TE OGH 1979/4/2 9Os37/79 (9Os38/79, 9Os39/79)

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Veröffentlicht am 02.04.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. April 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Walenta und Dr. Horak als Richter, sowie des Richteramtsanwärters Dr. Jelinek als Schriftführerin in den Strafsachen gegen Gertraud A wegen des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB, AZ U 168/78 des Bezirksgerichtes Telfs, sowie wegen des Verbrechens der versuchten Entführung nach den §§ 8, 96 StG, AZ 13 Vr 3070/73 des Landesgerichtes Innsbruck, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Telfs vom 11. Juli 1978, GZ. U 168/

78-5, den Beschluß des Landesgerichts Innsbruck vom 12. Oktober 1978, GZ 13 Vr 3070/73-24, und gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 14. November 1978, AZ 4 Bs 390/78, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

Spruch

A) In der Strafsache gegen Gertrud A, AZ U 168/

78 des Bezirksgerichtes Telfs, verletzt das Urteil dieses Gerichtes vom 11. Juli 1978, GZ U 168/78-5, mit dem Gertrud A des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Geldstrafe, gemäß § 369 (Abs 1) StPO zur Bezahlung von 3.000 S an Brigitte B und zum Kostenersatz verurteilt wurde, das Gesetz in der Bestimmung des § 146 StGB (im Hinblick auf § 166 Abs 1 und Abs 3 StGB in Verbindung mit §§ 2 Abs 1 und Abs 2; 46 Abs 1 StPO).

Dieses Urteil wird aufgehoben und es wird gemäß §§ 292, 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

'Gertrud G*** wird von der wider sie vom öffentlichen Ankläger erhobenen Anklage, sich Ende Oktober 1977 in Telfs im Zusammenwirken mit ihrem Ehegatten Hugo A eines einen Schaden von 3.000 S bewirkenden Einmietbetruges zum Nachteil der Brigitte B schuldig gemacht und hiedurch das Vergehen des Betruges nach § 146 StGB begangen zu haben, gemäß § 259 Z 1 StPO freigesprochen. Gemäß § 366 Abs 1 StPO wird die Privatbeteiligte Brigitte B mit ihren Entschädigungsansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

B) Des weiteren werden aufgehoben:

I. Die auf dem aufgehobenen Urteil beruhenden Beschlüsse, Anordnungen und Verfügungen des Bezirksgerichtes Telfs im Verfahren AZ U 168/78;

II. im Strafverfahren AZ 13 Vr 3070/73 des Landesgerichtes Innsbruck:

1. der Beschluß dieses Gerichtes vom 12. Oktober 1978, GZ. 13 Vr 3070/73-24, mit dem die bedingte Nachsicht der mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 29. Jänner 1974, GZ 13 Vr 3070/73-10, über Gertrud A verhängten Freiheitsstrafe von sechs Monaten wegen ihrer abermaligen Straffälligkeit laut Urteil des Bezirksgerichtes Telfs vom 11. Juli 1978, GZ U 168/78-5, innerhalb der verlängerten Probezeit widerrufen und der Vollzug der Strafe angeordnet wurde;

2. der Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 14. November 1978, AZ 4 Bs 390/78, mit dem der Beschwerde der Gertrud A gegen den zu B/II./1. bezeichneten Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck keine Folge gegeben wurde;

3. die auf diesem Widerrufsbeschluß beruhenden Verfügungen des Landesgerichtes Innsbruck.

C) Gemäß § 292 StPO in Verbindung mit § 288 Abs 2 Z 3 StPO wird zu 13 Vr 3070/73 des Landesgerichtes Innsbruck in der Sache selbst erkannt:

Der Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 19. September 1978 wird abgewiesen.'

Text

Gründe:

I./ Aus den Akten U 168/78 des Bezirksgerichtes Telfs (der auch Teile und Ablichtungen aus den Akten U 39/78

dieses Bezirksgerichtes enthält) und aus den Akten 13 Vr 3070/73 des Landesgerichtes Innsbruck ergibt sich folgender Sachverhalt:

1. Nach der vom Gendarmeriepostenkommando Telfs beim Bezirksgericht Telfs erstatteten Strafanzeige vom 20. Jänner 1978 mieteten die Ehegatten Hugo und Gertrud A am 15. Juli 1977 in Telfs von Brigitte

B eine Wohnung; der monatliche Mietzins wurde mit 3.000 S vereinbart. Ende November 1977 räumte Hugo A diese Wohnung, bezahlte aber die Mietschuld für November 1977 nicht, wodurch die Vermieterin einen Vermögensschaden von 3.000 S erlitt.

Am 1. Februar 1978 beantragte der Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Telfs deshalb die Bestrafung des Hugo A und der Gertrud A wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB.

Mit Urteil vom 11. April 1978, GZ U 39/78-8, sprach das Bezirksgericht Telfs Hugo A von der Anklage, 'er habe Ende Oktober 1977 in Telfs mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Brigitte B durch die Vorgabe eines zahlungswilligen und zahlungsfähigen Mieters, somit durch Täuschung über Tatsachen, zur Vermietung ihrer Wohnung für November 1977 um eine Miete von 3.000 S, sohin zu einer Handlung verleitet, welche Brigitte B an ihrem Vermögen schädigte, wobei der Schaden 5.000 S nicht überstiegen habe'; er habe hiedurch das Vergehen des Betruges nach § 146 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO frei und verwies die Privatbeteiligte Brigitte B gemäß § 366 Abs 1 StPO auf den Zivilrechtsweg.

Das Bezirksgericht Telfs nahm als erwiesen an, daß Hugo A seiner mitangeklagten Frau das Geld zur Bezahlung der Miete gegeben habe, diese jedoch mit dem Geld 'durchgegangen' sei. Hugo A sei also 'unschuldigerweise nicht fähig gewesen, die Miete bis heute zu bezahlen (mangelnder Vorsatz)' (S. 39 a d. A U 39/78). Die Beschuldigte Gertrud A - die zur Hauptverhandlung vom 11. April 1978 nicht erschienen war, was zur Ausscheidung des Verfahrens gegen sie führte - wurde in der Folge vom Bezirksgericht Telfs, nunmehr unter dem Aktenzeichen U 168/78, mit Urteil vom 11. Juli 1978, ON 5, des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen a 20 S (im Nichteinbringungsfall 75 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) sowie gemäß § 369 (Abs 1) StPO zur Bezahlung von 3.000 S an die Privatbeteiligte Brigitte B verurteilt. Ihr liegt nach dem betreffenden Schuldspruch zur Last, Ende Oktober 1977

in Telfs mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, ihren Ehegatten Hugo A unter dem Anschein, daß sie die Miete für November 1973 (richtig: 1977) an Brigitte B bezahlen werde, zur Ausbezahlung dieses Betrages an sie, somit durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung verleitet zu haben, die sowohl Hugo A als (letztlich) auch Brigitte B am Vermögen schädigte, wobei der Schaden 5.000 S nicht überstieg. Auch hier nahm das Bezirksgericht Telfs als erwiesen an, daß Hugo A der Beschuldigten, seiner Ehefrau, 3.000 S zur Bezahlung der Miete gegeben hat, diese aber mit dem Geld, ohne die Miete zu bezahlen, 'abgehauen' ist (S. 18 d. A U 168/78). Der Ausspruch gemäß § 369 (Abs 1) StPO erfolgte auf Grund einer Zession der Ersatzforderung des Hugo A gegen Gertrud A an Brigitte B (S. 14 d. A). Die beiden Urteile sind in Rechtskraft erwachsen.

2. Das Urteil des Bezirksgerichtes Telfs vom 11. Juli 1978, GZ U 168/78-5, steht jedoch mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Gemäß § 166 Abs 1 StGB ist, wegen 'Begehung im Familienkreis', unter anderem derjenige, der einen Betrug (oder eine Veruntreuung) zum Nachteil seines Ehegatten begeht, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen, wenn die Tat jedoch sonst mit einer Freiheitsstrafe bedroht wäre, die drei Jahre erreicht oder übersteigt, mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Nach dem dritten Absatz des § 166 StGB ist der Täter nur auf Verlangen des Verletzten zu verfolgen, dem gemäß dem § 2 Abs 2, erster Satz, StPO die Erhebung der Privatanklage zukommt. Richtigerweise wäre daher das durch den Schuldspruch erfaßte, als (Familien-)Betrug (bzw. /Familien-/Veruntreuung) zum Nachteil des Ehegatten zu beurteilende Verhalten der Beschuldigten nicht § 146 (oder § 133 Abs 1) StGB, sondern § 166 Abs 1 StGB zu unterstellen, und daher nur bei Vorliegen einer Privatanklage ihres Ehegatten, nämlich des Hugo A, zu ahnden gewesen.

Eine solche Privatanklage hat aber Hugo A, der den Urteilsfeststellungen zufolge von der Beschuldigten Gertrud A, seiner Ehefrau, getäuscht und um 3.000 S geschädigt wurde und der, wie schon erwähnt, seine diesbezügliche Ersatzforderung in der Hauptverhandlung an Brigitte B abgetreten hat, nicht erhoben. In seiner in der Hauptverhandlung vom 11. Juli 1978 abgegebenen Erklärung, er 'gebe die Einwilligung dazu', daß seine Frau wegen Veruntreuung bzw. Betruges an ihm bestraft werde (S. 13 d. A), kann die wirksame Erhebung einer Privatanklage im Sinne des § 166 Abs 3 StGB in Verbindung mit § 46 Abs 1 StPO, welche die ausdrückliche Stellung eines selbständigen Verfolgungsantrages der zur Privatanklage berechtigten Person gegen den Tatverdächtigten binnen sechs Wochen ab Kenntnis der Tat und des Verdächtigten erfordert, nicht erblickt werden (vgl. EvBl 1978/186).

Rechtliche Beurteilung

Das Bezirksgericht Telfs hätte demgemäß wegen Fehlens der erforderlichen Privatanklage mit Freispruch nach § 259 Z 1 StPO vorgehen müssen; der demgegenüber wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB ergangene - im Sinne des § 281 Abs 1 Z 9 lit c (in Verbindung mit § 468 Abs 1 Z 4) StPO (vgl. LSK 1976/134) nichtige - Schuldspruch verletzt daher zum Nachteil des Beschuldigten die Bestimmung § 146 StGB (im Hinblick auf § 166 Abs 1 und 3 StGB in Verbindung mit §§ 2 Abs 1 und Abs 2, 46 Abs 1 StPO). Der Vollständigkeit halber sei im gegebenen Zusammenhang noch erwähnt, daß das Bezirksgericht Telfs die Hauptverhandlung vom 11. Juli 1978 entgegen der Bestimmung des § 23 StPO ohne Beiziehung eines Schriftführers durchgeführt hat und, daß dabei das Protokoll vom Verhandlungsrichter unter Mißachtung der in den §§ 23, 271 StPO enthaltenen Formvorschriften auf ein Tonband diktiert worden ist. Auf diese prozessualen Verstäße braucht jedoch angesichts der aufgezeigten Gesetzesverletzung und deren Folgen nicht weiter eingegangen werden.

II./ Im Verfahren 13 Vr 3070/73 des Landesgerichtes Innsbruck wurde Gertrud A von einem Schöffensenat mit dem sofort in Rechtskraft erwachsenen Urteil vom 29. Jänner 1974, GZ 13 Vr 3070/73-10, wegen des Verbrechens der versuchten Entführung nach den §§ 8, 96 StG zu einer sechsmonatigen schweren, verschärften Kerkerstrafe verurteilt, wobei die Vollziehung dieser Strafe gemäß den §§ 1

und 2 des BedVG (1949) für eine Probezeit von drei Jahren vorläufig aufgeschoben worden ist.

Diese Probezeit wurde dann mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 3. Juni 1977, ON 19, gemäß § 53 Abs 2 StGB auf fünf Jahre, mithin bis 29. Jänner 1979, verlängert. Die zu I./ bezeichnete Verurteilung der Gertrud A durch das Urteil des Bezirksgerichtes Telfs vom 11. Juli 1978, GZ U 168/78-5, wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB nahm das Landesgericht Innsbruck in der Folge zum Anlaß, auf Antrag der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 19. September 1978 (S. 87 d. A) mit Beschluß vom 12. Oktober 1978, GZ 13 Vr 3070/73-24, die bedingte Nachsicht der über Gertrud A wegen des Verbrechens der versuchten Entführung nach §§ 8, 96 StG verhängten sechsmonatigen Freiheitsstrafe zu widerrufen und den Vollzug dieser Strafe anzuordnen.

Der gegen diese Entscheidung von Gertrud A erhobenen Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluß vom 14. November 1978, AZ 4 Bs 390/78, keine Folge gegeben (ON 27).

Infolge der sich als notwendig erweisenden Aufhebung des Gertrud A des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB schuldig sprechenden, wie zu I./ 2. dargetan, indes nichtigen Urteils des Bezirksgerichtes Telfs vom 11. Juli 1978, ist dem Widerrufsbeschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 12. Oktober 1978, und demgemäß auch der vorerwähnten Beschwerdeentscheidung, die Grundlage entzogen. Es war daher gemäß dem § 292 StPO wie im Spruch zu erkennen.

Anmerkung

E01874

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00037.79.0402.000

Dokumentnummer

JJT_19790402_OGH0002_0090OS00037_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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