TE OGH 1978/12/13 10Os167/78

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Veröffentlicht am 13.12.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Neutzler, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Harbich, Dr. Bernardini, Dr. Friedrich und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Brachtel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dr. Manfred A wegen des Verbrechens der versuchten Bestimmung zum Mißbrauch der Amtsgewalt nach den § 15, 12, 302 Abs. 1 StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. Juni 1978, GZ. 4 d Vr 2757/78-9, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Burka, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß an Stelle der vom Erstgericht verhängten Freiheitsstrafe unter Anwendung des § 37 StGB. über den Angeklagten eine (unbedingte) Geldstrafe in der Höhe von 120 (einhundertzwanzig) Tagessätzen zu je 200 (zweihundert) Schilling, im Falle der Uneinbringlichkeit 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt wird.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 12. Jänner 1949 geborene Kaufmann Dr. Manfred A des Verbrechens des versuchten Mißbrauches der Amtsgewalt, begangen als Beteiligter, nach den § 15, 12 (2. Fall), 302 Abs. 1 StGB.

schuldig erkannt, weil er am 19. Februar 1978 um 2 Uhr 45 in Wien seinen Entschluß, den Polizeiinspektor Albert B durch das Anbot, er werde sich erkenntlich zeigen, wenn er (B) ihn wegen eines anderen Deliktes und nicht wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges im alkoholbeeinträchtigten Zustand anzeige und ihm den (vorläufig abgenommenen) Führerschein wieder zurückgebe, dazu zu bestimmen, mit dem Vorsatz, den Staat an seinen Rechten auf Strafverfolgung und auf Ausschluß alkoholisierter Lenker vom Straßenverkehr zu schädigen, seine (des Polizeiinspektors) Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich zu mißbrauchen, durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt habe.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Dr. Manfred A mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z. 5, 9 lit. a und b sowie 10 des § 281 Abs. 1 StPO.

Als Begründungsmängel im Sinne des erstangeführten Nichtigkeitsgrundes werden vom Beschwerdeführer Unvollständigkeit des Ausspruches über entscheidende Tatsachen und Angabe keiner oder nur offenbar unzureichender Gründe für die Feststellung entscheidungswesentlicher Tatsachen geltend gemacht. Was die vom Angeklagten gerügte Unvollständigkeit anlangt, so hat der Polizeibeamte Albert B in der Hauptverhandlung gleichlautend mit der Anzeige (S. 10) deponiert, daß der Angeklagte sein Verlangen, ihn wegen eines anderen Deliktes zur Anzeige zu bringen und ihm den Führerschein zu belassen, mit den Worten verbunden hat, er würde sich 'erkenntlich zeigen' (S. 43) und hat auch 'unter massiven Vorhalten intensiv vernommen' (Urteilsbegründung S. 54) bekundet, mit Sicherheit davon überzeugt zu sein, daß der Angeklagte die Worte 'erkenntlich zeigen' verwendet hat (S. 46).

Daß die öußerung des Dr. Manfred A in der Anzeige nur sinngemäß wiedergegeben worden war und der Zeuge Albert B in der Hauptverhandlung eingeräumt hat, der Vorfall sei ihm noch in Erinnerung, doch Einzelheiten könnten ihm schon entfallen sein, bedurfte keiner besonderen Erörterung, weil die Angaben des Zeugen in der Hauptverhandlung mit dem Inhalt der Anzeige übereinstimmen und es im übrigen durchaus einleuchtend erscheint, wenn der Zeuge sich nach mehr als vier Monaten zwar nicht mehr an alle Einzelheiten, wohl aber noch mit Sicherheit an die von ihm als Bestechungsversuch gewerteten Worte des Angeklagten zu erinnern vermochte.

Auch das Ertgericht konnte unter Berücksichtigung der Situation und des allgemeinen Sprachgebrauchs mit zureichendem Grund annehmen, daß der Angeklagte den Polizeibeamten tatsächlich durch das Angebot eines Vermögensvorteiles zu dem verlangten Verhalten verleiten wollte (Seiten 53 und 56), welche Schlußfolgerung unbeschadet des Umstandes, daß die Worte 'erkenntlich zeigen' allenfalls auch eine andere Auslegung zuließen, nicht nur denkrichtig, sondern auch durchaus naheliegend erscheint.

Davon abgesehen kommt - wie schon das Oberlandesgericht Wien in der Entscheidung über den Einspruch gegen die Anklageschrift (13 Bs 229/78 = ON. 6 des Vr-Aktes) dargelegt hat - dem Umstand, ob Dr. Manfred A dem Polizeibeamten einen Vermögensvorteil anbieten wollte, an sich gar keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, weil der dem Angeklagten zur Last liegende Tatbestand der § 15, 12 (2. Alternative), 302 Abs. 1 StGB. eine aktive Bestechung nicht voraussetzt.

Für die Beurteilung der inkriminierten Handlungsweise erscheint es auch bedeutungslos, ob der Angeklagte bei Zurückgabe des Führerscheins trotz seines alkoholisierten Zustandes die Fahrt fortgesetzt oder sich - entsprechend seiner Verantwortung - ein Taxi genommen hatte.

An den Polizeibeamten das Ansinnen gestellt zu haben, ihn wegen eines anderen Deliktes anzuzeigen und ihm den Führerschein zurückzugeben, hat der Angeklagte zugegeben (S. 42). Das Erstgericht konnte auch ohne Denkfehler davon ausgehen, daß für den Angeklagten vorauszusehen war, die Aussage des nach ihm vernommenen Zeugen B werde in Richtung der auch der Anklageschrift zugrunde gelegten, vom Zeugen selbst verfaßten Anzeige gehen, und der Angeklagte somit in der Lage war, seine Verantwortung darauf abzustellen (S. 55).

Auch im Zusammenhang mit der vom Beschwerdeführer weiters bekämpften Urteilsannahme, der zufolge er gewußt hat, daß der Polizeibeamte zur Erstattung der angekündigten Anzeige wegen Lenkens eines Kraftfahrzeugs in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand verpflichtet war und durch die Ausfolgung des vorläufig abgenommenen Führerscheins gegen seine Dienstpflichten verstoßen hätte, vermag der Angeklagte den Gründen des angefochtenen Urteils anhaftende logische Mängel (vgl. EvBl. 1972/17) nicht aufzuzeigen. Daß dem Angeklagten diese Rechtslage bewußt war, hat das Erstgericht folgerichtig aus dem festgestellten und oben wiedergegebenen Sachverhalt geschlossen; wäre nämlich der Angeklagte tatsächlich irrig davon ausgegangen, daß dem Beamten bei der Amtshandlung ein Ermessensspielraum zugestanden ist, dann hätte sich der Angeklagte darauf berufen und nicht die Beschränkung der in Aussicht gestellten Anzeigenerstattung nur auf die von ihm weiters begangene Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO. (überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet) zu erwirken versucht. Das Erstgericht hat in diesem Zusammenhang auch auf die vom Angeklagten im Jahre 1967 abgelegte Lenkerprüfung verwiesen. Diese Prüfung setzte die Kenntnis der für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften voraus (§ 70 Abs. 2 lit. a KFG.). Daß zu diesen Vorschriften auch die Bestimmung des § 5 Abs. 1 StVO. gehört, die das Lenken eines Kraftfahrzeugs in einem durch Alkoholgenuß beeinträchtigten Zustand verbietet und Verstöße dagegen mit verwaltungsrechtlichen Strafen ahndet (§ 99 Abs. 1 lit. a StVO.), ebenso aber auch jene des § 76 Abs. 1 KFG. über die (zwingende) vorläufige Abnahme des Führerscheins u.a., wenn der Lenker des Kraftwagens zufolge übermäßigen Alkoholgenusses nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt, kann füglich nicht in Zweifel gezogen werden. überdies hat der Polizeibeamte den Angeklagten ausdrücklich dahin über die rechtliche Situation belehrt, ihn anzeigen und seinen Führerschein 'behalten' zu müssen (S. 57). Ob der Angeklagte Publikationen über die Bestrafung alkoholisierter Lenker gekannt hat, ist bei dieser Beweislage bedeutungslos.

Die Mängelrüge erweist sich somit auch in diesem Punkte als nicht begründet.

In materiellrechtlicher Beziehung ist dem Beschwerdeführer beizupflichten, daß Mißbrauch der Amtsgewalt im Sinne des § 302 StGB. einerseits die Schädigung eines anderen an seinen Rechten, wofür dolus eventualis genügt, anderseits aber wissentlichen Mißbrauch der Befugnis zur Vornahme von Amtsgeschäften voraussetzt, und daß auch auf Seiten des Bestimmungstäters in bezug auf den Befugnismißbrauch des Beamten Wissentlichkeit (§ 5 Abs. 3 StGB.) erforderlich ist (RZ. 1977/139).

In Ansehung des vom Beschwerdeführer unter Anrufung des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. gerügten Fehlens einer Feststellung über eine (durch den Mißbrauch der Amtsgewalt gegebenenfalls bewirkte) vorsätzliche Schädigung eines anderen an dessen Rechten ergibt sich aber aus den Gründen des angefochtenen Urteils ohnehin, daß der Angeklagte gewußt hat, daß der von ihm angestrebte Befugnismißbrauch seitens des Beamten den Staat an seinen Rechten auf Strafverfolgung und auf Ausschluß alkoholisierter Lenker vom Straßenverkehr geschädigt haben würde (S. 59-60).

Desgleichen geht aus den Entscheidungsgründen unmißverständlich hervor, daß dem Angeklagten auch in bezug auf den Befugnismißbrauch Wissentlichket zur Last fällt.

Wissentlich handelt, wer den Umstand oder Erfolg, für den das Gesetz Wissentlichkeit voraussetzt, nicht bloß für möglich, sondern sein Vorliegen oder Eintreten für gewiß hält (§ 5 Abs. 3 StGB.). Dabei kommt es dem Täter zwar nicht notwendig auf eine Verwirklichung des tatbildmäßigen Unrechts oder des Umstandes an, doch rechnet er mit Gewißheit mit dem Eintreten dieses Erfolges oder mit dem Vorliegen dieses Umstands.

In der Feststellung, der Angeklagte Dr. Manfred A habe sehr wohl gewußt (und nicht etwa wissen müssen oder habe es für möglich gehalten), daß der Beamte zur Anzeigeerstattung und Abnahme des Führerscheins verpflichtet war (S. 57), kommt aber die Annahme wissentlichen Handelns des Angeklagten in bezug auf den in einem Zuwiderhandeln des Beamten gegen diese Verpflichtung gelegenen Befugnismißbrauch klar zum Ausdruck.

Den von der Beschwerde mit Beziehung auf § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO. behaupteten Rechtsirrtum des Angeklagten hat das Erstgericht ausgeschlossen, indem es als erwiesen ansah, daß er in Kenntnis der rechtlichen Situation gehandelt hat; demgemäß hat es die Verantwortung des Angeklagten, nicht gewußt zu haben, daß der Polizeibeamte durch ein Eingehen auf sein Angebot seine Pflichten verletzt haben würde, für widerlegt erachtete (S. 57 - 58). Die auf Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützte Rechtsrüge ist nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil der Beschwerdeführer von der urteilsfremden Annahme ausgeht, daß die vom Gesetz zum Mißbrauch der Amtsgewalt geforderte Vorsatzform fehle. Der vom Angeklagten gerügte Subsumtionsirrtum ist aber auch insofern nicht gegeben, als ein Außenstehender, der einen Beamten zum Mißbrauch der Amtsgewalt (im Sinne des § 302 StGB.) bestimmt oder sonst zu einer solchen Tat beiträgt, selbst wenn er sich dabei der aktiven Bestechung bedient, nicht nach § 307 StGB., sondern vermöge § 12 StGB.

nach der Strafbestimmung des § 302 StGB. zu belangen ist (Foregger-Serini, StGB.2 498; ÖJZ-LSK. 1976/115).

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dr. Manfred A war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 302 Abs. 1 StGB. zu einer gemäß § 43 Abs. 1 StGB. unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 Monaten. Hiebei wertete es den Umstand, daß der Angeklagte einen anderen zu einer strafbaren Handlung anstiften wollte als erschwerend, den bisherigen ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten und die Tatsache, daß es beim Versuch geblieben ist hingegen als mildernd.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafmaßes und - was er im Gerichtstag klargestellt hat - der Dauer der Probezeit an.

Der Berufung kann Berechtigung nicht abgesprochen werden. Das Erstgericht wertete zu Unrecht die Anstiftung eines anderen zu einer strafbaren Handlung als Erschwerungsgrund im Sinne des § 33 Z. 4 StGB., weil vorliegend die Anstiftung den strafbaren Tatbestand selbst bildet und sich nicht ein unmittelbarer Täter durch Anstiftung eines anderen zur Beteiligung an derselben Tat zusätzlich belastet hat.

Bei der Feststellung der Milderungsgründe hat das Erstgericht übersehen, daß der Angeklagte zudem in einer sich aus der vorliegenden Situation ergebenden begreiflichen Unüberlegtheit gehandelt hat, welchem Umstand doch bedeutende mildernde Wirkung zukommt.

Da somit mehrere gewichtige Milderungsgründe gegeben sind, denen kein einziger Erschwerungsumstand entgegensteht, ist die Verhängung einer sechs Monate übersteigenden Freiheitsstrafe nicht erforderlich; es war daher zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 37 StGB. vorliegen und gegebenenfalls eine Geldstrafe zu verhängen (ÖJZ-LSK. 1976/20 u.a.).

Wegen des geringen Schuldgehaltes stehen Gründe der Generalprävention der Anwendung des § 37 StGB. nicht entgegen. Der ordentliche Lebenswandel des Angeklagten und die besonderen Umstände, unter denen er sich allein zur Tat hinreißen ließ, schließen auch spezialpräventive Bedenken bei ihm aus. Es war daher in Stattgebung der Berufung gemäß § 37 StGB. nur eine Geldstrafe zu verhängen. Bei den gegebenen Strafzumessungsgründen erscheinen 120 Tagessätze ausreichend. Unter Berücksichtigung des vom Angeklagten im Gerichtstag angegebenen Einkommens von 8.000 S bis 12.000 S monatlich war die Höhe des Tagessatzes mit 200 S zu bestimmen, zumal der Angeklagte keine Sorgepflichten hat.

Die Ersatzfreiheitsstrafe war demgemäß (§ 19 Abs. 3 StGB.) mit sechzig Tagen zu bestimmen.

über die Berufung war daher wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E01674

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0100OS00167.78.1213.000

Dokumentnummer

JJT_19781213_OGH0002_0100OS00167_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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