TE OGH 1981/6/23 10Os63/81

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Veröffentlicht am 23.06.1981
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Juni 1981

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie der Richteramtsanwärterin Dr. Reissig als Schriftführerin in der Strafsache gegen Siegfried A wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB.

über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 11. November 1980, GZ. 10 Vr 1319/80-29, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Schamesberger und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen, das angefochtene Urteil jedoch gemäß § 290 Abs 1 StPO.

aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 23. Dezember 1952 geborene Kraftfahrer Siegfried A des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147

Abs 3 StGB. schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, als Inhaber der im Mai 1978 gegründeten Firma B (Erzeugung von Schlüsselanhängern und Medaillons) seine Angestellte Irene C durch Verschweigung vorhandener Schulden sowie durch die Vorspiegelung, in das Unternehmen investieren zu wollen und gewillt zu sein, von ihr zu seinen Gunsten aufzunehmende Kredite bar zurückzuzahlen oder sie (C) durch entsprechende Beteiligung am Geschäft schadlos zu halten, zur Übergabe von 40.000 S am 8. September 1978 und von 80.000 S am 6. Oktober 1980

verleitet zu haben, wodurch die Genannte einen Schaden von 114.700 S (unter Berücksichtigung einer Rückzahlung von 5.300 S) erlitt. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte unter Anrufung der Z. 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO.

Die auf den letzteren Nichtigkeitsgrund gestützte Rechtsrüge (Punkt 2 der Nichtigkeitsbeschwerde) hat der Verteidiger im Gerichtstag vor dem Obersten Gerichtshof ausdrücklich zurückgezogen. Gegenstand der Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde war daher nur noch deren als Mängelrüge deklariertes Vorbringen (Punkt 1.). Darin bezeichnet der Beschwerdeführer die Urteilsbegründung in Ansehung der Annahme eines Betrugsvorsatzes, welche er dahin wiedergibt, daß er anläßlich der (faktischen) Darlehensaufnahme bei der C 'zumindestens mit dolus eventualis in Kauf genommen habe, den Kredit (so wie dies in der Folge zutraf) nicht zurückzahlen zu können', mit der Argumentation als 'widersprüchlich (und) unvollständig, ja sogar aktenwidrig', im Urteil sei andererseits von einer guten Auftragslage zu Geschäftsbeginn sowie von der begründeten Aussicht auf einen Vertragsabschluß zur Tatzeit die Rede, der - nach einer gewissen Durststrecke - gute Einnahmen versprochen habe, weshalb das Erstgericht nach Meinung des Beschwerdeführers, der damit formal außerdem den Mangel einer unzureichenden Begründung des Urteils behauptet, für die Annahme des Betrugsvorsatzes keine stichhaltigen Gründe anführe.

Rechtliche Beurteilung

Er zeigt mit diesem Vorbringen jedoch weder einen Begründungsmangel (Z. 5) noch - in einer dem Gesetz entsprechenden Weise - einen etwa ins Auge gefaßten Rechtsirrtum (Z. 9 lit a) des Urteils auf. Vielmehr greift er bei dem von ihm erhobenen Vorwurf willkürlich zwei im Urteil festgehaltene und damit ohnehin berücksichtigte Momente aus der Gesamtbegründung heraus und setzt sich solcherart gleichzeitig über jene umfassenden Ausführungen hinweg, mit denen mängelfrei dargetan wird, warum das Erstgericht (dennoch) zu der von der Rüge erfaßten Annahme in tatsachenmäßiger Beziehung gelangte, und welche ihr in rechtlicher Hinsicht zugrundeliegen. Hiezu zählen namentlich die Feststellungen über den durch den Angeklagten, der den Geschäftsbetrieb ohne Eigenmittel aufgenommen hatte - bei einem Schuldenstand von etwa 70.000 S (aus einem Eigenkredit) - , zwischen Mai und Oktober 1978, also innerhalb rund eines halben Jahres, (trotz der erwähnten günstigen Auftragslage) erzielten minimalen Reingewinn von insgesamt bloß 15.000 S bis 18.000 S und die von vorneherein vorgelegene Unrealisierbarkeit des (von der Beschwerde ins Treffen geführten) in Verbindung mit einer Übereinkunft mit dem Landesfeuerwehrverband Steiermark in Aussicht genommenen bedeutenden Geschäftsvorhabens wegen der zu geringen Kapitalkraft des Beschwerdeführers trotz eines über die (teilweise - vereinbarungswidrig - zur Abdeckung privater Verbindlichkeit verwendeten) Darlehen der Irene C hinaus in Anspruch genommenen Kontokorrentkredits von 70.000 S im Oktober 1978 (den der Beschwerdeführer bis zu Jahresende auf 90.000 S überzog) und des Fehlens der technischen Voraussetzungen. Dementsprechend übergeht der Beschwerdeführer auch jene im Urteil (reihenweise) aufscheinenden (äußerst unglücklichen) Formulierungen, die eher geeignet wären, eine durch ihn eingehaltene fahrlässige Vorgangsweise zu begründen und darum zur Bejahung eines bedingten Vorsatzes auf der tatsächlichen Seite wirklich in Widerspruch stehen; diese dem Urteil insoweit anhaftenden formalen Begründungsmängel (§ 281 Z. 5 StPO.) sind von Amts wegen nicht wahrnehmbar (§ 290 Abs 1 StPO.) und müssen daher mangels Geltendmachung durch den Beschwerdeführer, dessen tatsächlich erhobene Einwände bloß auf einen unzulässigen Angriff gegen die erstgerichtliche Beweiswürdigung hinauslaufen, unberücksichtigt bleiben. Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war darum zu verwerfen.

Das Ersturteil ist allerdings zur Frage des Schädigungsvorsatzes nach § 146 StGB. nicht nur mit den erwähnten Begründungsmängeln behaftet, die ohne entsprechende Rüge nicht von Amts wegen aufgegriffen werden konnten, sondern außerdem auch noch mit einem (in dieser Richtung) in keiner Weise relevierten Feststellungsmangel gemäß § 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO., welcher gemäß § 290 Abs 1 StPO. amtswegig wahrzunehmen ist.

Das Erstgericht beschränkt sich nämlich im gegebenen Zusammenhang auf den Ausspruch, der Angeklagte habe 'als sorgfältiger Kaufmann' - der er aber nach dem sonst als erwiesen angenommenen Sachverhalt doch wohl nicht war, sodaß anscheinend gemeint ist, er hätte, wenn er ein sorgfältiger Kaufmann gewesen wäre - 'ernstlich für möglich halten müssen', den Kredit 'nicht unbedingt' zurückzahlen zu können, und sich offensichtlich damit abgefunden.

Es mag dahingestellt bleiben, inwieweit die Wendung, wonach sich der Angeklagte mit einer Schädigung der Getäuschten abfand, als Tatsachenfeststellung gewertet und (im Sinne der Ausführungen der Generalprokuratur) dahin interpretiert werden kann, das Erstgericht habe damit - und zwar trotz des Widerspruchs zu sonstigen, schon bei der Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde charakterisierten Formulierungen - gleichermaßen konstatiert, er habe folglich (denknotwendig) den Schaden auch für möglich gehalten (und nicht bloß für möglich halten müssen).

Denn ein solcher Rückschluß würde sich jedenfalls nicht auf das weitere (essentielle) Erfordernis des bedingten Vorsatzes erstrecken, daß der Angeklagte den Schadenseintritt 'ernstlich' für möglich hielt, das mit seinem Verhalten verbundene Risiko mithin als naheliegend ansah (und sich auch damit abfand - vgl. SSt 46/8 u. a.).

Zwar setzt ein 'Sich-Abfinden' mit einem Erfolg zwangsläufig voraus, daß der Täter diesen für möglich hält, aber nicht, daß er ihn auch als naheliegend betrachtet.

Für eine derartige (positive) Annahme ergibt sich aus dem Urteil umso weniger ein Anhaltspunkt, als es im Zusammenhang mit der finanziellen Situation des Angeklagten zur Tatzeit wiederholt (nur) davon spricht, er habe sich (maßgebender Umstände) 'bewußt gewesen sein müssen (S. 201)', 'eher skeptisch sein müssen', 'nicht mit Sicherheit damit rechnen können', 'annehmen müssen' (S. 202; siehe ferner ähnliche Passagen auf den S. 203 - 205); damit fehlt eine tragfähige Grundlage für die Annahme eines auf eine Schädigung der Irene C bezogenen dolus eventualis (§ 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB.), in Form eines alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllenden Tatsachensubstrats.

Der darum vorliegende Feststellungsmangel zur subjektiven Tatseite des § 146 StGB. macht eine Aufhebung des gesamten Urteils sowie die Anordnung einer Verfahrenserneuerung erforderlich, sodaß der Angeklagte mit seiner - gegen den (ebenfalls kassierten) Strafausspruch gerichteten - Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen war.

Anmerkung

E03232

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0100OS00063.81.0623.000

Dokumentnummer

JJT_19810623_OGH0002_0100OS00063_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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