TE Vwgh Erkenntnis 2005/4/28 2001/07/0011

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Veröffentlicht am 28.04.2005
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
E3L E03502000;
E3L E13301500;
E6J;
59/04 EU - EWR;
80/05 Pflanzenschutz Schädlingsbekämpfung;

Norm

11992E030 EGV Art30;
11992E036 EGV Art36;
11997E028 EG Art28;
11997E030 EG Art30;
11997E234 EG Art234;
31965L0065 Arzneispezialitäten-RL;
31991L0414 Pflanzenschutzmittel-RL;
32001L0083 Humanarzneimittel-RL;
61975CJ0104 de Peijper VORAB;
61977CJ0106 Simmenthal 2 VORAB;
61994CJ0201 The Medicines Control Agency VORAB;
61996CJ0100 British Agrochemicals Association ;
62002CJ0112 Kohlpharma VORAB;
EURallg;
PMG 1997 §11 Abs2 idF 2000/I/039;
PMG 1997 §11 Abs2 Z1;
PMG 1997 §11 Abs2 Z2;
PMG 1997 §11 Abs2 Z3;
PMG 1997 §11 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2001/07/0012 2001/07/0015 2001/07/0014 2001/07/0013

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Chlup, über die Beschwerden der A Reisebüro-Handelsgesellschaft m.b.H Nfg. N in H, vertreten durch Dr. Stephan Probst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Esslinggasse 9, gegen die Bescheide des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft 1. jeweils vom 28. April 1999, Zlen. 69.102/87-VI/C9/98 (prot. zu Zl. 2001/07/0011), 69.102/88- VI/C9/98 (prot. zu Zl. 2001/07/0012), 69.102/89-VI/C9/98 (prot. zu Zl. 2001/07/0013), 69.102/90-VI/C9/98 (prot. zu Zl. 2001/07/0014) und 69.102/91-VI/C9/98 (prot. zu Zl. 2001/07/0015), sowie 2. vom 13. Dezember 2001, Zl. 12.407/62-I A 2/01 (prot. zu Zl. 2002/07/0010), jeweils betreffend Zulassung nach § 11 Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.344,08 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde Berufungen der beschwerdeführenden Partei gegen Bescheide des Bundesamtes und Forschungszentrums für Landwirtschaft, mit denen verschiedene Anträge auf vereinfachte Zulassung von Pflanzenschutzmitteln nach § 11 des Pflanzenschutzmittelgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 60 (kurz: PMG 1997), abgewiesen wurden, gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Begründet wurden diese Abweisungen im Wesentlichen damit, dass die Pflanzenschutzmittel nicht vom "selben Hersteller" stammten (betr. die zu den hg. Zlen. 2001/07/0011 bis 0015 prot. Verfahren) bzw. keine Identität des Herstellers bestehe (betr. das zu hg. Zl. 2002/07/0010 prot. Verfahren), weshalb schon aus diesem Grund die Anträge abzuweisen gewesen seien.

Hinsichtlich des Pflanzenschutzmittels Phytocap (betr. das zu hg. Zl. 2001/07/0011 prot. Verfahrens) führte die belangte Behörde ergänzend aus, es betrage nach dem Bescheid des Bundesamtes und Forschungszentrum für Landwirtschaft der Wirkstoffgehalt des in Österreich bereits zugelassenen Pflanzenschutzmittels 750 g Captan/kg, der Wirkstoffgehalt des zur Zulassung beantragten Pflanzenschutzmittels jedoch 800 g Captan/kg. Statt eines wasserdispergierbaren Pulvers liege ein wasserdispergierbares Granulat vor. Das beantragte Pflanzenschutzmittel zeige bei der chemisch-physikalischen Analyse Unterschiedlichkeiten in den Spektren der Fourier-Transform-Infrarot-Spektroskopie auf. Da seitens der beschwerdeführenden Partei kein Vorbringen auf gleicher fachlicher Ebene erfolgt sei, bestehe für die belangte Behörde kein Anlass, an diesen Angaben des Bundesamtes und Forschungszentrums für Landwirtschaft zu zweifeln.

Gegen die zu den hg. Zlen. 2001/07/0011 bis 0015 angefochtenen Bescheide erhob die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluss vom 28. November 2000, B 982- 986/99-14, ablehnte und dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abtrat.

Gegen den zu hg. Zl. 2002/07/0010 angefochtenen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei unmittelbar Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden und darüber erwogen:

§ 11 Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 (PMG), BGBl. I Nr. 60, in der für den zu hg. Zl. 2002/07/0010 anhängigen Beschwerdefall maßgeblichen Fassung des Agrarrechtsänderungsgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 39/2000, lautet:

"(1) Das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, die

1. mit einem im Inland bereits - ausgenommen nach § 13 - zugelassenen Pflanzenschutzmittel identisch sind und

2. in anderen Staaten, die Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind, zugelassen sind,

bedarf einer vereinfachten Zulassung durch das Bundesamt und Forschungszentrum für Landwirtschaft.

(2) Ein Pflanzenschutzmittel ist mit einem bereits zugelassenen Pflanzenschutzmittel identisch, wenn es

1. insofern denselben Ursprung wie das bereits zugelassene Pflanzenschutzmittel hat, als es von demselben Unternehmen oder einem verbundenen Unternehmen oder in Lizenz nach derselben Formel hergestellt wurde,

2. die gleichen Wirkstoffe mit annähernd gleichem Wirkungsgrad und mit entsprechendem Mindestreinheitsgrad enthält und

3. ansonsten mit diesem in Beschaffenheit und Zusammensetzung - abgesehen von offensichtlich für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt oder für die Landwirtschaft unbedenklichen Abweichungen - sowie Kennzeichnung - ausgenommen Handelsbezeichnung und Zulassungsinhaber - und Eignung der Verpackung (§ 21) übereinstimmt.

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft kann, insbesondere zur Umsetzung von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft, durch Verordnung Vorschriften über Einzelheiten hinsichtlich des Vorliegens der Identität eines Pflanzenschutzmittels mit einem bereits zugelassenen Pflanzenschutzmittel, insbesondere hinsichtlich Pflanzenverträglichkeit und Bekämpfung von Schadorganismen und in Bezug auf Generika, festlegen."

§ 11 leg. cit. in der bis zum Inkrafttreten der vorzitierten Novelle am 8. Juli 2000 geltenden Stammfassung hatte folgenden Wortlaut:

"(1) Das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, die

1. mit einem im Inland bereits - ausgenommen nach § 13 - zugelassenen Pflanzenschutzmittel identisch sind und

2. in anderen Staaten, die Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind, hergestellt werden oder zugelassen sind, bedarf einer vereinfachten Zulassung durch das Bundesamt und Forschungszentrum für Landwirtschaft.

(2) Ein Pflanzenschutzmittel ist mit einem bereits zugelassenen Pflanzenschutzmittel identisch, wenn es

1.

vom selben Hersteller stammt,

2.

die gleichen Wirkstoffe in der gleichen Menge mit entsprechendem Mindestreinheitsgrad und mit bestimmten Verunreinigungen gleicher Art und entsprechendem Höchstgehalt enthält und

              3.              ansonsten mit diesem in Zusammensetzung, Beschaffenheit, Kennzeichnung - ausgenommen Handelsbezeichnung und Zulassungsinhaber - und Eignung der Verpackung (§ 21) übereinstimmt."

Der Verwaltungsgerichtshof gelangte im Erkenntnis vom 18. November 2004, Zl. 2001/07/0166, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, zu dem Schluss, die Auffassung der belangten Behörde, der Antrag der Beschwerdeführerin auf vereinfachte Zulassung nach § 11 PMG 1997 sei bereits "mangels Identität des Herstellers" von näher genannten Pflanzenschutzmitteln (gemeint hinsichtlich der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 39/2000: mangels Erfüllung der Voraussetzung "desselben Ursprunges") im Sinn des § 11 Abs. 2 Z. 1 PMG 1997 abzuweisen, stehe mit dem Gemeinschaftsrecht nicht im Einklang. Ferner wird hinsichtlich der diesbezüglich vorliegenden inhaltlichen Rechtswidrigkeit auch auf die Begründung des hg. Erkenntnisses vom heutigen Tag, Zlen. 2001/07/0152, 0157, gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.

Insoweit sich die belangte Behörde hinsichtlich des Pflanzenschutzmittels Phytocap (hg. Zl. 2001/07/0011) auch auf die mangelnde Erfüllung der Voraussetzungen nach § 11 Abs. 2 Z. 2 und 3 PMG 1997 stützt, ist ihr entgegenzuhalten, dass die beschwerdeführende Partei schon in der Berufung diesbezüglich einwandte, dass es in keiner Weise auf Beistoffe und Art und Menge der Beistoffe ankomme, sondern ausschließlich auf die Wirkstoffe des jeweiligen Pflanzenschutzmittels. Es seien der beschwerdeführenden Partei in keinem Fall die - teilweise höchst kostenintensiven - Analyseergebnisse zur Verfügung gestellt worden, sodass die beschwerdeführende Partei mangels entsprechender Ausführungen in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides auch gar nicht in der Lage sei, die Richtigkeit der Begründung hinsichtlich der Frage der Zusammensetzung des identen Pflanzenschutzmittels zu überprüfen. Wenn die Behörde ausführe, das beantragte Präparat habe bei der chemisch-physikalischen Analyse Unterschiedlichkeiten in den Chromatogrammen der Hochdruck-Flüssigkeits-Chromatographie und in den Spektren der Fourier-Transform-Infrarot-Spektroskopie aufgewiesen, und daraus den Schluss ziehe, dass sich diese Resultate nur mit Abweichungen von der in Österreich zugelassenen Zusammensetzung erklären ließen, handle es sich um eine rechtswidrige Scheinbegründung, die im Übrigen auch rechtlich verfehlt sei, weil es nicht auf die Beistoffe ankomme, sondern ausschließlich auf die Wirkstoffe und deren Konzentration abzustellen sei, um überprüfen zu können, welche Auswirkungen die Mittel im Vergleich zu den zugelassenen Mitteln haben könnten.

Die beschwerdeführende Partei wendet in der Beschwerde u. a. ein, die belangte Behörde habe ihren Bescheid teilweise damit begründet, dass die Wirkstoffgehalte geringfügig differieren würden und daher eine Identität nicht gegeben sei. Es werde in diesem Punkt auf das Urteil des EuGH "de Peijper" verwiesen, worin ausgeführt werde, dass im Hinblick auf Varianten des Mittels nur dann Unterschiedlichkeiten anzunehmen seien, wenn in der Auswirkung relevante Unterschiede bestünden.

Der Begründung des zu hg. Zl. 2001/07/0011 angefochtenen Bescheides ist nicht zu entnehmen, dass sich die belangte Behörde mit den durchaus die Schlüssigkeit der Argumentation der Behörde erster Instanz in Frage stellenden Berufungseinwendungen, denen nicht zuletzt im Hinblick auf die in der Beschwerdeausführungen betreffend das Urteil des EuGHs vom 20. Mai 1976, Rs. 104-75 ("de Peijper", siehe insbes. RN. 34/36 dieses Urteils) Relevanz zukommt, befasst hätte. Es liegt daher insoweit ein wesentlicher Verfahrensmangel vor.

Da sich die angefochtenen Bescheide als inhaltlich rechtswidrig erweisen und die Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit einer Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht (vgl. die bei Dolp,

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S. 572 angeführte hg. Judikatur), waren diese gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Es erübrigt sich daher auch, auf die weiteren Beschwerdevorbringen näher einzugehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Das im Verfahren zu den hg. Zlen. 2001/07/0011 bis 0015 gestellte Mehrbegehren der beschwerdeführenden Partei war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im Pauschalbetrag bereits enthalten ist.

Wien, am 28. April 2005

Gerichtsentscheidung

EuGH 61977J0106 Simmenthal 2 VORAB
EuGH 61975J0104 de Peijper VORAB
EuGH 61994J0201 The Medicines Control Agency VORAB
EuGH 62002J0112 Kohlpharma VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2001070011.X00

Im RIS seit

01.06.2005

Zuletzt aktualisiert am

07.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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