TE OGH 1979/2/28 6Ob781/78

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Veröffentlicht am 28.02.1979
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lassmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger, Dr. Resch, Dr. Vogel und Dr. Schobel als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alfred K*****, vertreten durch Dr. Eva Wagner, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei Walter K*****, vertreten durch Dr. Josef Troppmayr, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen 75.000,-- S samt Nebenforderungen infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 12. Juli 1978, GZ 5 R 158/78-14, womit das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 25. April 1978, GZ 3 Cg 1294/77-9, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Berufungsgericht aufgetragen, über die Berufung neuerlich zu entscheiden.

Die Rekurskosten sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Die Streitteile sind Brüder. Ihr Vater starb am 12. November 1974. Eine Verlassenschaftsabhandlung fand mangels Vermögens nicht statt. Die Eltern der Streitteile haben mit Vertrag vom 3. Juli 1969 dem Beklagten die Liegenschaft EZ ***** KatGem. D***** geschenkt. Den Gutsbestand dieser Liegenschaft bildeten die Bauparzelle 3082 mit dem Wohnhaus in der G***** und das Gartengrundstück 8948/8. Anlässlich dieser Schenkung erhielt der Kläger 50.000,-- S.

Mit der am 7. November 1977 angebrachten Klage begehrt der Kläger von seinem Bruder den Betrag von 75.000,-- S als Schenkungspflichtteil. Der Beklagte wendet ein, dass sich der Kläger am 23. Juni 1969 mit der damals eingehend erörterten Schenkung unter der Voraussetzung einverstanden erklärt habe, dass ihm ein Abfindungsbetrag von 50.000,-- S bezahlt würde, den Eltern das unentgeltliche lebenslange Wohnrecht an der Parterrewohnung des Hauses vorbehalten bliebe und die Eltern gepflegt würden. Der Beklagte habe dem Kläger durch den Vertragsverfasser schriftlich mitgeteilt, dass er zur Zahlung des Betrages von 50.000,-- S bereit sei, sofern der Kläger ihm gegenüber auf jede Anfechtung des in Aussicht genommenen Schenkungsvertrages verzichte und keinerlei Ansprüche auf das Haus und den dazugehörenden Garten geltend mache. Der Kläger habe sich im Schreiben vom 1. Juli 1969 damit ausdrücklich einverstanden erklärt. Da der Beklagte nicht nur seiner Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Kläger nachgekommen sei, sondern auch den Eltern das lebenslängliche, unentgeltliche Wohnrecht an der Parterrewohnung eingeräumt und auch die Pflege des Vaters besorgt habe, stünden dem Kläger aus dem Schenkungsvertrag keinerlei Ansprüche zu. Im Übrigen macht der Beklagte geltend, dass er im Sommer 1977 einen Hälfteanteil der seinerzeit geschenkten Liegenschaft an seine Ehefrau übertragen habe. Außerdem bemängelte er die vom Kläger zugrunde gelegte Bewertung der Liegenschaft mit 1,4 Mill. S als eine wesentlich überhöhte Bemessungsgrundlage für die Ausmittlung des Schenkungspflichtteils.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt

auf.

Es legte dabei folgenden wesentlichen Sachverhalt als nicht mehr strittig zugrunde:

Der Vater der Streitteile war Eigentümer eines Hälfteanteils der Liegenschaft EZ ***** KatGem. D*****. Der weitere Hälfteanteil stand im Eigentum der Mutter der Streitteile. Der Beklagte wohnt seit 1955 im Obergeschoß des auf der genannten Liegenschaft errichteten Hauses. Dieses war nicht voll ausgebaut und ergänzungsbedürftig. Der Beklagte beabsichtigte daher größere Investitionen. Der Kläger lebte in Niederösterreich, hatte am elterlichen Haus keine eigenen Interessen und drängte auf eine Übergabe des Hauses an den Beklagten. Dabei verlangte er nur, dass den Eltern ein Wohnrecht in ihrem Haus zugesichert bliebe und der Beklagte ihm 50.000,-- S zahle. Die Streitteile waren die einzigen Kinder ihrer Eltern. Diese waren zu einer Übergabe ihrer Liegenschaft an den Beklagten bereit. Im April 1969 beauftragte der Beklagte einen Rechtsanwalt mit der Abfassung des Schenkungsvertrages. Dieser Rechtsanwalt regte eine Besprechung der beabsichtigten Liegenschaftsübergabe mit dem Kläger an. Am 23. Juni 1969 fand in der Rechtsanwaltskanzlei eine Besprechung statt, an der beide Streitteile und ihre beiden Eltern teilnahmen. Dabei brachte der Kläger erneut zum Ausdruck, dass er sich - abgesehen von der Einräumung eines Wohnungsrechtes zugunsten der Eltern - mit 50.000,-- S begnüge und damit auf jede Anfechtung des Schenkungsvertrages verzichte und keinerlei Ansprüche auf das Haus in der G*****straße ***** und den dazugehörenden Garten geltend mache. Der Bregenzer Rechtsanwalt richtete an den Kläger das mit 24. Juni 1969 datierte Schreiben laut Beilage 2. Darin heißt es wörtlich:

"Ich nehme Bezug auf Ihren Besuch in meiner Kanzlei vom 23. 6. 1969.

Mit Rücksicht auf diese Unterredung erklärt sich mein Mandant .. (der

Beklagte) ... damit einverstanden, Ihnen einen Betrag von S 50.000,--

in der Form zu bezahlen, dass...

Sie verzichten gegenüber Ihrem Bruder... (dem Beklagten) ... auf

jegliche Anfechtung eines eventuell zu errichtenden Schenkungsvertrages, machen keinerlei Ansprüche auf das Haus Dornbirn, G*****straße ***** und den dazugehörigen Garten geltend.

..."

Der Kläger beantwortete dieses Schreiben mit dem an den Rechtsanwalt gerichteten Brief vom 1. 7. 1969 laut Beilage 3. Darin heißt es wörtlich:

"Bezugnehmend auf Ihr Schreiben vom 24. 6. 1969 teile ich Ihnen mit, dass ich mit der mir vorgeschlagenen Zahlung von öS 50.000,-- rein netto, einverstanden bin.

Weiters erkläre ich mich auch mit den anderen Punkten Ihres Schreibens vollinhaltlich einverstanden. ..."

Der daraufhin am 3. Juli 1969 unterschriebene Schenkungsvertrag wurde noch im Jahr 1969 grundbücherlich durchgeführt. Gleichzeitig räumte der Beklagte seinen Eltern das lebenslange, unentgeltliche Wohnungsrecht in Ansehung der im Parterre des Hauses gelegenen Räume, der Keller- und Dachbodenanteile und des Gartens ein. Der Beklagte zahlte dem Kläger den vereinbarten Betrag von 50.000,-- S. Das Erstgericht erachtete den geltend gemachten Anspruch auf den Schenkungspflichtteil wegen der Verzichtserklärung des Klägers dem Grunde nach als unberechtigt. Es unterließ daher Beweisaufnahmen und Feststellungen über die strittigen Umstände zur Anspruchshöhe. Das Berufungsgericht ging davon aus, dass ein formgültiger Verzichtsvertrag zwischen dem Kläger und seinem Vater nicht einmal behauptet, geschweige denn festgestellt worden sei, dass aber ein noch zu Lebzeiten des Erblassers gegenüber dem Beklagten abgegebener Verzicht auf den Pflichtteil im Sinn des § 879 Abs 2 Z 3 ABGB nichtig wäre. Der Kläger habe auf seinen grundsätzlich anzuerkennenden Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht wirksam verzichtet. Daher sei das erstgerichtliche Verfahren in Ansehung der Anspruchshöhe ergänzungsbedürftig.

Der Beklagte ficht den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluss wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Hauptantrag auf Aufhebung dieses Beschlusses und dem hilfsweise gestellten Antrag auf seine Abänderung durch eine Bestätigung des erstinstanzlichen Urteiles an.

Der Rekurswerber bekämpft die dem angefochtenen Beschluss zugrunde gelegte Rechtsansicht, dass ein von einem Noterben gegenüber den anderen, vom Erblasser beschenkten Noterben noch zu Lebzeiten des Geschenkgebers abgegebener Verzicht auf Ansprüche aus einer Pflichtteilsverkürzung aus dem Grund des § 879 Abs 2 Z 3 ABGB nichtig sei.

Rechtliche Beurteilung

Diese Anfechtung ist im Ergebnis berechtigt.

Der Noterbe und der Beschenkte können sich noch vor dem Tod des Erblassers über die künftige Herausgabepflicht vergleichen (Stanzl in Klang2 IV/1, 627). Ein derartiger Vertrag unterliegt nicht dem Verbot nach § 879 Abs 2 Z 3 ABGB (JBl 1927, 103; 3 Ob 458/57). Gegenstand der Vereinbarung zwischen den Noterben und dem Geschenknehmer ist nämlich nicht der erbrechtliche Berufungsgrund, sondern das auf eine mögliche, vielleicht auch erwartete, seinerzeitige Nichtbefriedigung des erbrechtlichen Anspruches auf Zahlung des vollen Pflichtteils zu gründende Forderungsrecht gegen den Geschenknehmer auf Ersatz des Ausfalls. Es liegt kein Fall des § 879 Abs 2 Z 3 ABGB vor (Gschnitzer in Klang2 IV/1 193), aber auch kein diesem Fall rechtsähnliches Geschäft: Der Höchstbetrag des Anspruches, den der Pflichtteilsberechtigte gegenüber dem Beschenkten aufgibt, ist bereits im Zeitpunkt der Vereinbarung nach der Regel de § 794 ABGB berechenbar. Der Anfall des aufgegebenen Rechtes ist seitens des Verzichtenden nur vom Erleben des Erbfalles abhängig, sonst aber nicht ungewiss, daher nicht bloß "erhofft", sondern im Regelfall bloß durch das Überleben bedingt.

Die vom Berufungsgericht herangezogenen rechtlichen Gesichtspunkte für eine Ungültigkeit der vom Rekurswerber eingewendeten Verzichtserklärung des Klägers sind daher nicht stichhältig. Der Kläger hat als Berufungswerber seine Rüge der unrichtigen Beweiswürdigung und unrichtigen Tatsachenfeststellung auch dahin ausgeführt, das Erstgericht habe aus seiner als erwiesen angenommenen Erklärung über einen Anfechtungsverzicht geschlossen, dass er auch auf die Pflichtteilsergänzung verzichtet haben müsste. Zur Feststellung des Parteiwillens verwertete das Erstgericht nicht bloß den vorgelegten Schriftverkehr (Beilage 2 und 3), sondern auch Zeugenaussagen. Mit dieser Rüge wird sich das Berufungsgericht noch zu befassen haben. Es wird aber seiner neuerlichen Entscheidung die Rechtsansicht zugrundezulegen haben, dass eine im Sinn der erstrichterlichen Feststellungen erfolgte vergleichsweise Regelung der dem Kläger gegenüber seinem Bruder künftig möglicherweise aus dem Titel des § 951 ABGB zustehenden Ansprüche wirksam und formfrei getroffen werden konnte.

In Stattgebung des Rekurses war der berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschluss aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung unter Überbindung der dargelegten Rechtsansicht aufzutragen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E73537 6Ob781.78

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0060OB00781.78.0228.000

Dokumentnummer

JJT_19790228_OGH0002_0060OB00781_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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