Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20.September 1984 durch denSenatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer (Berichterstatter) als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Radosztics als Schriftführerin in der Strafsache gegen Elfriede A, Johann B und Siegfried C wegen des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Bezirksgerichts Peuerbach vom 11.Mai 1981, GZ. U 22/81-10, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Knob, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Bezirksgerichts Peuerbach vom 11.Mai 1981, GZ. U 22/81-10, verletzt die Bestimmungen der §§ 146 und 133 Abs. 1 StGB. Dieses Urteil wird aufgehoben und 1. gemäß §§ 292, 288 Abs. 2 Z. 3, erster Satz, StPO. in der Sache selbst erkannt:
Elfriede A, Johann B und Siegfried B werden von der wider sie erhobenen Anklage, am 19.November 1980 in Waizenkirchen mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Aloisia D mittels der Vorspiegelung ihres Zahlungswillens, somit durch Täuschung über Tatsachen, zur Ausgabe von Essen und Getränken, sohin zu einer Handlung verleitet zu haben, welche Aloisia D am Vermögen schädigte, und hiedurch das Vergehen des Betrugs nach § 146 StGB. begangen zu haben, gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.
2. gemäß §§ 292, 288 Abs. 2 Z. 3, zweiter Satz, StPO. die Sache im Umfang der Aufhebung des Schuldspruchs des Siegfried B wegen Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 StGB. zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem Urteil des Bezirksgerichts Peuerbach vom 11.Mai 1981, GZ. U 22/81-10, wurden Elfriede A, Johann B und Siegfried B des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB., Johann B und Siegfried B als Beteiligte (ersichtlich gemeint als Gehilfen) nach § 12 StGB., Siegfried B darüber hinaus des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 StGB.
schuldig erkannt. Elfriede A und Johann B wurden hiefür zu Geldstrafen verurteilt, bei Siegfried B wurden gemäß § 13 JGG. der Ausspruch und die Vollstreckung der zu verhängenden Strafe für eine Probezeit von zwei Jahren vorläufig aufgeschoben.
Das Urteil blieb unangefochten.
Inhaltlich des Schuldspruchs haben Elfriede A und ihre beiden Brüder Johann B und Siegfried B am 19.November 1980 im Gasthaus der Aloisia D in Waizenkirchen mit Bereicherungsvorsatz die Gastwirtin durch Vorspiegelung ihres Zahlungswillens zur Ausgabe von Essen und Getränken verleitet (Schaden laut Hauptverhandlungs-Protokoll S. 49: 106 Schilling).
Siegfried B liegt weiters zur Last, am 20.Mai 1981 in Waizenkirchen ein ihm anvertrautes Gut, nämlich ein ihm für eine Probefahrt übergebenes Motorfahrrad, entgegen der Vereinbarung, tags darauf den Kaufpreis zu zahlen oder das Fahrzeug und den Zulassungsschein zurückzubringen, sich mit Bereicherungsvorsatz zugeeignet zu haben. Zum Betrugsvorwurf stellt das Urteil fest, daß die drei Geschwister das Gasthaus aufsuchten, wobei ausgemacht war, daß A die Zeche begleichen werde. Nach der Konsumation verschiedener Speisen und Getränke wollte sie wirklich bezahlen, doch leistete die Kellnerin ihrem Ruf nicht sofort Folge. Die Beschuldigten warteten nun noch eine Weile, waren sich jedoch ab diesem Zeitpunkt einig, daß sie, ohne zu zahlen, gehen würden, falls die Kellnerin oder die Wirtin in der nächsten Zeit nicht kommen sollte. Als nach geraumer Zeit noch niemand erschienen war, verließen die Beschuldigten das Lokal. Zum Veruntreuungsfaktum wird ausgeführt, daß sich Siegfried B wegen eines Motorfahrrads mit Josef E in Verbindung gesetzt hat. Die beiden vereinbarten, daß B eine Probefahrt machen könne und am nächsten Tag entweder das Motorfarrad und den Zulassungsschein zurückbringen oder den Kaufpreis von 2.500 S bezahlen müsse. B fuhr mit dem Motorfahrrad weg, kam aber weder am nächsten Tag noch in den folgenden Tagen zu E zurück und bezahlte auch nicht den vereinbarten Kaufpreis. Erst, als er von Gendarmeriebeamten aufgegriffen wurde, gab er das Motorfahrrad dem E zurück (so das Urteil S. 54 in Widerspruch mit den eigenen Angaben des Beschuldigten Seite 44, wonach der Eigentümer sein Fahrzeug von den Beamten des Gendarmeriepostens erhielt).
Rechtliche Beurteilung
Das Urteil steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.
1. Betrug verlangt eine Täuschung über Tatsachen und wenigstens bedingt vorsätzliches Handeln (§ 7 Abs. 1 StGB.).
Festgestelltermaßen hat A im Einvernehmen mit ihren Brüdern zunächst die gesamte Zeche bezahlen wollen. Bei der Bestellung der Speisen und Getränke wollten die Beschuldigten zahlen, täuschten also niemanden, von einem Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz konnte keine Rede sein. Den Entschluß, das Lokal ohne Bezahlung zu verlassen, faßten die drei Personen erst, nachdem sie die bestellten Speisen und Getränke bereits konsumiert und vergebens nach der Kellnerin gerufen hatten. In diesem Zeitpunkt war aber die Bereicherung infolge des Verzehrs bereits eingetreten, sodaß ein Vorsatz, 'sich unrechtmäßig zu bereichern' (§ 146 StGB.), begrifflich nicht mehr gefaßt und auch nicht mehr wirksam werden konnte (EvBl. 1984/17).
Elfriede A, Johann B und Siegfried B waren daher bei richtiger Beurteilung des festgestellten Sachverhalts sowohl wegen Mangels am Tatbestand (Täuschung über Tatsachen) als auch wegen Fehlens des tatbestandlich geforderten Bereicherungsvorsatzes von der Anklage des Betrugs freizusprechen (§§ 292, 288 Abs. 2 Z.3 StPO.).
2. Die zum Anklagevorwurf der Veruntreuung getroffenen Urteilskonstatierungen reichen nicht aus, um Siegfried B des Vergehens nach § 133 Abs. 1 StGB. schuldig zu erkennen. Daß B das am 20. Mai 1981
übernommene Motorfahrrad über den vereinbarten Zeitraum hinaus benützt und es in den folgenden Tagen bis zu seinem Aufgreifen durch die Gendarmerie bereits am 23.Mai 1981 weder zurückgestellt noch den vereinbarten Kaufpreis bezahlt hat, ersetzt nicht die Feststellung, daß sich der Beschuldigte das Fahrzeug mit Bereicherungsvorsatz in einer den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 StGB.
entsprechenden Weise (siehe hiezu Leukauf-Steininger 2 , § 133 StGB. RN. 14
und die dort zitierte Judikatur) zugeeignet hat. Insoweit haftet dem Urteil ein Feststellungsmangel (§§ 468 Abs. 1 Z. 4, 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO.) an, der dem Verurteilten Siegfried B zum Nachteil gereicht und eine diesbezügliche Verfahrenserneuerung unumgänglich macht (§§ 292, 288 Abs. 2 Z. 3, zweiter Satz, StPO.).
Anmerkung
E04931European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0130OS00130.84.0920.000Dokumentnummer
JJT_19840920_OGH0002_0130OS00130_8400000_000