TE OGH 1983/9/1 12Os41/83

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Veröffentlicht am 01.09.1983
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Der Oberste Gerichtshof hat am 1.September 1983

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof.

Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Kathrein als Schriftführer in der Strafsache gegen Reinhold Eberhard A wegen des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1, Abs 2 und Abs 3, erster Deliktsfall, StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 14. Jänner 1983, GZ 1 a Vr 13.665/82-16, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Mühl und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Presslauer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, 1. in der rechtlichen Beurteilung der vom Schuldspruch zu I erfaßten Tat nach § 136 Abs 3 StGB sowie weiters 2. gemäß § 290 Abs 1 StPO in dem in diesem Schuldspruch enthaltenen Ausspruch, daß Reinhold Eberhard A sich die Gewalt über den Personenwagen der Marke Volvo, Kennzeichen W ..., auch durch Einsteigen in einen Lagerplatz verschafft hat und in der darauf gestützten rechtlichen Beurteilung der Tat nach § 136 Abs 2 StGB

sowie demgemäß auch im Strafausspruch einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung in dem zu 1. angeführten Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird der Angeklagte mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde sowie der Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Reinhold Eberhard A - neben einer anderen strafbaren Handlung - des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1, Abs 2 und 3, erster Deliktsfall, StGB (Faktum I des Urteilssatzes) schuldig erkannt, weil er am 13.Dezember 1982 in Wien in Gesellschaft eines bisher nicht ausgeforschten Mannes vorsätzlich den Personenwagen Marke Volvo, Kennzeichen W ..., ohne Einwilligung des Berechtigten (Fa. B) in Gebrauch genommen hat, wobei er sich die Gewalt über das Fahrzeug durch Einsteigen in ein Gebäude bzw. in einen Lagerplatz, sohin durch eine im § 129 StGB geschilderte Handlung verschaffte. Nach dem Inhalt der Entscheidungsgründe lenkte der unbekannt gebliebene Mittäter des Beschwerdeführers das Fahrzeug und verursachte an diesem nach einer gemeinsam unternommenen Fahrt einen Schaden in der Höhe von 54.000 S.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5 und 10, sachlich auch auf die Z 3

des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Mit Recht macht die Beschwerde in Ansehung der dem Beschwerdeführer angelasteten Qualifikation des § 136 Abs 3 StGB der Sache nach eine Nichtigkeit des Urteils nach der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO geltend, weil die strafsatzbedingenden Umstände des § 136 Abs 3 StGB

- entgegen der Vorschrift des § 260 Abs 1 Z 1 StPO - nicht im Tenor des Strafurteils (§ 270 Abs 2 Z 4 StPO.) angeführt worden sind, sondern nur in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO.). Ein derartiger Formverstoß wird durch den formellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO. erfaßt (10 Os 17/83).

Zutreffend werden aber auch aus dem Grund der Z 10

des § 281 Abs 1 StPO Feststellungsmängel hinsichtlich der Annahme dieser Qualifikation aufgezeigt. Dem Urteil ist lediglich zu entnehmen, daß der Mittäter des Angeklagten das Auto in Betrieb nahm und durch das aufgebrochene Eingangstor auf die Straße fuhr, wo der Beschwerdeführer zustieg, und daß dieser nicht ausgeforschte Komplize sodann nach kurzer Wegstrecke einen Unfall verursachte, bei dem das Fahrzeug beträchtlich beschädigt wurde. Die Entscheidung enthält jedoch keine Konstatierungen darüber, auf welche Weise der Angeklagte zur Herbeiführung dieses Schadens fahrlässig beigetragen hat.

Aus der für alle qualifizierenden Folgen geltenden Vorschrift des § 7 Abs 2 StGB folgt aber, daß auch im Falle des § 136 Abs 3 StGB die strengere Strafe nur denjenigen trifft, der den Schaden wenigstens fahrlässig herbeigeführt hat (Leukauf-Steininger, Kommentar2, § 136, RN. 40).

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde war darüber hinaus gemäß § 290 Abs 1 StPO von amtswegen wahrzunehmen, daß das Urteil zum Nachteil des Beschwerdeführers mit einer von ihm nicht geltend gemachten Nichtigkeit gemäß der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO behaftet ist, und zwar insofern, als nach § 136 Abs 2 StGB eine qualifizierte Begehungsweise auch durch Einsteigen in einen Lagerplatz angenommen wurde.

Das Erstgericht geht im Schuldspruch zu I/ des Urteilssatzes davon aus, daß sich der Angeklagte (zusammen mit seinem Komplizen) die Gewalt über den PKW. 'durch Einsteign in ein Gebäude bzw. in einen Lagerplatz' verschafft hat (S. 77); worin das Gericht das Vorhandensein eines Lagerplatzes im Sinne des § 129 Z 1 StGB erblickt, wird weder im Spruch noch in den Gründen des Urteils erläutert. Die Urteilskonstatierungen über die Örtlichkeit, aus welcher der Beschwerdeführer das Kraftfahrzeug in seine Gewalt gebracht hat, lassen aber erkennen, daß es sich dabei gerade nicht um einen Lagerplatz im Sinne des § 129 Z 1

StGB gehandelt hat. Denn der Umstand, daß der Täter in ein umschlossenes Firmengelände einer Möbelfabrik eingestiegen ist, in welchem der Kraftwagen abgestellt war (S. 79/80), genügt keineswegs für die Annahme eines Lagerplatzes, worunter nur eine solche Örtlichkeit verstanden werden kann, die erkennbar dazu dient, Waren (und nicht bloß Betriebsmittel, wozu auch Transportmittel zählen) aufzubewahren. In Ansehung abgestellter Kraftfahrzeuge läge der Fall nur dann anders, wenn ein Kraftfahrzeughändler Fahrzeuge auf einem umschlossenen Platz lagert, weil die Fahrzeuge diesfalls gelagerte Ware sind. Ein solcher Fall liegt aber vorliegend nicht vor, weil es sich bei der Firma B um eine Möbelfabrik handelt, sodaß der PKW. in concreto keine gelagerte Ware gewesen ist. Das in Rede stehende Einsteigen in einen Lagerplatz trifft daher schon nach den Urteilskonstatierungen nicht zu, woran sich auch bei einer Verfahrensergänzung nichts ändern könnte; es hatte daher als qualifizierende Tatmodalität zu entfallen.

Soweit sich die Nichtigkeitsbeschwerde gegen die Annahme dieser Qualifikation wendet, war sie auf diese Entscheidung zu verweisen. Die Tat bleibt allerdings deshalb nach § 136 Abs 2

StGB qualifiziert, weil der Täter, nachdem er den PKW. unversperrt und mit angestecktem Zündschlüssel auf dem Firmenareal vorgefunden hatte, zunächst in das Portierhäuschen eingestiegen ist, um den Schlüssel für das (versperrte) Ausfahrtstor aus dem Firmengelände zu suchen.

Darin kann (nach dem Tatplan des Täters) ein Verschaffen der Gewalt über das Fahrzeug - das erst darnach in Gebrauch genommen werden sollte (und wurde) - auf eine im § 129 Z 1 StGB bezeichnete Weise erblickt werden, wobei allerdings dieses Einsteigen in ein Gebäude letztlich nicht zur Gewaltverschaffung geführt hat, sondern erst das nachfolgende (nicht qualifizierte) Aufbrechen des Ausfahrtstores, was aber die Zurechnung der Qualifikation nach § 136 Abs 2 StGB nicht hindern kann, weil insoweit dieselben Grundsätze zu gelten haben wie im Falle eines zunächst versuchten Einbruchsdiebstahls mit nachfolgend vollendetem Diebstahl ohne Einbruch (vgl. hiezu Burgstaller in JBl. 1978, 400 und Leukauf-Steininger, a.a.O., § 28 RN. 62).

Hinsichtlich der (Erfolgs-)Qualifikation nach § 136 Abs 3 StGB war sohin dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen, während der Ausspruch, wonach der Angeklagte sich die Gewalt über das Fahrzeug (auch) durch Einsteigen in einen Lagerplatz verschafft hat und (auch) insoweit die (Delikts-) Qualifikation nach § 136 Abs 2 StGB verantwortet, aus dem angefochtenen Urteil auszuschalten war.

Anmerkung

E04358

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0120OS00041.83.0901.000

Dokumentnummer

JJT_19830901_OGH0002_0120OS00041_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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