TE Vwgh Erkenntnis 2005/6/9 2005/21/0098

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.06.2005
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrG 1997 §35 Abs3 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §38 Abs1 Z2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
SMG 1997 §28 Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des H, vertreten durch Anwälte Achammer und Partner, 6800 Feldkirch, Schlossgraben 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 6. April 2005, Zl. Fr-4250a-11/05, betreffend ein befristetes Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen bosnischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 iVm §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Begründend stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 16. Dezember 2003 rechtskräftig wie folgt verurteilt worden:

"L.H. hat den bestehenden Vorschriften zuwider

I) ein Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs. 6 SMG) in Verkehr gesetzt, und zwar

1) am 29.06.2003 in Lustenau versucht, 394 Gramm Kokain, minimal beinhaltend 300 Gramm reine Kokainbase, an den Drogenabnehmer zu übergeben;

2) im Juni 2003 in Vorarlberg insgesamt ca. 70 Gramm Kokain, minimal beinhaltend 30 Gramm reine Kokainbasis an S.K. übergeben;

L.H. hat hiedurch begangen:

die (22-fach) Verbrechen nach § 28 Abs. 2 vierter Fall SMG, teilweise in Form des Versuches nach § 15 StGB;

er wird hiefür nach § 28 Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 2 1/2 (zweieinhalb) Jahren verurteilt."

Bei der Strafbemessung habe das Strafgericht mildernd neben dem teilweisen Versuch u.a. die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und erschwerend die mehrfache Verwirklichung des Verbrechens berücksichtigt. Der Beschwerdeführer habe selbst kein Suchtgift konsumiert, er habe die Taten aus bloßem Gewinnstreben begangen. Auf Grund seiner Arbeitslosigkeit sei er in Geldnot gewesen und habe sich entschlossen, ein "größeres Kokaingeschäft" abzuschließen. Der Reingewinn des Beschwerdeführers hätte EUR 12.000,-- betragen. Dabei habe er es ernstlich für möglich gehalten und hingenommen, dass die betroffene Suchtgiftmenge das 22-fache der Grenzmenge an reiner Kokainbasis enthalten habe. Wie aus der Urteilsbegründung des Strafgerichts hervorgehe, sei das Handeln des Beschwerdeführers zweifellos auf Wiederholung ausgerichtet gewesen. Dabei sei ihm bewusst gewesen, dass er durch sein Handeln die Gesundheit und das Wohlergehen einer großen Anzahl von Personen gefährde. Die belangte Behörde erachte daher nicht nur den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG als erfüllt, sondern auch die Annahme im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG für gerechtfertigt, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet der öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit bzw. anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen, insbesondere jenem an der Verhinderung strafbarer Handlungen, zuwider laufe. Daran ändere nichts, dass der Beschwerdeführer am 29. September 2004 aus der Strafhaft bedingt entlassen worden sei und dass er sich seither nach seinen Behauptungen wohlverhalten habe. Die Fremdenbehörde habe nämlich das Fehlverhalten des Fremden aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts und unabhängig von den Erwägungen des Strafgerichts über die bedingte Entlassung zu bewerten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei bei Suchtgiftdelikten von deren besonderer Gefährlichkeit der diesen inne wohnenden Wiederholungsgefahr auszugehen. Letztere könne gegenständlich angesichts der erst kurzen Zeitspanne des behaupteten Wohlverhaltens seit der bedingten Haftentlassung des Beschwerdeführers nicht ausgeschlossen werden.

Auch die §§ 37 und 38 FrG stünden dem Aufenthaltsverbot des Beschwerdeführers nicht entgegen. Der Beschwerdeführer sei im Jahr 1993, somit im Alter von 12 Jahren, gemeinsam mit seiner Mutter und zwei Geschwistern als Kriegsflüchtling nach Österreich gekommen. Er habe hier die Schule besucht und eine Lehre abgeschlossen und beginnend mit 1999 bei drei näher genannten Firmen gearbeitet. Von Jänner 2003 bis November 2004 sei der Beschwerdeführer arbeitslos gewesen. Zuletzt sei er im Besitz einer Niederlassungsbewilligung gewesen und hege die Absicht, eine mit ihm befreundete österreichische Staatsangehörige zu heiraten. Sein Vater lebe nach wie vor in Bosnien. Der mehrjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet mache aber die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht unzulässig. Einerseits sei der Beschwerdeführer nämlich, da er erst im Alter von 12 Jahren nach Österreich gekommen sei, nicht "von klein auf" im Inland aufgewachsen. Andererseits stehe seinem langen Aufenthalt die Verurteilung wegen des genannten Verbrechens gegenüber. Die dem Gerichtsurteil zu Grunde liegende Straftat und ihre hohe Sozialschädlichkeit bewirke, dass die aufenthaltsbeendende Maßnahme nach Ansicht der belangten Behörde dringend geboten im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG sei. Die Suchtgiftkriminalität mindere überdies die soziale Komponente der Integration des Beschwerdeführers. In Abwägung des genannten öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich und dessen gegenläufigen Interesses am Verbleib im Bundesgebiet gelange die belangte Behörde zur Auffassung, dass die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schwerer wögen als dessen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers.

Zur Dauer des Aufenthaltsverbotes sei festzuhalten, dass dieses danach zu bestimmen sei, wann die Voraussetzungen für die Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme weggefallen sein werden. Da von Gesetzes wegen (§ 39 Abs. 1 FrG) gegenständlich sogar die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes zulässig wäre, sei die fünfjährige Befristung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen den Beschwerdeführer keinesfalls unverhältnismäßig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Beschwerdeführer tritt den behördlichen Feststellungen nicht entgegen, sodass keine Bedenken gegen die Annahme bestehen, dass gegenständlich der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 (erster Anwendungsfall) FrG erfüllt ist.

Gegen die Annahme einer Wiederholungsgefahr und damit gegen die Prognose im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG wendet der Beschwerdeführer ein, dass er das strafbare Verhalten lediglich im Juni 2003 und nicht über einen längeren Zeitraum, gesetzt habe und dass er bis dahin unbescholten gewesen sei. Vor allem sei er bereits nach Verbüßung der Hälfte der verhängten Freiheitsstrafe bedingt entlassen worden, sodass die belangte Behörde, wenn sie bei Beurteilung der Wiederholungsgefahr schon nicht an die Erwägungen des Strafgerichtes gebunden sei, nicht "nur rudimentär" hätte begründen dürfen, weshalb beim Beschwerdeführer von der Gefährlichkeitsprognose auszugehen sei. Vielmehr hätte sie sich im gegebenen Zusammenhang insbesondere damit auseinander setzen müssen, dass der Beschwerdeführer seit November 2004 wieder berufstätig und daher nicht mehr in Geldnöten sei, sodass die Umstände, die ihn zum strafbaren Verhalten verleitet hätten, weggefallen seien.

Dieses Beschwerdevorbringen ist nicht zielführend, weil die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ohnehin davon ausgegangen ist, dass es sich beim hier zu beurteilenden Fehlverhalten um die erstmalige Straftat des Beschwerdeführers handelte (vgl. zur Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes auch bei einmaliger, gravierender Verfehlung die Erkenntnisse vom 23. September 2004, Zl. 2001/21/0168, und vom 27. April 2004, Zl. 2000/18/0222). Dass dem genannten strafbaren Verhalten des Beschwerdeführers besonderes Gewicht beizumessen ist, wurde im angefochtenen Bescheid einerseits zutreffend mit der besonderen Gefährlichkeit, die von der Suchtgiftkriminalität als solcher ausgeht (vgl. für viele das Erkenntnis vom 26. Februar 2004, Zl. 2003/21/0216), begründet. Andererseits hat die belangte Behörde die besondere Sozialschädlichkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers zu Recht auch darin gesehen, dass dem in Rede stehenden Suchtgiftdelikt eine vielfache Überschreitung der "großen Menge" (§ 28 Abs. 6 SMG) an Suchtgift zu Grunde lag (was sich auch im hohen Strafausmaß zeigt). Vor diesem Hintergrund und der bekanntermaßen hohen Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftdelikten durfte die belangte Behörde - ohne an die Erwägungen des Strafgerichtes zur bedingten Entlassung gebunden zu sein (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. März 2003, Zl. 2003/18/0053, und vom 18. Jänner 2005, Zl. 2002/18/0009) - von der Annahme in Sinn des § 36 Abs. 1 FrG ausgehen. Dieser Prognose steht weder der kurze Zeitraum des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers seit der Entlassung aus der Strafhaft, noch der in der Beschwerde hervorgehobene Umstand entgegen, dass der Beschwerdeführer wieder einer Beschäftigung nachgeht, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass er im Fall einer neuerlichen Arbeitslosigkeit (und abermaliger Geldnot) gleichartige Straftaten verüben könnte (vgl.  etwa das Erkenntnis vom 23. November 2004, Zl. 2004/21/0258).

Soweit der Beschwerdeführer gegen den angefochtenen Bescheid den Aufenthalt im Bundesgebiet seit seinem 12. Lebensjahr einwendet, so ist daraus mit Blick auf § 38 Abs. 1 Z 4 FrG nichts für ihn zu gewinnen (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 2003/21/0216). Angesichts der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Verbrechens zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr steht dem Aufenthaltsverbot im Übrigen selbst ein zehnjähriger Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nicht entgegen (§ 38 Abs. 1 Z 2 iVm. 35 Abs. 3 Z 1 FrG).

Nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. für viele abermals das Erkenntnis Zl. 2003/21/0216) ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes selbst bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden zulässig, wenn Suchtgiftdelikte begangen wurden. Übertragen auf den vorliegenden Beschwerdefall bedeutet dies, dass § 37 FrG der Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes umso weniger entgegen steht, weil der Beschwerdeführer weder einen Ehepartner noch Kinder in Österreich hat und im Hinblick auf seine Volljährigkeit auf ein Zusammenleben mit seiner Mutter und seinen Geschwistern nicht mehr angewiesen ist.

Wenn der Beschwerdeführer schließlich die mit fünf Jahren befristete Dauer des Aufenthaltsverbotes für rechtswidrig erachtet, so ist er auch dazu auf das zitierte Erkenntnis Zl. 2000/18/0222 zu verweisen, in dem der Verwaltungsgerichtshof bei einem vergleichbaren Suchtgiftdelikt keine Bedenken gegen eine deutlich längere Dauer des Aufenthaltsverbotes hegte.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 9. Juni 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005210098.X00

Im RIS seit

30.06.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten