TE OGH 1984/9/13 13Os118/84

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Veröffentlicht am 13.09.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. September 1984 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr.Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schneider (Berichterstatter), Dr.Reisenleitner, Dr.Felzmann und Dr.Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Radosztics als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alois A und Rudolf B wegen des Verbrechens des schweren Raubs nach §§ 142 Abs. 1, 143 (erster Fall) StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Alois A gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht Eisenstadt vom 29. Mai 1984, GZ. 11 Vr 1139/83-68, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr.Bassler, und des Verteidigers Dr.Schuhmeister, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Alois A zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 19.November 1949 geborene Alois A wurde mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Urteil des Verbrechens des schweren Raubs nach §§ 142 Abs.1, 143, erster Fall, StGB. (I 1), des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs.1 und 2 Z.1 StGB. (I 2) und des Vergehens nach § 36 Abs.1 lit.b WaffenG. (I 3) schuldig erkannt.

Den Schuldspruch wegen des Verbrechens des schweren Raubs (I 1) bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 345 Abs.1 Z.6 und 8 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung nicht zukommt. Als Raub (I 1) liegt dem Angeklagten nach dem Wahrspruch der Geschwornen, welche die an sie im Sinn des Anklagevorwurfs (§ 312 Abs.1 StPO.) gestellte Hauptfrage 1 in Richtung des Verbrechens nach §§ 142 Abs.1, 143, erster Fall, StGB. uneingeschränkt bejahten, zur Last, am 28.Oktober 1983 in Jormannsdorf in Gesellschaft der abgesondert verfolgten Jugendlichen Maria C als Beteiligter dem Johann D dadurch mit Gewalt gegen dessen Person einen Bargeldbetrag von 1.200 S mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, daß er verabredungsgemäß Maria C, die sich mit Johann D zur Durchführung eines Geschlechtsverkehrs in dessen Wohnung begeben hatte, folgte, die elektrische Beleuchtung ausschaltete und Johann D zwei Faustschläge ins Gesicht versetzte, sodaß dieser zu Boden stürzte, wo ihn der Angeklagte festhielt, bis es Maria C gelang, Johann D die Brieftasche samt Bargeld aus der Brusttasche seines Arbeitsanzugs zu nehmen. Als (weiterer) Tatbeteiligter am Raub wurde Rudolf C (rechtskräftig) mitverurteilt

(II).

Unter Anrufung des Nichtigkeitsgrunds nach § 345 Abs.1 Z.6 StPO. vertritt der Beschwerdeführer ohne nähere Konkretisierung die Ansicht, daß ungeachtet dessen, daß die Fragestellung an die Geschwornen von der Verteidigung unbeanstandet geblieben war, den Geschwornen 'außer den Hauptfragen noch Zusatzfragen und Eventualfragen hätten gestellt werden müssen', und zwar Zusatzfragen nach einem Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgrund (z.B. Notwehr, Notstand in der Sache D) und nach Milderungsumständen (Unbesonnenheit), sowie eine Eventualfrage in Richtung des Verbrechens des räuberischen Diebstahls.

Dem ist entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Gemeinsame Voraussetzung für Zusatzfragen und Eventualfragen an die Geschwornen ist, daß in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, die, wenn sie als erwiesen angenommen werden, die Strafbarkeit ausschließen oder aufheben würden (§ 313 StPO.) bzw. - hier nach der Beschwerde allein aktuell - nach denen die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger ist, als das in der Anklageschrift angeführte (§ 314 Abs.1 StPO.). Erschwerungs- und Milderungsumstände sind nur unter der Voraussetzung Gegenstand einer Zusatzfrage an die Geschwornen, daß in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht wurden, die, wenn sie als erwiesen angenommen werden, einen im Gesetze namentlich angeführten Erschwerungs- oder Milderungsumstand begründen würden, der nach dem Gesetz die Anwendung eines anderen Strafsatzes bedingt (§ 316 StPO.). Das aber trifft für die behauptete Unbesonnenheit des Angeklagten nicht zu. Ein eine Zusatz- bzw. Eventualfrage forderndes Vorbringen von Tatsachen im Sinn der §§ 313, 314 Abs.1 StPO. hinwiderum ist nur dann anzunehmen, wenn im Beweisverfahren Umstände vorgebracht wurden, durch die, wenn sie zutreffen, die Annahme dieser Tatsachen in den nahen Bereich der Möglichkeit gerückt wird, mit denen sich sonach, wenn eine dem Schöffengericht zur Beurteilung zugewiesene Handlung vorläge, das Urteil im Sinn der Bestimmung des § 270 Abs.2 Z.5 StPO. auseinandersetzen müßte. Nicht ein als möglich denkbares, sondern nur ein tatsächliches Verfahrensergebnis ist damit gemeint, was ja schon der Wortlaut der §§ 313 und 314 StPO. klar aussagt (zuletzt u.a. 13 0s 16/84). Dient doch die Fragestellung an die Geschwornen dazu, den Tatbestand, der sich aus der Anklage und dem Verfahren ergibt, zu präzisieren, nicht aber dazu, über allfällige Mutmaßungen einen Wahrspruch einzuholen, der seinem Wesen nach einer Tatsachenfeststellung gleichkäme, für die eine entsprechende Feststellungsgrundlage fehlt (SSt. 44/29; EvBl. 1980/222; LSK. 1984/100).

Im Beweisverfahren haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, daß der Beschwerdeführer allenfalls aus Notwehr (§ 3 StGB.) oder in entschuldigendem Notstand (§ 10 Abs.1 StGB.) gehandelt bzw. (i.S.d. § 131 StGB.) Gewalt angewendet hätte, um sich im Besitz der ohne Widerstand des Berechtigten weggenommenen Sache zu erhalten.Der Angeklagte hat vielmehr den Raub (I 1) überhaupt in Abrede gestellt (Band II, S.24 ff.). Nach der Schilderung der Zeugin (und bereits rechtskräftig verurteilte Mittäterin) Maria C (siehe Band II, S.19), ist ihr der Beschwerdeführer allerdings vereinbarungsgemäß in das Haus des Johann D nachgekommen, hat das Licht abgedreht und D 'eine gegeben' und ihn dann 'abgehalten', worauf sie D die Tasche (gemeint: die Brieftasche) genommen hat und beide hinausgelaufen sind (Band II, S.36 ff.). Nach der Darstellung des Zeugen Johann D ist auf einmal das Licht ausgegangen und hat er 'einen Poscher' (auch 'Woscher') erwischt. Er ist zusammengefallen und hat sich nach dem Schlag 'gar nicht ausgekannt'. Er hat 'gar nicht gemerkt, daß ihm jemand die Geldbörse zieht' (Band II, S.33).

Angesichts dieser Verfahrensergebnisse mangelt es daher an einem tatsächlichen Vorbringen, das - gegenüber der Tatschilderung in der Hauptfrage 1 - eine andere Beurteilung (i.S. des Beschwerdevorbringens) bezüglich der juristischen Gestaltung der Tat zumindest möglich erscheinen ließe und die vom Beschwerdeführer angeführte Fragestellung nach 'Notwehr' oder 'Notstand', bzw. nach dem Verbrechen des räuberischen Diebstahls indizierte. Durch das Unterbleiben der reklamierten Zusatzfragen bzw. einer Eventualfrage nach § 131 StGB. wurden die Vorschriften über die Fragestellung mithin nicht verletzt.

Demgemäß kann aber auch von einer Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung, die der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf § 345 Abs.1 Z.8 StPO. darin erblickt, daß den Geschwornen die Abgrenzung des Verbrechens des Raubs von dem des räuberischen Diebstahls nicht klargemacht wurde, keine Rede sein. Denn die Rechtsbelehrung hat nur die in den gestellten Fragen aufscheinenden Rechtsbegriffe zu erläutern. Da das vorliegende Fragenschema eine Frage nach dem Verbrechen des räuberischen Diebstahls nicht enthält, bedurfte es auch keiner Rechtsbelehrung über die Abgrenzung des Verbrechens des (schweren) Raubs von dem des räuberischen Diebstahls nach dem § 131 StGB.

Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten Alois A nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB. unter Anwendung des § 28 StGB. und Bedachtnahme gemäß § 31 StGB. auf das (seit 22.Mai 1984 rechtskräftige) Urteil des Kreisgerichts Wiener Neustadt vom 20. Jänner 1984, AZ. 11 a E Vr 2530/83, mit welchem der Genannte wegen des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden war, eine zusätzliche Freiheitsstrafe von sieben Jahren.

Gemäß § 23 Abs.1 StGB. wurde überdies seine Einweisung in eine Anstalt für gefährliche Rückfallstäter ausgesprochen. Bei der Strafbemessung wertete das Geschwornengericht die zahlreichen (auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden) Vorstrafen, den raschen Rückfall und das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen als erschwerend, als mildernd hingegen das Teilgeständnis.

Mit seiner Berufung strebt Alois A unter Hinweis darauf, daß das Raubopfer keine Verletzung davongetragen habe und der Vermögensschaden gering sei, die Herabsetzung der Freiheitsstrafe (auf das gesetzliche Mindestmaß) an.

Auch diesem Rechtsmittel ist ein Erfolg nicht beschieden. Die Zufügung einer körperlichen Verletzung oder eines höheren Vermögensschadens könnten gegebenenfalls als erschwerend angelastet werden.

Fehlt es daran, kann dies nicht schon als mildernd zugerechnet werden. Denn die schwere körperliche Verletzung eines Raubopfers begründet eine eigene Qualifikation des § 143 StGB., die leichte einen Erschwerungsgrund. Eine Raubbeute von 1.200 S ist auch nicht derart geringfügig, daß sie sich als mildernd auswirken könnte. Auf der Grundlage der vom Geschwornengericht richtig festgestellten und zutreffend gewürdigten Strafzumessungsgründe erweist sich die ohnedies aus dem unteren Bereich der gesetzlichen Strafdrohung des ersten Strafsatzes des § 143 StGB. geschöpfte siebenjährige Freiheitsstrafe als angemessen.

Anmerkung

E04927

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0130OS00118.84.0913.000

Dokumentnummer

JJT_19840913_OGH0002_0130OS00118_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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