TE OGH 1982/9/15 12Os90/82

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.09.1982
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.September 1982

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stortecky als Schriftführerin in der Strafsache gegen Marwan A und andere wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Mordes nach § 75 und 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten Marwan A gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 21.Jänner 1982, GZ. 20 a Vr 11.518/81-124, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, der Ausführungen des Verteidigers, Dr. Hermann Gaigg, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

510 Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 290 Abs. 1 StPO wird das angefochtene Urteil dahin ergänzt, daß gemäß § 38 Abs. 1 StGB dem Angeklagten Marwan A und dem Verurteilten Hesham Mohammed B die erlittene Verwahrungs- und Untersuchungshaft vom 29.August 1981, 11,30 Uhr, bis zum 21.Jänner 1982, 16,15 Uhr, auf die verhängte Strafe angerechnet wird. Der Berufung des Angeklagten Marwan A wird nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen diesem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen u.a. der 26-jährige Marwan A, dessen Staatsbürgerschaft ungeklärt ist, des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Mordes nach § 75 und 15 StGB sowie des Vergehens nach § 36 Abs. 1 lit. d WaffenG. schuldig erkannt, weil er am 29.August 1981 in Wien in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit dem gleichzeitig abgeurteilten Hesham Mohammed B als Mittäter durch Zündung von vier Splitterhandgranaten und durch Abgabe von 65 Schüssen aus Maschinenpistolen Nathan C und Ulrike D vorsätzlich getötet und eine größere Anzahl weiterer Personen (jedenfalls mehr als 30) zu töten versucht hat, sowie, weil er Kriegsmaterial, nämlich eine polnische Maschinenpistole samt Munition und drei Splitterhandgranaten besessen und geführt hat.

Die Geschwornen haben die hiezu (anklagekonform) gestellten Hauptfragen 1, 5 und 12 einstimmig bejaht, die unter 15 gestellte Zusatzfrage des Inhalts 'Hat Marwan A das Unrecht der ihm zur Last gelegten Taten wegen eines Rechtsirrtumes, nämlich der irrigen Annahme, als Soldat der palästinensischen Nation bzw. einer deren Ziele verfolgenden Organisation, kriegsartige Handlungen vorzunehmen und hiedurch die österreichischen Gesetze nicht zu verletzen, nicht erkannt?' einstimmig verneint.

Diesen Schuldspruch bekämpft allein der Angeklagte Marwan A (der Mitangeklagte Hesham Mohammed B ließ das Urteil in Rechtskraft erwachsen) mit einer auf die Z. 5

des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; gegen den Strafausspruch wendet er sich mit Berufung.

Eine Verletzung von Verteidigungsrechten erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrages (Band V, S. 233) auf zeugenschaftliche Einvernahme des Rudolf E zum Nachweis dafür, 'daß der Beschwerdeführer die in Frage stehende 2. und 3. von ihm geworfene Splitterhandgranate nicht gezielt gegen einen uniformierten österreichischen Polizisten, sondern vielmehr gezielt gegen den zivilbekleideten Zeugen E geworfen hat und sohin der Angeklagte Marwan A nicht bewußt gegen Angehörige der österreichischen Behörde, sondern lediglich die von ihm vermeintlichen und irrtümlich angenommenen zivilbekleideten israelischen Soldaten angegriffen hat'.

Rechtliche Beurteilung

Durch das abweisliche Zwischenerkenntnis wurden jedoch Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers nicht verletzt. Die von der Beschwerde hervorgehobene Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe 'nicht die österreichische Behörde, sondern (vermeintliche) zivilbekleidete israelische Soldaten' angreifen wollen, worin eine rechtmäßige militärische Kampfhandlung zu erblicken wäre, könnte vorliegend objektiv die strafrechtliche Haftung des Beschwerdeführers nach den in Österreich geltenden Strafgesetzen nicht ausschließen. Denn kriegsartige Handlungen, wie sie der Beschwerdeführer vorgenommen haben will, die gegen zur Zeit ihrer Begehung in Kraft stehende innerstaatliche Gesetze verstoßen, sind ausschließlich nach innerstaatlichem Strafrecht zu verfolgen und zu bestrafen, wozu Österreich nicht nur berechtigt, sondern sogar völkerrechtlich verpflichtet ist (vgl. SSt. 50/70 und die dort zitierte Literatur). Derartige strafgesetzwidrige Handlungen bleiben somit (auch unter den von der Beschwerde relevierten Gesichtspunkten) rechtswidrig. Das bezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers läuft demnach auf die Behauptung eines indirekten Verbotsirrtums hinaus, weil er über die tatsächlichen Voraussetzungen eines in Wahrheit nicht bestehenden Rechtfertigungsgrundes geirrt haben will. Diesem Vorbringen hat der Schwurgerichtshof durch die Stellung einer entsprechenden Zusatzfrage (Nr. 15 des Fragenschemas) Rechnung getragen, die von den Geschwornen (stimmeneinhellig) verneint wurde. Der in Rede stehende Beweisantrag konnte sich mithin ausschließlich auf diese Zusatzfrage und nicht - wie die Beschwerde vermeint - auch auf die Hauptfrage 5 und die Eventualfrage 7 beziehen.

Im Zusammenhang mit der Beantwortung der Zusatzfrage 15 wurden aber durch die Abweisung dieses Beweisantrags Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers nicht beeinträchtigt. Denn der für den Beschwerdeführer wesentliche Inhalt der Aussage des Zeugen Rudolf E (Band IV, ON. 25, S. 11 f.) wurde durch Vorhalt derselben durch den Verteidiger an den Zeugen Wolfgang F (vgl. Band V, S. 230 zu Band IV, ON. 25, S. 11 f., im Hauptverhandlungsprotokoll unrichtig zitiert als ON. 11) ohnedies zum Gegenstand des Beweisverfahrens gemacht, sodaß diese auch Beurteilungsgrundlage für die Geschwornen bei Beantwortung der Zusatzfrage war. Der Beschwerdeführer hat in seinem Beweisantrag aber nicht dargetan, welches besondere, über den ohnedies den Geschwornen bekannten Inhalt der Aussage des Zeugen hinausgehende Tatsachensubstrat die persönliche Einvernahme dieses Zeugen notwendig machen soll.

Darüber hinaus ist aber dem Erstgericht auch darin beizupflichten, daß der beantragte Zeuge naturgemäß nicht in der Lage sein konnte, über die unter Beweis zu stellende innere Einstellung des Beschwerdeführers, über dessen Absichten und allfällige irrtümliche Annahme, zivilbekleidete israelische Soldaten anzugreifen, Angaben zu machen, zumal er ja mit dem Beschwerdeführer vor der Tat keinerlei Kontakt hatte, sondern erst im Zuge der gegenständlichen Vorfälle mit diesem konfrontiert wurde.

Die behauptete Verletzung von Verteidigungsrechten liegt somit nicht vor, sodaß die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war. Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof aber überzeugen, daß das Urteil zufolge Nichtanrechnung der erlittenen Verwahrungs- und Untersuchungshaft mit dem (nicht gerügten) materiellen Nichtigkeitsgrund der Z. 13 des § 345 Abs. 1 StPO nicht nur in Ansehung des Beschwerdeführers, sondern auch hinsichtlich des Verurteilten Hesham Mohammed B behaftet ist, weil auch bei Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe die erlittene Vorhaft anzurechnen ist (vgl. SSt. 24/20).

Insoweit war das Urteil wie im Spruche zu ergänzen. Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten Marwan A nach § 75 StGB unter Bedachtnahme auf § 28

StGB (im Urteil unrichtig § 78 StGB) zu lebenslanger Freiheitsstrafe und nahm bei der Strafzumessung als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, als mildernd den Umstand an, daß es beim Verbrechen des Mordes teilweise beim Versuch geblieben ist. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte Marwan A die Verhängung einer zeitlichen Freiheitsstrafe im wesentlichen mit der Begründung an, daß der Berufungswerber die Tat unter Einwirkung Dritter (aus militärischem Gehorsam) und unter einem die Schuld nicht ausschließenden Rechtsirrtum begangen hat, im übrigen die Strafe auch in Relation zu seinem Mitangeklagten Hesham Mohammed B zu streng bemessen wurde.

Die Berufung ist nicht begründet.

Selbst wenn man die vom Angeklagten zusätzlich reklamierten

Milderungsgründe der Z. 4 und 12 des § 34

StGB zu dessen Gunsten werten wollte, erlauben die schrecklichen, auch vorgeplanten Tatfolgen und damit das hohe Maß an Schuld gemessen nach der Bestimmung des § 32 Abs. 3 StGB nicht die Verhängung einer (bloß) zeitlichen Freiheitsstrafe, mag auch das Verschulden des Berufungswerbers geringer als jenes seines Mittäters gewesen sein, zumal als erschwerend noch die Ermordung zweier Menschen und der versuchte Mord an zahlreichen weiteren Personen ins Gewicht fällt.

Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a StPO

Anmerkung

E03886

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0120OS00090.82.0915.000

Dokumentnummer

JJT_19820915_OGH0002_0120OS00090_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten