TE OGH 1979/4/4 6Ob766/78

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Veröffentlicht am 04.04.1979
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Norm

ABGB §551
ABGB §1249
ABGB §1254
ABGB §1478
ABGB §1487
Notariatsordnung §56

Kopf

SZ 52/58

Spruch

Nicht nur die Geltendmachung von Willensmängeln, sondern auch die Berufung auf eine Beschränkung der freien letztwilligen Verfügungsmacht des Erblassers durch einen vorangegangenen Erbvertrag unterliegt der kurzen Verjährung nach § 1487 ABGB. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Tag der ersten Möglichkeit, den Anspruch gerichtlich geltend zu machen.

Auch für den Erbverzicht eines auf Grund Erbvertrages Berufenen genügt die Einhaltung der Formvorschrift des § 551 ABGB, ohne daß es der Beiziehung von Aktzeugen bedürfte

OGH 4. April 1979, 6 Ob 766/78 (OLG Wien 7 R 7/78; KG Krems/Donau 3 Cg 151/77)

Text

Josef K starb arm 23. Dezember 1973. Die Klägerin ist seine Witwe und Alleinerbin. Sie und der Erblasser hatten als Brautleute in Notariatsaktsform am 14. September 1937 Ehepakte geschlossen. Sie vereinbarten dabei nicht nur eineallgemeine, bereits zu Lebzeiten wirksame Gütergemeinschaft, sondern trafen auch letztwillige Anordnungen. Der entsprechende Vertragspunkt 6 x lautet:

"Die beiden Brautleute und künftigen Ehegatten errichten nunmehr nachstehende letztwillige Anordnungen: Sie setzen sich kraft hiemit errichteten Erbvertrages zu drei Vierteln und kraft hiemit errichteten wechselseitigen Testamentes zum letzten Viertel ihres Vermögens gegenseitig zu Erben ein, nehmen diese gegenseitigen Erbseinsetzungen hiemit auch an und beschränken ihre Noterben auf den ihnen nach dem Gesetze gebührenden Pflichtteil.

Erbvertragsmäßig verpflichtet sich Herr Josef K aber für den Fall, als er seine Braut und künftige Ehegattin überleben sollte, .....

Beide Brautleute und künftigen Ehegatten räumen sich weiters gegenseitig und vertragsmäßig das Recht ein, den Nachlaß des vorversterbenden Teiles von ihnen entweder um den eidesstättig einbekannten oder gerichtlich festgestellten Wert in natura an sich zu nehmen."

Mit Notariatsakt vom 14. November 1962, den außer dem Notar und den beiden Eheleuten nur Karl N - ein Sohn der Klägerin aus erster Ehe - unterschrieb, erklärten die Eheleute Abänderungen der im Notariatsakt des Jahres 1937 niedergelegten letztwilligen Verfügungen. Der entscheidende Punkt 1 x dieser Vereinbarung lautet:

"Die heutigen Ehegatten Herr Josef und Frau Theresia K haben in Punkt 3 x der Ehepakte vom 14. September 1937 neben anderen letztwilligen Anordnungen auch einen Erbvertrag errichtet. Weiters haben sie sich gegenseitig das Aufgriffsrecht am Nachlaß des vorversterbenden Teiles von ihnen eingeräumt.

Herr Josef und Frau Theresia K heben nun einverständlich sämtliche in den Ehepakten festgelegten letztwilligen Anordnungen hiemit auf, so daß nach jedem der beiden die gesetzliche Erbfolge eintritt.

Ausdrücklich wird festgehalten, daß nur die letztwilligen Anordnungen aufgehoben werden, die vereinbarte Gütergemeinschaft und das Aufgriffsrecht jedoch aufrechtbleiben.

Frau Theresia K hatte aus erster Ehe drei Kinder. Nämlich."

Am 19. Juni 1973 errichtete der Erblasser eine außergerichtliche schriftliche, nicht eigenhändig geschriebene letztwillige Erklärung folgenden Inhalts:

"I. Ich vermache als Legat den Ehegatten Johann und Martha H die mir gehörigen Hälften meines ganzen Liegenschaftsbesitzes, insbesondere auch alle land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke, jedoch mit Ausnahme des Wohn- und Wirtschaftshauses B Nr. 24 samt Hausgarten.

Die Legatare Johann und Martha H sind verpflichtet, an meine Gattin Theresia K, geb. 6. September 1895, bis längstens sechs Monate nach meinen Tod, einen Barbetrag in der Höhe von 15.000 S auszuzahlen.

Die Ehegatten Johann und Martha H sind verpflichtet, mir die ordentliche Pflege, Wartung und Treue in gesunden und kranken Tagen, das Waschen, Reinigen und Ausbessern von Kleidung und Wäsche, sämtliche in meiner Wohnung im Haus B Nr. 24 erforderlichen häuslichen Arbeiten, erbetene Botengänge und persönliche Dienstleistung, das Schneiden. Zerkleinern, Lagern meines benötigten Brennmaterials, die Beheizung meiner Wohnung zu erbringen und auch für mich zu kochen, wobei mir das zubereitete Essen nach B Nr. 24 gebracht wird, dies alles dann und insoweit, als weder ich noch meine Gattin Frau Theresia K zur Verrichtung dieser Obliegenheiten imstande sind.

II. Über mein Sparguthaben .....

III. Zur Erbin meines verbleibenden Nachlaßvermögens setze ich meine Gattin Theresia K ein.

Meine Erbin ist verpflichtet, mir ein standesgemäßes Begräbnis (mit Musik) am Friedhof zu B zu veranstalten und die Kosten der Graberhaltung zu übernehmen.

IV. Ich hebe sämtliche von mir zu einem früheren Zeitpunkt errichteten letztwilligen Anordnungen, seien es Testamente oder Kodizille, hiemit auf und setze sie hiemit vollinhaltlich außer Kraft.

Im Zuge der Abhandlung (zu A 2/74 des Bezirksgerichtes Schrems) wurde das Testament vom 19. Juni 1973 am 25. Feber 1974 kundgemacht.

Am 17. April 1974 gab die Klägerin vor dem Gerichtskommissär auf Grund des Testamentes die Erbserklärung ab. Die Beklagten Johann und Martha H wiederholten bei dieser Gelegenheit in Gegenwart der Klägerin, daß sie das ihnen ausgesetzte Vermächtnis in Anspruch nähmen.

Im weiteren Verlauf der Abhandlung erklärte die Klägerin mehrfach, die Rechtswirksamkeit des zugunsten der Beklagten ausgesetzten Vermächtnisses nicht anzuerkennen und im übrigen von dem ihr eingeräumten Aufgriffsrecht Gebrauch zu machen. Demgegenüber beantragten die Beklagten am 27. Oktober 1975 ausdrücklich die Ausstellung einer Amtsurkunde gemäß § 178 AußStrG.

Das Abhandlungsgericht nahm die Erklärung der Klägerin über das von ihr behauptete Aufgriffsrecht zur Kenntnis (Punkt 5 lit. b des Mantelbeschlusses vom 5. Dezember 1975). Es ordnete die Einantwortung des Nachlasses nach Josef K auf Grund seines Testamentes vom 19. Juni 1973 an die Klägerin an (Einantwortungsurkunde vom 5. Dezember 1975). Gleichzeitig stellte es eine Amtsurkunde über die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Beklagten an den ihnen vermachten Liegenschaftsanteilen des Erblassers aus (Amtsurkunde vom 5. Dezember 1975).

Das Rekursgericht wies den Antrag der Beklagten auf Ausstellung einer Amtsurkunde ab und wies die Beklagten mit ihren Vermächtnisansprüchen auf den Rechtsweg. Dementsprechend hob es die Amtsurkunde auf und änderte die Verbücherungsanordnung der Einantwortungsurkunde. Gegen diese - der Klägerin am 14. April 1976 zugestellten - Rechtsmittelentscheidungen vom 26. Feber 1976 ergriffen die Beklagten Revisionsrekurs. Der OGH stellte mit seiner - der Klägerin am 8. April 1977 zugestellten - Entscheidung vom 25. November 1976 die erstgerichtlichen Beschlüsse wieder her.

Am 8. August 1977 brachte die Klägerin die nun vorliegende Klage ein. Ihr Hauptbegehren ist auf den Ausspruch gerichtet, daß das Testament vom 19. Juni 1973 insoweit ungültig sei, als darin den Beklagten ein Vermächtnis ausgesetzt wird, und daß die Amtsurkunde des Bezirksgerichtes Schrems vom 5. Dezember 1975 ersatzlos aufgehoben werde. Hilfsweise stellt die Klägerin das Begehren auf Herausgabe der vermachten Liegenschaftsanteile und auf Einwilligung zur Einverleibung des Eigentumsrechtes der Klägerin an diesen Liegenschaftsanteilen.

Die Klägerin macht geltend, daß die Beklagten stets bestrebt gewesen seien, sie und ihren Sohn aus erster Ehe "in ein schlechtes Licht" zu bringen. Sie hätten in Kenntnis einer dem Erblasser selbst nicht bewußten Krebserkrankung und in Erwartung eines baldigen Hinscheidens des Erblassers diesem gegen ihre wahre Absicht vorgespiegelt, ihn in seinen alten Tagen versorgen und betreuen zu wollen. Dadurch hätten sie den Erblasser zur Anordnung des strittigen Vermächtnisses "bewogen" bzw. geradezu gezwungen. Der Erblasser hätte das Vermächtnis nicht ausgesetzt, hätte er von seiner Erkrankung und davon gewußt, daß ihn die Beklagten niemals betreuen würden. Der einzige Beweggrund für die Vermächtnisanordnung sei die vom Erblasser beabsichtigte Absicherung seines Lebensabends gewesen. Infolge seines schlechten körperlichen und geistigen Zustandes habe der Erblasser bei der Anordnung des strittigen Vermächtnisses praktisch gar nicht mehr gewußt, was er tue. Davon abgesehen seien wegen Formungültigkeit des Notariatsaktes vom November 1962 alle sich aus den Ehepakten des Jahres 1937 ergebenden Verfügungsbeschränkungen aufrechtgeblieben. Der Erblasser sei also in seiner Testierfähigkeit vertraglich beschränkt gewesen, die Beklagten seien im Sinne des § 542 ABGB vom letztwilligen Erwerb ausgeschlossen, und die Anordnung des strittigen Vermächtnisses sei aus dem Grund des § 572 ABGB anfechtbar.

Die Beklagten wenden u. a. ausdrücklich Verjährung im Sinne des § 1487 ABGB ein.

Das Erstgericht erkannte mit Teilurteil vom 1. Dezember 1977, daß das Testament vom 19. Juni 1973 in Ansehung des zugunsten der Beklagten ausgesetzten Vermächtnisses insoweit ungültig sei, als diese Anordnung drei Viertel der dem Erblasser gehörenden Hälfteanteile an den bezeichneten Liegenschaften betreffe. Die kurze Verjährungsfrist des § 1487, erster Fall, ABGB sei unanwendbar, weil die Klägerin in dem vom Teilurteil erfaßten Ausmaß ihren stärkeren Erbrechtstitel (Erbvertrag vom September 1937) durchzusetzen und nicht den in der Vermächtnisanordnung gelegenen letzten Willen "umzustoßen" trachte. Die Bindung durch den Erbvertrag vom September 1937 sei durch die Aufhebungserklärungen vom November 1962 in ihrer Rechtswirksamkeit nicht beeinträchtigt worden, weil der Notariatsakt vom November 1962 mangels der gemäß § 56 NO erforderlichen Beiziehung zweier Aktzeugen oder eines weiteren Notars formungültig sei. Der daher nicht wirksam aufgehobene Erbvertrag sei gegenüber der Legatsanordnung der stärkere Titel.

Das Berufungsgericht erachtete dagegen, daß der mit der Klage verfolgte Anspruch der dreijährigen Verjährung des § 1487 ABGB unterliege. Es vertrat unter Berufung auf Klang[2] VI, 627 f., die Ansicht, daß unter dem "Umstoßen" einer letztwilligen Erklärung die Geltendmachung sowohl von Form- als auch von Inhaltsmängeln welcher Art immer, insbesondere daher auch von Willensmängeln, zu verstehen sei. Zwar habe die Klägerin geltend gemacht, daß der Erblasser zur bekämpften letztwilligen Verfügung "geradezu gezwungen" worden sei, und daß die Beklagten die zu ihren Gunsten getroffene Anordnung "erschlichen" hätten; das Vorliegen einer strafbaren Handlung im Sinne des § 1489 ABGB sei aber nicht konkret behauptet worden. Die Dreijahresfrist sei vor der am 8. August 1977 erfolgten Klagsanbringung jedenfalls abgelaufen gewesen, auch wenn man diese Frist nicht mit dem Tag der Testamentskundmachung (25. Feber 1974), sondern etwa erst mit dem Tag der Erbserklärung (17. April 1974) oder deren Annahme (18. Juni 1974) zu laufen beginnen ließe. Mangels Erfüllung eines gesetzlichen Tatbestandes sei die Verjährung während der Zeit der formellen Wirksamkeit der Rekursentscheidungen im Abhandlungsverfahren (14. April 1976 bis 8. April 1977) in ihrem Weiterlauf nicht gehemmt gewesen, aber auch nicht unterbrochen worden.

Infolge Revision der Klägerin hob der Oberste Gerichtshof die Urteile erster und zweiter Instanz auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Berufungsgericht hat entgegen den Ausführungen der Revisionswerberin zutreffend erkannt, daß nicht nur die Geltendmachung von Willensmängeln des Erblassers, sondern auch die Geltendmachung einer Beschränkung der freien letztwilligen Verfügungsmacht des Erblassers durch einen vorangegangenen Erbvertrag unter den in § 1487 ABGB gebrauchten Begriff "eine Erklärung des letzten Willens umstoßen" fällt (Klang[2] VI, 627). Der klageweise erhobene Anspruch unterliegt daher unter dem Gesichtspunkt sämtlicher konkret vorgetragener Tatumstände der kurzen Verjährung im Sinne des § 1487, erster Fall, ABGB.

Nach dieser Gesetzesstelle fehlt es allerdings an einer besonderen Anordnung über den Beginn der Verjährungsfrist. Im Sinne der allgemeinen Grundsätze über den Beginn einer Anspruchsverjährung (§ 1478 ABGB) läuft die Verjährungsfrist ab dem Tag der ersten Möglichkeit zur gerichtlichen Geltendmachung. Hiezu müssen nun die festgestellten besonderen Umstände des Falles berücksichtigt werden:

Der Streit über die Gültigkeit der letztwilligen Anordnung herrscht zwischen der Erbin und den Vermächtnisnehmern (nicht zwischen konkurrierenden Erbansprechern). Gegenstand des strittigen Vermächtnisses waren eine Reihe von Liegenschaftsanteilen des Erblassers, also unbewegliche Sachen, die in den Nachlaß fielen. Ungeachtet der formellen Legatsannahmeerklärung war es Sache der Vermächtnisnehmer, die verweigerte Legatserfüllung gegen die Verlassenschaft oder die Erbin klageweise zu verfolgen. Dieser Anspruch unterlag der allgemeinen Verjährung. Einredeweise wäre der Erbin die Geltendmachung der von ihr behaupteten Ungültigkeit der Vermächtnisanordnung bis zur Verjährung des Legatserfüllungsanspruches offen gestanden. Frühestens mit dem am 27. Oktober 1975 im Abhandlungsverfahren gestellten Antrag der Vermächtnisnehmer auf Ausstellung einer Amtsurkunde gemäß § 178 AußStrG mußte die Erbin mit der Möglichkeit rechnen, ihrerseits die von ihr behauptete Ungültigkeit der Vermächtnisanordnung gegen die Vermächtnisnehmer klageweise verfolgen zu müssen. Zur Gewißheit wurde dies erst mit der Zustellung der Entscheidung des OGH vom 25. November 1976 im Abhandlungsverfahren über die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Amtsurkunde (8. April 1977). Wenn die Erbin dann ihre Klage gegen die Vermächtnisnehmer am 8. August 1977 anbrachte, kann ihr Anspruch auf Anfechtung der zugunsten der Beklagten verfügten Vermächtnisanordnung - ungeachtet der bereits am 25. Feber 1974 erfolgten Testamentkundmachung - nicht verjährt gewesen sein.

Der im anhängigen Rechtsstreit zu beurteilende Rechtsfall ist in seinen die Verjährungsfrist betreffenden Grundzügen dem zu GlUNF 587 entschiedenen Fall vergleichbar. Damals erachtete das Revisionsgericht nach den besonderen Umständen des Falles, daß die Verjährungsfrist in Ansehung des Anspruches der gesetzlichen Erben auf Anfechtung des Testamentes gegenüber der Testamentserbin nicht vor der Zustellung des letztinstanzlichen Beschlusses über die abhandlungsgerichtliche Zuteilung der Klägerrolle für den Erbrechtsstreit zu laufen begonnen habe.

Das Erstgericht hat daher im Ergebnis zutreffend erkannt, daß der Klagsanspruch zur Zeit der Klagserhebung nicht verjährt war. Die von der Klägerin gegen die Wirksamkeit der Vermächtnisanordnung geltend gemachten Gründe sind daher sachlich zu prüfen.

Das Erstgericht beschränkte sich in seinem Teilurteil auf eine Beurteilung der Vermächtnisanordnung unter dem Gesichtspunkt des zwischen dem Erblasser und der Klägerin im Jahr 1937 geschlossenen Erbvertrages, dessen Aufhebung durch Notariatsakt vom 14. November 1962 es mangels Beobachtung der Formvorschriften nach § 56 NO als unwirksam erachtete. Das Berufungsgericht hat sich nach seiner Rechtsansicht mit dieser Frage nicht auseinandergesetzt.

Das Revisionsgericht hat zu dieser Frage erwogen:

Der Erblasser und die Klägerin haben einander im Jahr 1937 wechselseitig jeweils in Ansehung von drei Vierteln kraft Erbvertrages und in Ansehung des restlichen Viertels kraft Testamentes zu Erben berufen. Sie vereinbarten im Jahr 1962, sämtliche in den Ehepakten festgelegten letztwilligen Anordnungen aufzuheben. Dem Inhalt nach ist darin sowohl die Erklärung des Erblassers als auch der Klägerin gegenüber dem anderen Ehegatten zu erblicken, auf eine erbrechtliche Rechtsnachfolge nach ihn aus dem Berufungsgrund der gewillkürten Erbfolge, nämlich Erbvertrag und Testament des Jahres 1937, zu verzichten (vgl. Weiß in Klang[2] III, 181 zu § 551 II/2). Zur Wirksamkeit solcher Verzichtserklärungen war lediglich die Einhaltung der Formvorschriften des § 551 ABGB erforderlich. Diese Vorschrift unterscheidet nicht zwischen den einzelnen Berufungsgrunden, sie gilt daher auch für den Erbverzicht eines auf Grund Erbvertrages Berufenen (GlU 14 750). Der Formvorschrift des § 551 ABGB wurde aber Genüge getan, ohne daß es der Beiziehung von Aktzeugen (oder eines zweiten Notars) bedurft hätte (Wychodil NZ 1920, 95; Ehrenzweig[2] II/2, 378 in § 484 II; Weiß in Klang[2] III 190 zu § 551 IV/A und V 922 f zu § 1249 X/3). Wagner (MGA NO[2], 112 in Anm. 2.2 zu § 56) tritt wohl für die Zuziehung von Aktzeugen ein, führt aber doch auch aus, ohne Zeugen könnte der Aufhebungsvertrag als Erbverzicht in Notariatsaktsform angesehen werden; er zitiert demgemäß auch die Entscheidung GlU 14 750, ohne sie abzulehnen (a. a. O., 319 E 156 zu § 1 NZwG). Durch die in den einverständlichen Aufhebungserklärungen gelegenen Erbverzichtserklärungen der Erbvertragsparteien wurde der Erbvertrag wirksam im Sinne des § 1254 ABGB "entkräftet" (vgl. Ehrenzweig[2] II/2, 488 in § 508 V/1).

Eine unterschiedliche Formstrenge für Rechtsgeschäfte, mit denen Ansprüche begrundet werden, und solche, die diese Ansprüche wieder aufheben, kann je nach dem Grund für die Unterwerfung einer rechtsgeschäftlichen Erklärung unter bestimmten Formvorschriften durchaus sachgerecht sein. Wird beispielsweise ein Schenkungsvertrag ohne wirkliche Übergabe im Interesse des Schenkers vor unbedachten Liberalitätsakten der Notariatsaktsform unterworfen, so bestehen keinerlei Bedenken dagegen, die Aufhebung eines derartigen Vertrages formfrei zuzulassen. Erblickt man etwa in den Formvorschriften für den Erbverzicht eine Beweissicherung im Interesse des Erblassers, der in dem Zeitpunkt, in dem die Erklärung bedeutsam wird, nicht mehr selbst Zeugnis abzulegen vermag, dann entfällt die Notwendigkeit besonderer Förmlichkeit, wenn der Erbverzichtsvertrag wieder aufgehoben werden soll (vgl. im Ergebnis: Weiß in Klang[2] III/197 zu § 551 VIII/1; JBl. 1966, 616). Es muß daher in den unterschiedlichen Formvorschriften nach dem NZwG einerseits und den novellierten erbrechtlichen Bestimmungen des ABGB durchaus kein Redaktionsversehen (Weiß in Klang[2] V, 923 zu § 1249; vgl. auch bereits die Kritik zur Regierungsvorlage von Schiffner, die Erbrechtsreform, 1908) erblickt werden, dem mit den Auslegungsgrundsätzen des Vorranges der jüngeren und der spezielleren Regelung abgeholfen werden müßte. Vielmehr ist ganz einfach zu unterstellen, daß für die vertragliche Wiederherstellung der unbeschränkten Testierfreiheit (durch Verzicht auf die Rechte des Vertragserben) andere Überlegungen über die Notwendigkeit einer Formgebundenheit obwalten als für die rechtsgeschäftliche Begründung einer derartigen Beschränkung (durch Erbvertrag).

Das Revisionsgericht vermag aus diesen Überlegungen der erstrichterlichen Beurteilung über eine Formunwirksamkeit der im Notariatsakt vom 14. November 1962 niedergelegten Erklärungen über eine "einverständliche Aufhebung" sämtlicher in den Ehepakten festgelegter letztwilligen Erklärungen nicht beizutreten.

Die vom Erstgericht noch nicht geprüften, weiteren Anfechtungsgrunde, die von der Klägerin gegen die Gültigkeit des zugunsten der Beklagten angeordneten Vermächtnisses geltend gemacht wurden, müssen daher im vollen Umfang des Klagebegehrens untersucht werden. Das erfordert eine ergänzende Verhandlung in erster Instanz.

Anmerkung

Z52058

Schlagworte

Berufung auf Beschränkung der freien letztwilligen Verfügungsmacht„ Verjährung, Erbverzicht, Formvorschrift, Verjährungsfrist, Beginn

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0060OB00766.78.0404.000

Dokumentnummer

JJT_19790404_OGH0002_0060OB00766_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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