TE OGH 1983/11/9 11Os156/83

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Veröffentlicht am 09.11.1983
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.November 1983

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Borotschnik als Schriftführer in der Strafsache gegen Ernst A wegen des Verbrechens der versuchten Notzucht nach den §§ 15, 201

Abs. 1 StGB über die von der Staatsanwaltschaft und vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 30.Juni 1983, GZ 9 Vr 249/83-23, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Sima und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Bassler zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Der Angeklagte wird mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 4.Juni 1958 geborene Angeklagte Ernst A des Verbrechens (richtig: des Vergehens) der Nötigung zur Unzucht nach dem § 204 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Dieses Urteil wird sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch vom Angeklagten im Schuldspruch mit Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu.

Nach den Urteilsannahmen lenkte der Angeklagte am 24.Jänner 1983 nach 18.30 Uhr seinen PKW, in den er die 18-jährige Autostopperin Walpurga B aufgenommen hatte, nach Grafenstein in einen Seitenweg, hielt das Fahrzeug an, entblößte sein Glied und forderte B auf, sich zu entkleiden. Als sie ablehnte, drohte er ihr an, sie selbst auszuziehen. Schließlich kam Walpurga B der 'energischen Aufforderung' nach und entkleidete sich teilweise. Der Angeklagte forderte sie auf, ihm 'eines herunterzublasen'. Auf ihre Weigerung begann er zu onanieren, ohne daß es zu einem Samenerguß kam. Er versuchte, sich auf Walpurga B zu legen. Da sie sich wegdrehte, war ihm dies nicht möglich, worauf er bemerkte, daß er Zeit habe. B sagte zum Angeklagten, daß sie bereit wäre, an ihm zu onanieren, worauf der Angeklagte von ihr wiederum einen Oralverkehr verlangte, er würde sonst mit Gewalt einen Geschlechtsverkehr durchführen. Dann rauchte er eine Zigarette und onanierte wieder. Walpurga B flüchtete aus dem Fahrzeug, wurde aber vom Angeklagten eingeholt, auf den Boden geworfen, gewürgt und ins Fahrzeug zurückgezerrt. Dort wiederholte der Angeklagte seine Aufforderung zum Oralverkehr. Walpurga B lehnte neuerdings ab. Nunmehr versuchte der Angeklagte mehrmals, ihren Geschlechtsteil zu betasten. B drehte sich weg, worauf er nur an die Oberschenkel in der Gegend des Geschlechtsteiles greifen konnte. Dann versuchte der Angeklagte erfolglos, sein Fahrzeug zu starten. Er stieg aus dem PKW und öffnete die Motorhaube. Diese Gelegenheit nützte Walpurga B zu einem weiteren Fluchtversuch. Sie wurde vom Angeklagten aber wieder eingeholt, kam zu Sturz, worauf der Angeklagte sie mit dem Kopf auf den vereisten Boden schlug. Auf dem Boden liegend wurde sie vom Angeklagten gewürgt, bis sie benommen war. Sie schrie, er solle aufhören, sie tue alles, was er wolle. Hierauf ging der Angeklagte ins Auto zurück, wohin er auch die Zeugin brachte.

Dort legte er die Liegesitze zurück. Nach einiger Zeit fragte er B, ob er sie nach Hause, zur Polizei oder zum Arzt bringen solle. B wollte nach Hause gebracht werden, worauf der Angeklagte sie mit seinem Fahrzeug nach Hause führte (S 145, 146).

Diesen von der Staatsanwaltschaft als Verbrechen der versuchten Notzucht nach den §§ 15, 201 Abs. 1 StGB inkriminierten Sachverhalt beurteilte das Erstgericht - wie bereits eingangs erwähnt - als (vollendetes) 'Verbrechen' (richtig: Vergehen) der Nötigung zur Unzucht nach dem § 204 Abs. 1 StGB. Hiezu wird in der rechtlichen Begründung des angefochtenen Urteils unter anderem ausgeführt (S 148 f): 'Die Absicht des Angeklagten war sicher, mit Walpurga B geschlechtlich zu verkehren ... Sicher hatte er sie noch bedrängt, als er erkannte, daß Walpurga B zu einem Geschlechtsverkehr mit ihm freiwillig nicht bereit war. Er hatte aber freiwillig die(se) Tatausführung aufgegeben. Hiezu wurde er nicht durch wirkliche oder angenommene Hinderungsgründe zur Aufgabe der geplanten Tat veranlaßt. Der Angeklagte hatte sich schließlich im Fahrzeug auf dem Liegesitz zurückgelehnt, sowohl er als auch Walpurga B rauchten eine Zigarette und dann machte er ihr den Vorschlag, sie zum Arzt oder zur Polizei zu bringen. Somit hat er zur Gänze aus freien Stücken, aus autonomem Motiv, freiwillig die Tatausführung aufgegeben. Es konnte daher dieses Verhalten des Angeklagten nicht dem Tatbestand der versuchten Notzucht unterstellt werden. Wohl aber hatte er nach Gewaltanwendung Walpurga B im Bereiche des Geschlechtsteiles berührt und sie aufgefordert, einen Mundverkehr durchzuführen. Damit hatte er aber mit Gewalt diese zur Unzucht genötigt, denn Unzucht umfaßt alle Handlungen, wodurch objektiv die Sittlichkeit in geschlechtlicher Beziehung verletzt wird. Auf Grund des ganzen Verhaltens des Angeklagten war festzustellen, daß es in seiner Absicht lag, (an) Walpurga B durch Betasten im Bereiche ihres Geschlechtsteiles, aber auch durch die Aufforderung zum Oralverkehr Unzuchtshandlungen zu setzen und diese hiezu gewaltsam zu nötigen.'

Zutreffend macht die Staatsanwaltschaft geltend, daß aus den Feststellungen des Urteiles nicht zu erkennen ist, mit welchem inneren Vorhaben der Angeklagte die vom Erstgericht konstatierten Tathandlungen setzte. Dem Urteil ist inbes. nicht zu entnehmen, ob die - nach den Urteilskonstatierungen auf geschlechtlichen Mißbrauch der Walpurga B teils durch Beischlaf, teils auf andere Art gerichteten - Tathandlungen des Angeklagten auf einem einheitlichen (auf sexuellen Mißbrauch durch Beischlaf oder Mundverkehr abzielenden) Willensentschluß oder jeweils auf gesonderten Willensentschlüssen beruhten und diesfalls als selbständige, Realkonkurrenz zwischen den Tatbeständen der Notzucht und des Zwanges zur Unzucht bzw. zwischen Nötigung zum Beischlaf und Nötigung zur Unzucht bewirkende geschlechtliche Angriffe auf Walpurga B zu werten sind (vgl. EvBl. 1980/54, 13 Os 65/82; Pallin im WK Rz. 28 zu § 201 StGB). Mangels derartiger Feststellungen zur inneren Tatseite jeweils in bezug auf das in mehreren Phasen abgelaufene Tatgeschehen kann aber auch nicht - wie dies die Anklagebehörde unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes nach dem § 281 Abs. 1 Z 10 StPO anstrebt - beurteilt werden, ob der Versuch, 'sich auf Walpurga B zu legen', was von Walpurga B durch 'Wegdrehen' ihres Körpers verhindert wurde, den (mißlungenen und damit schon begrifflich strafaufhebenden Rücktritt /§ 16 Abs. 1 StGB

/

ausschließenden) Versuch der Notzucht nach den §§ 15, 201 Abs. 1 StGB darstellt, zumal - wie die Staatsanwaltschaft des weiteren aufzeigt - auch Urteilsannahmen darüber fehlen, ob die Gewalttätigkeiten tätergewollt zur gänzlichen Ausschaltung (Brechung) oder nur zur Beugung des jedem geschlechtlichen Tun entgegenstehenden Willens der Walpurga B führen sollten. Diese Feststellungsmängel stehen einer Beurteilung des Tatverhaltens überhaupt und im besonderen unter dem Gesichtspunkt einer Abgrenzung der Delikte nach den §§ (15) 201 und 203 StGB einerseits bzw. jener nach den §§ (15) 202 und 204 StGB anderseits entgegen. Es zeigt sich sohin, daß - ohne daß es eines Eingehens auf die weiteren von der Staatsanwaltschaft geltend gemachten Nichtigkeitsgründe (in Ansehung der Annahme eines freiwilligen Rücktrittes vom Versuch des Notzuchtverbrechens) bedarf - im Urteil und seinen Entscheidungsgründen jene Tatsachen nicht festgestellt sind, die bei richtiger Anwendung des Gesetzes dem Erkenntnis zugrundezulegen wären (§ 288 Abs. 2 Z 3 StPO).

Daher war der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Folge zu geben und wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen. Mit seiner - primär gleichfalls eine Urteilsaufhebung begehrenden - Nichtigkeitsbeschwerde und mit seiner Berufung war der Angeklagte, ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung, auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E04416

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0110OS00156.83.1109.000

Dokumentnummer

JJT_19831109_OGH0002_0110OS00156_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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