TE OGH 1984/8/23 13Os102/84

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Veröffentlicht am 23.08.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.August 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Horak, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann (Berichterstatter) und Dr. Brustbauer als wRere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wittmann als Schriftführers in der Strafsache gegen Alois A wegen des Verbrechens der versuchten Notzucht nach § 15, 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengerichts vom 7.Mai 1984, GZ 35 Vr 396/84-16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Scheibenpflug, und des Verteidigers Dr. Schischka, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Strafe auf 5

(fünf) Jahre herabgesetzt.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 29.Dezember 1959 geborene Hilfsarbeiter Alois A des Verbrechens der versuchten Notzucht nach § 15, 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 2.Februar 1984

in Tarrenz versucht, Luitgard B mit Gewalt gegen ihre Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben widerstandsunfähig zu machen, indem er sie zu Boden riß, würgte, ihr ein Seil um den Hals legte, sie knebelte und mit dem Umbringen bedrohte, um sie in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf zu mißbrauchen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit einer nominell auf die Gründe der Z 5, 9 lit a und b sowie 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Die Mängelrüge bringt vor, daß die Urteilsfeststellung, der Angeklagte habe das Mädchen zu Boden gerissen, aktenwidrig und die Annahme, er habe B widerstandsunfähig gemacht, offenbar unbegründet sei. Dem ist lediglich zu erwidern, daß die festgestellte Tathandlung in sämtlichen Verfahrensergebnissen (Aussage der Zeugin Luitgard B vor der Gendarmerie S. 25 und in der Hauptverhandlung, in der sie diese zu ihren gerichtlichen Angaben erhob, S. 88; geständige Verantwortung des Angeklagten vor der Gendarmerie S. 30, vor dem Untersuchungsrichter S. 40 und in der Hauptverhandlung S.

87) volle Deckung findet. Was die von der Beschwerde dem Urteil unterstellte Widerstandsunfähigkeit der Luitgard B anlangt, genügt der Hinweis, daß nach den eindeutigen Urteilsannahmen das Mädchen tatsächlich nicht widerstandsunfähig gemacht, sondern dies (zum Zweck eines nachfolgenden Mißbrauchs zum außerehelichen Beischlaf) bloß versucht wurde.

Schließlich hat sich das Erstgericht auch mit der Frage der Volltrunkenheit des A zum Tatzeitpunkt befaßt, eine solche aber auf Grund des unbedenklichen Gutachtens des Sachverständigen ausgeschlossen (S. 101). Wenn der Angeklagte nunmehr behauptet, zur Tatzeit 'total berauscht und seiner Sinne nicht mächtig' gewesen zu sein, versucht er damit in unzulässiger Weise die entgegenstehende mängelfrei getroffene Feststellung des Erstgerichts nach Art einer Schuldberufung zu relevieren. Die Mängelrüge erweist sich somit in allen Punkten als verfehlt.

Aber auch die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a und 10 - richtig nur Z 10 - StPO), die Tat wäre richtigerweise nicht nach § 201 Abs 1 StGB, sondern nach § 202 (Abs 1) StGB strafbar, weil Gewalt und Drohung nicht imminent gewesen seien und das Mädchen nicht widerstandsunfähig gemacht worden sei, sondern sich habe losreißen und um Hilfe rufen können, geht fehl.

Ziel des Täters ist es beim Verbrechen der Notzucht, eine Person weiblichen Geschlechts widerstandsunfähig zu machen und sie in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf zu mißbrauchen. Darauf war nach den getroffenen Feststellungen der Vorsatz des Angeklagten gerichtet. In Ausführung seines Tatplans lauerte er der ihm persönlich bekannten Luitgard B kurz nach 6 Uhr morgens bei völliger Dunkelheit (S. 13, 23, 25) auf dem Weg zur Bushaltestelle auf, erfaßte sie am Oberkörper und am Hals und versuchte, sie in einen geöffneten Stadel zu ziehen. B rief um Hilfe, konnte sich kurzfristig auch losreißen, wurde aber von A wiederum erfaßt und zu Boden gerissen. A legte ihr ein ca. 1 1/2 m langes Seil um den Hals, würgte sie und stopfte ihr ein Ende dieses Seiles als Knebel in den Mund. Er äußerte dabei, daß er mit ihr den Beischlaf ausüben wolle und sie ruhig sei sylle, sonst würde er sie umbringen. Als sich die Schwester der Luitgard B, gleichfalls auf dem Weg zu) Arbeit, näherte, ergriff der Täter die Flucht (S. 2 3 31, 32, 97, 99). Der Angeklagte hat somit gegen das Mädchen nicht nur Gewalt - worunter der Einsatz physischer Kraft zur Brechung eines wirklichen oder vermuteten Widerstands ('vis absoluta')92W verstehen ist - angewendet, sondern B überdies durch die Ankündigung, sie umzubringen, was nach der gegebenen Situation die Ankündigung der sofortigen Verwirklichung des angedrohten übels bedeutete, in der im § 201 Abs 1 StGB vorausgesetzten Weise gegenwärtig und unmittelbar bedroht. Er verwirklichte also beide Formen der Gewalttätigkeit, um das Mädchen widerstandsunfähig zu machen und es in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf zu mißbrauchen. Wenn diese massive Gewaltanwendung und Drohung nicht zum gewünschten Erfolg führte, lag dies nicht an der mangelnden Eignung der Tathandlungen, das Opfer widerstandsunfähig zu machen, sondern allein daran, daß das Verbrechen infolge Dazwischenkunft eines fremden Hindernisses (Erscheinens der Schwester) nur bis zur Entwicklungsstufe des Versuchs gedeihen konnte. Damit ist aber evident, daß der Rechtsmittelwerber alle Tatbestandsmerkmale des Verbrechens der versuchten Notzucht nach § 15, 201 Abs 1 StGB erfüllt hat. Eine Beurteilung seiner Tat als Verbrechen der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach § 15, 202 Abs 1 StGB kommt demgemäß nicht in Betracht, weil das Verbrechen nach § 202 StGB zu jenem nach § 201 StGB im Verhältnis der Subsidiarität steht (arg. 'wer außer dem Fall der Notzucht').

Soweit der Angeklagte aber, gestützt auf die Nichtigkeitsgründe der Z 9

lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO, behauptet, er habe die Tat im Zustand (allenfalls fahrlässig herbeigeführter) voller Berauschung begangen, weshalb ihm der Schuldausschließungsgrund nach § 11 StGB zugute komme und er - wenn überhaupt - nur nach § 287 StGB zu verurteilen gewesen wäre, bringt er, weil er nicht von den Urteilsfeststellungen ausgeht, weder die geltend gemachten noch einen der anderen Nichtigkeitsgründe zur gesetzmäßigen Darstellung. Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach zu verwerfen. Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 201 Abs 1 StGB eine sechsjährige Freiheitsstrafe und wies ihn gleichzeitig gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ein. Bei der Strafzumessung waren erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, mildernd hingegen das Geständnis, der Umstand, daß es beim Versuch geblieben ist, und die verminderte Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit infolge Alkoholisierung und abnormer sexueller Triebrichtung.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine wesentliche Milderung der Freiheitsstrafe und das Absehen von der Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher an.

Die Berufung ist nur teilweise berechtigt.

In dem Umstand, daß beim einschlägig vorbestraften Berufungswerber trotz zeitweiliger Behandlung in der Sonderanstalt Mittersteig (nicht zuletzt wegen verfrühter bedingter Entlassung) keine önderung seines auf abnormer sexueller Triebhaftigkeit beruhenden Charakters erreicht werden konnte und der gerade deshalb wieder massiv rückfällig wurde, manifestiert sich wohl die hohe Gefährlichkeit (§ 32 Abs 3 StGB), die eine gewichtige Komponente der Strafzumessung darstellt. Der Rechtsmittelwerber verweist aber zutreffend darauf, daß ihm, dem gerichtspsychiatrischen Gutachten zufolge, der Milderungsumstand der verminderten Zurechnungsfähigkeit zugute kommt, der zwar schon in erster Instanz berücksichtigt wurde, aber unter Bedachtnahme auf die objektive Milderung der Tatfolgen dadurch, daß es beim Versuch geblieben ist, einen vermehrten Niederschlag finden sollte. Dem Moment der Gefährlichkeit, das in der Urteilsbegründung herausgestrichen wurde, wird nämlich auch durch die (grundsätzlich auf unbestimmte Zeit anzuordnende) Maßnahme nach § 21 Abs 2 StGB Rechnung getragen. Der Oberste Gerichtshof hat es daher für noch vertretbar gehalten, die Freiheitsstrafe auf das aus dem Spruch ersichtliche Ausmaß zu mildern.

Legt man mit dem Erstgericht das Gutachten des Sachverständigen der Persönlichkeitsbeurteilung zugrunde, dann handelt es sich bei Alois A allerdings um eine im sexuellen Bereich schwer abnorme

Persönlichkeit, der eine aggressive, sadistis Neigung

zugrunde liegt, Sexualdelikte mit Gewaltanwendung

auszuführen. Diese abnorme Persönlichkeitsstruktur ist derartig tiefgreifend, daß die bisherige (zu kurze) Behandlung keinen Erfolg hatte und auch in Zukunft befürchtet werden muß, daß A derartige Notzuchtsdelikte begehen werde. Diese Gefährlichkeitsprognose wird durch den gegenständlichen Rückfall nach bedingter Entlassung aus der (bereits im Strafverfahren 35 Vr 857/81 des Landesgerichts Innsbruck mit Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgerichts vom 25.November 1981, AZ 3 Bs 437/81, angeordneten) Unterbringung in einer Anstalt nach § 21 Abs 2 StGB augenscheinlich. Die den bisherigen Lebensquerschnitt und die Ergebnisse der Begutachtung negierenden und nur allgemein die Voraussetzungen für eine Einweisung bestreitenden Berufungsausführungen vermögen keine Umstände aufzuzeigen, die für einen Verzicht auf diese, bei einem solchen Tätertyp unbedingt gebotene Maßnahme sprächen. Der Berufung war daher insoweit der Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E04638

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0130OS00102.84.0823.000

Dokumentnummer

JJT_19840823_OGH0002_0130OS00102_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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