TE OGH 1983/3/3 12Os136/82

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Veröffentlicht am 03.03.1983
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.März 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Baumgartner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Karl A u.a. wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Notzucht nach §§ 201 Abs 1 und 15 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die von den Angeklagten Karl A, Willibald Ernst B, Peter C und Siegfried D gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengericht vom 10. November 1981, GZ. 14 Vr 1262/81-33, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Weixelbaum, Dr. Moringer, Dr. Rant und Dr. Auer sowie der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird teilweise Folge gegeben und es werden die Freiheitsstrafen wie folgt herabgesetzt:

bei Karl A, Peter C und Siegfried D auf je 1 (ein) Jahr sowie bei Willibald Ernst B auf 20 (zwanzig) Monate. Im übrigen wird den Berufungen nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 19.April 1960 geborene Autoverkäufer Karl A, der am 18.Mai 1961

geborene Maschinenschlosser Willibald Ernst B, der am 17.Oktober 1959 geborene Bürokaufmann Peter C und der am 25.September 1962 geborene Gas- und Wasserleitungsinstallateur Siegfried D des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Notzucht nach §§ 201 Abs 1

und 15 StGB (Punkt I 1 des Urteilssatzes), der Angeklagte Willibald Ernst B außerdem des Verbrechens (richtig: Vergehens) der versuchten Schändung nach §§ 15, 205 Abs 2 StGB (Punkt I 2), des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (Punkt III) und - ebenso wie der Angeklagte Siegfried D - des Vergehens der Unterschlagung nach § 134 Abs 1 StGB (Punkt II) schuldig erkannt.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen nahmen die vier Angeklagten am 12.Juli 1981 gegen 3 Uhr früh nach dem Besuch einer Diskothek in Prambachkirchen die (damals) 19jährige Christine E im PKW. des Karl A in Richtung Eferding mit. Bei Gstocket (Gemeinde Hinzenbach) blieb A auf einem Zufahrtsweg abseits der Bundesstraße stehen und die Angeklagten verlangten von Christine E, daß sie mit ihnen geschlechtlich verkehren möge. Als sie dies mit Entschiedenheit ablehnte, wurde sie von den Angeklagten, die entschlossen waren, ihr Ziel durch Anwendung von Gewalt bis zur Widerstandsunfähigkeit des Opfers zu erreichen, niedergehalten und (gänzlich) entkleidet; außerdem sprach der Angeklagte B die Drohung aus, es gebe noch andere Mittel und Wege, um sie gefügig zu machen, wobei er E eine brennende Zigarette nahe vor das Gesicht hielt und sie außerdem an den Haaren sowie am Hals erfaßte. Als nun C und D Christine E am Oberkörper festhielten, während A und B die Schenkel der Frau auseinanderdrückten, erschien Christine E angesichts der übermacht der Angreifer ein weiterer Widerstand aussichtslos. Deshalb und weil ihre psychische und physische Abwehrkraft unter der Einwirkung der gegen sie angewendeten Gewalt sowie unter dem Eindruck der (von B geäußerten) Drohung(en) erlahmt war, ließ sie 'willenlos' den Vollzug des Beischlafs durch A geschehen. Währenddessen versuchte B, sein Glied in ihren Mund einzuführen, was sie aber durch rasches Hin- und Herbewegen des Kopfes mit letzter Kraft zunächst verhindern konnte.

Nach A schickten sich auch C und D zum Vollzug des Beischlafs an, waren jedoch mangels ausreichender Erektion ihres Gliedes dazu nicht imstande. B forderte weiterhin von der weinenden Frau, mit ihm einen Mundverkehr, zugleich mit einem zweiten Burschen einen Geschlechtsverkehr und mit einem dritten einen Analverkehr durchzuführen. Schließlich unterband A weitere Angriffe, indem er Christine E ermöglichte, den PKW. zu verlassen und davonzulaufen. B verfolgte sie bis zur Bundesstraße und versetzte ihr noch eine Ohrfeige sowie Schläge und Tritte, welche leichte Verletzungen, nämlich Blutergüsse an der Stirn und am Nasenrücken sowie eine Blutunterlaufung unter dem linken Auge, zur Folge hatten. Danach flüchteten die Angeklagten. Aus dem im PKW. zurückgebliebenen Handtäschchen der Christine E eigneten sich D und B einige Zigaretten und 300 S Bargeld an.

Hievon ausgehend, legte das Erstgericht mit dem eingangs angeführten Schuldspruch allen (vier) Angeklagten zur Last, im einvernehmlichen Zusammenwirken Christine E mit Gewalt gegen deren Person und durch gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben widerstandsunfähig gemacht zu haben, um sie in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf zu mißbrauchen, der von Karl A vollzogen, von Peter C und Siegfried D versucht worden war (Punkt I 1). Der Angeklagte B wurde außerdem schuldig erkannt, (aus einem gesonderten Willensentschluß) versucht zu haben, die bereits zum Widerstand unfähige Christine E anderweitig zur Unzucht, nämlich zu einem Mundverkehr zu mißbrauchen (Punkt I 2) und sie danach vorsätzlich (leicht) am Körper verletzt zu haben (Punkt III). Den Angeklagten B und D liegt schließlich noch die Aneignung von im PKW. zurückgebliebenen und solcherart ohne ihr Zutun in ihren Gewahrsam geratenen Sachwerten der Christine E (Zigaretten und Bargeld) als Vergehen der Unterschlagung zur Last (Punkt II).

Rechtliche Beurteilung

Vom zuletzt angeführten (gegen B und D ergangenen) Schuldspruch wegen Unterschlagung abgesehen, bekämpfen alle vier Angeklagten das Urteil mit (getrennt ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden, denen jedoch keine Berechtigung zukommt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A:

Der Angeklagte macht die Nichtigkeitsgründe der Z. 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO geltend. Primär behauptet er, im angefochtenen Urteil fehle eine Feststellung über seinen nicht bloß auf (gewaltsame) Nötigung der Christine E zum außerehelichen Beischlaf (§ 202 StGB), sondern auf Herbeiführung ihrer Widerstandsunfähigkeit und Mißbrauch zum Beischlaf in einem solchen Zustand (§ 201 Abs 1 StGB) gerichteten Vorsatz (Z. 10); nur für den Fall, daß dem Urteil doch eine derartige Konstatierung entnommen werden sollte, rügt er die dafür gegebene Begründung als mangelhaft (Z. 5). Das bekämpfte Urteil enthält jedoch die vom Beschwerdeführer vermißte Feststellung ohnehin mit aller Deutlichkeit; denn das Erstgericht hat ausdrücklich als erwiesen angenommen, daß alle Angeklagten - sohin auch A -

bei ihrem gewalttätigen Vorgehen gegen Christine E vom (gemeinsamen) Vorsatz geleitet waren, die Genannte widerstandsunfähig zu machen (S. 232, 238, 242). Ebenso verfehlt ist der Einwand des Beschwerdeführers, die Anwendung von Gewalt durch ihn habe sich nach den Urteilsfeststellungen bloß auf das 'Auseinanderpressen' der Oberschenkel des Opfers beschränkt, worin sich noch kein auf Herbeiführung einer Widerstandsunfähigkeit des Opfers gerichteter Vorsatz manifestiere. Die Tathandlungen des Angeklagten A können indes nicht isoliert betrachtet werden; vielmehr sind der rechtlichen Beurteilung die von allen vier Tätern im bewußten und gewollten (wenn auch nicht geradezu verabredeten) Zusammenwirken gesetzten Gewaltakte in ihrer Gesamtheit zugrundezulegen, wobei diese im gegenständlichen Fall schon in Anbetracht des auf seiten der Angeklagten (extrem) überwiegenden Kräfteverhältnisses durchaus als zur überwältigung des Opfers geeignete und auch faktisch (tätergewollt) bis zu dessen Widerstandsunfähigkeit reichende Gewalt anzusehen sind.

Der Beschwerdeeinwand hinwieder, Christine E sei erst nach dem Vollzug des Geschlechtsverkehrs durch den Angeklagten A widerstandsunfähig geworden, geht - den Beschwerdeausführungen zuwider - nicht von den (gesamten) Tatsachenfeststellungen aus, wonach das Opfer angesichts der übermacht von vier gewaltsam gegen sie vorgehenden Angreifern und unter dem Eindruck der vom Angeklagten B schon in diesem Stadium des Geschehens geäußerten Drohung(en) ein weiterer Widerstand nicht mehr möglich oder doch aussichtslos und auch nicht mehr zumutbar war, demnach bereits zum Zeitpunkt, als A den Beischlaf vollzog (S. 233), Widerstandsunfähigkeit im Sinne des § 201 Abs 1 StGB gegeben war (vgl. ÖJZ-LSK 1979/313 u.a.). Die vom Beschwerdeführer dagegen ins Treffen geführte Urteilspassage 'nachdem B erkannt hatte, daß das Mädchen nunmehr (nämlich nach dem von A vollzogenen Geschlechtsverkehr) völlig widerstandsunfähig war ..' besagt nach dem Sinngehalt der Entscheidungsgründe in ihrer Gesamtheit (vgl. S. 233, 234, 244) jedenfalls nur, daß die Widerstandsunfähigkeit des Opfers noch andauerte (und nicht erst begann), als B diesen Zustand zur Erzwingung eines Mundverkehrs auszunützen suchte.

Aber auch die Mängelrüge versagt:

Beim gegen die zunächst bekämpften Urteilskonstatierungen zur subjektiven Tatseite erhobenen (unsubstantiierten) Vorwurf einer Unvollständigkeit der Begründung wird vom Beschwerdeführer ebenso wie beim weiteren Einwand in Richtung einer insoweit offenbar unzureichenden (Schein-) Begründung der vom Erstgericht aus dem festgestellten äußeren Tatgeschehen in durchaus zulässiger Weise gezogene Schluß auf die innere Tatseite (S. 240) willkürlich ignoriert.

Weder die vom Erstgericht festgestellte spätere Weigerung der Christine E, dem Angeklagten C durch Manipulationen an seinem Geschlechtsteil zur Beischlafsfähigkeit zu verhelfen, noch der Umstand, daß sie in den vom Angeklagten B verlangten Mundverkehr nicht einwilligte, hindern die Urteilsannahme, daß sie (objektiv) unfähig war, sich der Vollziehung des Beischlafs durch den Angeklagten A zu widersetzen. Undeutlich wären die bezüglichen Feststellungen nur, wenn dem Urteil nicht klar entnommen werden könnte, welche entscheidenden Tatsachen das Gericht als erwiesen angenommen hat und aus welchen Gründen dies geschehen ist, was aber der Beschwerdeführer selbst nicht zu behaupten vermag. Ebenso versagt der unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit (der Urteilsbegründung) erhobene Beschwerdeeinwand, welche der Angeklagte A darin erblickt, daß bestimmte Angaben der Zeugin Christine E übergangen worden seien: Denn ihr der überwältigung durch die Angeklagten vorausgegangener Versuch, jene durch längeres Zureden von ihrem Vorhaben abzubringen (S. 212), ist im Urteil ohnehin (sinngemäß) konstatiert worden (S. 232, 233) und betrifft zudem keine für die rechtliche Beurteilung des inkriminierten Verhaltens entscheidende Tatsache. Daß Christine E, als sie von den Angeklagten gewaltsam entkleidet wurde, den Knoten ihrer Bluse selbst geöffnet hat, um dem von einem der Täter angekündigten Zerreißen dieses Kleidungsstücks vorzubeugen (S. 213), ist mit der Annahme des Unterbleibens weiterer Gegenwehr gegen den folgenden sexuellen Mißbrauch wegen deren Aussichtslosigkeit ohne weiteres vereinbar und bedurfte darum (im Interesse einer gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe - § 270 Abs 2 Z. 5 StPO) keiner besonderen Erörterung. Die Aussage der Zeugin hinwieder, sie habe die meiste Angst vor dem Angeklagten B (wegen dessen durch Gebärden mit der brennenden Zigarette drastisch unterstrichener Drohung mit 'anderen Mitteln und Wegen') gehabt (S. 218), wurde im Urteil ohnehin berücksichtigt, indem das Gericht daraus ableitete, daß eben jene Drohung den Widerstand der Zeugin endgültig gebrochen hat (S. 233); die Behauptung des Beschwerdeführers, erst nach seinem eigenen deliktischen Handeln sei eine derartige Äußerung gefallen, entspricht nicht der Aktenlage (S. 213). Das 'Aufhören' des Angeklagten A (mit weiteren Bedrängungen) nach dem Vollzug des Geschlechtsverkehrs schließlich besagt überhaupt nichts darüber, ob das Opfer während des erzwungenen Beischlafs widerstandsunfähig war oder nicht.

Jene Beschwerdeausführungen aber, mit denen der Angeklagte A dagegen remonstriert, daß im Urteil die Annahme der Aussichtslosigkeit eines weiteren Widerstands für Christine E (auch) auf sein eigenes Eingeständnis ihrer Chancenlosigkeit gegen die Angriffe der vier Angeklagten sowie des Umstandes, daß ihr Widerstandswille in dieser Situation (ersichtlich) völlig gebrochen war, gestützt wird (S. 240), enthalten bloß einen unzulässigen und demnach unbeachtlichen Angriff gegen die im Nichtigkeitsverfahren einer Anfechtung entzogene freie Beweiswürdigung des Schöffengerichtes (§ 258 Abs 2 StPO); dem Beschwerdeführer sei in diesem Zusammenhang nur noch erwidert, daß seine vom Erstgericht verwertete Aussage in der Hauptverhandlung zwar nicht den komplexen Begriff der Widerstandsunfähigkeit im allgemeinen betraf, wohl aber die konkreten Tatsachen der Brechung des bei Christine E vorhanden gewesenen Widerstandswillens und des offenkundigen Fehlens jeder Chance für die Genannte, sich gegen die übermacht der Angreifer mit Erfolg zur Wehr setzen zu können.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B:

Dieser Angeklagte macht die Nichtigkeitsgründe der Z. 4, 5, 8, 9

lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO geltend.

Als Verfahrensmangel (Z. 4) rügt er, daß die Frage seines Verteidigers an die Zeugin Christine E, 'welche gedankliche überlegung im Hinblick auf die Möglichkeit oder Notwendigkeit eines Widerstandes sie an die von ihr empfundene und erklärte Angst knüpfte', nicht zugelassen wurde. Tatsächlich hat nach den Beurkundungen im Verhandlungsprotokoll der Vorsitzende die betreffende Frage des Verteidigers zunächst mit der Begründung, deren Thema sei bereits durch die bisherige Befragung der Zeugin ausreichend geklärt, zurückgewiesen und auf den Antrag des Verteidigers hin, die gestellte Frage (dennoch) zuzulassen, seine Entscheidung aufrechterhalten, ohne gemäß § 238 StPO ein Zwischenerkenntnis des Schöffensenats über diesen Antrag herbeizuführen (S. 218). Da aber schon die nächste Frage des Verteidigers nach der Einschätzung der mutmaßlichen Folgen eines weiteren Widerstands durch die Zeugin unbeanstandet blieb (und von der Zeugin auch beantwortet wurde - S. 219), ist schon hieraus unzweifelhaft erkennbar, daß der als Beeinträchtigung des Fragerechts der Verteidigung gerügte Vorgang keinen dem Angeklagten B nachteiligen Einfluß auf die Entscheidung üben konnte (§ 281 Abs 3 StPO).

Im Rahmen der Mängelrüge (Z. 5) wendet sich der Beschwerdeführer dagegen, daß ihm im Urteil unterstellt werde, er habe gleich den anderen Angeklagten Christine E zu einem Geschlechtsverkehr zwingen wollen, obwohl er selbst nur einen Mundverkehr angestrebt und auch bloß darauf abzielende Handlungen gesetzt habe. In den Entscheidungsgründen ist zwar zunächst von einem Vorsatz aller Angeklagten die Rede, Christine E gemeinsam widerstandsunfähig zu machen und in diesem Zustand mit ihr geschlechtlich zu verkehren (S. 232); anschließend folgt aber die Einschränkung, nach dem Vorsatz der Angeklagten habe 'zumindest einer' von ihnen einen Geschlechtsverkehr mit Christine E ausführen sollen (S. 238); letztlich lassen die Urteilsgründe (vgl. S. 242) keinen Zweifel daran, daß der Vorsatz aller Angeklagten darauf gerichtet gewesen ist, daß 'zumindest' A, C und D den Geschlechtsverkehr ausführen würden. Solcherart liegen jene Konstatierungen, durch die sich der Angeklagte B beschwert erachtet, seinem Schuldspruch wegen Verbrechens der Notzucht (I 1) gar nicht zugrunde;

insoweit wird ihm vielmehr (nur) angelastet, an der überwältigung des Opfers (jedenfalls) mit dem Vorsatz tätig mitgewirkt zu haben, daß dieses im Zustand der Widerstandsunfähigkeit (von anderen Angeklagten) zum Beischlaf mißbraucht werden sollte. Dabei hat das Schöffengericht auch angenommen, daß der Versuch des Angeklagten B, die (ersichtliche) Widerstandsunfähigkeit des Mädchens zu einem Mundverkehr auszunützen, auf einem gesonderten Willensentschluß dieses Angeklagten beruhte (S. 234, 244).

Aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit a (der Sache nach jedoch Z. 10) des § 281 Abs 1 StPO wendet sich der Angeklagte B gegen die seinem Schuldspruch zu I 1 und 2 zugrunde liegende rechtliche Annahme einer Realkonkurrenz von (teils vollendeter, teils versuchter) Notzucht mit (versuchter) Schändung nach § 205 Abs 2 StGB

und macht geltend, es komme je nach den Umständen nur entweder das eine oder das andere Delikt in Frage.

Insoweit ist der Beschwerde zwar einzuräumen, daß an sich sämtliche Unzuchtsakte, welche dem erzwungenen Beischlaf vorangehen, diesen begleiten oder ihm nachfolgen und nach Lage des Falles mit der Notzucht eine unitas actus bilden, grundsätzlich durch das Verbrechen der Notzucht konsumiert werden. Stellen jedoch der Notzucht vorangegangene, diese begleitende oder ihr nachfolgende Unzuchtshandlungen und die Notzucht selbst (auch im Zuge eines einheitlich erfolgenden geschlechtlichen Angriffs) getrennte, auf gesonderten Willensentschlüssen des Täters beruhende, auf geschlechtlichen Mißbrauch des Opfers teils durch Beischlaf, teils auf andere Art gerichtete selbständige Tathandlungen dar, dann sind jene unter dem Gesichtspunkt einer Realkonkurrenz selbständig zu werten (Leukauf/

Steininger Kommentar2 § 201 RN. 25 und die dort angeführte Judikatur).

Vorliegend konstatierte das Erstgericht, daß der - notwendigerweise eine von den ausgeführten bzw. versuchten Beischlafsakten der anderen Angeklagten getrennte Tathandlung bildende - Versuch eines Mundverkehrs durch den Angeklagten B (S. 234) auf einem gesonderten ('neuen') Willensentschluß dieses Angeklagten beruhte (S. 244). Dieser gesonderte Versuch eines unzüchtigen Mißbrauchs des (ersichtlich) bereits widerstandsunfähigen Opfers war demnach einer selbständigen Wertung zu unterziehen, sodaß die rechtliche Annahme einer Realkonkurrenz durch das Erstgericht frei von Rechtirrtum erfolgte.

Fehl geht auch die weitere Rechtsrüge (Z. 10), mit welcher der Angeklagte B das Vorliegen einer Widerstandsunfähigkeit bei Christine E negiert und sein von den Punkten I 1 und 2 des Schuldspruches erfaßtes Verhalten (bloß) als Nötigung zum Beischlaf (§ 202 StGB) bzw. zur Unzucht (§ 204 StGB) gewertet wissen will. Die Entscheidung, ob Widerstandsunfähigkeit (im Sinne der §§ 201, 203 und 205 StGB) vorgelegen ist, betrifft nicht nur - wie der Beschwerdeführer meint - eine Rechtsfrage (ÖJZ-LSK 1976/237 u.a.); als Zustand körperlicher oder seelischer Erschöpfung unterliegt die Widerstandsunfähigkeit jedenfalls auch der Beurteilung nach der forensischen Erfahrung, sodaß die bezüglichen Urteilsannahmen in den Bereich der Tatsachenfeststellungen reichen und insoweit aus einem materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht bekämpft werden können (12 Os 121/80). Den darnach maßgeblichen Urteilsannahmen zufolge hat sich aber Christine E infolge der Anwendung physischer Gewalt durch die vier, ihr körperlich weit überlegenen Täter sowie unter dem Eindruck der gegen sie geäußerten Drohungen in einer Lage befunden, in der sie aus physischen und psychischen Gründen zu weiterer Widerstandsleistung nicht mehr imstande war, ein solcher Widerstand für sie aber auch aussichtslos gewesen wäre; daraus folgt, daß von einer bloßen Beugung ihres (entgegenstehenden) Willens durch nicht bis zur Widerstandsunfähigkeit reichende Gewalt oder Drohung vorliegend jedenfalls keine Rede (mehr) sein kann.

Verfehlt ist schließlich auch der auf § 281 Abs 1 Z. 8 StPO gestützte Vorwurf des Angeklagten B, durch den Schuldspruch wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (Punkt III) sei die Anklage überschritten worden, weil ihm dieses Delikt in der Anklageschrift nicht angelastet worden sei. Wie der Beschwerdeführer jedoch selbst einräumt, war ihm in der Anklageschrift (ON. 4) unter Punkt I 2 unter anderem das Versetzen von Faustschlägen und Fußtritten als auf Zwang zur Unzucht gerichtete Anwendung von Gewalt gegen Christine E (im Sinne von § 203 Abs 1 StGB) vorgeworfen worden. Außerdem sind die genannten Tathandlungen und der durch sie bewirkte Verletzungserfolg in der Anklagebegründung erwähnt, wo auch - insoweit zutreffend (vgl. SSt. 46/66 u.a.) - hervorgehoben wird, daß bei der von der Anklagebehörde angenommenen Fallgestaltung (§ 203 StGB) eine gesonderte Zurechnung des Vergehens nach § 83 (Abs 1) StGB zu unterbleiben hätte (S. 109, 111). Nach den Feststellungen des Gerichts lag jedoch insoweit keine auf Verwirklichung eines der in den §§ 201 bis 204 StGB genannten Tatbilder gerichtete Gewaltanwendung, sondern ein selbständiger Angriff vor. Diese Abweichung vom Anklagesachverhalt im Rahmen der dem Gericht obliegenden tatsächlichen und rechtlichen Beurteilung der Anklagetat (§§ 262, 267 StPO) ändert nichts an der Identität von Anklage- und Urteilsfaktum, ist doch eben der als zusammenhängender Tatablauf in der Anklageschrift geschilderte Geschehenskomplex auch Gegenstand des ergangenen Schuldspruchs (vgl. ÖJZ-LSK 1978/343). Die behauptete Anklageüberschreitung liegt sohin

nicht vor.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten C:

Dieser Angeklagte bekämpft unter Anrufung der Z. 5

und 10 des § 281 Abs 1 StPO im wesentlichen die Annahme des Erstgerichts, daß Christine E von den Angeklagten vorsätzlich widerstandsunfähig gemacht wurde.

Eine insoweit behauptete Unvollständigkeit der Urteilsbegründung (Z. 5) liegt indessen nicht vor: Sowohl mit den in der Rechtsmittelschrift (wörtlich) zitierten Darstellungen der (vier) Angeklagten als auch mit der Aussage der Zeugin Christine E hat sich das Erstgericht hinreichend auseinandergesetzt; zu einer darüber hinausgehenden Erörterung jedes einzelnen dieser Verfahrensergebnisse in allen Details war das Gericht nicht gehalten (§ 270 Abs 2 Z. 5 StPO). Der Einwand des Beschwerdeführers, daß darnach Zweifel an der bekämpften Urteilskonstatierung geboten seien, richtet sich der Sache nach gegen die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes, die im Nichtigkeitsverfahren einer Anfechtung entzogen ist. Da zudem die Annahme der Widerstandsunfähigkeit nicht voraussetzt, daß das Opfer völlig unfähig ist, sich zur Wehr zu setzen, und es auch nicht darauf ankommt, ob das Opfer sich noch in anderer als der von ihm gewählten Weise mit mehr Erfolg hätte zur Wehr setzen können (ÖJZ-LSK 1981/90 u.a.), betreffen alle in die angeführte Richtung zielenden Einwendungen der Mängelrüge keine für die rechtliche Beurteilung der Tat entscheidenden Umstände. Der (weitere) Vorwurf einer 'Aktenwidrigkeit' einzelner Urteilsfeststellungen hinwieder ist schon deshalb verfehlt, weil ein derartiger Begründungsmangel lediglich durch unrichtige Wiedergabe des (einer Tatsachenfeststellung zugrundeliegenden) Inhalts einer bei den Akten befindlichen Urkunde oder einer gerichtlichen Aussage in den Entscheidungsgründen, nicht aber durch eine darauf beruhende Feststellung selbst verwirklicht werden kann. Die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang bekämpfte Konstatierung, daß die zum endgültigen Erlahmen der seelischen Kräfte des Notzuchtsopfers führenden Drohungen des Angeklagten B mit einer brennenden Zigarette den (sohin an einer bereits Widerstandsunfähigen unternommenen) Beischlafshandlungen bzw. - versuchen (auch des Angeklagten C) zeitlich vorangingen, sind durch die vom Beschwerdeführer unberücksichtigt gelassenen Angaben der Zeugin Christine E jedenfalls gedeckt (S. 214; vgl. S. 42-43 i. V.m. S. 210 und 215). Die ebenfalls als 'aktenwidrig' bezeichnete Konstatierung, daß der Angeklagte C nach der Weigerung von Christine E, an seinem Glied Manipulationen vorzunehmen, den Geschlechtsteil des Mädchens betastete, um doch noch eine (den Beischlaf ermöglichende) Erektion seines Gliedes herbeizuführen, ist für die rechtliche Beurteilung ohne Belang.

Die Rechtsrüge (Z. 10), mit welcher der Angeklagte C die Beurteilung des ihm zur Last gelegten Verhaltens bloß als (versuchte) Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB anstrebt, geht davon aus (S. 269), daß 'vis absoluta nicht vorgelegen' sei; mit diesem Einwand bringt der Beschwerdeführer jedoch den geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund der ein Festhalten an den Urteilsfeststellungen erfordert, nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung, weil er dabei nicht, wie er vermeint, auf den vom Schöffengericht als erwiesen angenommenen Sachverhalt abstellt; diesem zufolge haben nämlich die Angeklagten den (Widerstands-) Willen des Opfers nicht bloß gebeugt, sondern völlig ausgeschaltet und solcherart dessen Widerstandsunfähigkeit bewirkt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten D:

In seiner (nur) auf die Z. 5 des § 281 Abs 1 StPO

gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft auch der Angeklagte Siegfried D die Urteilsfeststellung, wonach er zusammen mit den (drei) übrigen Angeklagten den Widerstand der Christine E vorsätzlich gebrochen (und nicht bloß) gebeugt hat, als (offenbar) unzureichend begründet; sinngemäß macht er außerdem noch eine Unvollständigkeit der für diese Annahme gegebenen Begründung geltend.

Den bezüglichen Vorwurf rechtfertigende Verstöße der Urteilsbegründung gegen Denkgesetze oder die allgemeine Lebenserfahrung vermag der Beschwerdeführer indes nicht aufzuzeigen. Jenen im Verfahren hervorgekommenen Umständen aber, an deren (vermeintlicher) Nichtbeachtung eine Unvollständigkeit gelegen sein soll, fehlt rechtliche Relevanz, weil Widerstandsunfähigkeit im Sinne des § 201 Abs 1 StGB

auch dann gegeben ist, wenn das Opfer weiteren Widerstand wegen Aussichtslosigkeit unterläßt und sich in dieser Situation letztlich - zu erfolgversprechender Gegenwehr außerstande - mehr oder weniger widerstandslos den Angreifern fügt, wie dies bei Christine E der Fall war (vgl. hiezu EvBl 1975/270; ÖJZ-LSK 1979/313; Leukauf/ Steininger Kommentar2 § 201 RN. 8, 9).

Sämtliche Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen. Das Schöffengericht verurteilte die (vier) Angeklagten nach § 201 Abs 1 StGB (zu ergänzen: die Angeklagten Willibald Ernst B und Siegfried D unter Bedachtnahme auf § 28 StGB), und zwar Karl A, Peter C und Siegfried D zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von je achtzehn Monaten und Willibald Ernst B zu einer solchen von zwei Jahren.

Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend bei sämtlichen Angeklagten 'die außerordentlich brutale Vorgangsweise und insbesondere den Umstand, daß das Mädchen von allen Angeklagten teils durch Geschlechtsverkehr, teils durch Betasten geschlechtlich mißbraucht wurde', darüber hinaus beim Angeklagten B noch zwei Vorverurteilungen wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB sowie das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit zwei Vergehen (richtig: von einem Verbrechen mit drei Vergehen) und bei D außerdem das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit einem Vergehen; als mildernd nahm es hingegen an: bei A das volle und umfassende Geständnis, den bisher unbescholtenen Lebenswandel, den Umstand, daß es beim Verbrechen der Notzucht teilweise beim Versuch blieb, ferner die teilweise Schadensgutmachung (durch Bezahlung des Betrages von 5.000 S an Christine E), bei B das volle und umfassende Geständnis, das Alter von unter 21 Jahren, den Umstand, daß es beim Verbrechen der Notzucht teilweise beim Versuch blieb und auch die Schändung nur bis zum Versuch gedieh, bei C das teilweise Geständnis und den bisher unbescholtenen Lebenswandel sowie bei D das volle und umfassende Geständnis, den bisher unbescholtenen Lebenswandel, das Alter von unter 21 Jahren und die Schadensgutmachung beim Vergehen der Unterschlagung (durch Bezahlung von 300 S an Christine E). Mit ihren Berufungen streben alle vier Angeklagten eine Herabsetzung der Freiheitsstrafen und deren bedingte Nachsicht (gemäß § 43 StGB) an.

Den Berufungen kommt teilweise, und zwar insoweit Berechtigung zu, als damit eine Herabsetzung des Strafmaßes begehrt wird. Die vom Erstgericht herangezogenen Erschwerungsumstände bedürfen zunächst insoweit einer zugunsten der Angeklagten ausschlagenden Korrektur, als ihnen eine 'außerordentlich brutale Vorgangsweise' wie auch 'insbesKndere der Umstand, daß das Mädchen von allen Angeklagten teils durch Geschlechtsverkehr, teils durch Betasten geschlechtlich mißbraucht wurde', im Rahmen der Strafbemessung gesondert angerechnet wurde, obwohl es sich dabei um Tatbestandsmerkmale der in Rede stehenden Straftaten (§ 201 - bei B außerdem §§ 83; 205 StGB) handelt.

In Ansehung des Angeklagten B war ferner zu berücksichtigen, daß die ihm angelasteten (beiden) Vorverurteilungen wegen Sachbeschädigung im Verhältnis der §§ 31, 40

StGB stehen.

Bei einem sachgemäßen Abwägen der sohin tatsächlich vorliegenden Strafzumessungsgründe und bei richtiger Wertung des ihnen zukommenden Gewichts ist nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes bei den Angeklagten A, C und D eine Strafdauer von einem Jahr und beim Angeklagten B eine solche von zwanzig Monaten nach der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld der Angeklagten (§ 32 StGB) angemessen.

In diesem Umfang war daher den Behufungen stattzugeben. Unbegründet ist jedoch das auf Gewährung bedingter Strafnachsicht gerichtete Begehren, dem im Hinblick auf die Art der Tat (Notzucht) sowie auf die ihr adäquate Größe der Tatschuld der Angeklagten, aber auch mit Bedacht auf die berechtigten Interessen der Gesellschaft an einem wirksamen Schutz gegen derart schwere (die körperliche Integrität und) die geschlechtliche Selbstbestimmung der Frau völlig mißachtende Exzesse, wie sie vorliegend den Angeklagten zur Last fallen, nicht zuletzt schwerwiegende Gründe der Generalprävention (§ 43 Abs 2 i.V.m. Abs 1 StGB) entgegenstehen.

Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E04063

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0120OS00136.82.0303.000

Dokumentnummer

JJT_19830303_OGH0002_0120OS00136_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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