gewicht falle, ob der Kunde seine Kleidung selbst bei der Garderobe aufhänge oder die ihm beim Ablegen behilfliche Bedienung das Aufhängen übernehme.

Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil unter Übernahme seiner Feststellungen und Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Da ein Friseur die - Dienstleistung, deretwegen er aufgesucht werde, üblicherweise nicht zu erbringen vermöge, wenn die Kundschaft ihren Mantel anbehalte, sei nach der Verkehrsübung davon auszugehen, daß der Kunde während der Zeit, in der der Friseur seine Dienstleistungen an ihm erbringe, seinen Mantel bei einer im Friseursalon vorhandenen Garderobe ablege. Während der Zeit der Behandlung sei es dem Kunden auch nicht zumutbar, seine abgelegte Kleidung selbst zu beaufsichtigen. Die eine Obsorge beinhaltende Verwahrung der in der Garderobe abgelegten Oberbekleidung werde daher vom Friseur seinen Kunden konkludent offeriert zu gelten haben, wenn er den Kunden nicht ausdrücklich das Gegenteil erkläre. Eine solche Verlautbarung habe auch durch die vom Beklagten gewählte Form der Anbringung einer Hinweistafel erfolgen können. Der Ausschluß der Haftung komme allerdings nur in Betracht, wenn der betroffene Kunde den Hinweis auch sah und inhaltlich erfaßte oder doch zumindest bei gehöriger Aufmerksamkeit sehen und erfassen hätte müssen. Im Geschäft des Beklagten bestehe nun die Übung, daß die Angestellten den Kundinnen beim Ablegen der Oberbekleidung behilflich sind und die Kundinnen daher der Notwendigkeit entheben, sich selbst zur Garderobe zu bemühen. Für einen Kunden sei aber das auf den Haftungsausschluß hinweisende Schild nur sichtbar, wenn er vom

Warteraum bzw. der Fläche zwischen den Stuhlreihen im großen Frisiersalon in Richtung Garderobe blicke. Sichtbarkeit könne auch nicht mit Lesbarkeit und damit Erfaßbarkeit des Schildes gleichgesetzt werden; im allgemeinen werde der Beklagte mit einer zur Wahrnehmung und Erfassung des Schildes verbundenen Beachtung der im Warteraum aufgestellten Garderobe durch jene Kunden, die dort ihre Bekleidung nicht selbst ablegen, nicht rechnen können. Im Falle einer von ihr nicht zu vertretenden Unkenntnis der Haftungsablehnung durch, den Beklagten habe die Klägerin aber davon ausgehen können, daß der Beklagte den ihr von einer Angestellten abgenommenen Pelzmantel nach den allgemeinen Bestimmungen über Verträge und den Bestimmungen über den Verwahrungsvertrag sorgfältig beaufsichtigen werde. Das Erstgericht werde ergänzend festzustellen haben, ob und aus welchem Abstand die Klägerin nach dem Betreten des Frisiersalons zu der im Warteraum aufgestellten Garderobe geblickt habe und ob in einem derartigen Falle das den Ausschluß einer Haftung verlautbarende Schild für die sichtbar und sein Inhalt für sie faßbar gewesen sei. Sollte das Erstgericht zur Bejahung des Zustandekommens eines Verwahrungsvertrages gelangen, werde es sich auch noch mit der Berechtigung der Einwendung des Beklagten zu befassen haben, das Abhandenkommen des der Klägerin gehörigen Mantels sei weder auf eine Verletzung von Vertragspflichten des Beklagten noch auf einen von ihm zu verantwortenden Zufall zurückzuführen. Der Auffassung des Beklagten, ein Vertauschen von Mänteln sei von ihm nicht zu verhindern gewesen, könne allerdings nicht gefolgt werden, da ein Verwahrer, der von verschiedenen Hinterlegern wenn auch ähnliche Gegenstände in Verwahrung nehme, auch dafür Vorsorge zu treffen haben, daß jeder Hinterleger das von ihm in Verwahrung gegebene Stück zurückerhalte. Der Höhe nach habe die Klägerin Anspruch auf Ersatz des gemeinen Wertes des Mantels an ihrem Wohnsitz; auf den Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz werde nicht Bedacht zu nehmen sein, da die Klägerin ausdrücklich den Ersatz des Wertes gefordert habe, den ihr Mantel im Zeitpunkt seines Abhandenkommens gehabt habe. Zu verurteilen werde gegebenenfalls auf Zahlung in österreichischer Währung nach dem Kurs am Fälligkeitstag sein.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Klägerin hat den Damenfrisiersalon des Beklagten zum Zwecke aufgesucht, von ihm bzw. seinen Angestellten die Erbringung eines Werkes (einer Frisierleistung) in Anspruch zu nehmen. Die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien eines solchen Vertrages erschöpfen sich meist jedoch nicht darin, daß jeder Teil seine Hauptleistung erbringt; zu den für den Vertragstypus wesentlichen Hauptleistungspflichten treten vielmehr in der Regel auch Nebenpflichten, die eine reibungslose Abwicklung der für den Vertragstypus charakteristischen Hauptleistung bezwecken und sich, wenn sie nicht ausdrücklich vereinbart sind, aus einer ergänzenden Vertragsauslegung oder der Übung des redlichen Verkehrs (§ 914 ABGB) ergeben. Unter den Nebenpflichten bilden die sogenannten Schutz- und Sorgfaltspflichten eine besonders wichtige Gruppe; der Schuldner hat seine Erfüllungshandlungen so zu setzen, daß der Gläubiger weder in seiner Person noch in seinen sonstigen Rechtsgütern beschädigt wird. Diese Schutzpflichten verlangen meist ein höheres Maß an Sorgfalt und haben vor allem die Geschäftsherrenhaftung für den Gehilfen (§ 1313a ABGB) zur Folge (Koziol - Welser[3] I, 144; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II, 66; vgl. auch Bydlinski in JBl. 1960, 359). Eine solche Nebenpflicht kann auch in Verwahrungspflichten bestehen (Koziol - Welser, 249; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 643), auf die sodann die Grundsätze über den Verwahrungsvertrag anzuwenden sind. Ein solcher setzt allerdings die im beiderseitigen Einverständnis erfolgte Übergabe und Übernahme in die Obsorge voraus, was auch durch schlüssige Handlungen geschehen kann (SZ 37/151 u. a.). Das Berufungsgericht ging richtig von den Grundsätzen aus, wie sie der OGH vor allem in den Entscheidungen EvBl. 1969/197 und SZ 41/14, aber auch in späteren nichtveröffentlichten Entscheidungen vertreten hat und denen sehr ähnliche Sachverhalte zugrunde lagen. Nach dieser Judikatur ist gewiß allein aus der Anbringung von Kleiderhaken und einer bloßen Hilfeleistung beim Ablegen von Kleidungsstücken in einem Lokal, das sich nach seiner Zweckbestimmung nicht mit der Verwahrung von Gegenständen befaßt, noch nicht ein stillschweigendes Offert auf Übernahme der Verwahrung der dort aufgehängten Kleidungsstücke zu erschließen. Da ein Friseur, der zwecks Erbringung seiner Dienstleistung aufgesucht wird, diese jedoch üblicherweise nicht zu erbringen vermag, wenn der Kunde seinen Mantel anbehält und es diesem, während der Friseur die Dienstleistung an ihm erbringt, vielfach nicht möglich bzw. zumutbar ist, seine abgelegte Kleidung selbst zu beaufsichtigen, kann der Kunde in der Regel, wenn ihm sein Mantel beim Betreten eines Frisiersalons abgenommen und von einem Gehilfen an eine von diesem allein aufgesuchte Stelle gebracht wird, darauf vertrauen, daß der Mantel nach den allgemeinen Bestimmungen über Verträge und den Verwahrungsvertrag sorgfältig beaufsichtigt werden wird.

Nach den Feststellungen der Untergeschichte war der Klägerin eine Gehilfin des Beklagten nicht nur beim Ablegen ihres Otterpelzmantels behilflich, sondern hängte auch das Kleidungsstück der Klägerin selbst in die Garderobe. Die Klägerin mußte sich daher nicht selbst zur Garderobe begeben oder um die bestehenden Sicherheitsverhältnisse bekümmern. Sie konnte von dem ihr angewiesenen Frisierplatz auch die Garderobe nicht ohne weiteres einsehen. Dem Berufungsgericht ist daher beizupflichten, daß die Klägerin grundsätzlich davon ausgehen konnte, daß der Beklagte durch seine Mitarbeiterin schlüssig die Nebenverpflichtung zur sorgfältigen Verwahrung des Mantels übernommen hatte.

Gewiß wurde vor allem durch die Entscheidung SZ 41/15 hervorgehoben, daß der Beklagte auch eine Verwahrung ablehnen konnte, was er jedoch, wie bereits in der erwähnten Entscheidung zum Ausdruck gebracht wurde, ausdrücklich tun hätte müssen. Das gilt vor allem unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles, in dem die Klägerin nach dem Verhalten der Gehilfin an sich mit der Übernahme der Verwahrung des Mantels rechnen konnte. Daß er der Klägerin nicht mitgeteilt wurde, ist nicht strittig. Die Anbringung einer gut lesbaren Tafel an der Garderobewand, daß für Garderobe nicht gehaftet werde, wird allerdings in der Regel zum Ausschluß der Haftung genügen, jedoch nur dann, wenn dem Kunden nach den Umständen auch ausreichend Gelegenheit gegeben wird, die Erklärung, die sonst bestehende Nebenverpflichtung der Verwahrung der Garderobe nicht übernehmen zu wollen, auch zur Kenntnis zu nehmen, um sodann entsprechende Vorkehrungen wie Mitnehmen des Mantels zum Garderobeplatz oder ausdrückliches Ersuchen um Durchführung einer besonderen Verwahrung treffen zu können. Konnte die Klägerin aber nach der dargestellten Sach- und Rechtslage grundsätzlich damit rechnen, daß der Beklagte die einem Verwahrer treffenden Verpflichtungen übernommen habe, war die Klägerin keineswegs, wie es der Rekurs verlangen will, von sich aus zu positivem Handeln verpflichtet;, insbesondere mußte sie also nicht ausdrücklich fragen, ob eine Haftung für die Kleidung bestehe. Das wäre nur notwendig gewesen, wenn eine Nichtübernahme der Haftung nach einer - da die Klägerin Ausländerin ist, internationalen - auch den Kunden allgemein bekannten Übung im Friseurgewerbe so naheliegend war, daß die Ablehnung an sich als selbstverständlich vorausgesetzt werden konnte, was nicht einmal behauptet war. Die Klägerin mußte dann aber der Gehilfin des Beklagten auch nicht den ausdrücklichen Auftrag zur Verwahrung des Mantels geben oder gar überprüfen, ob nicht durch einen Anschlag ein Haftungsausschluß mitgeteilt war.

Dem Rekursgericht ist allerdings darin beizupflichten, daß die Klägerin den Haftungsausschluß des Beklagten nicht nur dann gegen sich gelten lassen muß, wenn sie den entsprechenden Anschlag gesehen hat, sondern auch dann, wenn sie ihn bei gehöriger Aufmerksamkeit sehen hätte müssen (SZ 41/15). Mit Recht legte jedoch das Berufungsgericht an die gehörige, d. h. den Umständen angemessene Aufmerksamkeit, die von der Klägerin zu verlangen war, keinen allzu strengen Maßstab. Es ist nämlich entgegen den Ausführungen des Rekurses eine bekannte Tatsache, daß man dann, wenn die Umstände nicht eine besondere Aufmerksamkeit angebracht erscheinen lassen, die Blicke oft durchaus ziellos durch den Raum schweifen läßt, ohne die Einzelheiten bewußt zu erfassen und damit wirklich zu sehen; fast jedermann wird, auch wenn er sich längere Zeit in einem Raum aufgehalten hat, späterhin nicht sagen können, was er dort alles wahrnehmen hätte können. Genau dies meinte das Berufungsgericht offenbar, wenn es vom Erstgericht auch noch die Prüfung der Erfaßbarkeit des Haftungsausschlusses der Beklagten verlangte. Da die Klägerin aus Gründen, die nicht sie, sondern der Beklagte zu vertreten hat, nicht mit einem Haftungsausschluß rechnen mußte, ist jedenfalls die Auffassung des Rekurses, das Nichterfassen des Inhaltes des vom Beklagten angebrachten, seine Haftung ausschließenden Anschlages gehe nur zu Lasten der Klägerin, abzulehnen. Zu Unrecht macht der Rekurs der Klägerin auch den Vorwurf, sie hätte gar nicht behauptet, den Inhalt des Anschlages nicht verstanden zu haben. Sie bestritt vielmehr überhaupt das Vorhandensein eines Anschlages, was selbstverständlich auch die Behauptung einschließt, daß sie jedenfalls einen etwa doch vorhandenen Anschlag nicht gesehen habe. Es darf schließlich auch nicht übersehen werden, daß für einen durch den Warteraum gehenden Kunden beim Vorbeigehen an der Garderobe die Sicht auf die die Haftung des Beklagten ausschließende Ankündigung verdeckt ist; da aber nur wenige Kundinnen im Salon des Beklagten waren und die Klägerin daher offenbar im Warteraum nicht Platz nehmen mußte, kann sie durchaus an der Garderobe vorbeigegangen sein, ohne daß sie das Schild entdecken hätte müssen. Konnte die Klägerin aber grundsätzlich mit der Übernahme ihres Mantels in die Verwahrung des Beklagten rechnen, ist es gemäß § 1298 ABGB, welche Bestimmung bei Verletzung vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten anzuwenden ist (JBl. 1975, 205 u. a.; zuletzt etwa 5 Ob 184/75; 5 Ob 257/75; Koziol I, 266), Sache des Beklagten zu beweisen, daß die Klägerin trotzdem von dem Schild und seinem Inhalt Kenntnis nahm. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, es komme dabei darauf an, ob die Klägerin zur Garderobe blickte und ob in einem derartigen Fall das den Ausschluß einer Haftung des Beklagten verlautbarende Schild für sie sichtbar und sein Inhalt erfaßbar war, ist mit der sich ohnehin aus den vorherigen Ausführungen des Berufungsgerichtes ergebenden Einschränkung, daß an die Aufmerksamkeit der Klägerin nur eingeschränkte Anforderungen gestellt werden können, zu billigen. Nur wenn sie das Schild nicht übersehen hätte können, mußte sie damit rechnen, daß es nach dem Ort seiner Anbringung wohl nur auf einen Haftungsausschluß hinweisen konnte, so daß ihr dann zuzumuten war, sich näher darum zu kümmern oder seinen Inhalt, wie immer er auch lautete, allenfalls gegen sich gelten zu lassen.

Um die streitentscheidenden Fragen abschließend beantworten zu können, reicht der bisher bekannte Sachverhalt nicht aus, so daß das erstgerichtliche Verfahren zur Nachholung der vom Berufungsgericht vermißten Feststellungen zu ergänzen ist. Im fortgesetzten Verfahren wird es sich auch als zweckmäßig erweisen, durch eine Skizze die örtlichen Verhältnisse und die festgestellte Position der Klägerin beim Ablegen des Mantels bzw. beim allfälligen Blick auf die Garderobe anschaulich zu machen.

Nicht beizupflichten ist dem Rekurs auch in seiner Rechtsauffassung, der Beklagte habe schon deswegen nicht zu haften, weil der Schadenseintritt durch Verwechslung des Mantels mit einem sehr ähnlich aussehenden ein von ihm nicht zu vertretender Zufall (§ 964 ABGB) sei. Der Rekurs erwähnt selbst die Bestimmung des § 961 ABGB, wonach der Verwahrer die übernommenen Sache zurückzustellen hat. Bei Bestehen einer Verwahrungspflicht war dann aber auch der Beklagte dafür verantwortlich, daß ähnlich aussehende Mäntel so verwahrt werden, daß sie nicht verwechselt werden können. Ein Vertauschen von einander ähnlich sehenden Pelzmänteln geht also ebenso zu Lasten des Beklagten wie ein Diebstahl.

Was die Schadenshöhe betrifft, wendet der Rekurs gegen die der Rechtsprechung des OGH folgenden Auffassung des Berufungsgerichtes, daß auf die Wiederbeschaffungskosten am Wohnort der Klägerin abzustellen ist (8 Ob 194/74; Koziol I, 154), ebensowenig etwas ein wie gegen den Standpunkt, daß Schadenersatzbeträge in österreichischer Währung zu leisten sind, auch wenn das Begehren auf eine fremde Währung lautet und Berechnungsgrundlage für die Schillingumrechnung der Kurs im Zeitpunkt der Fälligstellung des Schadenersatzanspruches ist (ZVR 1974/64; SZ 26/390; SZ 24/305 u. a.). Der Rekurs meint hingegen, daß eine Minderung der Wiederbeschaffungskosten des Pelzmantels zwischen dem Zeitpunkt der Schädigung und dem Schluß der Verhandlung erster Instanz zu berücksichtigen sei. Maßgeblich für die Höhe des als Schadenersatz zuzusprechenden Betrages ist jedoch grundsätzlich der Zeitpunkt der Beschädigung (§ 1332 ABGB; EvBl. 1975/103; SZ 44/20 u. a.; Koziol I, 26 f.). Ein allfälliger Preisverfall nach dem Schadenseintritt ist nicht zu berücksichtigen, weil der Beklagte daraus, daß er seiner Ersatzpflicht nicht zeitgerecht nachkam, keineswegs Vorteile für sich ableiten kann; die Klägerin hatte auch das Recht, sich sofort einen gleichwertigen Mantel als Ersatz anzuschaffen. Es können daher Preissenkungen zwischen dem Zeitpunkt der Beschädigung und dem Schluß der Verhandlung erster Instanz nicht berücksichtigt werden.

Anmerkung

Z49037

Schlagworte

Aufbewahrung eines Mantels, vertragliche Nebenpflicht eines Friseurs zur, sorgfältigen, Friseur, vertragliche Nebenpflicht zur sorgfältigen Aufbewahrung eines, Mantel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1976:0010OB00545.76.0310.000

Dokumentnummer

JJT_19760310_OGH0002_0010OB00545_7600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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