TE OGH 1979/8/29 6Nd520/79

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Veröffentlicht am 29.08.1979
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Norm

Internationales Privatrechts-Gesetz §51 Abs1 Z9
Todeserklärungsgesetz §12

Kopf

SZ 52/123

Spruch

Mit dem Inkrafttreten des IPR-Gesetzes ist § 12 TEG 1956 nur insoweit außer Kraft getreten, als er materiellrechtliche Regelungen des internationalen Privatrechtes enthalten hatte, nicht aber auch in seinen verfahrensrechtlichen Bestimmungen über die Abgrenzung der inländischen Gerichtsbarkeit

§ 12 Abs. 2 TEG 1950 ermöglicht in den dort genannten Fällen eine allseitig - nicht mehr bloß beschränkt - wirksame Todeserklärung von Ausländern

OGH 29. August 1979, 6 Nd 520/79 (KG St. Pölten T 26/79)

Text

Otto S wurde am 21. Feber 1932 als Sohn des Franz und der Katharina S in R geboren. Er war im Juli 1952 in G wohnhaft und besaß damals die österreichische Staatsbürgerschaft.

Nach den Antragsbehauptungen seiner Mutter sei Otto S noch im Jahr 1952 in den Dienst der französischen Fremdenlegion getreten und habe nach Ableistung dieses Dienstes auf einer Farm in Algerien als Verwalterstellvertreter gearbeitet. Der Aufenthalt in Algerien ist durch ein Schreiben vom 26. April 1960 bescheinigt. Nach den weiteren Antragsbehauptungen sei Otto S am 13. Mai 1960 während der Unruhen in Algerien verschleppt worden und gelte seither als vermißt. Sein Vater ist am 13. März 1979 gestorben; dessen Nachlaß wird vom Bezirksgericht Mank zu A 67/79 abgehandelt.

Aus Anlaß dieser Abhandlung beantragt die Mutter des Verschollenen seine Todeserklärung.

Der Oberste Gerichtshof bestimmte gemäß § 28 JN das Kreisgericht St Pölten als zur beantragten Todeserklärung örtlich zuständiges Gericht.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

In dem Zeitpunkt, seitdem Otto S verschollen ist, hatte er seinen Wohnsitz im Ausland. Nach der Zuständigkeitsregel des § 13 Abs. 1 TEG 1950 erscheint daher kein inländischer Gerichtshof zur Todeserklärung des Verschollenen örtlich zuständig (vgl. 5 Nd 506/79 unter ausdrücklicher Ablehnung abweichender Vorjudikatur).

Damit fehlt aber auch ein vorzüglicher Hinweis auf das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit. Diese Verfahrensvoraussetzung fand durch § 12 des Gesetzes über die Verschollenheit, die Todeserklärung und die Feststellung der Todeszeit vom 4. Juli 1939, RGBl. I 1186, eine ausdrückliche gesetzliche Umschreibung.

Nach dem Wortlaut des § 51 Abs. 1 Z. 9 IPRG mag aber die Fortgeltung der durch § 12 TEG 1950 getroffenen Regelung der inländischen Gerichtsbarkeit in Todeserklärungssachen fraglich erscheinen. Die genannte Derogationsbestimmung erfordert jedoch nach dem Regelungsgehalt des IPRG und dem sich daraus ergebenden und auch ausdrücklich genannten Normzweck eine einschränkende Auslegung: Das IPRG beschränkt sich nämlich auf die Aufstellung von Regeln über die bei den verschiedenen Rechtsfällen mit Auslandsbeziehung jeweils anzuwendende Rechtsordnung, enthält also materiellrechtliche Normen.

§ 12 TEG 1950 traf darüber hinaus auch eine rein verfahrensrechtliche Abgrenzung durch die Bestimmung jener Rechtsfälle, die der inländischen Gerichtsbarkeit unterworfen sein sollten. § 12 TEG enthält damit auch eine Regelung des sogenannten internationalen Zivilverfahrensrechtes. Änderungen auf diesem Gebiet trifft das IPRG nicht. Auch aus den Gesetzesmaterialien ist nicht zu entnehmen, daß eine derartige Änderung auf einem Sachgebiet, zu dessen Neuregelung kommissionelle Vorarbeiten im Gang sind, indirekt beabsichtigt gewesen sein könnte (vgl. 784 BlgNR, XIV. GP, 27 f. zu § 14, 67 zu § 51). Wenn daher § 51 Abs. 1 IPRG zur Gewährleistung einer tunlichst einheitlichen Gestaltung der neu kodifizierten Bestimmungen des IPR bestimmt, daß mit dem Inkrafttreten des Gesetzes grundsätzlich alle Bestimmungen ihre Wirksamkeit verlieren, die in diesem Bundesgesetz geregelte Gegenstände betreffen, und dem aus Übersichtsgrunden eine Aufzählung solcher Bestimmungen mit den Worten anfügt: "Dazu gehören besonders", dann darf dieser beispielsweisen Aufzählung kein selbständiger normativer Sinn beigelegt werden. Vielmehr ist § 51 Abs. 1 Z. 9 IPRG nur in dem eingeschränkten Sinn zu verstehen, daß § 12 TEG 1950 mit dem Inkrafttreten des IPRG in dem Umfang außer Wirksamkeit tritt, als in ihm materiellrechtliche Regelungen des IPR getroffen waren, nicht jedoch auch in seinen verfahrensrechtlichen Bestimmungen über die Abgrenzung der inländischen Gerichtsbarkeit. Für den Fall der inländischen Gerichtsbarkeit zur Todeserklärung von Inländern sprach dies der OGH bereits zu 5 Nd 506/79 aus.

Im Sinne des § 12 Abs. 1 TEG 1950 ist daher vorerst zu prüfen, ob der Verschollene in dem letzten Zeitpunkt, in dem er nach den vorhandenen Nachrichten noch gelebt hat, österreichischer Staatsbürger war. Das ist ungeachtet der vorliegenden Bescheinigung, daß der Verschollene im Juli 1952, als er von G nach einem unbekannten Ort weggezogen sei, die österreichische Staatsbürgerschaft besessen hat - nach dem Antragsvorbringen über den Eintritt in die französische Fremdenlegion im Hinblick auf § 9 Abs. 1 Z. 2 StbG 1949, BGBl. 276, keinesfalls ohne weiteres als bescheinigt anzunehmen.

Bei der im gegenwärtigen Verfahrensstand vorzunehmenden Prüfung der Voraussetzungen für die inländische Gerichtsbarkeit kann aber das Vorliegen der österreichischen Staatsbürgerschaft des Verschollenen in dem nach § 12 Abs. 1 TEG 1950 maßgebenden Zeitpunkt außer Betracht bleiben, weil selbst dann, wenn der Verschollene der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Ausbürgerung verlustig gegangen sein sollte, die inländische Gerichtsbarkeit mit Rücksicht auf den Pflichtteilsanspruch des Verschollenen aus dem Erbfall nach dem Tod seines Vaters, dessen Nachlaß vor einem inländischen Gericht abgehandelt wird, nach § 12 Abs. 2 TEG 1950 gegeben wäre (vgl. Sabaditsch in ÖJZ 1946, 333 ff., insbesondere 337). Es ist dabei allerdings zu beachten, daß § 12 Abs. 2 TEG 1950 durch die Regelungen des IPRG eine inhaltliche Abänderung erfahren hat. Nach der genannten Gesetzesstelle konnten Personen, die im letztbekannten Lebenszeitpunkt die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besessen haben, wegen solcher Rechtsverhältnisse, die nach inländischem Recht zu beurteilen sind, und wegen eines im Inland befindlichen Vermögens, allerdings nur mit Wirkung für die genannten Rechtsverhältnisse und für die bezeichneten Vermögen, von inländischen Gerichten nach inländischem Recht für tot erklärt werden. Die Unterwerfung von Personen, die nicht als Inländer gelten, in einer ihren Personenstand betreffenden Angelegenheit unter die inländische Gerichtsbarkeit knüpfte dabei ausschließlich daran an, daß der Tatbestand des eingetretenen Todes einer Person für ein nach inländischem Recht zu beurteilendes Rechtsverhältnis oder für ein im Inland befindliches Vermögen erheblich ist. Allerdings beschränkte das Gesetz die Wirkung einer auf Grund dieser Verfahrensvoraussetzung erflossenen Gerichtsentscheidung auf die nach inländischem Recht zu beurteilenden Rechtsverhältnisse und das inländische Vermögen. Eine derartige Beschränkung der Entscheidungswirkung widerspricht nun den Grundsätzen des IPRG (vgl. Regierungsvorlage 784 BlgNR, XIV. GP). Es ist daher zu prüfen, ob dem Gesetzgeber des geltenden österreichischen internationalen Verfahrensrechtes unterstellt werden kann, in den durch § 12 Abs. 2 TEG 1950 geregelten Fällen auch die Gerichtsbarkeit zu einer allseitig und nicht bloß beschränkt wirksamen Todeserklärung von Ausländern in Anspruch zu nehmen. Dies kann im Hinblick auf die geänderte materielle Rechtslage angenommen werden, da nach § 14 IPRG die Voraussetzungen, die Wirkungen und die Aufhebung einer Todeserklärung oder einer Beweisführung des Todes nach dem letzten bekannten Personalstatut des Verschollenen zu beurteilen sind und nicht wie ehemals nach § 12 Abs. 2 TEG 1950 ausschließlich nach inländischem Recht. Vom Standpunkt des internationalen Zivilverfahrensrechtes hebt die neue kollisionsrechtliche Regelung etwaige Bedenken gegen die nun unbeschränkte Wirkung der Entscheidung auf. Die allfällige Nichtanerkennung der inländischen Entscheidung durch ausländische Staaten mußte auch bei der bisherigen Regelung der inländischen Gerichtsbarkeit nach § 12 Abs. 2 TEG 1950 in Kauf genommen werden.

Aus den dargelegten Erwägungen ist daher die inländische Gerichtsbarkeit zur Todeserklärung des Verschollenen unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit in dem nach § 12 Abs. 1. TEG 1950 maßgebenden Zeitpunkt anzuerkennen. Damit sind die Voraussetzungen nach § 28 JN gegeben.

Anmerkung

Z52123

Schlagworte

Todeserklärung von Ausländern

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0060ND00520.79.0829.000

Dokumentnummer

JJT_19790829_OGH0002_0060ND00520_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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