TE OGH 1980/6/10 9Os59/80

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Veröffentlicht am 10.06.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juni 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schubert als Schriftführerin in der Strafsache gegen Manfred A wegen des Vergehens der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Jugendschöffengericht vom 21. Feber 1980, GZ 1 a Vr 1932/79-15, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Verlesung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten und nach Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 29. März 1962 geborene Mechanikerlehrling Manfred A des Vergehens der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er im Herbst 1978 in Wien, nachdem ihm zuvor (im August 1978) anläßlich einer Verkehrskontrolle wegen mangelhafter Bereifung seines Mopeds die amtliche Vormerknummer(ntafel) dieses Fahrzeuges (W 31.432) abgenommen worden war, zwecks Täuschung von Straßenaufsichtsorganen über die (fehlenden) Zulassungsvoraussetzungen dieses Mopeds darauf eine selbstverfertigte Ersatzvormerknummerntafel montiert und sodann an zwei Tagen mit diesem so adjustierten Fahrzeug (bei Fahrten zur Fahrzeugüberprüfung in der Prüfanstalt Wien 9., Severingasse) am öffentlichen Verkehr teilgenommen hatte.

Den Ausspruch und die Vollstreckung der wegen dieser Jugendstraftat zu verhängenden Strafe schob das Jugendschöffengericht gemäß § 13 Abs. 1 JGG für eine Probezeit von drei Jahren vorläufig auf. Ein Vorgehen nach § 42 Abs. 1

StGB lehnte es in Anbetracht der Häufigkeit derartiger Kennzeichenmanipulationen jugendlicher Mopedlenker aus generalpräventiven Erwägungen ab.

Lediglich dagegen wendet sich der Angeklagte mit einer allein auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit welcher er seinen Freispruch aus dem Grunde des § 42 StGB fordert (§ 259 Z 4 StPO).

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsrüge geht fehl.

Nicht strafbar gemäß § 42 Abs. 1 StGB ist eine (mit nicht mehr als einjähriger Freiheitsstrafe oder mit einer solchen Freiheitsstrafe und Geldstrafe bedrohten) Tat (mithin auch das Delikt des § 108 StGB) nur dann, wenn die Schuld des Täters gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und wenn überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Täter von strafbaren Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere Personen entgegenzuwirken; neben spezialpräventiven Erwägungen sind daher, was der Beschwerdeführer verkennt, in gleichem Maße, also grundsätzlich gleichrangig, auch jene der Generalprävention zu berücksichtigen (vgl. Laufkauf-Steininger, Kommentar z. StGB2, RN 19 zu § 42). Alle diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, wobei geringe Schuld ein erhebliches Zurückbleiben des tatbildmäßigen Verhaltens des Täters hinter dem in der betreffenden Strafnorm typisierten Unrechts- und Schuldgehalt verlangt (vgl. ÖJZ-LSK 1976/379, 9 Os 34/80 u. a.). Dies trifft jedoch im vorliegenden Fall nicht zu, weil zunächst die Schuld des Angeklagten nach der Art seiner Tatbegehung - mehrmalige Teilnahme am öffentlichen Großstadtverkehr mit einem verkehrsuntauglichen Fahrzeug, also unter Umständen, unter denen die Fahrzeugbenützung mit einer evident hohen Unfallsgefahr verbunden war - nicht mehr als gering im Sinne des § 42 Abs. 1 Z 1 StGB beurteilt werden kann (vgl. ÖJZ-LSK 1979/240; 10 Os 135/75). So gesehen fällt auch der in der Beschwerde relevierte Zweck der Mopedbenützung unter Verwendung einer selbstverfertigten Vormerknummerntafel, nämlich das motorisierte Fahren zur Fahrzeugüberprüfungsstelle, nicht im Sinne einer die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Z 1 StGB begründenden Schuldmilderung ins Gewicht, zumal der Angeklagte auch nach dem negativen Ergebnis der (ersten) Überprüfung durch die Prüfungsstelle sein Fahrzeug weder in einen einwandfreien Zustand brachte noch endgültig aus dem Verkehr zog. Außerdem wäre das bei Anwendung des § 42 StGB (gegenüber dem § 13 JGG) bewirkte Unterbleiben jeglicher gerichtlicher Ahndung geeignet, die vom Erstgericht auf Grund forensischer Erfahrungen konstatierte Tendenz zur Begehung gleichartiger Delikte (vor allem) durch jugendliche Personen zu fördern, weshalb auch generalpräventive Gründe (§ 42 Abs. 1 Z 3 StGB) jedenfalls eine strafgerichtliche Reaktion (der Gesellschaft) in der Form eines Schuldspruches wegen des Vergehens der versuchten Täuschung gemäß den §§ 15, 108 Abs. 1 StGB (unter gleichzeitiger Anwendung des § 13 Abs. 1 JGG) erfordern. Mithin wurde dem Angeklagten der sachliche Strafausschließungsgrund mangelnder Strafwürdigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 StGB vom Erstgericht mit Recht versagt.

Die nur angemeldete (s. ON 16), jedoch nicht ausgeführte (im Hinblick auf die Anwendungsmöglichkeit des § 12 Abs. 2 JGG und in Ansehung der Dauer der Probezeit nach dem § 13 Abs. 1 JGG allerdings an sich zulässige) Berufung des Angeklagten war zurückzuweisen, da der Angeklagte bei der Anmeldung dieses Rechtsmittels die Punkte des Erkenntnisses, durch die er sich beschwert findet, nicht bezeichnet hat (§ 294 Abs. 2 StPO).

Anmerkung

E02639

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0090OS00059.8.0610.000

Dokumentnummer

JJT_19800610_OGH0002_0090OS00059_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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