TE OGH 1980/4/9 11Os17/80

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Veröffentlicht am 09.04.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hochleithner als Schriftführers in der Strafsache gegen Anton A wegen des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2 StGB. nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengerichtes vom 30. Oktober 1979, GZ. 29 Vr 1.917/78-42, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Gemäß dem § 362 StPO. wird die Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten des Angeklagten verfügt und das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 30.Oktober 1979, GZ. 29 Vr 1.917/78-42, aufgehoben. Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 30.Oktober 1979, GZ. 29 Vr 1.917/78-42, wurde der am 1.Oktober 1941 geborene Raupenfahrer Anton A des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147

Abs. 2 StGB. schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Den Urteilsannahmen zufolge verleitete der Angeklagte mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, nachgenannte Personen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen, welche sie an ihrem Vermögen schädigten, wobei der Schaden 5.000 S (nicht jedoch 100.000 S) überstieg, und zwar 1.) in der Zeit vom 2.Mai 1975 bis zum 23.März 1977 in Hall i. Tirol Dr. Volkmer B durch die Vorgabe, ein zahlungsfähiger und zahlungswilliger Mieter zu sein, zur Gewährung von Unterkunft, Schade durch Nichtbezahlung der Miete 20.412 S und der Betriebskosten weitere 25.000 S;

2.) am 29.Juli 1976 in Innsbruck Angestellte der A***-Bank durch die Vorgabe, den beantragten Kredit laut Vereinbarung zurückzahlen zu können und keine sonstigen Verpflichtungen zu haben, zur Ausfolgung eines Darlehens in der Höhe von 40.000 S.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte im Schuldspruch mit Nichtigkeitsbeschwerde und im Ausspruch über die Strafe mit Berufung.

Bei der vorläufigen Beratung über die Nichtigkeitsbeschwerde ergaben sich erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Urteil zu beiden Schuldspruchfakten zugrunde gelegten Tatsachen.

Rechtliche Beurteilung

Zum Urteilsfaktum 1):

Das Erstgericht stellte zum Vorsatz des Angeklagten einerseits fest, er wußte, daß er infolge seiner - auf Schulden von insgesamt 41.865,48 S aus früheren Bestandverhältnissen zurückgehenden - finanziellen Unvermögenheit niemals in der Lage sein werde, die getroffene Mietvereinbarung einzuhalten (S. 216), anderseits jedoch, er 'mußte schon bei Eingehen des Mietverhältnisses damit rechnen, daß er auf Grund seiner finanziellen Unvermögenheit seiner Zahlungsverpflichtung auf die Dauer nicht nachkommen könne; nach drei oder vier bezahlten Mieten, wobei die Zahlung offensichtlich zur Täuschung diente, um den Vermieter in Sicherheit zu wiegen, stellte Anton A seine Zahlungen vollkommen ein' (S. 217). Ganz abgesehen davon, daß ein 'Rechnen-Müssen' nicht dem zum Tatbestand des Betruges erforderlichen (zumindest bedingten) Vorsatz entspricht (vgl. dazu ÖJZ-LSK. 1978/142) und im Widerspruch zur (wie erwähnt, gleichfalls festgestellten) Wissentlichkeit steht, ist - mangels entsprechender Begründung - nicht erkennbar, warum der Angeklagte nach dem Vertragsabschluß, bei welchem er - was das Erstgericht zwar feststellte, aber nicht erörterte - eine 'einmalige Vermittlungsgebühr' von 13.000 S, Kosten für die Vertragserrichtung von 2.000 S und eine Kaution im Betrag von 3.000 S bezahlte (S. 216), die ersten drei oder vier ordnungsgemäß entrichteten Monatsmieten von '3.916 S' (richtig: 2.916 S - vgl. S. 13, 19, 26, 29, 105 und 209) 'offensichtlich zur Täuschung' geleistet haben soll; zumal in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen bleibt, daß er zur Zeit des Vertragsabschlusses - wie das Erstgericht feststellte - ein (regelmäßiges, wenn auch belastetes) Arbeitseinkommen bezog (siehe dazu auch ON. 35). Der vom Angeklagten gewählten - Schädigungsvorsatz ausschließenden - Rechtfertigung, er habe überdies (wenn auch leichtfertig) auf die Mithilfe seiner Ehefrau vertraut, wird mit dem bloßen Hinweis, er hätte sich dessen vor Eingehen der Verbindlichkeit entsprechend vergewissern müssen, keineswegs der Boden entzogen. Denn solche Argumentation läßt lediglich den Schluß auf Fahrlässigkeit zu, tut aber nicht kund, woraus das Erstgericht ableitete, daß sich der Angeklagte mit einer von ihm ernstlich für möglich gehaltenen Schädigung seines Gläubigers abfand. Auch steht die Urteilsfeststellung, der Angeklagte habe nach drei- oder viermaliger Mietzinsentrichtung seine Zahlungen vollkommen eingestellt, in krassem Widerspruch zur Aussage des Geschädigten (insbes. im Vorverfahren S. 29 d.A.) und zum festgestellten Mietzinsrückstand (20.412 S), der einer Säumnis von (nur) etwa sieben Monaten gleichzusetzen ist. Dazu kommt noch, daß die Ehefrau des Angeklagten ihren - vom Erstgericht jedoch nicht gewürdigten - Angaben zufolge (siehe S. 183 f.) schon im Jahr 1974 und zeitweise im Jahr 1976 berufstätig war. Im übrigen bedeutet das vom Erstgericht im Zusammenhang mit dem angenommenen Täuschungsvorsatz (S. 217) verwendete Wort 'offensichtlich' nur eine Scheinbegründung. Bei Würdigung der aufgezeigten familiären und finanziellen Verhältnisse des Angeklagten zur Zeit des Vertragsabschlusses bestehen mithin erhebliche Bedenken im Sinn des § 362 Abs. 1 StPO. gegen jene Urteilsfeststellungen, die nach Meinung des Erstgerichtes den auf Vermögensschädigung des Dr. Volkmer B und Bereicherung gerichteten Vorsatz des Angeklagten tragen sollen.

Zum Urteilsfaktum 2):

Bei der Annahme des Vermögensschadens in der Höhe des zur Auszahlung gebrachten Darlehensbetrages von 40.000 S ließ das Schöffengericht den mit der A***-Bank vereinbarten und von ihr auch in Anspruch genommenen Eigentumsvorbehalt sowie die vom Angeklagten im Gehaltsabzugsweg zwischen 4.Mai 1977 und 23.Februar 1978 geleisteten Zahlungen, durch welche letztlich die gesamte Schuld beglichen wurde (siehe dazu insbesondere S. 105 und 181), völlig außer Acht. Im gegebenen Zusammenhang wäre jedoch bei Ermittlung und Feststellung des Sachverhaltes zu berücksichtigen gewesen, daß dann, wenn an einer betrügerisch herausgelockten Sache Eigentumsvorbehalt besteht, eine strafrechtlich relevante Vermögensschädigung in der Regel nur in der Höhe der Differenz zwischen der aushaftenden Forderung und dem Verkehrswert der noch in der Verfügungsmacht des Täters befindlichen oder - wie hier - vom Verkäufer (Vorbehaltseigentümer) zurückgenommenen (und verwerteten) Sache eintritt (vgl. dazu u.a. ÖJZ-LSK. 1975/57; Leukauf-Steininger, Komm.2, RN. 35 zu § 146 StGB.). Die Inkaufnahme einer bloßen - in Grenzen gehaltenen - zeitlichen Verschiebung der Rückzahlung dargeliehenen Geldes kann für sich allein nur strafrechtliche Haftung für einen allfälligen Verzögerungsschaden begründen (ÖJZ-LSK. 1978/378).

Mithin bestehen auch bei dem in Rede stehenden (zweiten) Schuldspruchfaktum insgesamt erhebliche Bedenken gegen erstgerichtliche Tatsachenfeststellungen, welche die Höhe des eingetretenen, vom (Bereicherungs-) Vorsatz des Angeklagten umfaßten Vermögensschadens betreffen.

Es wurde daher gemäß dem § 362 Abs. 1 StPO. bei der vorläufigen Beratung über die Nichtigkeitsbeschwerde die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zugunsten des Angeklagten verfügt und das erstgerichtliche Urteil (zur Gänze) aufgehoben, sodaß die Sache in den Stand der Voruntersuchung tritt (§ 362 Abs. 4 StPO. in Verbindung mit §§ 358 und 359 StPO.).

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E02556

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0110OS00017.8.0409.000

Dokumentnummer

JJT_19800409_OGH0002_0110OS00017_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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