TE OGH 1981/8/21 13Os93/81

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Veröffentlicht am 21.08.1981
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.August 1981 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Horak, Dr. Schneider, Dr. Reisenleitner und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Larcher als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerald A und Harald Franz B wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1 und 2 Z. 1, 128 Abs 1 Z. 4, 129 Z. 1 StGB. u.a. Del. über die vom Angeklagten Gerald A gegen das Urteil des Kreisgerichts Wels als Schöffengerichts vom 9.April 1981, GZ. 13 Vr 1789/80-18, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Berufung des Angeklagten Harald Franz B nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Pernkopf und Dr. Perner und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Angeklagten Gerald A wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2

StGB. (Punkt A/2 des Urteilssatzes) und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z. 3 StPO. im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Für die dem Angeklagten Gerald A weiterhin zur Last fallenden strafbaren Handlungen, nämlich das Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs 1 und 2 Z. 1, 128 Abs 1 Z. 4, 129 Z. 1 StGB.

(A/1) und das Vergehen der Täuschung nach § 108 Abs 1 StGB. (B) wird der Genannte nach § 129 StGB. unter Bedachtnahme auf § 28 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 (zehn) Monaten verurteilt.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Gerald A auf diese Entscheidung verwiesen.

Der Berufung des Angeklagten Harald Franz B wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Hilfsarbeiter Gerald A, geboren am 15.Dezember 1954, und Harald Franz B, geboren am 18.Juli 1956, des Verbrechens des schweren Diebstahls nach den §§ 127 Abs 1 und 2 Z. 1, 128 Abs 1 Z. 4, 129 Z. 1 StGB. (B), der Angeklagte A überdies der Vergehen der Täuschung nach § 108 Abs 1 (und 2) StGB. (A/1) und der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB. (A/2) schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen verurteilt.

Dem erstangeführten Schuldspruch liegt ein in der Nacht zum 27. Oktober 1980 in Gesellschaft begangener Einbruchs- und Einsteigdiebstahl in die Welser Discothek 'C' zugrunde (Diebsgut:

ca. 300 Stück Schallplatten, 8 Musikkassetten, Verstärker, Mikrophon, Kopfhörer sowie rund 100 Päckchen Zigaretten im Gesamtwert von ca. 30.000 S). Der Schuldspruch nach den §§ 108 Abs 1 StGB. und 223 Abs 2 StGB. erging, weil der Angeklagte A am 23.Juli 1980 in Weißkirchen auf seinem nicht zum Verkehr zugelassenen Motorfahrrad eine aus Pappe gefertigte Kennzeichentafel mit der Nummer O 216.501 anbrachte, um dem Staat in seinem Recht auf Zulassung von Kraftfahrzeugen dadurch absichtlich einen Schaden zuzufügen, daß er Beamte der Straßenaufsicht durch Täuschung über Tatsachen zur Duldung seiner Teilnahme am öffentlichen Verkehr verleitete, und weil er durch die beschriebene Handlungsweise (auch) eine falsche Urkunde im Rechtsverkehr gebraucht habe. Die Schuldsprüche wegen Täuschung und Urkundenfälschung bekämpft der Angeklagte Gerald A mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 8 und 10 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Den Strafausspruch ficht er ebenso wie der Angeklagte Harald Franz B mit Berufung an. Mit Beziehung auf den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund, hilfsweise aber auch auf den zweitgenannten, wendet der Beschwerdeführer gegen den Schuldspruch wegen Vergehens der Täuschung nach § 108 Abs 1 StGB. ein, dieser sei infolge Überschreitung der Anklage zustandegekommen, weil er nach der vom öffentlichen Ankläger in der Hauptverhandlung vorgenommenen Modifizierung der Anklage nur der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 StGB. schuldig gesprochen hätte werden dürfen. Überdies sei ein Beamter gar nicht getäuscht und das nachgemachte Kennzeichen bei der ersten Kontrolle abgenommen worden. Die Subsumtion durch das Erstgericht sei daher, auch wenn man von der Überschreitung der Anklage absehe, verfehlt, weil dem Beschwerdeführer nur versuchte Täuschung zur Last falle.

Dem Beschwerdevorbringen kann in diesem Punkte nicht gefolgt werden:

Das Erstgericht begründete die Annahme vollendeter Täuschung damit, der Beschwerdeführer habe bei seiner Beanstandung durch die Gendarmerie wegen der Verwendung einer augenscheinlich nachgemachten Kennzeichentafel angegeben, er habe das Originalkennzeichen verloren; diese Lüge fand zunächst Glauben, sodaß ihm das Kennzeichen belassen und die Weiterfahrt gestattet wurde (S. 107).

Rechtliche Beurteilung

Dieser in Übereinstimmung mit den Verfahrensergebnissen, nämlich der in der Hauptverhandlung verlesenen (S. 97) Anzeige (ON. 2 in Verbindung mit ON. 3), festgestellte Sachverhalt deckt die rechtliche Beurteilung der Tat als vollendete Täuschung nach § 108 Abs 1 StGB., wobei - wie der Beschwerdeführer bei der Bekämpfung des Schuldspruchs gemäß § 223 Abs 2 StGB. selbst einräumt - diese durch die Irreführung der einschreitenden Organe der Straßenaufsicht über die befugte Anbringung eines Ersatzkennzeichens im Sinn des § 51 Abs 3 KFG. zustandekam.

Wenngleich der Staatsanwalt die Anklage in der Hauptverhandlung aud das Vergehen der versuchten Täuschung modifiziert hatte (S. 96), erging der Schuldspruch wegen des vollendeten Vergehens nicht nur nach dem Vorgesagten rechtsrichtig, sondern auch ohne Überschreitung der Anklage. Gemäß § 262 letzter Satz StPO.

schäpft der Gerichtshof sein Urteil nämlich nach seiner rechtlichen Überzeugung, ohne an die in der Anklageschrift enthaltene Bezeichnung der Tat gebunden zu sein.

An die - schriftliche oder in der Hauptverhandlung modifizierte - Anklage ist das Gericht (nur) insoweit gebunden, als sie den Gegenstand der Anklage, d.i. ein historisches Ereignis, die Beteiligung eines Menschen an einem bestimmten Vorfall, bezeichnet. Hingegen ist die vom Ankläger vorgenommene juristische Qualifikation nicht Gegenstand der Anklage und daher für das Gericht nicht bindend, folglich auch nicht das vom Ankläger zugrundegelegte Entwicklungsstadium des Delikts (Versuch oder Vollendung). Die insoweit behauptete Nichtigkeit gemäß der Z. 8 des § 281 Abs 1 StPO. liegt daher nicht vor.

Hingegen kann der Beschwerde, soweit darin in (weiterer) Ausführung des Nichtigkeitsgrunds des § 281 Abs 1 Z. 10 StPO. die zusätzliche Unterstellung der in Rede stehenden Tat unter den Tatbestand der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB. bekämpft wird, Berechtigung nicht abgesprochen werden. Nach den Feststellungen des Erstgerichts hat der Beschwerdeführer ein Kennzeichen aus brauner Pappe mit roter Aufschrift hergestellt. Obwohl es nach dem Gendarmeriebericht ON. 3 auch aus größerer Entfernung leicht als selbst angefertigt zu erkennen war, nahm das Gericht die Erfüllung des Tatbestands an, weil dieser (unter dem Gesichtspunkt des § 15 Abs 3 StGB.) nur ausgeschlossen sei, wenn die bezweckte rechtserhebliche Verwendung mit dem Falsifikat unter keinen Umständen möglich wäre. Eine solche absolute Täuschungsuntauglichkeit sei jedoch nicht gegeben, weil eine aus brauner Pappe mit roter Aufschrift gefertigte Tafel einem amtlichen Kennzeichen für Motorfahrräder (weiße Aufschrift auf rotem Grund) aus größerer Entfernung zumindest ähnlich sei, sodaß nicht ausgeschlossen werden könne, daß das Falsifikat unter ungünstigen Verhältnissen (größere Entfernung oder schlechte Sicht) Straßenverkehrsorganen gegenüber den Anschein der Echtheit hervorrufe.

Dieser Ansicht des Erstgerichts kann jedoch nicht gefolgt werden. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung ist davon auszugehen, daß eine Pappendeckeltafel mit roter Schrift auf braunem Grund einer echten Kennzeichentafel für Motorfahrräder (§ 49 Abs 4 KFG.), selbst wenn - was vorliegend nicht festgestellt wurde - ihr Format dem einer solchen entspricht, derart unähnlich ist, daß weder in ihrer Anfertigung die Herstellung noch in ihrem Gebrauch die Verwendung einer falschen Urkunde erblickt werden kann. Ebenso wie in dem der Entscheidung SSt 46/54

(= LSK 1975/231) zugrundeliegenden Fall, in dem die Unähnlichkeit freilich insofern noch weiter ging, als die Schrift mit Kugelschreiber hergestellt worden war, kommt daher mangels Ähnlichkeit mit einer behördlich ausgegebenen, gemäß § 49 Abs 1 KFG. eine öffentliche Urkunde darstellenden Kennzeichentafel die Unterstellung unter § 223 StGB. (und § 224 StGB.) nicht in Betracht. Der Angeklagte täuschte vielmehr, wie bereits erwähnt, mit der von ihm verfertigten Nummerntafel sowie mit seinem Vorbringen bei der Anhaltung durch die Gendarmerie die Befugnis zur Herstellung und vorübergehenden Verwendung einer 'Ersatztafel' im Sinn des § 51 Abs 3 KFG. vor.

Das kann nach dem Gesagten nur gemäß § 108 StGB. beurteilt werden, sodaß in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Schuldspruch wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB. aufzuheben war.

Diese Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde mußte auch zur Aufhebung des den Angeklagten A betreffenden Strafausspruchs führen. Bei der Neubemessung der Strafe wurden die auf gleicher schädlicher Neigung, in den Jahren 1974 und 1975 erlittenen Vorstrafen, sowie das Zusammentreffen von zwei strafbaren Handlungen verschiedener Art als erschwerend, hingegen das Geständnis und die teilweise (objektive) Schadensgutmachung als mildernd gewertet.

Auf der Basis dieser Strafzumessungsgründe und der allgemeinen, für die Strafbemessung geltenden Normen (§ 32 StGB.) erachtete der Oberste Gerichtshof für den Angeklagten A eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten für angemessen.

Mit seiner Berufung war der Genannte auf diese, vom Obersten Gerichtshof selbst getroffene Entscheidung in der Straffrage zu verweisen.

Über den Angeklagten Harald Franz B verhängte das Erstgericht nach dem § 129 StGB. eine Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten. Es nahm sechs auf gleicher schädlicher Neigung beruhende, in den Jahren 1972 bis 1978 ausgesprochene Vorstrafen als erschwerend, demgegenüber jedoch das Geständnis und die teilweise (objektive) Schadensgutmachung als mildernd an.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte B die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an.

Der Berufung kommt Berechtigung nicht zu:

Das Schöffengericht nahm nämlich - im Gegensatz zur Meinung dieses Berufungswerbers - die Strafzumessungsgründe richtig und vollständig an, es stellte auch im wesentlichen zutreffende Erwägungen unter dem Gesichtspunkt des § 32 StGB. an. Bei Würdigung aller die Schuld und das Unrecht betreffenden Umstände erachtet der Oberste Gerichtshof die vom Erstgericht für den Angeklagten B ausgemessene Freiheitsstrafe als gerecht.

Zum Berufungsvorbringen ist darauf hinzuweisen, daß die teilweise Schadensgutmachung und das Geständnis vom Erstgericht ohnehin als Milderungsgründe herangezogen wurden. Die vom Berufungswerber B zusätzlich reklamierten Milderungsumstände sind jedoch nicht gegeben. Die Alkoholisierung entspricht nicht den Kriterien des § 35 StGB., weil B schon einmal nach dem Konsum von Alkohol ein Eigentumsdelikt beging (vgl. Akt 13 Vr 681/77 des Kreisgerichts Wels, insbesondere S. 68); die (durch Anerkenntnis des Privatbeteiligtenanspruchs bewiesene) Bereitschaft zur Gutmachung des vollen Schadens und der Umstand, daß der genannte Angeklagte seit einiger Zeit wieder berufstätig ist und einer geregelten Arbeit nachgeht, vermögen (besondere) Milderungsgründe nicht herzustellen. Schließlich unterliegt der Angeklagte B einer Fehleinschätzung, wenn er den ihm zur Last liegenden Einbruchsdiebstahl, der nach den erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen durch Einschlagen eines Kellerfensters und darauffolgendes Einsteigen in die Discothek 'C' verübt wurde, und bei dem ihm (und seinem Diebsgenossen) Sachen im Werte von rund 30.000 S in die Hände fielen, als 'eher geringfügig' bezeichnet.

Anmerkung

E03270

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0130OS00093.81.0821.000

Dokumentnummer

JJT_19810821_OGH0002_0130OS00093_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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