TE OGH 1984/11/21 11Os151/84

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Veröffentlicht am 21.11.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.November 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lengauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hans Jürgen A u.a. wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den § 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 2 StGB und anderer Delikte über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der gesetzlichen Vertreter des genannten Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Jugendschöffengericht vom 25. Juli 1984, GZ 8 Vr 227/84-62, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Strasser, des Angeklagten Hans Jürgen A, seiner Mutter und gesetzlichen Vertreterin Marianne A und des Verteidigers Dr. Hanslik zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die über Hans Jürgen A verhängte Freiheitsstrafe auf 1 (ein) Jahr herabgesetzt wird. Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Hans Jürgen A auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das in Ansehung der Verurteilung von Mitangeklagten sowie einiger Teilfreisprüche in Rechtskraft erwuchs, wurde der am 5.März 1968 geborene jugendliche Angeklagte Hans Jürgen A des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den § 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 2 StGB (Punkt I A bis G des Schuldspruches), des Vergehens des Betruges nach dem § 146 StGB (Punkt II des Schuldspruches), des Vergehens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB (Punkt IV des Schuldspruches) und des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach dem § 298 Abs. 1 StGB (Punkt V des Schuldspruches) schuldig erkannt. Dieses Urteil fechten die Eltern des genannten Angeklagten als dessen gesetzliche Vertreter in bezug auf die (Einbruchs-) Qualifikation des Diebstahls nach dem § 129 Z 2 StGB (mit ausdrücklicher Ausnahme des Faktums I B 6) sowie in Ansehung der Schuldsprüche Punkt IV und V wegen der Vergehen nach dem § 297 Abs. 1 und dem § 298 Abs. 1 StGB mit einer ausdrücklich auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an.

In den Schuldsprüchen wegen Diebstahls liegt dem Beschwerdeführer eine Reihe teils in Gesellschaft weiterer Beteiligter und teils allein in der Zeit von etwa April 1982 bis Juni 1984 verübter Diebstähle von Sachen in einem 5.000 S übersteigenden Wert zur Last. Hievon wurden nach den Urteilskonstatierungen der Diebstahl von 1.000 S zum Nachteil des Inhabers des Gasthauses 'N***', Josef B, im August 1983 durch Öffnen eines versperrten Geldfaches (Geldlade) mit dem zugehörigen, vom Angeklagten A aus einer Nachbarlade widerrechtlich an sich gebrachten Schlüssel (Punkt I B 6 des Schuldspruches) sowie der am 1.Juli 1983 neuerlich im Gasthaus 'N***' verübte Diebstahl von 1.500 S durch Öffnen eines Automaten mit einem vom Angeklagten A zuvor im Cafe 'P***' gestohlenen, zufällig passenden Schlüssel (Punkt I F) begangen (vgl. auch Band II, ON 62, S 88, 90, 104 f d A = S 22, 24, 38 f der Urteilsausfertigung).

Rechtliche Beurteilung

Soweit in der Nichtigkeitsbeschwerde unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO eine unrichtige rechtliche Subsumtion der dem Angeklagten insgesamt zur Last liegenden Diebstahlstaten unter den § 129 Z 2 StGB mit dem Einwand gerügt wird, daß diese Qualifikation nur für das Einzelfaktum I B 6 zutreffe, wird verkannt, daß mehrere von einem Täter verübte Straftaten gleicher Art (gleichartige Deliktswiederholung) mit Wert- oder Schadensqualifikation, wie etwa Diebstähle, infolge des Zusammenrechnungsprinzipes (§ 29 StGB) bei gemeinsamer Aburteilung rechtlich eine Einheit bilden. Zur Annahme einer Qualifikation reicht es daher aus, wenn sie auch nur bei einem einzigen von mehreren Fakten vorliegt (Mayerhofer-Rieder, ENr. 43 zu § 281 Z 10 StPO; 11 Os 34/81 uva).

Demnach ist die erstgerichtliche Annahme der Qualifikation der Diebstähle in ihrer Gesamtheit (auch) nach dem § 129 Z 2 StGB, deren Vorliegen im Faktum I B 6 von den Beschwerdeführern gar nicht bestritten wird, frei von Rechtsirrtum.

Nichtigkeit nach dem § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a - sachlich 9 lit. b - StPO wird in Ansehung der Schuldsprüche IV und V wegen der Vergehen nach den § 297 Abs. 1 und 298 Abs. 1 StGB mit dem Einwand geltend gemacht, es fehle an Feststellungen zum Unrechtsbewußtsein, das bei einem (zur Tatzeit) 15-Jährigen für diese Delikte nicht (ohne weiteres) anzunehmen sei.

Auch diese Rüge versagt.

Als Vergehen der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB liegt Hans Jürgen A zur Last, daß er am 24.September 1983 Robert C der Gefahr einer behördlichen Verfolgung wegen des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 StGB aussetzte, indem er vor Beamten des Gendarmeriepostenkommandos Braunau bewußt wahrheitswidrig behauptete, der Genannte sei Anfang 1983 beim Diebstahl von acht Packungen Zigaretten im Wert von 144 S zum Nachteil der Christine D beteiligt gewesen und habe Mitte 1983 einen Bargeldbetrag von 1.500 S der Else E sowie Anfang 1982 100 DM einem Unbekannten gestohlen (Punkt IV 1 bis 3) des Schuldspruches). A hatte indes den erstgenannten Diebstahl allein begangen, die zwei weiteren Diebstähle 'erfunden' und bei seinen wider besseres Wissen erhobenen Anschuldigungen es für möglich gehalten und sich damit abgefunden, daß er hiedurch C der Gefahr der behördlichen Verfolgung wegen von Amts wegen zu verfolgender mit Strafe bedrohter Handlungen aussetzte.

Im Zusammenhang mit der Anschuldigung gegen C wegen Diebstahls von 1.500 S (Punkt IV 2) bezichtigte A wissentlich sich selbst fälschlich, einen Anteil von 500 S aus der Diebsbeute in Kenntnis der Herkunft übernommen zu haben (Punkt V des Schuldspruches). Der Beschwerde ist zwar zuzugeben, daß in der Frage der - bei erwachsenen und schuldfähigen Tätern in der Regel zu vermutenden - Verbotskenntnis bei jugendlichen Straftätern eine differenzierende Betrachtung geboten sein kann.

Vorliegend nahm aber das Erstgericht - was von der Beschwerde nicht bekämpft wird - als erwiesen an, daß (auch) der Angeklagte A reif war, das Unrecht seiner Taten - daher auch der Verleumdung und der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung - einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Feststellungen in bezug auf einen allfälligen Mangel des Unrechtsbewußtseins, der einen Rechtsirrtum im Sinn des § 9 StGB begründen konnte (SSt. 46/29 ua), waren nach den Verfahrensergebnissen nicht indiziert.

Denn der Angeklagte bekannte sich der Verleumdung und der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung schuldig und gab insbesondere zu, daß seine Angaben 'erstunken und erlogen' waren, ihm (auch) klar war, daß er C 'reinzieht und daß dieser wegen dieser Sache angeklagt wird', bzw. daß er gedacht habe, die Gendarmerie werde C (erst einmal) vernehmen (Band II, ON 61, S 34 f, 37 d A). Aus dieser Verantwortung, die keinen Hinweis auf einen Rechtsirrtum enthält, ist vielmehr zumindest bedingtes - und daher ausreichendes - Unrechtsbewußtsein (vgl. Leukauf-Steininger 2 , RN 3 zu § 9 StGB) ableitbar.

Aus den dargelegten Erwägungen war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB und den § 11 JGG nach dem § 129 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von fünfzehn Monaten, die es gemäß dem § 43 StGB (§ 11 Z 3 JGG) unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die vielen diebischen Angriffe in rascher Abfolge und über einen längeren Zeitraum, die Tatsache, daß der Angeklagte den Mitangeklagten C mehrfach verleumdete, das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen und insbesondere den Umstand, daß sich der Angeklagte 'nach Zustellung der Anklageschrift wiederum dazu hinreißen ließ, einen nicht unbeträchtlichen Geldbetrag zu stehlen'. Als mildernd hielt es dem Angeklagten das umfassende Geständnis zugute, das auch zur Wahrheitsfindung beitrug.

Mit ihrer Berufung streben die gesetzlichen Vertreter des Angeklagten eine Strafermäßigung an.

Die Berufung ist berechtigt.

Im Ergebnis zutreffend weisen die Berufungswerber darauf hin, daß dem Angeklagten der (bloße) Verdacht, schon in strafunmündigem Alter eine an sich mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben (Bd. II S 83 d.A), nicht den Milderungsgrund des bisher ordentlichen Lebenswandels nehmen kann. Dazu kommt, daß der Angeklagte bei einem Teil der ihm zur Last fallenden Straftaten das 14. Lebensjahr nur knapp überschritten hatte.

Unter diesem erweiterten Aspekt erscheint aber eine Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten überhöht. Sie war daher auf ein dem Unrechtsgehalt der Taten und der Schuld des Täters adäquates Ausmaß zu reduzieren.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle.

Anmerkung

E04884

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0110OS00151.84.1121.000

Dokumentnummer

JJT_19841121_OGH0002_0110OS00151_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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