TE OGH 1978/11/9 7Ob65/78

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Veröffentlicht am 09.11.1978
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Norm

Versicherungsvertragsgesetz §156
Versicherungsvertragsgesetz §158c

Kopf

SZ 51/156

Spruch

Eine Deckungszusage des Haftplichtversicherers an den Geschädigten ist kein Anerkenntnis im eigenen Namen; sie kann aber bei Leistungsfreiheit gegenüber dem Versicherten eine unmittelbare Leistungspflicht an den Dritten begrunden

OGH 9. November 1978, 7 Ob 65/78 (OLG Wien 7 R 129/78; KG Wr. Neustadt 2 Cg 318/77)

Text

Die Beklagte war am 29. November 1974 Privathaftpflichtversicherer des mj. Anton G, der damals durch unvorsichtiges Hantieren mit einem Luftdruckgewehr den Kläger schwer verletzte und als ursprünglicher Erstbeklagter dieses Rechtsstreites zur Zahlung von 100 700 S unter Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden zur ungeteilten Hand mit der Beklagten verurteilt wurde. Während dieses Urteil gegen den Schädiger rechtskräftig wurde, bestreitet die Beklagte im Revisionsverfahren ausschließlich ihre passive Klagslegitimation.

Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Tatsachenfeststellungen des Erstrichters trat der Klagevertreter, nachdem er vom Bestand des Versicherungsvertrages Kenntnis erhalten hatte, mit Schreiben vom 25. August 1976 an die Beklagte heran und bat um Mitteilung, ob für den strittigen Vorfall Versicherungsschutz für den in Haushaltsgemeinschaft mit seinem Stiefvater lebenden Schädiger bestehe. Er erhielt am 9. November 1976 vom Schadensbearbeiter der Beklagten, Dr. Stefan N, zunächst die fernmündliche Erklärung, daß die Beklagte den Anspruch dem Gründe nach anerkenne und in die Haftung eintrete. Der Klagevertreter hielt darauf in einem Schreiben vom 15. November 1976 "der guten Ordnung halber auch schriftlich fest", daß die Beklagte als Haftpflichtversicherer in den gegenständlichen Schadensfall eintreten werde und daß er eine schriftliche Erklärung hierüber erwarte, so daß nach Vorliegen der Gutachten zielführende Vergleichsgespräche über die Höhe des Schadenersatzes geführt werden könnten. Die Beklagte teilte hierauf mit einem Schreiben vom 22. November 1976, das von Dr. N sowie vom stellvertretenden Leiter der Schadensabteilung, St., und vom Handlungsbevollmächtigten und Leiter der Landesdirektion für Niederösterreich und das Burgenland, Sch., unterfertigt war, "wunschgemäß auch auf diesem Wege mit", daß im gegenständlichen Fall die Deckung gegeben sei und "wir die Ansprüche ihres Mandanten dem Gründe nach zur Gänze anerkennen". Dem Klagevertreter war bekannt, daß die Beklagte an sich nicht unmittelbar aus dem Versicherungsvertrag in Anspruch genommen werden konnte. Er wollte aber erreichen, daß sie dem Gründe nach in die Verpflichtung des Schädigers eintrete und dem Kläger gegenüber anerkenne, Deckung zu gewähren und keinen Mitverschuldenseinwand zu erheben. Nach Absicht der für die Beklagte handelnden Personen sollte die Erklärung vom 22. November 1976 einerseits nach Prüfung der durch Prämienzahlung gegebenen Deckung und Verschaffung der Überzeugung, daß ein im gemeinsamen Haushalt mit dem Versicherungsnehmer lebender Angehöriger den Schaden zugefügt hatte, eine sogenannte Deckungszusage beinhalten und andererseits bedeuten, daß auf den Einwand eines Mitverschuldens verzichtet werde.

Erst nach Abgabe dieser Erklärungen stellte die Beklagte fest, daß gegenüber dem Schädiger Leistungsfreiheit bestehe. Sie teilte deshalb mit Brief vom 1. Juli 1977 dem Klagevertreter mit, daß sie ihrem Versicherungsnehmer die Deckung versagt habe.

Nach der Rechtsansicht der Vorinstanzen hat die Beklagte durch ihre Erklärungen ein Anerkenntnis der eigenen Leistungspflicht ungeachtet der später hervorgekommenen Leistungsfreiheit gegenüber dem Versicherungsnehmer abgegeben.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach der soweit zutreffenden Rechtsansicht der Revisionswerberin ist es ein anerkannter Grundsatz der Haftpflichtversicherung, daß außerhalb der Kraftfahrzeugpflichtversicherung zwischen dem geschädigten Dritten und dem Versicherer keine Rechtsbeziehungen bestehen; der Dritte hat deshalb keinen unmittelbaren gesetzlichen Anspruch und kein Klagerecht gegen den Versicherer (Bruck - Möller - Johannson, VVG[8] IV, 113; Prölss - Martin, VVG[21] 715; Ehrenzweig, 377; Bauerreiß, VersRdSch. 1970, 273 f.; Wussow, ABH[6], 53; SZ. 34/6 u. a.). Der Geschädigte muß deshalb zur Durchsetzung des Deckungsanspruches des Versicherungsnehmers diesen Anspruch pfänden und sich überweisen lassen, um gegen der Versicherer vorgehen zu können (Prölss - Martin, 715; Bruck - Möller - Johannson, 114). In diesem Rechtsstreit stehen dem Versicherer alle Einwendungen wie gegen den Versicherungsnehmer offen, vor allem jene der Leistungsfreiheit (Prölss - Martin, 718).

Der Revisionswerberin ist dahin zu folgen, daß der Haftpflichtversicherer bei den Verhandlungen mit dem Geschädigten über die Liquidierung des Schadens regelmäßig nur als Vertreter des Versicherungsnehmers handelt (Prölss - Martin, 719; Wussow, 54, 56). Wie das Berufungsgericht an sich richtig erkannt hat, schließt diese Rechtslage nicht aus, daß sich der Versicherer derart mit dem Dritten vergleicht, daß er die Schuld des Versicherungsnehmers als eigene Schuld übernimmt oder eine solche eigene Verpflichtung anerkennt (Prölss - Martin, 719; Wussow 56; ZVR 1966/128). Eine solche Eigenverpflichtung ist allerdings, wie der Revisionswerberin zuzugestehen ist, wegen des regelmäßigen Handelns des Versicherers bloß als Vertreter des Versicherungsnehmers (s. o.) nicht zu vermuten (Prölss - Martin, 719; Wussow, 54, 56). Hat freilich der Versicherer ausnahmsweise eine eigene Verpflichtung übernommen, so ist eine im Innenverhältnis eintretende Leistungsfreiheit gegenüber dem Versicherungsnehmer für das Außenverhältnis zum Geschädigten ohne Belang (Prölss - Martin a. a. O.).

Vorerst ist davon auszugehen, daß eine für den OGH bindende Feststellung über die Parteiabsicht bei Abgabe der Erklärungen der Beklagten nicht getroffen worden ist. Die Absicht der Beklagten, im eigenen Namen anerkennen zu wollen, haben die Untergerichte lediglich aus dem Wortlaut der verlesenen Urkunden und aus einer telefonischen Erklärung, die jedoch einen Hinweis darauf, in wessen Namen sie abgegeben wurde, nicht enthielt, abgeleitet. Aus der telefonischen Erklärung könnte daher nur ein Schluß auf diese Absicht gezogen werden. Die Beurteilung der Schlüssigkeit fällt jedoch ebenso in das Gebiet der rechtlichen Beurteilung wie die reine Urkundenauslegung. Es ist daher dem OGH nicht verwehrt, bei der Lösung der Frage, ob die Beklagte eine Verpflichtung im eigenen Namen eingegangen ist, zu einem anderen Ergebnis zu gelangen als die Untergerichte.

Wie bereits ausgeführt wurde, handelt der Haftpflichtversicherer bei den Verhandlungen mit dem Geschädigten über die Liquidierung des Schadens - Deckungspflicht vorausgesetzt - regelmäßig nur als Vertreter des Versicherungsnehmers. Das Gegenteil ist die Ausnahme und kann daher nicht vermutet werden. Derjenige, der eine Verpflichtung des Versicherers im eigenen Namen behauptet, muß daher Umstände beweisen, die dartun, daß ein solcher Ausnahmsfall vorliegt. Ein derartiger Beweis ist dem Kläger nicht gelungen. Er war sich bewußt, daß ein Direktanspruch gegen den Versicherer nicht besteht. Nach seinen Behauptungen wollte er seinen solchen Anspruch erst durch eine entsprechende Erklärung des Versicherers erreichen. Demnach würden bei Vorliegen des oben aufgezeigten Normalfalles (aufrechte Deckungspflicht) Zweifel über die Bedeutung der abgegebenen Erklärung zu seinen Lasten gehen. Die bloße Verwendung des in kaufmännischen Schreiben üblichen Wortes "wir" besagt überhaupt nichts darüber, ob die in diesem Schreiben abgegebene Zusage im eigenen oder in fremdem Namen erfolgte. Das Unterbleiben eines Hinweises auf das bestehende Vertretungsverhältnis könnte in diesem Fall nicht schaden, weil das Verhandeln in fremdem Namen der Regelfall ist und im allgemeinen die Erwähnung des Regelfalles entbehrlich erscheint. Demnach kann in einem solchen Fall die Erklärung eines Versicherers, er anerkenne den Anspruch und trete in die Haftung ein, ohne gegenteiligen Zusatz nur als Zahlungszusage im Namen des Versicherungsnehmers gewertet werden.

Im vorliegenden Fall hat jedoch die Beklagte eine Erklärung abgegeben, die sie selbst richtig als Deckungs- und Liquidierungszusage ansieht. Eine Deckungszusage kann der Versicherer schon begrifflich nur im eigenen Namen machen, weil sie eine Erklärung über die bestehende Deckung aus dem Versicherungsvertrag enthält, also über einen Umstand, der ausschließlich die Pflichten des Versicherers aus diesem Vertrag betrifft. Dies führt zwar noch nicht zwingend dazu, daß der Versicherer vom geschädigten Dritten, demgegenüber er diese Zusage gemacht hat, direkt belangt werden kann. Im Regelfall wird vielmehr, wie bereits ausgeführt wurde, das mit der Deckungszusage gewöhnlich verbundene Anerkenntnis der Schadenersatzforderung als im Namen des Versicherungsnehmers abgegeben anzusehen sein. Dies kann jedoch nicht zutreffen, wenn Leistungsfreiheit des Versicherers besteht. Nach den österreichischen Allgemeinen Bedingungen für Haushaltsversicherungen (ABH) darf nämlich der Versicherer nur im Rahmen der Deckungspflicht einerseits und der Berechtigung der Ansprüche des Geschädigten andererseits an letzteren zahlen oder dessen Ansprüche vergleichen, weil er nach Art. 21 Abs. 9 ABH nur im Rahmen seiner Entschädigungspflicht bevollmächtigt ist, die zur Beilegung oder Abwehr des Anspruches ihm zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des Versicherungsnehmers abzugeben (SZ 47/104; SZ 44/84 u. a.). Über diesen Rahmen hinaus leistet der Versicherer auf eigene Gefahr (Ehrenzweig, 377 f.). Gibt der Versicherer jedoch, wie im vorliegenden Fall, eine Deckungszusage nach Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Deckung und trotz Kenntnis von Umständen, die die Deckungspflicht fraglich erscheinen lassen könnten, ab und ist dem geschädigten Dritten diese Sachlage bekannt (auch dies ist hier der Fall), dann kann letzterer die Deckungszusage, verbunden mit der Erklärung, sein Anspruch werde dem Gründe nach anerkannt, nur so verstehen, daß er auf jeden Fall Befriedigung aus der Versicherung erhält. Er kann dann nicht damit rechnen, daß ihn der Versicherer, falls später Leistungsfreiheit gegen den Versicherungsnehmer geltend gemacht werden sollte, in welchem Falle das abgegebene Anerkenntnis des Versicherers nicht in dessen Eigenschaft als Vertreter des Versicherungsnehmers erfolgt sein könnte, auf den Weg der nunmehr allenfalls mit Schwierigkeiten verbundenen Drittschuldnerexekution verweisen will. Vielmehr kann der geschädigte Dritte damit rechnen, daß er nicht erst auf dem Umweg über den Versicherungsnehmer, sondern bereits auf Grund des mit der Deckungszusage verbundenen Anerkenntnisses in dessen Rahmen direkt befriedigt wird. In einem solchen Fall ist daher ausnahmsweise aus dem Verhalten des Versicherers die Begründung einer Direktverpflichtung abzuleiten. Wollte der Versicherer eine derartige Auslegung seiner Erklärung verhindern, so müßte er darauf verweisen, daß seine Zusage für den Fall einer eventuell noch geltend zumachenden Leistungsfreiheit nicht gilt. Dies hat die Beklagte unterlassen, weshalb, da ihre Leistungsfreiheit unbestritten ist, ein Direktanspruch des Klägers im Ergebnis mit Recht bejaht worden ist.

Anmerkung

Z51156

Schlagworte

Deckungszusage ist kein Anerkenntnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0070OB00065.78.1109.000

Dokumentnummer

JJT_19781109_OGH0002_0070OB00065_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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