TE OGH 1982/10/27 3Ob611/82

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Veröffentlicht am 27.10.1982
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Norm

ABGB §753

Kopf

SZ 55/158

Spruch

Ehelichen Nachkommen des vorverstorbenen, durch Erklärung des Bundespräsidenten mit den Erbrechtswirkungen legitimierten unehelichen Kindes steht nach dem väterlichen Großvater das gesetzliche Erbrecht zu

OGH 27. Oktober 1982, 3 Ob 611/82 (LGZ Graz 1 R 236/82; BGZ Graz 14 A 411/82)

Text

Am 8. 8. 1981 verstarb Franz K mit Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung vom 27. 4. 1976, in der seine Lebensgefährtin Juliane G als Erbin eingesetzt ist.

Franz K war im Zeitpunkt seines Todes verwitwet und hatte keine ehelichen Kinder. Er hatte aber drei uneheliche Kinder, Franz S, Annemarie D, diese beiden Kinder abgefunden durch einen Schenkungs- und Erbverzichtsvertrag, sowie Nikolaus K, welcher schon vor Franz K verstorben war, aber das eheliche Kind mj. Claudia K, geboren am 27. 10. 1978, hinterlassen hatte. Nikolaus K war mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 28. 10. 1957 zu einem ehelichen Kind des Franz K mit den Rechtswirkungen der §§ 162 und 753 ABGB erklärt worden.

Im Verlassenschaftsverfahren nach Franz K entstand ein Streit über die Frage, ob der mj. Claudia K ein gesetzliches Erbrecht nach ihrem Großvater Franz K zusteht oder nicht und ob daher iS des § 92 Abs. 2 AußStrG eine Inventur und Schätzung vorzunehmen ist oder nicht.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß die Bestimmungen der §§ 753, 754 ABGB dahin auszulegen seien, daß das durch Legitimierung durch den Bundespräsidenten erworbene Erbrecht ein persönliches sei, das nicht auf Deszendenten übertragen werden könne, und verfügte daher den Widerruf der vom Gerichtskommissär schon anberaumten Inventur und Schätzung.

Infolge Rekurses der mj. Claudia K änderte das Rekursgericht diesen Beschluß dahin ab, daß er ersatzlos aufgehoben wurde (es also bei der Vornahme der Inventur und Schätzung bleibe). Die neuen Bestimmungen der §§ 752 bis 757 ABGB sehen grundsätzlich ein gesetzliches Erbrecht des unehelichen Kindes zum Nachlaß seines Vaters vor, nicht aber zu dessen Verwandten (§ 754 Abs. 3 ABGB). Dies sei dahin auszulegen, daß dem ehelichen Kind eines unehelichen Kindes kein Erbrecht gegenüber seinem väterlichen Großvater zustehe. Wohl aber stehe ein solches Erbrecht dem ehelichen Kind eines mit den Wirkungen des § 753 Abs. 1 erster Satz ABGB legitimierten unehelichen Kindes zu, da in § 753 Abs. 1 zweiter Satz ABGB ausdrücklich zwischen dem Erbrecht eines derart legitimierten Kindes und eines ohne diese Rechtswirkungen legitimierten unehelichen Kindes unterschieden werde und nur letzteres auf die Rechtsstellung eines unehelichen Kindes nach § 754 ABGB verwiesen werde. Bei einem mit den Rechtswirkungen des § 753 Abs. 1 Satz 1 ABGB legitimierten Kindes stehe daher dessen ehelichen Nachkommen ein Eintrittsrecht iS des § 733 ABGB zu.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Erbin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es soll nicht verkannt werden, daß das gesetzliche Erbrecht der Nachkommen eines vorverstorbenen unehelichen Kindes, sei dieses legitimiert oder nicht oder gehe es um das Erbrecht nach der Mutter oder nach dem Vater des unehelichen Kindes, im Gesetz nirgends klar und ausdrücklich geregelt wird, worauf im Schrifttum schon wiederholt hingewiesen wurde. Werden aber alle für den Gesetzgeber maßgebenden und dem Gesetz entnehmbaren Gesichtspunkte berücksichtigt, so erweist sich die Lösung des Gerichtes zweiter Instanz als zutreffend. Vor der Familienrechtsreform der letzten Jahre entsprach es trotz auch damals schon unklarem Gesetzesinhalt herrschender Auffassung, daß in folgenden Fällen auch den ehelichen Nachkommen eines vorverstorbenen nicht ehelichen Kindes zum Nachlaß der Eltern dieses unehelichen Kindes ein gesetzliches Erbrecht zustehe: a) den Nachkommen eines vorverstorbenen unehelichen Kindes zum Nachlaß der Mutter des unehelichen Kindes (seit der I. Teilnovelle zum ABGB), b) den von der Wirkung der Adoption nicht ausgenommenen Nachkommen eines vorverstorbenen adoptierten Kindes zum Nachlaß der Wahleltern (vgl. dazu ausführlich Ent in NZ 1960, 177, besonders 180), c) den Nachkommen eines vorverstorbenen, durch nachfolgende Ehe legitimierten Kindes zum Nachlaß des Vaters dieses legitimierten Kindes (zum Nachlaß der Mutter besteht das Erbrecht ohnedies schon ohne Legitimation) und d), für diesen Rechtsfall bedeutsam, insbesondere auch den Nachkommen eines vorverstorbenen durch Gnadenakt des Bundespräsidenten mit den Wirkungen des § 753 Abs. 1 ABGB (in der seit 1. 7. 1971 in Kraft stehenden Fassung laut BGBl. 342/1970) bzw. des § 753 ABGB (frühere Fassung) legitimierten Kindes zum Nachlaß des Vaters (vgl. dazu Ehrenzweig[2] II/2, 225 und 387; Gschnitzer, Erbrecht 12; Steininger, Rechtsfragen der außerehelichen Vaterschaft 117).

An dieser Rechtslage wollte der Gesetzgeber durch das Bundesgesetz vom 30. 10. 1970 über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes, BGBl. 342, nichts ändern, wie aus der Begründung der Regierungsvorlage eindeutig hervorgeht (RV 6 BlgNr, XII. GP zu § 754 ABGB neu). Trotz geringfügiger Umformulierungen des Gesetzes sollte also weder das Erbrecht gegenüber der Mutter eines unehelichen Kindes noch das Erbrecht gegenüber dem Vater eines legitimierten Kindes verschlechtert werden.

Hingegen sollte ein neues, aber doch weitgehend beschränktes gesetzliches Erbrecht des unehelichen Kindes auch zum Nachlaß seines Vaters eingeführt werden. Der schon zitierten Regierungsvorlage ist zu entnehmen, daß dieses (und nur diesesÜ) gesetzliche Erbrecht nur den unehelichen Kindern des Vaters ersten Grades, also nur den unehelichen Kindern selbst, nicht aber deren Nachkommenschaft, eingeräumt werden sollte. Wenn daher der OGH mit Billigung des überwiegenden Teiles der Lehre in seiner grundsätzlichen Entscheidung SZ 47/65 und später ebenso in SZ 47/126 und EFSlg. 24 731 aussprach, daß in das Vermögen des Vaters eines unehelichen Kindes auf Grund des Gesetzes nur die unehelichen Kinder ersten Grades, nicht aber die Kinder des vorverstorbenen unehelichen Kindes erbberechtigt sind, kann daraus kein Rückschluß auf den Umfang des gesetzlichen Erbrechtes der Nachkommen eines legitimierten Kindes gezogen werden.

Aus den gleichlautenden Regelungen der §§ 753 Abs. 2 und 754 Abs. 3 ABGB ("zum Nachlaß der Verwandten steht einem ... Kind kein gesetzliches Erbrecht zu") ist entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerberin für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen; denn hier geht es nicht darum, daß ein uneheliches Kind (legitimiert oder nicht) ein gesetzliches Erbrecht zum Nachlaß von Verwandten des Vaters geltend macht, sondern um die Frage, ob einem ehelichen Kind gegen seinen Großvater ein gesetzliches Erbrecht zusteht, wenn der vorverstorbene eheliche Vater mit den Rechtswirkungen der § 162, 753 ABGB legitimiert wurde.

Daß so zwischen einem legitimierten und einem nicht legitimierten Kind ein Unterschied in der Erbfolge gemacht wird, hat seine Rechtfertigung vor allem auch darin, daß das legitimierte Kind im Gegensatz zum nicht legitimierten Kind in die Familie des legitimierenden Vaters aufgenommen werden soll. So wie beim vergleichbaren Fall der Adoption (§ 182 Abs. 1 ABGB) wird daher auch bei der Legitimation (§ 161 ABGB, an den auch § 162 ABGB unmittelbar anknüpft) ausdrücklich betont, daß auch die Nachkommenschaft des adoptierten bzw. legitimierten Kindes von den Wirkungen der Adoption bzw. der Legitimation erfaßt werden soll.

Es ist daher wertungsgerecht (s. dazu ausführlich Zemen, Die gesetzliche Erbfolge nach der Familienrechtsreform 177, 179; ebenso derselbe schon in FamRZ 1973, 558, besonders 566), das Gesetz so auszulegen, daß den ehelichen Nachkommen eines vorverstorbenen unehelichen Kindes, das durch Erklärung des Bundespräsidenten legitimiert wurde, gleichgültig, ob die Legitimation nach den Bestimmungen vor (mit Erbrechtsgewährung) oder nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. 342/1970 geschah, ein gesetzliches Erbrecht zum Nachlaß nach ihrem väterlichen Großvater zusteht.

Anmerkung

Z55158

Schlagworte

Erbrecht, der Nachkommen des legitimierten unehelichen Kindes nach, väterlichen Großeltern, Großeltern, Erbrecht der Nachkommen des legitimierten unehelichen Kindes, Großmutter, s. a. Großeltern, Großvater, s. a. Großeltern, Kind, uneheliches, Erbrecht der Nachkommen des legitimierten - nach, väterlichen Großeltern, Legitimation, Erbrecht der Nachkommen des legitimierten unehelichen, Kindes nach väterlichen Großeltern

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0030OB00611.82.1027.000

Dokumentnummer

JJT_19821027_OGH0002_0030OB00611_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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